Az.: 3 U 109/19
UWG § 3, § 3a, § 5, § 8 Abs. 1; AMG § 4 Abs. 18 Satz 2, § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1; RL 2001/83/EG Art. 57, Art. 65 lit. f)
Nach § 4 Abs. 18 Satz 2 AMG ist auch derjenige pharmazeutischer Unternehmer, der Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt. Der Parallelvertrieb selbst ist bereits als ein Inverkehrbringen unter dem Namen des Vertreibers anzusehen. Der Parallelvertreiber ist mithin verpflichtet, auf der Umverpackung der Arzneimittel seinen Namen anzugeben und auf sein Handeln als Parallelvertreiber hinzuweisen. Das gilt auch dann, wenn er die eingeführten Arzneimittel in der Originalverpackung ohne deren Öffnung und ohne jede Veränderung in Verkehr bringt. Die unterlassene Kennzeichnung als verantwortlicher Parallelvertreiber verstößt gegen arzneimittelrechtliche Kennzeichnungsvorschriften und ist irreführend.
Ein Parallelvertrieb der eingeführten Originalverpackung unter Beibehaltung der auf dieser vom erstmaligen Inverkehrbringer angebrachten Pharmazentralnummer (PZN) ist unzulässig. Der Parallelvertreiber ist zur Überdeckung der aufgebrachten PZN und zur Anbringung einer eigenen PZN verpflichtet.
Entscheidungsgründe:
A.
Die Klägerinnen zu 1) und 2) haben die Beklagte aus Wettbewerbs- und Markenrecht auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatzfeststellung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.
Die Klägerin zu 1) ist Inhaberin der zentralen europäischen Zulassung für das Arzneimittel K.® und für das Inverkehrbringen von K.® in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verantwortlich. Die Klägerin zu 2) ist Inhaberin der Produktrechte an dem Arzneimittel K.®, einschließlich der Rechte an der Unionswortmarke „K.“, Nr. 00….., welche mit Priorität vom 2. Mai 2006 für die Waren „pharmazeutische Präparate, nämlich Arzneimittel einschließlich Tetrahydrobiopterin (BH4) und damit verbundene Präparate für die Behandlung Phenylketonurie“ registriert worden ist.
Das Humanarzneimittel K.® ist zugelassen zur Behandlung von Patienten mit Phenylketonurie (PKU), welche unter Hyperphenylalaninämie (HPA) leiden. Bei HPA handelt es sich um eine seltene Krankheit, unter der in der Europäischen Union ca. 1,7 von 10.000 Menschen, in Deutschland insgesamt ca. 7.500 Menschen leiden.
Die Klägerinnen vertreiben das Arzneimittel K.® in einem sog. „Multi-Country-Pack“, einer deutschsprachigen Verpackung, die den Kennzeichnungsanforderungen sowohl in Deutschland als auch in Österreich entspricht und daher in diesen Staaten unverändert auf den Markt gebracht werden kann. Auf der Rückseite der Verpackung befindet sich die sog. Blue Box, in der die nach den nationalen Anforderungen erforderlichen Angaben zu einem zentral zugelassenen Arzneimittel ergänzend anzubringen sind. Für den Vertrieb in Österreich heißt es dort „Österreich rezept- und apothekenpflichtig“, für den Vertrieb in Deutschland heißt es dort: „Deutschland N1 Verschreibungspflichtig … PZN…..“ bzw. Deutschland N2 Verschreibungspflichtig … PZN …. Dabei handelt es sich bis zum 1. April 2018 um die Pharmazentralnummern (PZN) der Fa. B. Europe Ltd., welche zum Konzern der Klägerinnen gehört, und ab dem 1. April 2018 um die PZN der Klägerin
Die Beklagte hat „Multi-Country-Packs“ des Arzneimittels K.®, welche die Klägerinnen in Österreich auf den Markt gebracht hatten, nach Deutschland importiert und diese Packungen in Deutschland unverändert und ohne eine Anzeige gegenüber der Europäischen Arzneimittel- Agentur (EMA) oder gegenüber den Klägerinnen in Verkehr gebracht.
Das hat u. a. dazu geführt, dass die auf diese importierten K.®-Packungen anfallenden Herstellerrabatte nach § 130a SGB V nicht der Beklagten, sondern zunächst der für die Klägerin tätigen Dienstleisterin, der Fa. B. Europe Ltd., und später der Klägerin berechnet worden sind. Die Fa. B. Ltd. hat für die Klägerin zu 1) in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. März 2018 die gemäß § 130a SGB V anfallenden Herstellerrabatte für das Präparat K.® bezahlt. Nachfolgend hat die Klägerin zu 1) der Fa. B. Ltd. die geleisteten Herstellerrabatte erstattet. Die Fa. B. Ltd. hat vor Klagerhebung sämtliche etwaigen Ansprüche, die ihr im Zusammenhang mit dem Parallelvertrieb von K.® zustehen könnten, an die Klägerin zu 1) abgetreten. Seit dem 1. April 2018 hat die Klägerin zu 1) den entsprechenden Herstellerrabatt unmittelbar selbst entrichtet.
Ende des Jahres 2017 stellten die Klägerinnen fest, dass der Klägerin zu 1) in Deutschland erheblich mehr Herstellerrabatte in Rechnung gestellt worden waren, als durch die Anzahl der von der Klägerin zu 1) in Deutschland in Verkehr gebrachten Produkte gerechtfertigt gewesen wäre.
Nachdem ein deutscher Arzneimittelgroßhändler den Klägerinnen mit Schreiben vom 10. Juli 2018 mitgeteilt hatte, dass er die aus Österreich importierten K.®-Packungen von der Beklagten bezogen hatte, ließen die Klägerinnen die Beklagte mit Schreiben vom 17. Juli 2018 abmahnen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Parallelvertrieb des aus Österreich importierten zentral zugelassenen Arzneimittels K.® bei der EMA zu notifizieren und auch die Klägerinnen entsprechend vorab zu informieren. Weiter sei die Beklagte verpflichtet, auf den Verpackungen anzugeben, dass sie der verantwortliche Parallelvertreiber sei. Darüber hinaus müsse sie auf den Verpackungen eine eigene Pharmazentralnummer angeben. Mit Antwortschreiben vom 26. Juli 2018 ließ die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche zurückweisen.
Nachfolgend haben die Klägerinnen eine entsprechende einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 13. August 2018, Az. 327 O 292/18, erwirkt. Im Anschluss daran haben die Klägerinnen die vorliegende Hauptsacheklage vom 9. Oktober 2018 erhoben, welche der Beklagten am 24. Oktober 2018 zugestellt worden ist.
Zur Klagbegründung haben die Klägerinnen ausgeführt, dass die Beklagte gemäß § 67 Abs. 7 AMG, Art. 76 Abs. 3 RL 2001/83/EG verpflichtet sei, sowohl die Klägerin zu 1) als auch die EMA über den beabsichtigten Parallelvertrieb vorab zu informieren. Als Importeurin der „Multi-Country-Packs“ des Arzneimittels K.® sei sie zudem als pharmazeutischer Unternehmer i.S.d. §§ 4 Abs. 18 Satz 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG und § 131 Abs. 5 SGB V mit den sich daraus ergebenden Pflichten anzusehen.
Nach Sinn und Zweck der §§ 130a, 131 Abs. 5 SGB V und dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 18 S. 2 Var. 1 AMG sei die Beklagte als pharmazeutischer Unternehmer mit allen rechtlichen Folgen anzusehen. Als Parallelvertreiber sei sie qua gesetzlicher Definition pharmazeutischer Unternehmer. Aus dem Zusammenspiel mit § 130a Abs. 1 und 3 SGB V folge zudem, dass der Herstellerrabatt von demjenigen Unternehmer zu tragen sei, der den Abgabepreis (ApU) für den deutschen Markt festlege. Dies sei für die von der Beklagten in Deutschland in Verkehr gebrachten Packungen des Arzneimittels K.® allein die Beklagte. Daher sei sie verpflichtet, auf den Verpackungen unter Nennung ihres Namens anzugeben, dass sie der verantwortliche Parallelvertreiber sei. Darüber hinaus habe sie eine eigene PZN auf den Verpackungen anzubringen, denn diese Angaben dienten u. a. der Bezeichnung des Schuldners des Herstellerrabatts. Die Beklagte gebe durch die Beibehaltung der PZN der Klägerin zu 1) vor, dass die Produkte von der Klägerin zu 1) in Deutschland in den Verkehr gebracht würden, was nicht der Fall sei. Die Beklagte täusche damit die Abrechnungsstelle der Apotheken und versuche auf diese Weise den anfallenden Herstellerrabatt auf die Klägerin zu 1) abzuwälzen. Die Annahme der Beklagten, dass die Klägerinnen mit der Packungsgestaltung, insbesondere der dort aufgebrachten PZN, deutlich gemacht hätten, dass sie auch für die ursprünglich in Österreich auf den Markt gebrachten Packungen den deutschen Herstellerrabatt tragen wollten, sei abwegig.
Die Beklagte verstoße gegen §§ 3a UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 18 Satz 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1, 67 Abs. 7 AMG, §§ 131 Abs. 5, 300 Abs. 1, S. 1 Nr. 1 SGB V. Darüber hinaus ergebe sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog i.V.m. §§ 263, 267 StGB wegen Betruges und Urkundenfälschung sowie aus §§ 687 Abs. 2, 678 BGB wegen fremder Geschäftsbesorgung.
