Drittanfechtungsklage gegen Parallelimportgenehmigung für einen Wettbewerber

GG Art. 12, Art. 14, Art. 19 Abs. 4; GRCh Art. 16, Art. 17, Art. 47;  AEUV Art. 34,

Art. 36; Richtlinie 2001/83/EG Art. 54, Art. 55 Abs. 3, Art. 60, Art. 61 Abs. 2; AMG § 10 Abs. 1, § 10 Abs. 8 Satz 3, § 25 Abs. 2 Nr. 7; VwGO § 91, § 42

Leitsätze des Gerichts

1. Im Fall des Parallelimports sind die rechtlichen Bestimmungen außerhalb des eigentlichen Genehmigungsverfahrens, insbesondere zur Kennzeichnung und Packungsbeilage, weiterhin anwendbar.

 

2. Die Kennzeichnungsvorschriften des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG sind nicht drittschützend zugunsten des Inhabers der Zulassung für das Bezugsarzneimittel.

 

3. Im Geltungsbereich des Rechts der Europäischen Union hängt die Bestimmung der maßgeblichen Grundrechtsverbürgungen grundsätzlich davon ab, ob die zu entscheidende Rechtsfrage unionsrechtlich vollständig determiniert ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.4.2021 ‑ 2 BvR 206/14 ‑).

 

Tatbestand:

 

Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte bzw. verlängerte sog. Parallelimportgenehmigung.

 

Die Klägerin hat von der vormaligen Klägerin, der Firma B. am XX. Mai 2021 u. a. die Zulassung für das Arzneimittel F1. 22,5 mg erworben.

 

Die Marke F1. ist nach Angaben der Firma B. eine international registrierte Marke der US-amerikanischen Firma U. U1. J.. Von dieser habe die Firma B eine exklusive Lizenz u. a. für Deutschland erhalten. Nach Angaben der jetzigen Klägerin ist F1. (auch) als Unionsmarke eingetragen. Inhaberin sei die Firma U. J1. M.. Von dieser hat die jetzige Klägerin im K. 2021 nach ihren Angaben eine exklusive Lizenz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erworben.

 

Das Arzneimittel F1.ist zur Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms indiziert. Es besteht aus einer mit 440 mg Lösungsmittel gefüllten Fertigspritze (Spritze A) und einer weiteren Fertigspritze, die mit 28,2 mg Leuprorelinacetat in Pulverform gefüllt ist (Spritze B). Zur Herstellung der fertigen Injektionslösung werden die Spritzen miteinander verschraubt und die in der Spritze A enthaltene Flüssigkeit wird in die Spritze B gedrückt. Die Spritzen liegen jeweils in einer thermoplastisch geformten Schalenverpackung, die mittels einer Folie verschlossen ist. Beide Schalenverpackungen befinden sich in einem Umkarton. Das Arzneimittel ist nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt; nach den Angaben in der Packungsbeilage muss nach dem Öffnen der Schalenverpackung die Lösung sofort zubereitet und verwendet werden.

 

Nachdem die Beklagte der Beigeladenen am 14. Juli 2010 eine Zulassung (Zul.-Nr. 80485.00.00) für den Parallelimport des Arzneimittels F1. 22,5 mg aus Italien erteilt hatte, verlängerte sie mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 8. September 2014 die Parallelimportzulassung unter Erweiterung auf Importe aus den Mitgliedstaaten Rumänien und Polen. Der Zulassungsbescheid vom 8. September 2014 enthält einen „Hinweis zum Wortlaut der für das Behältnis (Spritzen und innere Folienbeutel) vorgesehenen Angaben“: Die die Spritzen umhüllenden Thermoschalen „sollten“ nicht geöffnet werden, um eine Kennzeichnung nach § 10 Abs. 8 AMG vorzunehmen, weil das Öffnen einen Einfluss auf die Haltbarkeit des Medikaments habe. Durch Stichproben müsse der Parallelimporteur sicherstellen, dass sich auf den Spritzen in lateinischer Schrift mindestens die folgenden Angaben befänden: Bezeichnung des Arzneimittels und der Stärke, Spritzenkennzeichnung A oder B, mittels der die zwei Spritzen eindeutig unterschieden werden können, Chargenbezeichnung, Verfalldatum.

