Einstufung von CBD-Produkten als „neuartige Lebensmittel“

Entscheidung in Leitsätzen

Verordnung (EU) 2017/625 Art. 138; Verordnung (EU) 2015/2283 Art. 3 und Art. 6; Verordnung (EG) 178/2002 Art. 14; VwVfG NRW § 37 Abs. 1

Leitsätze des Gerichts:

Produkte, die aus der Pflanze Cannabis sativa L. durch Extraktion mittels Kohlendioxid gewonnenes Cannabidiol (CBD) als Zutat enthalten, können als Lebensmittel eingestuft werden.

 

Zur Einstufung bestimmter Produkte, denen CBD-Extrakte als Zutat zugesetzt worden sind, als „neuartige Lebensmittel“ im Sinne der Novel-Food-Verordnung.

 

Zur derzeit fehlenden lebensmittelrechtlichen Verkehrsfähigkeit dieser CBD-Extraktprodukte mangels Zulassung und Aufnahme in die Unionsliste durch die Europäische Kommission.

 

Fehlt es an der Zulassung eines „neuartigen Lebensmittels“ im Sinne der Novel-Food-Verordnung, kann die zuständige Behörde das Inverkehrbringen des betreffenden Lebensmittels untersagen, ohne dass es darauf ankommt, ob das Lebensmittel gesundheitsschädlich ist oder ein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringt.

 

Gründe

 

I.

 

Die Antragstellerin vertreibt, insbesondere über ihren Online-Shop, u. a. Produkte, die Cannabidiol (CBD) aus Hanf enthalten, als Nahrungsergänzungsmittel. Ihren eigenen Angaben zufolge handelt es sich um Produkte, in denen „hanfhaltige Extrakte aus der Nutzhanfpflanze Cannabis sativa L. als Zutat enthalten“ sind, wobei das in den Produkten enthaltene CBD im Wege eines CO2-Extraktionsverfahrens gewonnen wird. Bei den verwendeten hanfhaltigen Extrakten handele es sich um „reine Naturextrakte bzw. Vollextrakte aus dem Samen sowie aus den Blättern der Nutzhanfpflanze“; die von ihr vertriebenen Produkte enthielten „keinerlei „CBD-Zusätze“ oder mit CBD zusätzlich angereicherte Hanfextrakte“. Da es sich bei den Hanfextrakten um Vollextrakte handele, enthielten diese sämtliche natürlichen Inhaltsstoffe der Hanfpflanze, darunter auch einen Restgehalt des Cannabinoids THC (Tetrahydrocannabinol).

 

Mit Ordnungsverfügung vom 23. Juli 2020 untersagte (Ziffer. I.) die Antragsgegnerin der Antragstellerin

 

1. Lebensmittel, die Cannabidiol (insbesondere als „CBD-Isolate“ oder „mit CBD angereicherte Hanfextrakte“) enthalten, solange in den Verkehr zu bringen, bis eine Zulassung der EU-Kommission für das Inverkehrbringen eines neuartigen Lebensmittels in Bezug auf diese Lebensmittel gemäß Art. 6 der VO (EU) 2015/2283 (Novel-Food-Verordnung) vorliegt,

 

sowie

 

2. Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, soweit sie aufgrund ihres ∆9-THC-Gehalts als nicht sichere Lebensmittel gemäß Art. 14 der VO (EG) Nr. 178/2002 eingestuft werden. Lebensmittel werden als nicht sicher eingestuft, wenn der Ausschöpfungsgrad der akuten Referenzdosis (ARfD) für den Gehalt an ∆9-THC bei der Einnahme der empfohlenen Tagesverzehrmenge 100 % überschreitet,

 

und begründete diese Entscheidung im Einzelnen, insbesondere auch hinsichtlich des Umfangs der Untersagungsverfügung. Weiter ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung an (Ziffer II.) und drohte der Antragstellerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen unter Ziffer I. ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro an (Ziffer III.). Für die Ordnungsverfügung erhob sie eine Gebühr von 250,00 Euro (Ziffer IV.).

 

Gegen Ziffer I. der Ordnungsverfügung hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage erhoben (20 K 2915/20). Zugleich hat sie beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. September 2020 abgelehnt. Die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der angefochtenen Verfügung einerseits und dem privaten Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage andererseits falle vorliegend zu Lasten der Antragstellerin aus. Das lebensmittelrechtliche Inverkehrbringungsverbot in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheids erweise sich als offensichtlich rechtmäßig. Das gelte sowohl für Ziffer I. 1. als auch für Ziffer I. 2. der Untersagungsverfügung.

 

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde.

 

II.

 

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

 

1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 147 Abs. 1 VwGO) und auch im Übrigen zulässig. Zwar hat die Antragstellerin die einmonatige Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO versäumt, ihr ist aber nach § 60 Abs. 1 VwGO antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

 

Da der mit der Beschwerde angegriffene Beschluss dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 28. September 2020 zugestellt wurde, lief die Beschwerdebegründungsfrist am 28. Oktober 2020 ab. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat sie nicht eingehalten, weil der die Beschwerdebegründung beinhaltende Schriftsatz vom 19. November 2020 erst am selben Tag beim erkennenden Gericht eingegangen ist.