Auch die von der Klägerin zu 2) geltend gemachten Klagansprüche, d.h. der Klagantrag zu II. sowie der anteilige Zahlungsantrag zu VI., seien begründet. Die von der Klägerin zu 2) geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche ergäben sich daraus, dass die Beklagte aufgrund der notwendigen Änderungen der Kennzeichnung der Verpackungen verpflichtet sei, die Klägerin zu 2) vorab zu informieren und ihr auf Anfrage kostenlos ein entsprechendes Verpackungsmuster zu überlassen. Insoweit hat sich die Klägerin zu 2) auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (zuletzt: EuGH, GRUR 2007, 586 ff., Rn. 29 f. – Boehringer Ingelheim/Swingward II) gestützt. Sie hat ausgeführt, dass insoweit zumindest Erstbegehungsgefahr bestehe.
Die Klägerinnen haben beantragt,
I. der Beklagten gegenüber der Klägerin zu 1) unter Androhung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 für jeden Fall einer Zuwiderhandlung – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, bei wiederholter Zuwiderhandlung von bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an den Geschäftsführern, aufzugeben,
die Einfuhr von Österreich nach Deutschland zu gewerblichen Zwecken und das Angebot zum Verkauf und/oder die Werbung und/oder den Verkauf und/oder den Vertrieb des Arzneimittels K.® in Deutschland zu unterlassen, ohne:
1) eine Anzeige im Voraus an die Klägerin zu 1) und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA);
und
2) die Beklagte als Parallelimporteur auf der Umverpackung des Produktes zu kennzeichnen;
und
3) die Pharmazentralnummer der Klägerin zu 1) unkenntlich zu machen und eine eigene Pharmazentralnummer anzubringen;
II. der Beklagten gegenüber der Klägerin zu 2) unter Androhung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 für jeden Fall einer Zuwiderhandlung – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, bei wiederholter Zuwiderhandlung von bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an den Geschäftsführern, aufzugeben,
die Einfuhr von Österreich nach Deutschland zu gewerblichen Zwecken und das Angebot zum Verkauf und/oder die Werbung und/oder den Verkauf und/oder den Vertrieb des Arzneimittels K.® in Deutschland zu unterlassen, ohne:
1) eine Anzeige im Voraus an die Klägerin zu 2) und
2) der Klägerin zu 2) auf ihre Anfrage kostenlos ein Muster des neu gekennzeichneten Produkts zu liefern;
III. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 1) schriftlich in einer geordneten, auf- geschlüsselt nach Packungsgröße und nach Kalendervierteljahren sortierten und jeweils Zusammenfassungen über die Anzahl des von der Beklagten in Deutschland in Verkehr gebrachten Arzneimittels K.® enthaltenden Aufstellung darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer I. bezeichnete Handlung seit dem 1. Januar 2016 begangen hat, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen sind;
IV. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1) allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin zu 1) durch die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 1. April 2018 entstanden ist und noch entstehen wird;
V. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1) allen Schaden zu ersetzen, der der B. Ltd., 6. OG, 2 G., Dublin 2, Irland, durch die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2016 entstanden ist,
hilfsweise
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1) allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin zu 1) durch die in Ziffer 1. Bezeichneten Handlungen zwischen dem 1. Januar 2016 und 1. April 2018 entstanden ist,
VI. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen als Gesamtgläubigerinnen € 2.948,90 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat den Klagantrag zu I. 1. anerkannt und im Übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sie bei dem Import der „Multi-Country-Packs“ des Arzneimittels K. aus Österreich nach Deutschland nicht als pharmazeutische Unternehmerin, sondern im Einklang mit der Warenverkehrsfreiheit in der EU lediglich als Großhändlerin tätig sei. Es sei systemwidrig, dem Großhändler bzw. Parallelvertreiber, der keinen Einfluss auf die Arzneimittelpackung und deren Inhalt habe, sämtliche Verantwortlichkeiten und Pflichten aufzuerlegen, die ansonsten den Hersteller als pharmazeutischen Unternehmer träfen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung, gemäß § 63a AMG einen in einem EU-Staat ansässigen Stufenplanbeauftragten zu bestellen, gemäß § 74a Abs. 1 S. 1 AMG einen In- formationsbeauftragten zu bestellen und für eine Deckungsvorsorge gemäß § 94 AMG zu sorgen.
Das SGB V enthalte keine eigene Definition für den Begriff des pharmazeutischen Unternehmers, sondern nehme insoweit lediglich auf das AMG Bezug. Die Voraussetzungen von
§ 4 Nr. 18 AMG lägen nicht vor, denn die Beklagte bringe das Arzneimittel schon nicht im eigenen Namen in Verkehr. Dies komme allenfalls dann in Betracht, wenn die Ausstattung des Arzneimittels für den Vertrieb in Deutschland geändert werden müsse. Daran fehle es hier, denn die „Multi-Country-Packs“ seien bereits (auch) für einen Vertrieb in Deutschland konfektioniert. Eine Verpackungsänderung sei daher nicht erforderlich. Werde § 4 Nr. 18 AMG demgegenüber dahin ausgelegt, dass auch der bloße Parallelvertrieb bei unveränderter Aufmachung des verkehrsfähigen Arzneimittels als Inverkehrbringen unter eigenem Namen angesehen werde, verstoße dies gegen Europarecht, insbesondere die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV.
Abweichend von § 9 AMG sei nach Art. 2 VO (EG) 726/2004 (Arzneimittelagentur-VO) allein der Zulassungsinhaber eines zentral zugelassenen Arzneimittels für das Inverkehrbringen des Arzneimittels verantwortlich. Den Begriff des pharmazeutischen Unternehmers kenne weder die Richtlinie 2001/83/EG (sog. Humanarzneimittelkodex) noch die VO (EG) 726/2004. Gemäß Art. 54 lit. k) RL 2001/83/EG seien auf der Verpackung ausschließlich Name und Anschrift des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen und gegebenen- falls der Name der vom Inhaber benannten Vertreter in den Mitgliedstaaten anzubringen. Die Kennzeichnung der streitgegenständlichen Arzneimittel stehe im Einklang mit diesen Anforderungen. Für weitergehende nationale Kennzeichnungsanforderungen, wie z. B. nach §§ 9, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, sei kein Raum.
Nach Art. 60 RL 2001/83/EG dürften die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in ihrem Hoheitsgebiet nicht aus Gründen, die mit der Etikettierung oder der Packungsbeilage zusammenhängen, untersagen oder verhindern, sofern diese mit den Vorschriften des V. Titels übereinstimmten. Soweit in Art. 57 RL. 2001/83/EG Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen seien, lägen deren Voraussetzungen nicht vor.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sie weder berechtigt noch verpflichtet sei, eine eigene PZN auf den Arzneimitteln anzubringen. Die Regelungen der §§ 130a Abs. 1 S. 3, 131 Abs. 5 SGB V seien vorliegend nicht anwendbar. Das ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte nicht als pharmazeutischer Unternehmer tätig geworden sei. Es sei unzulässig, der Beklagten nach nationalem deutschem Recht zu verbieten, Arzneimittelpackungen, die in Einklang mit Titel V der RL 2001/83/EG gekennzeichnet und ohne weiteres in Deutschland verkehrsfähig seien, unverändert nach Deutschland weiter zu handeln.
Zudem habe die Klägerin zu 1) mit der Angabe der PZN für Deutschland auf der Verpackung konkludent erklärt, auch für solche Verpackungen den Zwangsrabatt gemäß § 130a SGB V bezahlen zu wollen, die nicht von ihr selbst oder mit ihrer Zustimmung in Deutschland in den Verkehr gebracht worden seien. Schließlich hätten den Klägerinnen andere Verpackungsoptionen zur Verfügung gestanden, so dass sie nun mit den aus der gewählten Verpackungsgestaltung folgenden Nachteilen leben müssten.
Die geltend gemachten Markenrechte der Klägerin zu 2) seien erschöpft, denn die K.®- Packungen aus Österreich könnten ohne Veränderungen auf den deutschen Markt gebracht werden.
Mit Anerkenntnisteil- und Schlussurteil vom 9. Mai 2019, Az. 327 O 374/18, hat das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 27, der Klage hinsichtlich des allein auf die Klägerin zu 1) entfallenden Klagantrags zu I. sowie der darauf bezogenen Annexansprüche zu III. bis V. stattgegeben. Den allein auf die Klägerin zu 2) entfallenden Klagantrag zu II. hat das Landgericht vollen Umfangs zurückgewiesen. Den Zahlungsantrag zu VI. hat das Landgericht – soweit er die Klägerin zu 1) betraf –, in Höhe von € 1.474,45 nebst Zinsen zuerkannt und im Übrigen – soweit die Klägerin zu 2) betroffen war – zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht im Hinblick auf die erfolgte Verurteilung ausgeführt, dass das streitgegenständliche Verhalten der Beklagten einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin zu 1) darstelle. Ob die Voraussetzungen der weiter geltend gemachten Anspruchsnormen vorlägen, sei zweifelhaft. Die Beklagte sei jedoch gemäß § 4 Abs. 18 AMG als pharmazeutischer Unternehmer anzusehen und verpflichtet, die auf den Verpackungen angebrachte PZN unkenntlich zu machen und dort eine eigene PZN anzubringen. Denn sie sei gemäß § 130a Abs. 1 S. 1 und 3 SGB V verpflichtet, den Herstellerrabatt zu tragen. Im Hinblick auf die Zurückweisung der von der Klägerin zu 2) geltend gemachten Klaganträge hat das Landgericht ausgeführt, dass es schon an einer entsprechenden Begehungsgefahr fehle. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen. Die Klägerin zu 2) hat die Zurückweisung der sie betreffenden Klaganträge hingenommen und ist an dem Rechtsstreit in der Berufungsinstanz nicht mehr beteiligt.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung, die sie frist- und formgerecht eingelegt und begründet hat, gegen die erfolgte Verurteilung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Darüber hinaus führt sie aus, dass die vom Landgericht herangezogene Anspruchsgrundlage, nämlich §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog im Hinblick auf einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin zu 1), vorliegend nicht anwendbar sei. Insoweit fehle es an einer Lücke, die mit diesem Auffangtatbestand ausgefüllt werden könne, denn das Landgericht habe einen Verstoß gegen die vorgehende Regelung von § 3a UWG verneint. Zudem fehle es an der erforderlichen umfassenden Abwägung der beteiligten Interessen, denn die Belange der Beklagten seien nicht berücksichtigt worden.