 

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 unterrichtete die Beigeladene die Firma B. über den beabsichtigten Parallelimport von F1. 22,5 mg aus Rumänien und Polen. Auf die Rüge der Firma B., die Spritzen seien nicht in deutscher Sprache beschriftet, teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 5. Dezember 2014 ergänzend mit, durch den Verzicht auf das Bekleben der Spritze werde eine unnötige Wärmebelastung durch erneutes Versiegeln der Primärverpackung eines sehr thermolabilen Arzneimittels vermieden und Sterilität gewährleistet. Für die notwendigen Mindestangaben werde ein zusätzliches Etikett auf der die Spritze umhüllenden Schalenverpackung angebracht. Dem Schreiben beigefügt war ein Schreiben der Beklagten an die Beigeladene vom 7. April 2014, in der diese ausführt, F1. stelle einen Einzelfall dar, in dem das Thermotablett aufgrund haltbarkeitsspezifischer Vorgaben nicht geöffnet werden könne.

 

Am 10. März 2015 legte die Firma B. Widerspruch gegen den Zulassungsbescheid vom 8. September 2014 ein. Zur Begründung machte sie geltend, die in den Schalenverpackungen eingeschweißten Spritzen seien entgegen § 10 Abs. 8 Satz 3, Abs. 1 AMG nicht in deutscher Sprache gekennzeichnet, sondern nur die Schalenverpackungen selbst. Die Norm entfalte Drittschutz zu ihren Gunsten. Zwar diene sie in erster Linie dem Verbraucher- und Patientenschutz, daneben aber auch dem der Vertriebskette und der Überwachungsbehörden. Aus diesem weiten Schutzzweck sei zu folgern, dass bei Parallelimporten auch die Zulassungsinhaberin hiervon umfasst sei. Sie müsse sich dagegen wehren können, dass die ursprünglich richtig gekennzeichneten Produkte durch eine unzureichende Kennzeichnung eine Gefahr für den Patienten darstellten. Dies sei hier insbesondere wegen der fehlenden Angabe zur Art der Verwendung („subkutan“) auf der Spritze selbst der Fall, da eine intravenöse oder intramuskuläre Verabreichung mit Gesundheitsgefahren verbunden sei. Die negativen Konsequenzen einer nicht ausreichenden Kennzeichnung des parallel importierten Produkts wirkten auf sie als Zulassungsinhaberin zurück, da auf eine unzureichende Qualität geschlossen werden könne. Die Konstellation sei mit der Position eines Zulassungsinhabers und des diesbezüglichen Unterlagenschutzes im Rahmen einer generischen Zulassung vergleichbar. Die Norm begründe daher nicht nur eine Verpflichtung zur Kennzeichnung, sondern gleichzeitig auch einen subjektiven Schutz vor fehlerhafter Kennzeichnung. Darüber hinaus könne sie sich auf Rechte aus Art. 14 GG i. V. m. §§ 14 Abs. 2 Nr. 1, 24 Abs. 2 MarkenG berufen. Sie sei sowohl von der Markeninhaberin, der Firma U. U1. J., als auch von der exklusiven Lizenznehmerin u. a. für Deutschland, ihrer Schwestergesellschaft B., ermächtigt worden, deren Rechte geltend zu machen. Der EuGH habe im Rahmen der besonderen Voraussetzungen der markenrechtlichen Erschöpfung die Verbindung zwischen Arzneimittelrecht und Markenrecht hergestellt.