 

Die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO unverschuldet eingetreten. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, der als Einzelanwalt tätig ist, hat unter Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und einer weiteren ärztlichen Bescheinigung anwaltlich versichert, am 23. Oktober 2020 (Freitag) plötzlich erkrankt zu sein. Am Montag, den 26. Oktober 2020, habe eine Untersuchung durch den Hausarzt stattgefunden, der sodann die Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 6. November 2020 bescheinigt habe. Innerhalb der dann nur noch verbleibenden zwei Tage bis zum Fristablauf am 28. Oktober 2020 sei es mit Blick auf die fachspezifischen Besonderheiten des Falls weder ihm selbst noch der Antragstellerin möglich gewesen, einen anderen Anwalt mit der Einarbeitung in den Prozessstoff und der Abfassung der Beschwerdebegründung zu beauftragen. Mit diesem Vorbringen zu seiner unvorhersehbaren Erkrankung und zur im konkreten Fall fehlenden Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Vornahme der fristwahrenden Prozesshandlung durch einen Vertreter hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin einen unverschuldeten Hinderungsgrund hinreichend dargelegt.

 

Die Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin eingehalten.

 

2. Die Beschwerde, die sowohl ausweislich des anwaltlich formulierten Antrags,

 

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 28. September 2020 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 23. Juli 2020 wiederherzustellen,

 

als auch nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung allein auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 20 K 2915/20 (VG Gelsenkirchen) gegen die ‑ für sofort vollziehbar erklärte ‑ Untersagungsverfügung in Ziffer I. des Bescheids vom 23. Juli 2020 zielt, ist sowohl hinsichtlich Ziffer I. 1. (dazu a.) als auch hinsichtlich Ziffer I. 2. (dazu b.) der Ordnungsverfügung vom 23. Juli 2020 unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, bietet keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss zu ändern.

 

a. Ohne Erfolg wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich die Untersagungsverfügung in Ziffer I. 1. der Ordnungsverfügung bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

 

Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung ist Art. 138 Abs. 1 und Abs. 2 Halbsatz 2 Buchst. d) der Verordnung (EU) 2017/625 (im Folgenden: KontrollVO). Danach ergreifen die zuständigen Behörden bei Feststellung eines Verstoßes geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert (Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) KontrollVO). Sie berücksichtigen dabei die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften (Art. 138 Abs. 1 Satz 2 KontrollVO). Nach Art. 138 Abs. 2 Halbsatz 2 Buchst. d) KontrollVO können die zuständigen Behörden u. a. das Inverkehrbringen von Waren beschränken oder verbieten. Gemäß Art. 1 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 Buchst. a) KontrollVO erstreckt sich die Ermächtigung des Art. 138 KontrollVO auch auf den hier in Rede stehenden Verstoß gegen die Verordnung (EU) 2015/2283 (im Folgenden: Novel-Food-VO).

 

Auf dieser Grundlage hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin das Inverkehrbringen der von dieser vertriebenen und von der Ordnungsverfügung erfassten CBD-haltigen Produkte voraussichtlich zu Recht untersagt hat. Es hat dabei zugrunde gelegt, dass die Antragstellerin mit dem Vertrieb dieser Produkte gegen Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO verstoßen hat, weil sie neuartige Lebensmittel i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Novel-Food-VO in den Verkehr bringt, ohne dass diese Lebensmittel zugelassen und in der Unionsliste (vgl. Art. 6 Abs. 1 Novel-Food-VO) aufgeführt sind. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen führt nicht zu einer Änderung der Entscheidung.

 

(1) Das Beschwerdevorbringen, der Bescheidtenor in Ziffer I. 1. des Bescheids vom 23. Juli 2020 sei zu weit gefasst und fehlerhaft, weil er pauschal und ohne produktspezifische Prüfung das Inverkehrbringen sämtlicher „Lebensmittel, die Cannabidiol enthalten“, bzw. jeglicher „CBD-haltiger Lebensmittel“ untersage, greift nicht durch. Der Antragstellerin wird nicht pauschal das Inverkehrbringen jeglicher Lebensmittel, die Cannabidiol enthalten, untersagt, sondern vielmehr lediglich das Inverkehrbringen der in der Begründung des Bescheids aufgeführten neun Produkte. Dieser Regelungsgehalt der Untersagungsverfügung lässt sich, den Bestimmtheitsanforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW entsprechend, aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, unzweifelhaft erkennen (Zu den Bestimmtheitsanforderungen des wortlautgleichen § 37 Abs. 1 VwVfG vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 ‑ 8 C 18.16 ‑, BVerwGE 160, 193 = juris Rn. 13 ff. m. w. N.).