Bei den Regelungen von §§ 130a, 131 Abs. 5 SGB V handele es sich zudem nicht um Marktverhaltensregeln i.S.v. § 3a UWG.
Darüber hinaus sei es vorliegend nicht die Beklagte, sondern die Klägerin zu 1), die den ApU festgesetzt habe. Da der ApU in Bezug auf eine bestimmte PZN festgesetzt werde, habe die Klägerin zu 1) durch die Aufbringung ihrer PZN auf den streitgegenständlichen „Multi-Country-Packs“ den ApU festgesetzt. Zudem müsse die PZN der Klägerin zu 1) beibehalten werden, denn nach den Richtlinien für die Zuteilung von Pharmazentralnummern der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten (IFA GmbH) sei dies der Fall, wenn die artikelidentifizierenden Merkmale, nämlich Artikelbezeichnung, Packungsgröße, Darreichungsform, die Information „Arzneimittel“ und der Artikeltyp, – wie vorliegend – unverändert blieben. Da der ApU unveränderbar für die PZN der Klägerin zu 1) hinterlegt sei, könne die Beklagte den ApU – abgesehen von der Gewährung von Skonti – nicht ändern.
Die Beklagte rügt einen Verstoß gegen unmittelbar geltendes Unionsrecht gemäß Art. 12 Abs. 1 VO (EG) 726/2004, Art. 54 lit. k), 57, 60 RL 2001/83/EG sowie Art. 34 AEUV und regt hilfsweise die Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV an.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Mai 2020, Az. 327 O 389/18 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin zu 1) beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es im Klagantrag zu I. 1. Statt „Parallelimporteur“ heißen solle „Parallelvertreiber“.
Die Klägerin zu 1) verteidigt das landgerichtliche Urteil. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten entgegen. Darüber hinaus macht die Klägerin geltend, dass es sich bei dem Vorgehen der Beklagten auch um eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung, die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der landgerichtlichen Verhandlung vom 21. März 2019 sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 30. Juli 2020 Bezug genommen.
B.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Die Verurteilung der Beklagten ist zu Recht erfolgt.
I.
Die jetzt noch geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind begründet.
1. Den Unterlassungsantrag zu I. hat die Klägerin in der Berufungsverhandlung vom 30. Juli 2020 mit der Maßgabe verteidigt, dass es dort unter Ziffer I. 2. statt „Parallelimport“ „Parallelvertreiber“ heißen solle.
Diese Klarstellung zugrunde gelegt, soll die Beklagte auf den Unterlassungsantrag zu I. bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verurteilt werden, die Einfuhr von Österreich nach Deutschland zu gewerblichen Zwecken und das Angebot zum Verkauf und/oder die Werbung und/oder den Verkauf und/oder den Vertrieb des Arzneimittels K.® in Deutschland zu unterlassen, ohne:
2) die Beklagte als Parallelvertreiber auf der Umverpackung des Produktes zu kennzeichnen;
und
3) die Pharmazentralnummer der Klägerin zu 1) unkenntlich zu machen und eine eigene Pharmazentralnummer anzubringen.
2. Indem es die Beklagte unterlässt, sich auf der Produktverpackung von K.® als Parallelvertreiberin auszuweisen, verstößt sie gegen §§ 3, 8 Abs. 1, 3a i.V.m. §§ 4 Abs. 18 S. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, Art. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG sowie §§ 3, 8 Abs. 1, 5 UWG, § 8 Abs.1 Nr. 2 AMG.
Die Beklagte ist vorliegend gemäß §§ 4 Abs. 18 S. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.V.m. Art. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG verpflichtet, ihren Namen und ihre Tätigkeit als Parallelvertreiberin auf den Umverpackungen des streitgegenständlichen Arzneimittels anzugeben. Das Vorgehen der Beklagten verstößt gegen § 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, der eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG darstellt. Zudem erweist sich das Vorgehen der Beklagten als irre- führend i.S.v. § 5 UWG.
a) Die Beklagte verstößt gegen §§ 4 Abs. 18 S. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, Art. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG.
Bei den Regelungen zur Kennzeichnung der Arzneimittelpackungen handelt es sich um Marktverhaltensregeln i.S.v. § 3a UWG (BGH, GRUR 2013, 857, Rn. 10 – Voltaren; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, § 3a Rn. 1.194 f.). Zudem ist der vorliegende Verstoß geeignet, die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.
Nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel in Deutschland nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn auf den Behältnissen und, soweit verwendet, auf den äußeren Umhüllungen in gut lesbarer Schrift, allgemeinverständlich in deutscher Sprache und auf dauerhafte Weise „der Name oder die Firma und die Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers“ angegeben sind.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist sie gemäß § 4 Abs. 18 S. 2 AMG – jedenfalls auch – als pharmazeutischer Unternehmer anzusehen. Nach § 4 Abs. 18 S. 1 AMG ist der pharmazeutische Unternehmer bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln der Inhaber der Zulassung oder Registrierung. Dies ist hier die Klägerin zu 1). Nach § 4 Abs. 18 S. 2 AMG ist pharmazeutischer Unternehmer aber auch, wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt, wobei unter einem „Inverkehrbringen“ gemäß § 4 Abs. 17 AMG u.a. die Abgabe an andere zu verstehen. Dies ist hier die Beklagte.
Die Regelung von § 4 Abs. 18, S. 2 AMG ist mit dem „Gesetz zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften“ vom 18. Juli 2017 mit Wirkung zum 29. Juli 2017 geändert worden. In den Satz 2 wurden die Worte „im Parallelvertrieb oder sonst“ eingefügt (BGBl., 2017, Teil I, Nr. 52, v. 28.07.2017, S. 2757 ff.). In der Gesetzesbegründung heißt es dazu:
„Die Ergänzung dient der Klarstellung, dass auch der Parallelvertreiber, der Arzneimittel für die eine von der Europäischen Union erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Absatz 1 oder Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1027/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 38) geändert worden ist, vorliegt, in Verkehr bringt, pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des Arzneimittelgesetzes ist und diese Arzneimittel unter seinem Namen in Verkehr bringt. Dies ergibt sich auch aus von der Europäischen Arzneimittel-Agentur veröffentlichten Hinweisen, wonach der Parallelvertreiber auf der Umverpackung von Arzneimitteln erkennbar sein muss.
Die Ergänzung dient insbesondere der Klarstellung, dass der Parallelvertreiber allen Verpflichtungen unterliegt, die das Arzneimittelgesetz dem pharmazeutischen Unternehmer auferlegt. Er ist insbesondere der nach den §§ 84 ff. für die arzneimittelrechtliche Haftung Verantwortliche.“ (vgl. Anlage K 11/Bundestagsdrucksache 18/12587, S. 49).
Der Gesetzeswortlaut von § 4 Abs. 18 S. 2 AMG und die Intention des Gesetzgebers zeigen, dass (auch) der Parallelvertreiber als pharmazeutischer Unternehmer i.S.v. § 4 Abs. 18 AMG anzusehen ist und dass sich schon der Parallelvertrieb selbst als ein Inverkehrbringen unter seinem Namen darstellt. Nach den in der Gesetzesbegründung angesprochenen Leitlinien der Europäisches Arzneimittelagentur (European Medicines Agency/EMA) für Parallelvertreiber, welche auf Art. 65 lit. f), 57 RL 2001/83/EG beruhen, und die die Klägerinnen auszugsweise wiedergegeben haben, ist auf den Verpackungen die Angabe „Parallelvertreiber“ bzw. „parallel vertrieben von“ gefolgt von der entsprechenden Namensangabe erforderlich.
Die Beklagte ist mithin verpflichtet, auf der Umverpackung der Arzneimittel ihren Namen an- zugeben und auf ihr Handeln als Parallelvertreiber hinzuweisen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu I. 2. ist mithin nach §§ 3, 8 Abs. 1, 3a UG i.V.m. §§ 4 Abs. 18 S. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, Art. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG begründet.
b) Die hiergegen erhobenen Einwände der Beklagten greifen nicht durch.
aa) Soweit sich die Beklagte damit verteidigt, dass das streitgegenständliche Arzneimittel K.® aus Österreich in Deutschland ohne weiteres vertriebsfähig sei, verkennt dies die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kennzeichnung der Produkte, welche die Voraussetzung für eine Vertriebsfähigkeit der Produkte sind. Wie das Vorgehen des Beklagten zeigt, ist es zwar faktisch möglich, die Produkte in Deutschland zu vertreiben. Dies erfolgt jedoch mit unzureichender Kennzeichnung, d.h. in rechtlich unzulässiger Weise.
bb) Soweit die Beklagte ausführt, dass die ausgesprochenen Verbote gegen höherrangiges EU- Recht verstoßen, führt auch dies nicht zum Erfolg.