 

Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 9. April 2015 die Zurückweisung des Drittwiderspruchs sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung und wies darauf hin, dass nach der von der Firma B. verwendeten Gebrauchsinformation für F1. 22,5 mg nach dem Öffnen des Aluminiumbeutels oder der Schalenverpackung die Lösung unverzüglich zubereitet und verwendet werden müsse. Eine Kennzeichnung der Spritzen selbst sei daher nicht möglich.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2015 wies das BfArM den Widerspruch der Firma B. als unzulässig und unbegründet zurück. Diese könne sich hinsichtlich der Beschriftungen der Primärbehältnisse nicht auf drittschützende Normen berufen. § 10 Abs. 8 AMG sei objektiv-rechtlicher Natur und vermittle der Firma B. keine subjektiv-öffentlichen Rechte. Auch aus Art. 14 GG lasse sich nicht das Recht ableiten, die einem Konkurrenten – aus Sicht der Firma B. – unter Verstoß gegen objektiv-rechtliche Vorschriften des Arzneimittelrechts erteilte Zulassung anzufechten. Die Erteilung bzw. Verlängerung der Parallelimportzulassung sei überdies rechtmäßig und verletze die Firma B. daher nicht in ihren Rechten. Das Rechtsinstitut des Parallelimports sei vom EuGH entwickelt worden, um den freien Warenverkehr in der EU unter Berücksichtigung der Anforderungen der Arzneimittelsicherheit sicherzustellen. Um dem gerecht zu werden, sei der Beigeladenen nach einer Einzelfallprüfung gestattet worden, das Primärbehältnis nicht in der Weise umzuetikettieren, dass die nach § 10 Abs. 8 AMG erforderlichen Angaben auf der Primärverpackung in deutscher Sprache gemacht werden. Denn aufgrund der in den Informationstexten der Firma B. enthaltenen Hinweise sei nach dem erstmaligen Öffnen der Schalenverpackung das Arzneimittel sofort zu verabreichen und beeinflusse daher das Öffnen der Schalenverpackung die Haltbarkeit negativ. Vor diesem Hintergrund habe die Firma B. gegen einen weiteren Parallelimporteur eine zivilrechtliche Verbotsverfügung erwirkt. Angaben zur Art der Anwendung fänden sich auf den Tiefziehfolien/Blistern, dem äußeren Folienbeutel, der äußeren Umhüllung und in Gebrauchs- und Fachinformationen. Durch die in dem Zulassungsbescheid vorgesehenen Vorgaben könne die Gefahr einer Verwechselung der Spritzen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen und damit die Patientensicherheit gewährleistet werden.

 

Die Firma B. hat am 26. Juni 2014 beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben. Zur Begründung hat sie bezogen auf § 10 Abs. 8 AMG unter Wiederholung und Vertiefung ihres Widerspruchsvorbringens ausgeführt, die Erwägungen der Rechtsprechung zum sog. Unterlagenschutz in den Fällen der §§ 24a, 24b AMG seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeit werde entwertet, wenn das parallel importierte Arzneimittel aufgrund fehlerhafter Kennzeichnung eine Gefahr für die Arzneimittelsicherheit darstelle. Patienten würden positive wie negative Wirkungen des Arzneimittels auf den Zulassungsinhaber zurückführen. Zudem folge eine Klagebefugnis aus ihrem Eigentumsrecht aus Art. 14 GG i. V. m. Art. 5 und 7 der Markenrichtlinie. Da die Zivilgerichte dem Bescheid des BfArM in markenrechtlichen Verfahren eine Tatbestandswirkung beimäßen, blockiere dieser Bescheid die Durchsetzung ihrer markenrechtlichen Abwehransprüche. Vor diesem Hintergrund müsse der streitgegenständliche Bescheid auch wegen des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechts auf effektiven Rechtsschutz anfechtbar sein. Die Klage sei auch begründet, da die nationalen Kennzeichnungsbestimmungen des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG nicht beachtet worden seien und für eine Befreiung hiervon keine Rechtsgrundlage bestehe.