 

Zwar ist der Beschwerde zuzugeben, dass die von der Antragsgegnerin gewählte Formulierung des Tenors („Lebensmittel, die Cannabidiol (insbesondere als „CBD-Isolate“ oder „mit CBD angereicherte Hanfextrakte“) enthalten“) zu weit gefasst ist, weil sie ihrem Wortlaut nach ‑ was ausweislich der Begründung des Bescheids jedoch ersichtlich nicht gewollt war ‑ auch Lebensmittel erfasst, in denen CBD als natürlicher Inhaltsstoff, d.h. nicht als extrahierter oder synthetisch hergestellter Stoff, enthalten ist. Außerdem lässt der Tenor ‑ isoliert betrachtet ‑ die für die Einstufung eines Produkts als neuartiges Lebensmittel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Novel-Food-VO grundsätzlich erforderliche Einzelfallprüfung und -entscheidung (vgl. so schon EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 ‑ C‑383/07 ‑, ZLR 2009, 233 = juris Rn. 30 (zur Vorgängerverordnung VO (EG) Nr. 258/97), nicht erkennen. Aus dem Bescheidtenor in Verbindung mit der Begründung des Bescheides ergibt sich aber zweifelsfrei, dass nur bestimmte von der Antragstellerin vertriebene Produkte von der Untersagungsverfügung erfasst sind, weil die Antragsgegnerin diese Produkte als neuartige Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-VO einstuft. Insoweit heißt es in der Begründung zu Ziffer I. 1. auf Seite 7 des Bescheides unter der Zwischenüberschrift „Umfang der Untersagungsverfügung“ wörtlich:

 

„Damit sind aktuell folgende Ihrer Produkte von dieser Untersagung erfasst:

 

  • CBD Happy
  • CBD Immun
  • CBD Skin
  • CBD Sleep
  • CBD Shape
  • CBD Stem-Complex
  • Lipo CBD 4 %
  • CBD Cannabisöl Sof[t]gels 10 %
  • Reines CBD Cannabis-Öl 5 %, 10 % (jeweils 10 ml/ 20 ml – mit/ ohne Orangenaroma)“.

 

Der weit gefasste Tenor der Untersagungsverfügung in Ziffer I. 1. des Bescheides ist mit dieser Begründung hinreichend konkretisiert worden und der Regelungsgehalt der Untersagungsverfügung unter Berücksichtigung der Begründung zweifelsfrei erkennbar. Die Untersagungsverfügung bezieht sich nur auf die genannten, nicht dagegen auf etwaige weitere von der Antragstellerin derzeit oder künftig vertriebenen CBD-Produkte oder gar auf sämtliche Lebensmittel, die CBD ‑ in welcher Form auch immer ‑ enthalten. Dies gilt ungeachtet der vorstehend wiedergegebenen Formulierung in der Begründung des Bescheids, wonach „aktuell folgende“ Produkte von der Untersagung erfasst seien. Angesichts der Zwischenüberschrift „Umfang der Untersagungsverfügung“ und der sich daran ‑ vor der Aufzählung ‑ anschließenden Auseinandersetzung mit diesen neun Produkten sowie des abschließenden Fazits unter diesem Gliederungspunkt (Seite 8 des Bescheids) fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Bescheid auch das Inverkehrbringen dort nicht ausdrücklich genannter CBD-Produkte untersagt wird.

 

Diese Auffassung zum Regelungsgehalt der Untersagungsverfügung in Ziffer I. 1. des Bescheids, namentlich zum Umfang der Verfügung, hat auch das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss vertreten (dort im Rahmen der Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung angesprochen, vgl. S. 5 des Beschlussabdrucks). Dass gegenüber der Antragstellerin mit der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung in Ziffer I. 1. des Bescheides vom 23. Juli 2020 ein „generelles und pauschales“ Verbot des Inverkehrbringens von CBD-haltigen Lebensmitteln ausgesprochen worden wäre, hat das Verwaltungsgericht entgegen der Behauptung in der Beschwerdebegründung nicht angenommen. Ebenso wenig hat das Verwaltungsgericht behauptet, die im Streit stehenden CBD-haltigen Produkte enthielten „CBD-Isolate“ oder „mit CBD zusätzlich angereicherte Hanfextrakte“. Es hat diese Frage vielmehr ausdrücklich offen gelassen, weil es hierauf für die Bewertung, ob es sich um neuartige Lebensmittel handele, nicht ankomme (vgl. Beschlussabdruck S. 11 unten).

 

(2) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei den von der Untersagungsverfügung erfassten Lebensmitteln bei summarischer Prüfung um neuartige Lebensmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Novel-Food-VO handelt. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt werden (vgl. hierzu auch Nds. OVG, Beschluss vom 12. Dezember 2019 ‑ 13 ME 320/19 ‑, LMuR 2020, 104 = juris Rn. 17 ff.).

 

Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Novel-Food-VO sind „neuartige Lebensmittel“ alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 unabhängig von den Zeitpunkten der Beitritte von Mitgliedstaaten zur Union nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verkehr verwendet wurden und in mindestens eine der nachfolgend in der Vorschrift genannten Kategorien fallen. Diese Voraussetzungen sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend näher ausgeführt hat, in Bezug auf die vorliegend in Rede stehenden, oben unter (1) genannten neun Produkte, die unter die Kategorie iv des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Novel-Food-VO fallen, gegeben. Insbesondere ist davon auszugehen, dass diese Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 keine Verwendungsgeschichte in der EU gehabt haben.