(1) Entgegen der Ansicht der Beklagten verstößt die nach dem deutschen Recht erforderliche Angabe des Namens der Beklagten als Parallelvertreiber (und der PZN) nicht gegen höherrangiges EU-Recht. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Mitgliedsstaaten nach Art. 60 der RL 2001/83/EG das Inverkehrbringen von Arzneimittel in ihrem Hoheitsgebiet nicht aus Gründen, die mit der Etikettierung oder der Packungsbeilage zusammenhängen, untersagen oder verhindern dürfen, sofern diese mit den Vorschriften des V. Titels der Richtlinie übereinstimmten.
In Art. 57 der RL 2001/83/EG, der ebenfalls im V. Titel der Richtlinie steht, ist jedoch ausdrücklich geregelt, dass die Mitgliedsstaaten, abweichend von Art. 60 RL 2001/83/EG, fordern können, dass auf bestimmte Etikettierungsmodalitäten zurückgegriffen wird, die es u. a. ermöglichen, auch Angaben über den Preis des Arzneimittels oder die Bedingungen für die Erstattung durch die für die soziale Sicherheit zuständigen Stellen aufzunehmen. In Art. 4 Abs. 3 der RL 2001/83/EG ist zudem ausdrücklich festgehalten, dass die Bestimmungen der Richtlinie nicht die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise und ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der innerstaatlichen Krankenversicherungssysteme aufgrund gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen berühren. Diesen Zwecken dient die vorliegend im Streit stehende namentliche Benennung der Beklagten als Parallelvertreiber und die Angabe einer PZN der Beklagten.
(2) Soweit die Beklagte ausführt, dass für das Inverkehrbringen des Arzneimittels nach Art. 2 VO (EG) 726/2004 allein und ausschließlich der Inhaber der zentralen Zulassung verantwortlich sei und dass weder die Richtlinie 2001/83/EG noch die VO (EG) 726/2004 den Begriff des pharmazeutischen Unternehmers kennten, führt auch dies nicht zum Erfolg.
Zwar trifft es zu, dass die genannten europarechtlichen Regelungen allein auf den Inhaber der zentralen Zulassung abstellen und dass nach Art. 54 Abs. 1 lit. k) und Art. 59 lit. f) Ziffern vi) und vii) RL 2001/83/EG Name und Anschrift des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen und gegebenenfalls der Name der vom Inhaber benannten Vertreter in den Mitgliedstaaten auf der äußeren Umhüllung bzw. der Primärverpackung bzw. der Packungsbeilage anzubringen sind. Diese Sichtweise berücksichtigt jedoch nicht die Besonderheiten des Parallelvertriebs zentral zugelassener Arzneimittel und die danach zulässigen und erforderlichen weiteren Anforderungen an die Kennzeichnung.
(3) Entgegen der Ansicht der Beklagten erweisen sich die vorliegend geltend gemachten Anforderungen an die Kennzeichnung der Arzneimittelverpackungen auch nicht als eine Einfuhrbeschränkung i.S.v. Art. 34 AEUV.
Der Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit gebietet es nicht, den Parallelvertreiber von zentral zugelassenen Arzneimitteln von den nach den nationalen Vorschriften vorgesehenen zusätzlichen Kennzeichnungsanforderungen, die – wie vorstehend ausgeführt – in Einklang mit den europarechtlichen Regelungen stehen, freizuhalten.
cc) Soweit die Beklagte ausführt, dass § 4 Nr. 18 S. 2 AMG schon deshalb nicht anwendbar sei, weil sie die Arzneimittel nicht unter ihrem Namen in den Verkehr bringe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach § 4 Abs. 18 S. 2 AMG ist pharmazeutischer Unternehmer auch, „wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen“ in den Verkehr bringt. Aus dem Wortlaut der Regelung und den Gesetzesmaterialien ergibt sich – wie vorstehend ausgeführt –, dass der Parallelvertrieb selbst bereits als ein Inverkehrbringen unter dem Namen des Vertreibers anzusehen ist.
Zudem ist der Parallelvertreiber gemäß Art. 76 Abs. 3 RL 2001/83/EG, § 29 Abs. 4 AMG, § 29 Abs. 1b AMG, verpflichtet, den Parallelvertrieb gegenüber der zuständigen Bundesoberbehörde und gegenüber dem Zulassungsinhaber anzuzeigen. Auch damit bringt er die streitgegenständlichen Arzneimittel unter seinem Namen in Verkehr.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Parallelvertreiber seinen Namen angibt oder – wie hier die Beklagte – in unzulässiger Weise von der Nennung des Namens auf der Verpackung absieht. Maßgeblich ist – um Umgehungen und unberechtigte Privilegierungen auszuschließen die Rechtslage, nicht das tatsächliche Vorgehen der Beklagten.
dd) Der Umstand, dass die Beklagte den Parallelvertrieb von Österreich nach Deutschland als Großhändlerin vornimmt, steht ihrer Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen nicht entgegen. Maßgeblich ist insoweit, dass sie das streitgegenständliche Arznei- mittel erstmalig in Deutschland auf den Markt bringt und in diesem Rahmen – durch die Beibehaltung der PZN der Klägerin zu 1) – den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) festlegt. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall des grenzüberschreitenden Großhandels auch von dem Fall des rein innerdeutschen Großhandels.
Auch das Vorbringen der Beklagten, wonach sie nicht in der Lage sei, die weiteren gesetzlichen Anforderungen, die an den pharmazeutischen Unternehmer gestellt würden, zu erfüllen, steht dem begründeten Unterlassungsanspruch nicht entgegen.
b) Mit der fehlenden Benennung der Beklagten als Parallelvertreiber verstößt die Beklagte darüber hinaus auch gegen § 5 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 und 3 UWG, § 8 Abs.1 Nr. 2 AMG. Nach § 5 Abs. 1 UWG ist es verboten, unwahre Angaben über wesentliche Merkmale der Ware sowie über die Person des Unternehmers, einschließlich entsprechender Verpflichtungen und seines Status, zu machen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist es verboten, Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, die mit irreführenden Angaben versehen oder in irreführender Aufmachung gestaltet sind.
aa) Maßgebend für die Beurteilung einer Angabe bzw. einer Aufmachung nach §§ 5 UWG, 8 AMG ist das Verständnis des angesprochenen Verkehrs. Bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Parallelvertriebs der Beklagten, welche sich an Arzneimittelgroßhändler und Apotheken, aber auch an Sozialversicherungsträger und Abrechnungsstellen wendet, ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Marktteilnehmers abzustellen, der das Angebot der Beklagten mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (BGH, GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; BGH, GRUR 2004, 786 – Größter Online-Dienst; BGH, GRUR 2014, 1211 Rn. 19f. – Runes of Magic II).
Dieses Verständnis kann der Senat aus eigener Anschauung feststellen. Zwar gehören die Mitglieder des Senats nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Hinblick auf das streitgegenständliche Verhalten, d.h. der fehlende Hinweis auf die Beklagte im Rahmen des Parallelvertriebs und die Beibehaltung und Verwendung der PZN der Klägerin zu 1), ein von den Fachkreisen abweichendes Verständnis vorliegen könnte.
bb) Dies zugrunde gelegt, ist das Verschweigen des Parallelvertriebs durch die Beklagte geeignet, den angesprochenen Verkehr zu täuschen. Die Beklagte verschleiert mit der Beibehaltung der Ursprungskennzeichnung der Verpackungen ihre maßgebliche Beteiligung am Vertrieb der streitgegenständlichen Arzneimittel, insbesondere, dass sie die Arzneimittel als pharmazeutischer Unternehmer im Parallelvertrieb auf den deutschen Markt bringt. Das ist irreführend.
Zwar hat sich die Klägerin zu 1) zur Begründung ihres Klagbegehrens nicht ausdrücklich auf eine Verletzung von § 5 UWG bzw. § 8 AMG gestützt. Sie hat jedoch den entsprechenden Tatsachenvortrag zur Täuschung des angesprochenen Verkehrs, wenn auch im Hinblick auf strafrechtliche Regelungen, gehalten. Die damit einhergehenden Rechtsfolgen kann der Senat, unabhängig davon, ob die Klägerin die entsprechende Norm ausdrücklich genannt hat, feststellen. Mithin erweist sich das Vorgehen der Beklagten als irreführende geschäftliche Handlung i.S.v. §§ 5 UWG, 8 AMG.
Die im Hinblick auf den – klargestellten – Unterlassungsantrag zu I. 2. erfolgte Verurteilung ist mithin, ohne dass es noch auf die weiteren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen ankäme, zu Recht erfolgt.
3. Indem es die Beklagte unterlässt, auf der Produktverpackung von K.® die PZN der Klägerin unkenntlich zu machen und dort eine eigene PZN anzubringen, verstößt sie gegen §§ 3a, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 4 Abs. 18 S. 2 AMG, §§ 130a Abs. 1, 131 Abs. 5 SGB V sowie §§ 3, 8 Abs. 1, 5 UWG. 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG.