 

Die Firma B. hat beantragt, den Zulassungsbescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. September 2014 (80485.00.00) und den Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2015 aufzuheben.

 

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass ihre Auffassung zur Kennzeichnung der Behältnisse im vorliegenden Fall den Empfehlungen der EMA zur Kennzeichnung verpackter Spritzen im Rahmen des Parallelvertriebs entspreche.

 

Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Hierzu hat sie unter Bezugnahme auf die Begründungserwägungen (2 sowie 29 bis 41) des Richtliniengebers ausgeführt, die kennzeichnungsrechtlichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes und die ihnen zugrundeliegenden Regelungen des Unionsrechts entfalteten keine drittschützende Wirkung.

 

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil der Klägerin die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis fehle. Sie könne nicht geltend machen, durch die der Beigeladenen erteilte Parallelimportgenehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Im Arzneimittelrecht ergäben sich mögliche subjektive Abwehrrechte aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung in Verbindung mit drittschützenden Normen des Arzneimittelgesetzes. Die streitgegenständliche Vorschrift des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG sei jedoch nicht drittschützend, sondern objektiv-rechtlicher Natur. Die Vorschrift diene der Arzneimittelsicherheit durch die Vorgabe bestimmter Beschriftungen der Primärbehältnisse von Arzneimitteln, nicht aber dem Konkurrenzschutz. Es entspreche gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, dass Vorschriften über die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln objektiv-rechtlicher Natur seien. Auch das Verfahren auf Zulassung eines Parallelimports diene ausschließlich dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Drittschutz zugunsten des Inhabers einer arzneimittelrechtlichen Zulassung vermittelten im Grundsatz nur die Bestimmungen über den Unterlagenschutz, die den berechtigten Interessen derjenigen pharmazeutischen Unternehmen dienten, die innovative Arzneimittel entwickeln und auf den Markt bringen. Eine Erstreckung des Rechtsschutzes auf die hier streitige Vorschrift sei auch aus dem Urteil des EuGH vom 23. Oktober 2014 C-104/13 (Olainfarm) nicht herzuleiten. Dieses betreffe allein die Rechte des Inhabers der Referenzzulassung bei einer zu Unrecht erfolgten Inanspruchnahme seines Arzneimittels im Rahmen einer generischen Zulassung. Das Grundrecht der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG und das hieraus abzuleitende Recht an der Marke F1. geböten nichts anderes. Geschützt sei der konkrete Bestand an vermögenswerten Gütern – etwa eine Arzneimittelzulassung oder wissenschaftliches Erkenntnismaterial zur Erlangung dieser Zulassung – vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt, nicht hingegen die Aufrechterhaltung einer bestimmten Stellung im Wettbewerb oder bestimmter in der Zukunft liegender Chancen und Verdienstmöglichkeiten. Dass sich die Klägerin einem Preiswettbewerb mit neuen Marktteilnehmern ausgesetzt sehe, entspreche gerade der Zielsetzung des freien Warenverkehrs. Auf etwaige Rechte an der Marke F1. könne sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Denn die Parallelimportzulassung unterliege im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur der Überprüfung im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Normen. Wie insbesondere die Norm des § 25 Abs. 2 Nr. 7 AMG verdeutliche, blieben private Schutzrechte – wie dies auch bei anderen öffentlich-rechtlichen Erlaubnissen, etwa im Baurecht (§ 75 Abs. 1 BauO NRW), der Fall sei – bei der Erteilung einer arzneimittelrechtlichen Zulassung außer Betracht. Insoweit sei es der Klägerin unter Berücksichtigung des zwischen der B. Q. GmbH und der I. Q1. GmbH – den Beteiligten des Verfahrens VG Köln 7 K 3170/14 – ergangenen Urteils des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2015 I ZR 239/14 unbenommen, etwaige Rechte an der Marke auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.

 

Gegen das der Firma B. am 15. K. 2016 zugestellte Urteil hat diese am 5. Juli 2016 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 4. November 2020 hat der vormals zuständige 13. Senat die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen.