 

(a) Mit der Beschwerdebegründung rügt die Antragstellerin zunächst, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht pauschal alle CBD-haltigen Lebensmittel als neuartige Lebensmittel eingestuft. Dieser Einwand trifft jedoch nicht zu. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich nur „die von der Untersagungsanordnung unter Ziffer I. 1. erfassten Produkte“, mithin die oben genannten neun Produkte, „als neuartige Lebensmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der Verordnung (EU) 2015/2283“ qualifiziert (vgl. Beschlussabdruck S. 6 unten). Eine Aussage dahingehend, dass sämtliche Lebensmittel, die Cannabidiol enthalten, insbesondere auch solche, in denen dieses Cannabinoid natürlicherweise vorkommt, nicht verkehrsfähig seien, hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen; auch die Antragsgegnerin hat eine solche Behauptung im streitgegenständlichen Bescheid im Übrigen nicht aufgestellt. Das Verwaltungsgericht hat auch ausdrücklich die oben bereits zitierte Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 15. Januar 2009 ‑ C‑383/07 ‑ (zur Vorgängerverordnung der heutigen Novel-Food-VO) berücksichtigt, wonach die Entscheidung, ob ein Lebensmittel als „neuartiges Lebensmittel“ im Sinne der Verordnung einzustufen ist, von den zuständigen nationalen Behörden für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens zu treffen ist (vgl. Beschlussabdruck S. 7). Die mit der Beschwerde in diesem Zusammenhang behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des EuGH wegen einer „pauschalen Novel-Food-Bewertung“ liegt nicht vor. Abgesehen davon wäre es auch unerheblich, wenn das Verwaltungsgericht, wie die Antragstellerin meint, pauschal alle CBD-haltigen Lebensmittel oder jedenfalls alle CBD-Extraktprodukte als Novel Food angesehen hätte. Denn nach den oben gemachten Ausführungen zum Umfang der Verfügung kommt es lediglich auf die Einordnung der von der Untersagung betroffenen neun Produkte an.

 

(b) Die Antragstellerin meint weiter, das Verwaltungsgericht habe ihr zu Unrecht die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein einer Verwendungsgeschichte in der EU auferlegt. Auch dieser Einwand trifft jedoch – in dieser Pauschalität – nicht zu. Das Verwaltungsgericht ist in dem angegriffenen Beschluss weder von einer entsprechenden Darlegungs- oder Beweisführungspflicht der Antragstellerin ausgegangen noch hat es insoweit eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen getroffen. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass nicht ersichtlich sei, dass die betroffenen, von der Antragstellerin angebotenen CBD-haltigen Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr bereits verwendet worden wären (vgl. Beschlussabdruck S. 8). Zur Begründung dieser Auffassung hat es sich maßgeblich auf die einschlägigen Einträge im Novel-Food-Katalog der Europäischen Union, insbesondere unter dem Titel „Cannabinoids“ berufen, und diesem Katalog eine erhebliche Indizwirkung für die Frage der Einordnung eines Lebensmittels als neuartig zugemessen. Es hat sich weiter darauf berufen, dass auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ‑ das im Übrigen die in Deutschland zuständige Behörde für Konsultationen nach Art. 4 Abs. 2 Novel-Food-VO ist, vgl. § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel (Neuartige Lebensmittel-Verordnung – NLV) ‑ CBD-haltige Hanfextrakte und jedes mit solchen Extrakten versetzte Lebensmittel für neuartig halte. Eine Darlegungs- und Beweislast der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht nur insoweit angenommen als es um die Widerlegung der Indizwirkung des Novel-Food-Katalogs geht. Mit dieser Annahme einer (widerlegbaren) Indizwirkung des Novel-Food-Katalogs (vgl. hierzu auch den Beschluss des vormals für das Lebensmittelrecht zuständigen 13. Senats des erkennenden Gerichts vom 23. Januar 2020 ‑ 13 B 1423/19 -, juris Rn. 14, mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur), setzt sich die Beschwerde nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise auseinander. Nach dem Eintrag zu „Cannabinoids“ im Novel-Food-Katalog (abrufbar (englischsprachig) unter https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/index.cfm) gelten Extrakte von Cannabis sativa L. und daraus abgeleitete Produkte, die Cannabinoide enthalten, als neuartige Lebensmittel, da eine Vorgeschichte des Konsums nicht nachgewiesen worden ist. Das gilt sowohl für die Extrakte selbst als auch für alle Produkte, denen sie als Zutat zugesetzt werden (…). Der „Novel Food Status“ wird zu diesem Eintrag mit einem roten X angegeben, was bedeutet:

 

„There was a request whether this product requires authorisation under the Novel Food Regulation. According to the information available to Member States‘ competent authorities, this product was not used as a food or food ingredient before 15 Mai 1997. Therefore, before it may be placed on the market in the EU as a food or food ingredient, a safety assessment under the Novel Food Regulation ist required.“

 

Auch hierauf geht die Beschwerdebegründung nicht ein.