Die Beklagte ist verpflichtet, die auf den Verpackungen angebrachten PZN, die der Klägerin zu 1) zugeordnet sind, unkenntlich zu machen und die Verpackungen mit jeweils eigenen PZN zu versehen. Das Vorgehen der Beklagten verstößt gegen §§ 130a Abs. 1, 131 Abs. 5 SGB V, welche Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG sind. Dieser Verstoß ist geeignet, die Interessen von Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Dies liegt auf der Hand, weil die Beibehaltung der PZN der Klägerin zu 1) dazu geführt hat, dass diese zu Unrecht mit den Rabattzahlungen belastet worden ist. Darüber hinaus erweist sich das Vorgehen als irreführend i.S.v. §§ 5 UWG, 8 AMG.
a) Die Beklagte hat gegen §§ 130a Abs. 1, 131 Abs. 5, 300 Abs. 1 S. 1 SGB V verstoßen.
aa) Entgegen der Ansicht der Beklagte ist diese verpflichtet, den Abschlag nach § 130a Abs. 1 S. 1 SGB V zu tragen.
Die Apotheken sind nach § 130a Abs. 1 S. 1 SGB V gesetzlich verpflichtet, den Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 7 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer zu gewähren (sog. Herstellerrabatt). Dieser Abschlag ist gemäß § 130a Abs. 1 S. 3 SGB V von dem pharmazeutischen Unternehmer an die Apotheken zu erstatten. Nach § 131 Abs. 5 SGB V ist der pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, auf den äußeren Umhüllungen der Arzneimittel das Arzneimittelkennzeichen nach § 300 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, d.h. die Pharmazentralnummer (PZN), in einer für Apotheken maschinell erfassbaren bundeseinheitlichen Form anzugeben, um damit die Voraussetzungen für eine maschinell vereinfachte Abrechnung zwischen Apotheken und Krankenkassen zu schaffen. Das Nähere kann gemäß § 131 Abs. 5 S. 2 SGB V durch Verträge geregelt werden (vgl. Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 7. Auflage, 2020, § 131 Rn. 16). Die PZN dient mithin nicht nur dazu, den Warenverkehr mit den Apotheken sowie die Abrechnung mit den Apotheken und Krankenkassen zu ermöglichen, sondern auch dazu, die Erstattung des sog. Herstellerrabatts gemäß § 130a SGB V abzuwickeln.
Den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) legt der pharmazeutische Unternehmer fest, der das Arzneimittel in Deutschland in den Verkehr bringt. Dabei ist er in der Preisbildung frei. Aus dem ApU ergibt sich sodann zuzüglich Großhandels- und Apothekenzuschlag einschließlich Mehrwertsteuer der Apothekenverkaufspreis (AVP). Dabei kann auch der Parallelvertreiber als pharmazeutischer Unternehmer den ApU festsetzen (BGH, GRUR 2010, 1130 = NJW 2010, 3724, Rn. 27 – Sparen Sie beim Medikamentenkauf; GmS-OGB, GRUR 2013, 417, Rn. 14 – EU-Versandapotheken).
In Fällen wie dem vorliegenden, in denen neben dem Zulassungsinhaber auch der Parallelvertreiber als pharmazeutischer Unternehmer anzusehen ist, folgt aus dem Zusammenspiel von § 130a Abs. 1 S. 1 und S. 3 SGB V, dass der Rabatt von demjenigen Unternehmer getragen werden soll, der den ApU für den deutschen Markt festlegt und beim Verkauf an deutsche Großhändler vereinnahmt (OLG Braunschweig NJOZ 2019, 92, Rn. 120). Da die Beklagte für die von ihr erstmals in Deutschland in den Verkehr gebrachten Arzneimittel den ApU festgelegt hat, und zwar durch die Beibehaltung der PZN der Klägerin zu 1) und des damit verbundenen ApU, ist sie Schuldnerin des Abschlags. Zudem hat sie den festgesetzten ApU vereinnahmt.
Adressat der Vorschriften der §§ 130a Abs. 1 S. 3, 131 Abs. 5 SGB V ist derjenige pharma- zeutische Unternehmer i.S.v. § 4 Abs. 18 AMG, der das Arzneimittel auf den deutschen Markt bringt. Derjenige, der auf dem deutschen Markt den Umsatz mit den Arzneimitteln er- zielt, soll den gesetzlich vorgesehenen Abschlag bezahlen. Dafür spricht schon der Wortlaut, denn der genannte „Abschlag“ kann nur auf den tatsächlich im Inland anfallenden Umsatz berechnet werden. Für denjenigen, der mit dem jeweiligen Arzneimittel keinen Umsatz auf dem deutschen Markt erzielt, ist dies hingegen nicht möglich. Denn dann läge kein „Abschlag“ vom Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, sondern eine von dem in Deutschland erzielten Umsatz abgekoppelte Subvention der Zulassungsinhaberin zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen vor. Dafür fehlt jedoch die gesetzliche Grundlage.
Für die Verpflichtung des Parallelvertreibers zur Entrichtung des „Herstellerrabattes“ spricht auch der Zweck, d.h. die Zielrichtung des § 130 a Abs. 1 SBG V. Hintergrund für die verschiedenen Arzneimittelrabatte ist der Versuch, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zu senken. In der Begründung zum Gesetzesentwurf Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) heißt es hierzu:
„Die Krankenkassen erhalten den Herstellerrabatt zusätzlich zu dem Abschlag der Apotheken nach § 130 und den Großhandelsabschlag nach Art. 12. Die Regelung führt zur Einsparung von ca. 420 Mio. Euro pro Jahr. In dem entsprechenden Umfang werden pharmazeutische Unternehmen belastet“ (BT-Drs. 15/28, 16).“ (vgl. OLG Braunschweig, NJOZ 2019, 92, 100, Rn. 129)
Die pharmazeutischen Unternehmer werden zur Rabattzahlung herangezogen, um die Kostenbelastung der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zu dämpfen. Anknüpfungs- punkt für die Rabatte ist daher die Abgabe von Arzneimitteln im Geltungsbereich der Preisvorschriften des AMG. Dies folgt aus § 130 a Abs. 1 S. 5 SGB V. Gemäß § 130 a Abs. 1 S. 5 SGB V gilt die Rabattpflicht des § 130 a Abs. 1 S. 1 SGB V für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz … bestimmt sind. Arzneimittel, die im Ausland in den Verkehr gebracht und dort abgegeben werden, unterliegen jedoch nicht dem deutschen Arzneimittelpreisrecht und somit auch nicht der Rabattpflicht. Die im Ausland in den Verkehr gebrachten Arzneimittel müssen deshalb auch nicht mit einer PZN versehen sein. Die Rabatt- und die entsprechende Kennzeichnungspflicht entstehen erst dann, wenn die Arzneimittel in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht und dort – d. h. im Geltungsbereich des AMG – abgegeben werden. Erst durch die Einfuhr in die Bundesrepublik Deutschland entsteht auch die Pflicht zur Zahlung des Herstellerrabatts und zur Angabe der PZN auf der Arzneimittelpackung gemäß § 130 a Abs. 5 SGB V (OLG Braunschweig, NJOZ 2019, 92, 100, Rn. 130).
Nach diesen Maßgaben steht es auch mit dem Regelungszweck des § 130 a SGB V in Einklang, denjenigen mit dem „Herstellerrabatt“ zu belasten, der die Arzneimittel jeweils für den Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt hat. Dies ist in der vorliegenden Kons- tellation der Parallelvertreiber, d.h. die Beklagte (OLG Braunschweig, NJOZ 2019, 92, 100, Rn. 131). Nur wer den Preis für das Arzneimittel erhalten hat, kann auch einen entsprechen- den Abschlag oder Rabatt auf eben diesen Preis gewähren.
Demgemäß hätte nicht die Klägerin zu 1), sondern die Beklagte den Abschlag nach § 130a Abs. 1 S. 1 SGB V entrichten müssen.
bb) Um die ordnungsgemäße Einziehung des Abschlags bei der Beklagten zu ermöglichen und die fälschliche Einziehung zu Lasten der Klägerin zu 1) zu vermeiden, ist die Beklagte als pharmazeutischer Unternehmer gemäß §§ 131 Abs. 5, 300 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB V verpflichtet, auf den äußeren Umhüllungen der Arzneimittel das Arzneimittelkennzeichen nach § 300 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, d.h. die zutreffende PZN, in einer für Apotheken maschinell lesbaren bundeseinheitlichen Form anzugeben. Darüber hinaus ist sie verpflichtet, die die auf den Arzneimittelverpackungen befindlichen PZN der Klägerin zu 1) unkenntlich zu machen.
(1) Die Vergabe und Zuordnung der PZN dient u.a. dazu, den für die Zahlung des „Herstellerrabattes“ verantwortlichen pharmazeutischen Unternehmer festzustellen. Die pharmazeutischen Unternehmen sind nach § 131 Abs. 5 SGB V zur Angabe der PZN verpflichtet, um eine ordnungsgemäße Abrechnung zwischen Apotheken, pharmazeutischen Unternehmen und den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Mit dieser dem pharmazeutischen Unternehmer treffenden subjektiv-öffentlichen Pflicht korrespondiert sein Recht, die ihm zugewiesene PZN ausschließlich zu verwenden (OLG Braunschweig, NJOZ 2019, 92, 99, Rn. 122, unter Hinweis auf Dietel/Hußmann, Abrechnung importierter zentral zugelassener Arzneimittel – unter welcher PZN?, PharmR 2016, 619, 620).