 

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin geltend, die Parallelimportzulassung greife in das durch Art. 17 GrCh, Art. 14 GG als Recht des geistigen Eigentums geschützte Markenrecht ein, weil die Zulassung es erlaube, Produkte, die zu ihren Gunsten zugelassen seien, umzupacken und umzuetikettieren oder eben auch nicht zu deklarieren. Dies begründe in Verbindung mit den Kennzeichnungsvorschriften des Arzneimittelgesetzes sowie den markenrechtlichen, vom EuGH entwickelten Regeln zum Parallelimport die Klagebefugnis. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 2. Dezember 2015 die Tatbestandswirkung der Zulassung auch für das markenrechtliche Verfahren bejaht habe. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2017 zum sog. Parallelvertrieb ergebe sich, dass der Bundesgerichtshof an seiner Auffassung zur Tatbestandswirkung festhalte. Zudem habe der EuGH im Urteil in der Sache Olainfarm ausdrücklich festgestellt, dass die Auslegung der Richtlinie in Verbindung mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gebiete, den Betroffenen ein subjektives Recht zuzugestehen. Da die nach Deutschland parallelimportierten Produkte mit deutschsprachiger Beschriftung versehen werden müssten, müsse sich der Zulassungsinhaber, auf den negative Konsequenzen einer unzureichenden Kennzeichnung zurückfielen, dagegen wehren können, dass sein ordnungsgemäß in der jeweiligen Landessprache gekennzeichnetes Produkt durch eine unzureichende Kennzeichnung beim Parallelimport eine Gefahr für den Patienten darstelle. Für eine Klagebefugnis spreche schließlich auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2019 3 C 4.18. Hiernach seien für den Drittschutz im Wesentlichen zwei Aspekte relevant: Zum einen die Vermeidung unbilliger Vorteile für solche pharmazeutischen Unternehmer, die in Relation nur geringe wirtschaftliche Risiken und Aufwendungen einsetzten. Und zum anderen der Umstand, dass die zulassungsregulierende Norm den Markt durch die sich wechselseitig beeinflussenden Wettbewerber faktisch gestalte. Insoweit mache es keinen Unterschied, ob es allgemein um die Zulassung eines Arzneimittels oder um die Einhaltung kennzeichnungsrechtlicher Pflichten gehe. Ein wirtschaftlicher Nachteil für sie bestehe auch bei einer Parallelimportgenehmigung, insbesondere wenn ein Arzneimittel unter Umgehung einer Kennzeichnungspflicht zugelassen werde, die für sie selbst gelte. § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG gestalte auch den Markt, da diese Norm darüber mitentscheide, welches Arzneimittel in welcher Gestaltung vertrieben werden dürfe. Eine Klagebefugnis ergebe sich zudem aus der privatrechtsgestaltenden Wirkung der Zulassung, da die Zivilgerichte dieser Tatbestandswirkung beimäßen.

 

Die Zulassung sei auch rechtswidrig. Sie hätte nach § 25 Abs. 2 AMG versagt werden müssen, weil die Kennzeichnungsvorschriften des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG nicht disponibel seien. Das Risiko einer Fehlanwendung sei auch nicht ausgeschlossen. Bekanntlich würden Spritzen in mehr als der Hälfte der Fälle nicht von dem Arzt selbst, sondern von einer Arzthelferin vorbereitet. Lägen die nicht ordnungsgemäß gekennzeichneten Spritzen dann dem Arzt vor, bestehe ersichtlich ein Risiko einer Fehlanwendung insbesondere im Hinblick auf die Art der Anwendung, die subkutan erfolgen müsse und nicht intramuskulär.