 

(c) Aus dem Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ergibt sich nicht, dass die streitgegenständlichen neun Produkte bereits vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang in der EU als Lebensmittel verwendet wurden. Die Antragstellerin beruft sich darauf, dass es sich bei der Nutzhanfpflanze Cannabis sativa um eine alte Kulturpflanze handele, die seit dem vierten Jahrhundert n. Chr. im heutigen Deutschland angebaut werde und der Bevölkerung daher 1.000 Jahre länger bekannt sei als beispielsweise die Kartoffel. Auch seien Hanfblätter in Form von Tee sowie Hanfsamenöle und andere Hanfsamenprodukte umfangreich vor dem 15. Mai 1997 in der EU verzehrt worden. Vorliegend geht es jedoch nicht um die lebensmittelrechtliche Verkehrsfähigkeit von Hanftee, Hanföl oder Hanfsamen. Das Inverkehrbringen derartiger Lebensmittel hat die Antragsgegnerin mit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung nicht untersagt. Erfasst und hinsichtlich ihrer Verwendungsgeschichte zu prüfen sind vielmehr nur die in der Verfügung konkret bezeichneten neun Lebensmittel, denen – so die Antragstellerin selbst – mittels Extraktion gewonnenes CBD als Zutat hinzugefügt worden ist. Einen Bezug zu derartigen Lebensmitteln enthalten die Ausführungen der Antragstellerin nicht. Dass solche CBD-Extraktprodukte wie beispielsweise die streitgegenständlichen „Soft Gums“, denen neben unterschiedlichen Mikronährstoffen auch CBD-haltiges Hanfblattextrakt zugesetzt worden sind, und die als Nahrungsergänzungsmittel dazu beitragen sollen, „uns (…) fröhlicher und „happy“ zu machen“ (so die Beschreibung des Produkts „CBD Happy Soft Gums“ im Onlineshop der Antragstellerin (www.naturavitalis.de) unter der Überschrift „Gute Stimmung ohne Rezept!“) eine Verwendungsgeschichte in der EU im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Novel-Food-VO haben, behauptet die Antragstellerin selbst nicht. Entsprechendes gilt in Bezug auf die weiteren hier streitgegenständlichen CBD-Produkte.

 

Sollten die Ausführungen der Antragstellerin zur „umfangreichen Verzehrgeschichte“ der Pflanze Cannabis sativa L. vor dem 15. Mai 1997 dahingehend zu verstehen sein, dass sich die Antragstellerin damit auf das Vorliegen der in der Kategorie iv des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Novel-Food-VO genannten Ausnahme berufen will, mithin auf das Bestehen einer Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der EU, gilt nichts anderes. Insoweit hat auch bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen (vgl. Beschlussabdruck S. 12), dass es nicht auf eine derartige Verwendungsgeschichte der Pflanze ankommt, aus der das Lebensmittel besteht oder aus der es isoliert oder erzeugt wurde, sondern vielmehr auf die Verwendungsgeschichte des konkret in Rede stehenden Lebensmittels.

 

(3) Aus dem von ihr angeführten Urteil des EuGH vom 19. November 2020 (C-663/18) kann die Antragstellerin keine für sie günstigen Rechtsfolgen in Bezug auf die vorliegend streitgegenständliche, mit einem Verstoß gegen die Novel-Food-VO begründete lebensmittelrechtliche Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin ableiten.

 

Die Feststellung des EuGH, dass es sich bei dem im dortigen Ausgangsverfahren in Rede stehenden CBD – ein aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze durch Extraktion mittels Kohlendioxid (CO2) gewonnenes CBD – nicht um einen Suchtstoff im Sinne des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 handelt, liefert vielmehr sogar ein Argument für die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung. Denn sie spricht für die grundsätzliche Eröffnung des Anwendungsbereichs der Novel-Food-Verordnung bei für den menschlichen Verzehr bestimmten CBD-Extrakten bzw. bei Produkten, die mittels eines Extraktionsverfahrens gewonnenes CBD als Zutat enthalten, weil es sich dabei um „Lebensmittel“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Novel-Food-VO i. V. m. Art. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 (Lebensmittel-Basis-Verordnung, im Folgenden: BasisVO) handeln kann. Wäre CBD als Suchtstoff bzw. als Betäubungsmittel oder psychotroper Stoff zu qualifizieren, wäre es nach der maßgeblichen Definition der Verordnung kein Lebensmittel (vgl. Art. 2 Buchst. g) BasisVO) und fiele deshalb von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der Novel-Food-VO. Entsprechendes gilt im Übrigen, wenn und soweit CBD als Arzneimittel zu qualifizieren ist (vgl. Art. 2 Buchst. d) BasisVO).

 

In diesem Sinne – mögliche Einstufung von CBD als Lebensmittel – wertet im Übrigen auch die Europäische Kommission die entsprechende Aussage in der Entscheidung des EuGH. Ausweislich einer Pressemitteilung vom 3. Dezember 2020 nimmt die Kommission deshalb die bei ihr anhängigen Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel wieder auf, die „Anträge zu Produkten, die natürliches CBD enthalten“, betreffen. Diese Verfahren hatte die Kommission offenbar zunächst nicht weiter betrieben, weil sie nach einer Prüfung der Gültigkeit der Anträge zu der vorläufigen Ansicht gelangt war, dass diese Produkte nicht als Lebensmittel gelten könnten (vgl. die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 3. Dezember 2020, abrufbar unter https://ec.europa.eu/germany/news_de. Gestellt worden sind zudem auch Anträge auf Zulassung, die synthetisches CBD betreffen, vgl. hierzu die Angaben in den Veröffentlichungen der Kommission unter https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/authorisations/summary-applications-and-notifications_en).