Indem die Beklagte Arzneimittelpackungen in der Bundesrepublik Deutschland unter Verwendung von PZN, die der Klägerin zu 1) zugeordnet waren, in Verkehr gebracht hat, hat sie in den durch die eindeutige Zuordnung der PZN zu einem bestimmten pharmazeutischen Unternehmer vermittelten Zuweisungsgehalt eingegriffen. Dies erfolgte gegen den offensichtlichen Willen der Klägerin zu 1). Zugleich hat die Beklagte dadurch, dass sie keine eigenen PZN auf den Verpackungen angebracht hat, gegen ihre Verpflichtung aus § 131 Abs. 5, 300 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB V verstoßen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Verwendung, d.h. Beibehaltung der PZN der Klägerin zu 1), für die Einfuhr und den weiteren Vertrieb der Arzneimittel in die Bundesrepublik Deutschland nicht erforderlich. Der Importeur eines Arzneimittels kann vielmehr für das importierte Arzneimittel eine eigene PZN bei der Informationsstelle für Arneimittelspezialitäten (IFA GmbH) beantragen, unter der das importierte Arzneimittel dann bestellt und auch zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden kann. Ausweislich der Richtlinien der IFA GmbH für die Neuaufnahme zulassungs- oder registrierungspflichtiger Arzneimittel ist die Erteilung einer PZN für zentral zugelassene Arzneimittel im Parallelvertrieb möglich.
Nach den Richtlinien der IFA GmbH für die Zuteilung von Pharmazentralnummern ist die PZN „ein eindeutiger Schlüssel und identifiziert einen bestimmten Artikel (eine Handelsform) mit einer bestimmten Bezeichnung, Packungsgröße (Menge und Einheit), Darreichungsform, der Information Arzneimittel und einem bestimmten Artikeltyp eines bestimmten Anbieters“. Jeder Marktteilnehmer oder Datennutzer der IFA-Informationsdienste muss die Artikel zu jeder Zeit eindeutig identifizieren können (z. B. zu Bestell- oder Abrechnungszwecken), ohne dass weitere Angaben erforderlich sind (Ziffer 2 der Richtlinien für die Zuteilung von Pharmazentralnummer).
Entgegen der Ansicht der Beklagten muss die PZN der Klägerin zu 1) nicht beibehalten werden. Denn im Hinblick auf den Anbieter der Arzneimittel ist eine Änderung eingetreten, da die Arzneimittel auf dem deutschen Markt nicht von der Klägerin zu 1), sondern von der Beklagten angeboten werden. Das führt nach Ziffer 3 der Richtlinien für die Zuteilung von Pharma- zentralnummern dazu, dass der neue Anbieter, hier die Beklagte, eine eigene PZN erhalten kann. Für den Fall, dass – wie hier – eine andere Firma den Vertrieb übernimmt, kann die ursprüngliche PZN beibehalten oder eine neue PZN beantragt werden. Die Übernahme der ursprünglichen PZN ist jedoch nur mit dem Einverständnis des bisherigen Anbieters möglich. Daran fehlt es hier, so dass die Beklagte verpflichtet ist, eine eigene PZN zu verwenden.
Die Beantragung eigener PZN für das streitgegenständliche Arzneimittel begründet die Stellung des Importeurs als pharmazeutischer Unternehmer für das Arzneimittel und löst die Verpflichtung zur Zahlung des Herstellerrabattes aus (OLG Braunschweig, NJOZ 2019, 92, 99, Rn. 124 unter Hinweis auf Dietel/Hußmann, Abrechnung importierter zentral zugelassener Arzneimittel – unter welcher PZN? PharmR 2016, 621).
(2) Gegen die Verpflichtung aus §§ 131 Abs. 5, 300 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 SGB V hat die Beklagte verstoßen, denn auf der Grundlage entsprechender Verträge wird der Rabatt nach § 130a Abs. 1 S. 1 SGB V von den Apothekenabrechnungsstellen gegenüber demjenigen Unternehmen geltend gemacht, das entsprechend der auf der Packung aufgebrachten PZN als pharmazeutischer Unternehmer in Bezug auf dieses Medikament identifiziert wird.
Da die PZN auf den streitgegenständlichen „Multi-Country-Packs“ des Arzneimittels K.® der Klägerin zu 1) bzw. ihrem Dienstleister, der Fa. B. Ltd., zugewiesen waren, wurden ihr bzw. ihrem Dienstleister für sämtliche in Deutschland in den Verkehr gebrachten K.®-Multi-Country-Packs die Herstellerrabatte in Rechnung gestellt, auch für die aus Österreich importierten Packungen, die nicht die Klägerin zu 1), sondern die Beklagte – unter Beibehaltung der PZN der Klägerin zu 1) – auf den deutschen Markt gebracht hat.
Um die gesetzeskonforme Einziehung des Herstellerrabatts zu gewährleisten, ist die Beklagte verpflichtet, die auf den Verpackungen angebrachten PZN, die der Klägerin zu 1) zugeordnet sind, unkenntlich zu machen und die Verpackungen mit jeweils eigenen PZN zu versehen.
d) Die hiergegen erhobenen Einwände der Beklagten greifen nicht durch.
aa) Die Beklagte war nicht aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zum Parallelimport dazu berechtigt, die der Klägerin zu 1) zuzuordnende PZN zu verwenden. Es ist zwar zutreffend, dass der Importeur eines Arzneimittels nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich berechtigt ist, diejenigen Änderungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Arzneimittel im Einfuhrstaat in den Verkehr bringen zu können. Die Geltendmachung der Rechte aus der Marke verstößt dann gegen Art. 36 S. 2 AEUV (Ströbele/Hacker, MarkenG, 12. Auflage, 2018, § 24 Rn. 101). Aus der markenrechtlichen Zulässigkeit der Anbringung einer PZN auf der Arzneimittelpackung folgt jedoch noch keine Befugnis der Beklagten, die ausschließlich der Klägerin zu 1) zugewiesenen PZN zu verwenden. Bei dieser Frage handelt es sich nämlich nicht um eine markenrechtliche Problemstellung (OLG Braunschweig, NJOZ 2019, 92, 99, Rn. 125).
bb) Die Beklagte ist auch nicht unabhängig von den markenrechtlichen Fragestellungen aufgrund des Grundsatzes des freien Warenverkehrs zur Verwendung der PZN der Klägerin zu 1) berechtigt. Insbesondere gebietet es der Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit nicht, den Parallelvertreiber von zentral zugelassenen Arzneimitteln von dem nach den nationalen Vorschriften vorgesehenen Herstellerrabatt und den damit einhergehenden Kennzeichnungserfordernissen, welche in Einklang mit europarechtlichen Regelungen stehen, freizuhalten.
Die Arzneimittelpreisvorschriften des deutschen Rechts begründen keinen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit i.S.d. Art. 34 AEUV. Sie sind keine Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne dieser Bestimmung.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zwar jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen i.S.v. Art. 34 AEUV anzusehen (EuGH, GRUR Int 1974, 467, 468 – Dassonville; EuGH, EuZW 2012, 508, Rn. 32 – ANETT). Dagegen begründet es jedoch keine solche Behinderung, wenn Vorschriften der Mitgliedstaaten, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten angewandt werden, solange diese Vorschriften für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gelten und den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. In einem solchen Fall sind die fraglichen Bestimmungen nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern als dies für inländische Erzeugnisse geschieht (EuGH, NJW 1994, 121, Rn. 16f. – Keck und Mithouard; OLG Braunschweig, NJOZ 2019, 92, Rn. 128).
Nach diesen Maßstäben sind die deutschen Vorschriften über den einheitlichen Apotheken- abgabepreis lediglich Verkaufsmodalitäten im Sinne der Rechtsprechung des EuGH. Sie regeln nicht auf Waren bezogene Merkmale, sondern Umstände des Vertriebs (EuGH, GRUR 2009, 792, Rn. 20 – Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft/LIBRO). Sie gelten für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen, die Arzneimittel i.S.d. § 78 Abs. 2 S. AMG im Inland abgeben (GmS-OGB, GRUR 2013, 417 Rn. 41 – EU-Versandapotheken; OLG Braunschweig, NJOZ 2019, 92, Rn. 128).
Die vorstehenden Ausführungen lassen sich auf den nach nationalem Recht gemäß § 130a Abs. 1 SGB V anfallenden „Herstellerrabatt“ übertragen. Dieser berührt inländische Erzeugnisse und Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise. Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV gebietet es deshalb nicht, Importeure oder Parallelvertreiber von Arzneimitteln von diesen „Herstellerrabatten“ freizuhalten (OLG Braunschweig, NJOZ 2019, Rn. 128).
cc) Die Auffassung der Beklagten, dass die Klägerin zu 1) mit der Angabe der PZN für Deutschland auf der „Multi-Country-Verpackung“ konkludent erklärt habe, auch für solche Verpackungen den Zwangsrabatt gemäß § 130a SGB V gewähren zu wollen, die nicht von ihr selbst oder mit ihrer Zustimmung in Deutschland in den Verkehr gebracht worden seien, entbehrt jeder Grundlage.
Dies gilt auch bei Berücksichtigung des Umstandes, dass den Klägerinnen auch andere Verpackungsoptionen zur Verfügung gestanden haben und dass das OLG Braunschweig die Ansicht der Beklagten unter Bezugnahme auf Dietel/Hußmann, PharmR 2016, 621, – im Rahmen eines obiter dictums – geteilt hat (OLG Braunschweig, NJOZ 2019, 92, Rn. 132). Denn weder das OLG Braunschweig noch die genannten Autoren vermögen eine tragfähige Begründung für ihre Annahmen zu geben.
b) Das Vorgehen der Beklagten stellt zudem eine gemäß §§ 5 UWG, 8 AMG irreführende geschäftliche Handlung dar.
Die Beibehaltung der PZN der Klägerin zu 1) und die fehlende Angabe von eigenen PZN führen zu einer Täuschung der Apotheker und Krankenkassen, insbesondere der Apothekenabrechnungsstelle, über den Schuldner des Herstellerrabatts. Die Beklagte verschleiert mit der Beibehaltung der PZN der Klägerin zu 1) ihre Beteiligung am Vertrieb der streitgegenständlichen Arzneimittel, insbesondere, dass sie Schuldner des Herstellerrabatts ist. Das ist irreführend.
Mithin ist auch die im Hinblick auf den Unterlassungsantrags zu I. 3. ausgesprochene Verurteilung zu Recht erfolgt, ohne dass es noch auf die weiteren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen ankäme.
II.
Der Auskunftsantrag zu III. (Urteilstenor zu II.) ist gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 9, 3a i.V.m. §§ 4 Abs. 18 S. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1AMG, §§ 130a Abs.1, 131 Abs. 5 SGB V, Art. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG, § 242 BGB sowie aus §§ 3, 8 Abs. 1, 5, 9 UWG, § 8 Abs.1 Nr. 2 AMG, § 242 BGB begründet.
Die Klägerin zu 1) benötigt die verlangten Auskünfte, um den aus den Wettbewerbsverstößen entstanden Schaden, insbesondere die Höhe der zu Unrecht bezahlten Herstellerrabatte, berechnen zu können.
III.
Der Schadensersatzfeststellungsantrag zu IV. (Urteilstenor zu III.) ist gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 9, 3a i.V.m. §§ 4 Abs. 18 S. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, §§ 130a Abs.1, 131 Abs. 5 SGB V, Art. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG, § 256 ZPO sowie aus §§ 3, 8 Abs. 1, 5, 9 UWG, § 8 Abs.1 Nr. 2 AMG, § 256 ZPO begründet.
IV.
Der Schadensersatzfeststellungsantrag zu V. (Urteilstenor zu IV.) ist ebenfalls gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 9, 3a i.V.m. §§ 4 Abs. 18 S. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, §§ 130a Abs.1, 131 Abs. 5 SGB V, Art. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG, § 256 ZPO sowie aus §§ 3, 8 Abs. 1, 5, 9 UWG, § 8 Abs.1 Nr. 2 AMG, § 256 ZPO begründet.
Die Klägerin ist auch im Hinblick auf die Herstellerrabatte, die zunächst von ihrer Dienstleisterin, der Fa. B. Ltd., bezahlt worden sind, aktiv legitimiert. Da die Klägerin zu 1) der Fa. B. Ltd. die verauslagten Herstellerrabatte erstattet hat, ist der geltend gemachte Schaden bei der Klägerin zu 1) eingetreten. Etwaige Schadensersatzansprüche, die danach noch bei der Fa. B. Ltd. verblieben sein könnten, hat diese unstreitig an die Klägerin zu 1) abgetreten, so dass die Klägerin zu 1) gemäß § 398 BGB Inhaberin dieser Ansprüche geworden ist.
V.
Der zuerkannte Kostenerstattungsanspruch ist gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG bzw. §§ 677, 683, 670 BGB i.V.m. §§ 3, 8 Abs. 1, 9, 3a i.V.m. §§ 4 Abs. 18 S. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 AMG, §§ 130a Abs.1, 131 Abs. 5 SGB V, Artt. 57, 65 lit. f) RL 2001/83/EG sowie aus §§ 3, 8 Abs. 1, 5, 9 UWG, § 8 Abs.1 Nr. 2 AMG begründet.
Da die zuerkannten Klagansprüche begründet sind, ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.
V.
Die Revision ist gemäß § 543 ZPO nicht zuzulassen, denn die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
VI.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Durchführung eines Vorabentscheidungsersuchen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV liegen nicht vor.
Anmerkung zum Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 19.November 2020, Az. 3 U 109/19
Von Rechtsanwalt Dr. Wolfgang A. Rehmann, München
Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hat einem Parallelvertreiber, welcher aus Österreich nach Deutschland zentral zugelassene Arzneimittel verbrachte, verboten, diese Arzneimittel in unveränderter Verpackung in Deutschland unter Beibehaltung der bereits auf den Verpackungen befindlichen Pharmazentralnummer (PZN) in Verkehr zu bringen, ohne zuvor den Parallelvertrieb der Europäische Arzneimitteagentur (EMA) anzuzeigen und ohne die Verpackung mit einem Parallelvertriebshinweis zu kennzeichnen. Mit dem Urteil bestätigt das OLG die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Hamburg. Es hält den Importeur für verpflichtet, die aus Österreich importierten Arzneimittel umzukennzeichnen, obwohl sie bereits mit allen für den deutschen Markt bestimmten und unter anderem vom Arzneimittelgesetz vorgeschriebenen Angaben versehen waren, darunter auch einer PZN, welche der Zulassungsinhaber und sogenannte Originalhersteller bereits auf der Verpackung angebracht hatte. Nur im Fall einer Umkennzeichnung oder eines Umpackens ist nämlich eine Notifizierung an die EMA erforderlich, denn im Übrigen sind zentral zugelassene Arzneimittel unionsweit verkehrsfähig und können ohne weitere Umkennzeichnung in Verkehr gebracht werden, soweit sie sich in sogenannten Multi-Country Packs befinden, also mehrsprachig gekennzeichnet sind (darunter in der Sprache des jeweiligen Einfuhrmitgliedstaates).
Das Oberlandesgericht begründet den Untersagungstenor damit, dass die Beklagte es unterlasse, sich als Parallelvertreiberin auf der Produktverpackung auszuweisen, wozu sie das Gericht für arzneimittelrechtlich verpflichtet hält. Durch die fehlende Angabe zur Verantwortung der Beklagten als Parallelvertreiberin würde die Beklagte die angesprochenen Verkehrskreise zugleich in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise täuschen. Schließlich erkennt das Gericht einen Verstoß darin, dass die Beklagte es unterlassen hat, das streitgegenständliche Arzneimittel unter einen eigenen PZN in Verkehr zu bringen. Die Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Beklagte ist im streitgegenständlichen Fall keine pharmazeutische Unternehmerin. Sie packt nach dem unstreitigen Sachverhalt das Arzneimittel nicht um und kennzeichnet es auch nicht neu. Insbesondere bringt sie es auch nicht unter ihrem Namen in Verkehr, sondern vielmehr in völlig unveränderter Verpackung in der es erstmals mit Zustimmung des Marken- und Zulassungsinhabers in der EU, nämlich in Österreich, in Verkehr gebracht wurde. Nur im Fall des Umpackens oder Umkennzeichnens parallelimportierter oder -vertriebener Markenarzneimittel ist nach gefestigter Rechtsprechung ein Hinweis auf die Verantwortung des Parallelvertreibers für das Umpacken oder Umkennzeichnen erforderlich (siehe Rehmann, AMG 5. Aufl. vor §§ 21-37 Rdnr. 40 m.w.N.). Da die Beklagte das Arzneimittel in völlig unveränderter Form in Verkehr gebracht hat, hat sie einen entsprechenden Hinweis unterlassen, was markenrechtlich aufgrund der eingetretenen Erschöpfung nicht zu beanstanden ist. Allerdings hält das HansOLG die Beklagte für verpflichtet, ihren Namen und ihre Tätigkeit als verantwortliche Parallelvertreiberin auf der Umverpackung anzugeben, also eine Umkennzeichnung vorzunehmen. Das ist rechtsirrig.
Bei dem in Frage stehenden Arzneimittel handelt es sich um ein Arzneimittel, das zentral zugelassen ist. Für zentral zugelassene Arzneimittel gelten die Vorschriften der VO (EU) 726/2004. Damit findet auf die Kennzeichnung zentral zugelassener Arzneimittel nicht die vom HansOLG herangezogenen Vorschriften der §§ 10, 4 Abs. 18 AMG Anwendung, sondern diese erfolgt in Übereinstimmung mit der VO (EU) 726/2004 gemäß Titel V der RL 2001/83/EG (siehe Pannenbecker in Kügel/Müller/Hofmann 2. Aufl. § 10 Rdnr.5). Ein Verstoß gegen § 10 AMG als Marktverhaltensregel ist schon aus diesem Grund abzulehnen. Es wäre Art. 54 RL 2001/83/EG heranzuziehen gewesen, der auch als Marktverhaltensregel verstanden werden kann, aber nicht verletzt wurde. Art. 54 lit. g) RL 2001/83/EG schreibt die Angabe des Namens und der Anschrift des Inhabers der Genehmigung für das Inkehrbringen, hier also des Inhabers der zentralen Zulassung, vor, nicht aber des Parallelvertreibers. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass das Gericht aber auch die herangezogene Vorschrift des § 4 Abs. 18 AMG verkennt, wenn es aus der Vorschrift schließt, der Parallelvertreiber sei immer verantwortlicher pharmazeutischer Unternehmer und damit auf der Verpackung anzugeben. Das Gegenteil folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Danach ist nämlich nur derjenige pharmazeutischer Unternehmer, der Arzneimittel im Parallelvertreib oder sonst unter seinem Namen in Verkehr bringt. Nur der Parallelvertreiber, der sich auf der Verpackung namentlich als für deren Inverkehrbringen verantwortlich bezeichnet, bringt diese unter seinem Namen in Verkehr und ist damit pharmazeutischer Unternehmer. Dazu ist er in Fällen des Umpackens oder Umkennzeichnens durch die Anbringung des Import- und Umpackhinweises markenrechtlich verpflichtet, in allen anderen Fällen markenrechtlicher Erschöpfung aber nicht. Ein Parallelvertreiber, der zentral zugelassene Arzneimittel in reiner Großhandelsfunktion in Verkehr bringt, aber eben nicht unter seinem Namen, wird nicht zum pharmazeutischen Unternehmer. Dass das Arzneimittelgesetz solche Konstellationen selbst in den Blick nimmt, ergibt sich aus § 73 Abs. 7 AMG, der den Großhändler, der im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes zugelassene Arzneimittel nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 AMG einführt, verpflichtet, das Bestehen einer Deckungsvorsorge nach § 94 AMG nachzuweisen, während der Parallelimporteur, welcher umpackt oder umkennzeichnet, durch die Angabe seiner Verantwortung für diese Handlungen auf der Verpackung selbst zum pharmazeutischen Unternehmer wird, der selbst Deckungsvorsorge nach § 94 AMG vorzuhalten hat. Die Entscheidung des HansOLG enthält bereits hier einen zentralen Fehler, weshalb auch die weiteren Ausführungen in die Irre gehen.