 

Zu lebensmittelrechtlichen Fragen, insbesondere zur Anwendung und/oder Auslegung von Vorschriften der Novel-Food-VO verhält sich das Urteil des EuGH vom 19. November 2020 hingegen nicht. Dem Ausgangsrechtsstreit, der zur Vorlage an den EuGH geführt hat, lag eine nationale (französische) Regelung zugrunde, die eine Vermarktung von CBD verbietet, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus deren Fasern und Samen gewonnen wird. Um die Vereinbarkeit dieser nationalen Regelung mit Unionsrecht ging es im vom EuGH zu entscheidenden Fall. Fragen im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen eines Lebensmittels waren dagegen nicht Gegenstand der Entscheidung. Die Auffassung der Antragstellerin, der EuGH habe mit der genannten Entscheidung die Verkehrsfähigkeit von CBD-haltigen Lebensmitteln in der Union bejaht, trifft nicht zu. Weder war die Frage der Verkehrsfähigkeit CBD-haltiger Lebensmittel Gegenstand der Vorlage noch hat sich der EuGH hierzu geäußert.

 

Die Einschätzung der Antragstellerin, der EuGH-Entscheidung lasse sich entnehmen, dass das Verbot, die von ihr aus den Niederlanden bezogenen und dort rechtmäßig hergestellten CBD-haltigen Lebensmittel in Deutschland in den Verkehr zu bringen, Art. 34 AEUV verletze, weil die Antragsgegnerin nicht dargelegt habe, dass ein solches Verbot aus Gründen des Gesundheitsschutzes (vgl. Art. 36 AEUV) gerechtfertigt sei, teilt der Senat ebenfalls nicht. Wie ausgeführt betraf der vom EuGH entschiedene Fall die Frage der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit Unionsrecht; außerdem ging es nicht um die Auslegung der Novel-Food-VO. Vorliegend steht dagegen eine lebensmittelrechtliche Untersagungsverfügung im Streit, die ihre rechtlichen Grundlagen – allein – im Unionsrecht hat (Art. 138 KontrollVO, Art. 6 Novel-Food-VO). So verbietet namentlich Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO das Inverkehrbringen bestimmter, nämlich neuartiger und nicht zugelassener Lebensmittel. In Bezug auf neuartige Lebensmittel enthält daher bereits das Sekundärrecht Regelungen, die die Warenverkehrsfreiheit beschränken (können). Eine nationale Regelung, deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht zu überprüfen wäre, steht im vorliegenden Fall dagegen nicht in Rede. Zwar ist davon auszugehen, dass auch die Europäische Union und ihre Organe – etwa beim Erlass von Sekundärrecht – an die Grundfreiheiten (vgl. hierzu Becker, in: Schwarze / Becker / Hatje / Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 34 AEUV Rn. 101; kritisch Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 36 AEUV Rn. 109 f.) nach der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls aber an die Warenverkehrsfreiheit (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 9. August 1994 ‑ C‑51/93 ‑, juris Rn. 11) gebunden sind. Dass das im vorliegenden Fall einschlägige Sekundärrecht gegen Vorgaben des Primärrechts verstoßen könnte, wird allerdings weder von der Antragstellerin geltend gemacht noch ist dies sonst ersichtlich.

 

Soweit die Antragstellerin schließlich meint, aus der Entscheidung des EuGH vom 19. November 2020 allgemein gültige Aussagen zur Sicherheit bzw. Verzehrgeeignetheit von CBD- und/oder THC-haltigen Lebensmitteln und zu den Anforderungen an entsprechende Risikobewertungen durch die zuständigen Behörden ableiten zu können, kommt es darauf ‑ unabhängig davon, ob die von der Antragstellerin gezogenen Rückschlüsse aus der Entscheidung überhaupt zutreffen ‑ jedenfalls nicht an. Denn sie wären für die streitgegenständliche Untersagungsverfügung in Ziffer I. 1. des Bescheides vom 23. Juli 2020 unerheblich. Das Verbot des Inverkehrbringens eines Lebensmittels wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO – wie hier – erfolgt nicht etwa deshalb, weil das betreffende Lebensmittel gesundheitsschädlich oder für den menschlichen Verzehr ungeeignet wäre, sondern weil es an der erforderlichen Zulassung des Lebensmittels fehlt. Ob das Lebensmittel ein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringt, wird (u. a.) vielmehr erst im Zulassungsverfahren selbst geprüft (vgl. Art. 7 Buchst. a) Novel-Food-VO).

 

(4) Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass es im vorliegenden Beschwerdeverfahren einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedürfte. Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht ohnehin in Eilverfahren auch für das letztinstanzlich entscheidende Gericht keine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 ‑ 2 BvR 2013/16 ‑, NVwZ 2017, 470 = juris Rn. 14 f. m. w. N.).

 

Unabhängig davon wird mit der Beschwerde auch nicht hinreichend konkret dargelegt, welche (entscheidungserhebliche/n) Vorschrift/en des Sekundärrechts – wohl der Novel-Food-Verordnung – die Antragstellerin für auslegungsbedürftig durch den EuGH hält. Die Antragstellerin formuliert keine dem EuGH nach Art. 267 AEUV zu stellenden Fragen. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, jeweils nach Darstellung ihrer Rechtsauffassung zu beantragen, „diese Rechtsfrage“ dem EuGH vorzulegen. Nach den vorherigen Ausführungen ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der vorliegende Rechtsstreit Fragen aufwirft, die sich nicht zweifelsfrei aus den Vorschriften der Novel-Food-Verordnung beantworten ließen oder die in der Rechtsprechung des EuGH ungeklärt wären.