2. So werden die Verkehrskreise durch die unterlassene Angabe des Parallelvertriebs keineswegs getäuscht. Markenrechtlich wäre der Hinweis nur im Fall eines Umpackens- oder Umkennzeichnens zu fordern. Das Arzneimittelrecht enthält weder in Art. 54 RL 2001/83 /EG noch in §§ 10, 4 Abs. 18 AMG eine Verpflichtung der Kennzeichnung von Arzneimittelverpackungen mit dem Namen und der Anschrift des Parallelvertreibers, solange er nicht pharmazeutische Unternehmer ist. Die streitgegenständlichen Arzneimittelverpackungen waren offenbar mit allen von Art. 54 RL 2001/83/EG vorgeschriebenen Angaben versehen. Weitere Angaben trugen sie nicht. Eine irreführende Kennzeichnung nach § 8 AMG scheidet damit aus. Arzneimittelgroßhändler sind weder berechtigt noch verpflichtet, Arzneimittelverpackungen mit ihren Firmenhinweisen zu versehen. Eine solche Kennzeichnung erfüllt den Tatbestand der Herstellung nach § 4 Abs. 14 AMG, die nach § 13 AMG erlaubnispflichtig ist. Folgerichtig kann es auch keine Verbrauchererwartung geben, dass auf Arzneimittelverpackungen der Großhändler als Inverkehrbringer angegeben wird. Anderes gilt nur, wie bereits oben ausgeführt, in Fällen des Umpackens- oder Umkennzeichnens parallelimportierter oder -vertriebener Fertigarzneimittel unter Berücksichtigung der dazu bestehenden markenrechtlichen Judikatur.
3. Schon das Oberlandesgericht Braunschweig hatte sich mit seinem Urteil vom 17. Mai 2018, Az.: 2 U 45/15, mit der Frage zu befassen, ob die Verwendung einer dem Zulassungsinhaber oder Inverkehrbringer zugewiesene PZN durch einen Parallelvertreiber im Hinblick auf daraus folgende Pflichten für den Inhaber der PZN, Herstellerrabatte nach § 130a Ab.s 1 SBG V abzuführen, haftungsrelevant sei. In dem vom OLG Braunschweig entschiedenen Fall hatte der Importeur allerdings die deutsche PZN des Zulassungsinhabers selbst auf den Verpackungen aufgebracht. Darin sah das Gericht eine unberechtigte Eigengeschäftsführung des Parallelvertreibers, die ihn zum Schadensersatz verpflichte. So lag der Fall indes hier nicht, denn die von der Beklagen aus Österreich importierten Arzneimittel waren bereits für den deutschen Markt vollständig gekennzeichnet einschließlich der PZN. Dietel/Hußmann (PharmR 2010, 619) gehen für diesen Fall nicht vom einem Rechtsverstoß des Parallelvertreibers aus, wenn dieser die PZN beibehält, weil der Originator der so gekennzeichneten Verpackung deutlich gemacht habe, dass diese jedenfalls auch für den deutschen Markt bestimmt sei. Diese Rechtsauffassung hält das HansOLG für nicht überzeugend. Es geht von einem Verstoß gegen §§ 130a, 131 Abs. 5, 300 SGB V aus, welche nach Auffassung des Gerichtes Marktverhaltensregeln darstellen. Darüber hinaus bejaht das Gericht eine Irreführungsgefahr nach §§ 5 UWG in Verbindung mit, 8 AMG. Auch diese Argumentation des Gerichtes überzeugt nicht.
a) Soweit das Gericht annimmt, dass der Parallelvertreiber, der die Arzneimittel in unveränderter Verpackung in Verkehr bringt und deshalb wie hier lediglich in Großhandelsfunktion tätig ist, zum Überkleben der auf den Verpackungen vom erstmaligen Inverkehrbringer in der EU aufgebrachten PZN und zur Anbringung einer eigenen PZN verpflichtet sei, gibt es dafür keine Rechtsgrundlage. § 130a SGB V verpflichtet den pharmazeutischen Unternehmer zur Gewährung von Rabatten nach § 130a SGB V an die Krankenkassen. Das HansOLG verkennt, dass die Beklagte bei der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation nicht pharmazeutische Unternehmerin ist. Sie ist damit auch nicht zur Anbringung einer eigenen PZN und zur Gewährung eines Herstellerrabattes nach § 130a SGB V verpflichtet. Sie vertreibt die streitgegenständlichen Arzneimittel als Großhändlerin.
b) Soweit das Gericht § 8 AMG heranzieht, geht dies schon deshalb fehl, weil die PZN keine arzneimittelrechtlich vorgeschriebene Kennzeichnung ist und daher ihre fehlerhafte oder fehlende Angabe im Rahmen des § 8 AMG keine Relevanz hat. Den Ausführungen ist auch nicht zu entnehmen, welchen konkreten, in § 8 AMG normierten Irreführungstatbestand das Gericht als gegeben ansieht. Dabei ist zu beachten, dass § 8 AMG schon allein wegen seiner auch strafrechtlichen Relevanz und dem daraus folgenden Bestimmtheitsgebot als in sich abgeschlossener Regelungstatbestand zu begreifen ist. Dies gilt insbesondere für den vom Gericht möglicherweise als einschlägig angesehenen Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG, dessen Zielrichtung durch die dort aufgeführten Regelbeispiele erhellt wird. Er erfasst nur irreführende Bezeichnungen mit arzneimittelrechtlicher Relevanz. Die PZN ist aber keine arzneimittelrechtlich relevante Kennzeichnung. Dies sind u.a. die Angaben zum Zulassungsinhaber auf der Verpackung und zum Hersteller in der Gebrauchsinformation, welche im vorliegenden Fall unstreitig vorhanden und zutreffend waren und vom Parallelvertreiber auch nicht angetastet wurden. § 8 AMG ist also ersichtlich nicht einschlägig.
4. Die vom HansOLG angegebenen Urteilsgründe erweisen sich somit als nicht tragfähig. Damit ist allerdings nicht zwingend gesagt, dass das Vorgehen des Parallelvertreibers im gegebenen Fall unbedenklich sein muss. Es liegt nicht fern anzunehmen, dass der Bezug der streitgegenständlichen Arzneimittel aus Österreich zum Vertrieb in Deutschland deshalb lukrativ war, weil sie dort vom Hersteller preiswerter als in Deutschland verkauft werden. Dies wirft die Frage auf, ob der österreichische Großhändler, von dem der Parallelvertreiber die Arzneimittel erworben hat, diese ohne Rechtsverstoß nach Deutschland verkaufen durfte, sich mithin auch sein Abnehmer nicht an einem möglichen Rechtsverstoß beteiligt hat. Dabei steht es außer Frage, dass der deutsche Hersteller seinem österreichischen Abnehmer, ohne mit kartellrechtlichen Bestimmungen in Konflikt zu geraten, den Weiterverkauf nach Deutschland nicht verbieten kann. Dass der österreichische Abnehmer ggf. einen Eingehungsbetrug begeht, wenn er die Arzneimittel zu einem günstigen Preis unter Vorspiegelung, sie seien für den österreichischen Markt bestimmt, beizieht, tatsächlich aber deren Weiterverkauf nach Deutschland beabsichtigt, ist auch nicht ohne Weiteres anzunehmen. Zunächst wäre dafür Voraussetzung, dass mit der Preisvereinbarung in zulässiger Weise überhaupt eine entsprechende Erwartungshaltung verbunden wurde. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der Hersteller die Arzneimittel zu gespaltenen Preisen, d.h. solchen für den Inlandsmarkt und solchen für den Aushandel, anbieten würde, wobei auch eine solche Vorgehensweise kartellrechtliche Fragestellungen aufwirft.
Nachdem der streitgegenständliche Sachverhalt dazu keine näheren Feststellungen enthält, soll diese Fragestellung hier nicht weiter nachgegangen werden. Das HansOLG hat die Revision nicht zugelassen. Dem Vernehmen nach wurde allerdings Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt. Angesichts der nicht zu übersehenden Unzulänglichkeiten der Entscheidung des HansOLG wäre es wünschenswert, wenn der Bundesgerichtshof hierzu die Gelegenheit zur Klarstellung ergriffe.