 

b. Die Einwände der Antragstellerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, auch hinsichtlich Ziffer I. 2. der Untersagungsverfügung vom 23. Juli 2020 falle die im Rahmen des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus, führen ebenfalls nicht zu einer Änderung des angefochtenen Beschlusses. Zwar ist der Umfang des unter Ziffer I. 2. verfügten Verbots enger als vom Verwaltungsgericht angenommen; der Regelungsgehalt dieser Verbotsverfügung geht nicht über den Regelungsgehalt der Verfügung unter Ziffer I. 1. hinaus (dazu (1)). Ausgehend davon ist die von der Antragstellerin mit der Beschwerde angegriffene Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe der hinreichende Verdacht eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 BasisVO, allerdings nicht entscheidungserheblich (dazu (2)). Die Frage, ob es sich bei den von Ziffer I. 2 der Untersagungsverfügung erfassten Produkten wegen deren ∆9-THC-Gehalts um „nicht sichere“ Lebensmittel im Sinne von Art. 14 Abs. 1 BasisVO handelt, bedarf mithin im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung (dazu (3)).

 

(1) Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts bezieht sich das unter Ziffer I. 2 ausgesprochene Verbot nicht auf jegliche von der Antragstellerin vertriebenen Lebensmittel, bei denen der Ausschöpfungsgrad der akuten Referenzdosis (ARfD) für den Gehalt an ∆9-THC bei der Einnahme der jeweils empfohlenen Tagesverzehrmenge 100 % überschreitet. Der durch Auslegung zu ermittelnde Regelungsgehalt der Verbotsverfügung ist enger. Aus dem Bescheidtenor und der von der Antragsgegnerin zur Regelung in Ziffer I. 2. gegebenen Begründung ergibt sich, dass der Antragstellerin (nur) untersagt wird, die Produkte

 

  • Reines CBD Cannabis-Öl 10 %,
  • Reines CBD Cannabis-Öl 5 % und
  • CBD Cannabisöl Softgels 10 %

 

in den Verkehr zu bringen. Dieser Regelungsgehalt lässt sich zwar nicht dem Bescheidtenor selbst entnehmen. Denn nach der dortigen Formulierung hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Wiederholung des wesentlichen Wortlauts des Art. 14 Abs. 1 BasisVO zunächst nur allgemein und ohne eine Einzelfallregelung zu treffen (vgl. § 35 Satz 1 VwVfG NRW) untersagt, „nicht sichere Lebensmittel“ in den Verkehr zu bringen (Satz 1 des Bescheidtenors). Weiter hat sie in Satz 2 des Bescheidtenors ihre (Rechts‑)Auffassung mitgeteilt, dass sie Lebensmittel dann als nicht sicher ansehe, wenn der Ausschöpfungsgrad der ARfD für den Gehalt an ∆9-THC bei der Einnahme der empfohlenen Tagesverzehrmenge 100 % überschreite. Allerdings hat die Antragsgegnerin in der Begründung der von ihr getroffenen Regelung zu Ziffer I. 2. diese allgemeinen Aussagen konkretisiert, indem sie die von der Antragstellerin vertriebenen Produkte namentlich benannt hat, bei denen „ein erhöhter Gehalt an Gesamt-∆9-Tetrahydrocannabi[n]ol (THC) festgestellt“ worden sei, „sodass diese Produkte als nicht sichere Lebensmittel nach Art. 14 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 178/2002 eingestuft“ würden und „auch aus diesem Grund nicht verkehrsfähig“ seien (vgl. S. 8 des Bescheides). Nach dieser Begründung sind andere als die konkret benannten drei Produkte von der Regelung in Ziffer I. 2. nicht erfasst. Aus der letztgenannten Formulierung geht zudem hervor, dass die Antragsgegnerin der Sache nach lediglich eine weitere Begründung für das bereits in Ziffer I. 1. ausgesprochene Verbot des Inverkehrbringens für diejenigen Produkte geben wollte, bei denen „ein erhöhter Gehalt“ an ∆9-THC festgestellt worden war, ohne jedoch den Umfang der Untersagungsverfügung zu erweitern.

 

Da die Produkte „Reines CBD Cannabis-Öl 10 %“, „Reines CBD Cannabis-Öl 5 %“ und „CBD Cannabis Softgels 10 %“ bereits von der Regelung in Ziffer I. 1. erfasst sind, geht der Regelungsgehalt der Verbotsverfügung unter Ziffer I. 2. nicht über denjenigen der Verfügung unter Ziffer I. 1. hinaus. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Regelung in Ziffer I. 2. anders als die Regelung in Ziffer I. 1. keine zeitliche Begrenzung bis zu einer entsprechenden Zulassung durch die EU-Kommission enthält. Aus der Begründung des Bescheids ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin das Sicherheitsrisiko eines Lebensmittels für die menschliche Gesundheit abweichend von einer entsprechenden Entscheidung der EU-Kommission (vgl. Art. 7 Buchst. a) Novel-Food-VO) beurteilen wollte, mithin das Inverkehrbringen der hier in Rede stehenden drei Lebensmittel auch bei einer etwaigen Zulassung durch die EU-Kommission gleichwohl weiterhin untersagen wollte.

 

(2) Ausgehend von diesem Regelungsgehalt der Verfügung unter Ziffer I. 2. führen die Einwände der Antragstellerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe der hinreichende Verdacht eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 BasisVO, nicht zum Erfolg der Beschwerde. Denn hinsichtlich der drei von der Regelung erfassten Produkte hat das Verwaltungsgericht ‑ selbständig tragend ‑ angenommen, dass das Inverkehrbringen (bereits) wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO voraussichtlich rechtmäßig untersagt worden ist. Diese Annahme hat die Antragstellerin mit der Beschwerde nicht erfolgreich angegriffen (dazu oben a.). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung aber auf mehrere Begründungen gestützt, die unabhängig voneinander das Entscheidungsergebnis tragen, muss sich der Beschwerdeführer mit jeder Begründung auseinandersetzen und jede in Zweifel ziehen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2017 ‑ 13 B 879/17 ‑, juris Rn. 5 f. m. w. N.; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 146 Rn. 77).

 

(3) Ist die selbständig tragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es liege ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO vor, mit der Beschwerde nicht erfolgreich in Zweifel gezogen worden, bedarf die – von der Antragsgegnerin bejahte – Frauge, ob das Verbot des Inverkehrbringens der Produkte „Reines CBD Cannabis-Öl 10 %“, „Reines CBD Cannabis-Öl 5 %“ und „CBD Cannabis Softgels 10 %“ wegen ihres ∆9-THC-Gehalts ‑ auch ‑ mit einem Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 BasisVO begründet werden könnte, im Beschwerdeverfahren keiner Entscheidung mehr. Allerdings weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die von der Antragsgegnerin insoweit angeführten Erwägungen nicht tragen dürften.

 

Die von ihr – wie auch die Regelung unter Ziffer I. 1. – auf Art. 138 Abs. 1 und Abs. 2 Halbsatz 2 Buchst. d) KontrollVO gestützte Anordnung unter Ziffer I. 2. des Bescheids vom 23. Juli 2020 hat die Antragsgegnerin mit einem Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b) BasisVO begründet. Sie beruft sich dabei auf von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) unter Berücksichtigung toxikologischer Bewertungen ermittelte (Grenz‑)Werte (lowest observed adverse effect level ‑ LOAEL ‑ und acute reference dose ‑ ARfD ‑) und meint, ein Ausschöpfungsgrad der ARfD von mehr als 100 % zeige an, dass „ein mögliches Risiko mit der geforderten Sicherheit nicht mehr auszuschließen“ sei (vgl. S. 8 f. des Bescheids). Eine Gesundheitsgefahr für Verbraucher der betreffenden CBD-Produkte mit erhöhtem THC-Gehalt könne nicht ausgeschlossen werden (vgl. S. 10 des Bescheids). Mit diesen Erwägungen dürfte sich bei summarischer Prüfung ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b) BasisVO jedoch nicht begründen lassen.

 

Nach Art. 14 Abs. 1 BasisVO dürfen Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in Verkehr gebracht werden. Absatz 2 Buchst. b) der Vorschrift regelt, dass Lebensmittel dann nicht als sicher gelten, wenn davon auszugehen ist, dass sie für den Verzehr durch Menschen ungeeignet sind. Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, ist zu berücksichtigen, ob das Lebensmittel infolge einer durch Fremdstoffe oder auf andere Weise bewirkten Kontamination, durch Fäulnis, Verderb oder Zersetzung ausgehend von dem beabsichtigten Verwendungszweck nicht für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist (Art. 14 Abs. 5 BasisVO). Dass diese Voraussetzungen in Bezug auf die drei von der Untersagungsverfügung in Ziffer I. 1. erfassten streitgegenständlichen Produkte vorliegen könnten, insbesondere dass diese durch Fremdstoffe kontaminiert wurden (vgl. zu dieser Tatbestandsvoraussetzung etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17. September 2020 ‑ 9 S 2343/20 ‑, juris Rn. 8 ff.), ist nicht ersichtlich. Entsprechendes behauptet auch die Antragsgegnerin in der Begründung ihres Bescheides letztlich nicht. Vielmehr begründet sie ihre Auffassung, dass die streitgegenständlichen Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet, mithin nicht sicher im Sinne von Art. 14 Abs. 1 BasisVO seien, allein mit einer Überschreitung der ARfD und einem möglichen Gesundheitsrisiko für Verbraucher. Daraus ergeben sich für sich genommen jedoch keine Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit zum Verzehr im oben dargestellten Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b) und Abs. 5 BasisVO, insbesondere für eine Kontamination der Lebensmittel. Dass der Verzehr der in Rede stehenden drei Lebensmittel wegen deren THC-Gehalts gesundheitsschädlich im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) BasisVO wäre, behauptet die Antragsgegnerin, obwohl sie offenbar ein gesundheitliches Risiko sieht, ausdrücklich nicht (etwa S. 9 unten des Bescheides vom 23. Juli 2020).

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).