 

Nachdem die Firma B. am 31. Mai 2021 die Zulassung für das streitgegenständliche Arzneimittel an die Firma S. J2. D. G. verkauft hat, hat diese mit Einverständnis aller Beteiligten sowie der Firma B. die Fortführung des Verfahrens übernommen. Zur weiteren Begründung der Berufung trägt sie vor: Die Rechtsstellung als Zulassungsinhaberin vermittle ihr – jedenfalls in Parallelimportfällen der vorliegenden Art – ein subjektiv-öffentliches Recht, das ihre Klagebefugnis begründe. Wenn schon der Zulassungsinhaber des in Deutschland bereits vertriebenen Arzneimittels es hinnehmen müsse, dass die ihm erteile Bezugszulassung zum Zweck der Zulassung eines Parallelimport-Arzneimittels im vereinfachten Verfahren durch den Dritten ausgenutzt werde, dann dürfe dies nur unter den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen – und damit auch unter Beachtung des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG – erfolgen. Ferner würden ihre Markenrechte und damit das Grundrecht aus Art. 17 Abs. 2 GRCh verletzt. Sie sei exklusive Lizenznehmerin an der Marke F1. und von der Markeninhaberin U. J1. M. ermächtigt, sämtliche Rechte aus der Marke in eigenem Namen gerichtlich geltend zu machen. Eine Markenverletzung liege vor, wenn Parallelimporteuren – wie hier – behördlich rechtswidrig gestattet werde, in Abweichung von zwingenden Kennzeichnungsvorschriften parallel-importierte Arzneimittel in Deutschland in Verkehr zu bringen. Es wäre auch mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, wenn sie zuerst jahrelang den Verwaltungsrechtsweg erfolglos durch alle Instanzen beschreiten müsse, ehe sie vor den Zivilgerichten endlich Rechtsschutz erlangen könne.

 

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und den Zulassungsbescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. September 2014 (Nr. 80485.00.00) sowie den Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2015 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie die Ausführungen der Beigeladenen und verweist darauf, die Klägerin sei nicht Zulassungsinhaberin des streitgegenständlichen – aus Italien, Rumänien bzw. Polen importierten – Arzneimittels.

 

Die Beigeladene beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie weist darauf hin, dass nach den vorgelegten Unterlagen schon unklar sei, ob und inwieweit der Klägerin eigene Markenrechte zustünden. Die Parallelimportzulassung betreffe auch nicht Arzneimittel der Klägerin. Die von ihr, der Beigeladenen, importierten Arzneimittel würden ausschließlich von ihr unter eigenem Namen in Deutschland in Verkehr gebracht. Sie selbst sei pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des § 4 Abs. 18 AMG und nach § 25 Abs. 10 AMG verwaltungs-, zivil- und strafrechtlich verantwortlich. Auch die produkthaftungsrechtliche Verantwortung nach § 84 AMG treffe nur sie. Die kennzeichnungsrechtlichen Bestimmungen dienten allein der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung und der Gewährleistung der Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, nicht aber dem Schutz Dritter. Dass die Kennzeichnungsregelungen auch den ordnungsrechtlichen Rahmen für eine berufliche Tätigkeit vorgäben, führe dazu, dass entsprechende Regelungen zwar typischerweise Auswirkungen auf den Wettbewerb im Markt hätten, sofern und soweit durch die Ordnungsvorschriften zugleich Bedingungen für die Teilnahme am Markt festgelegt würden. Es fehle jedoch an jeglichen Anhaltspunkten, dass der durch den ordnungsrechtlichen Rahmen gleichsam als Reflex vorgegebene Wettbewerbsaspekt nicht allein der Wahrnehmung öffentlicher Interessen gelte, sondern die Kennzeichnungsvorgaben zugleich darauf abzielten, das berufliche (Erwerbs-)Interesse anderer pharmazeutischer Unternehmer zu schützen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

 

Aus den Gründen:

 

Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das VG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

 

I. Die Klage ist zulässig.

 

1. Die (neue) Klägerin ist zur Prozessführung befugt. Nach der Übertragung der Zulassung für das streitbefangene Arzneimittel von der Firma B. auf die Klägerin, dem BfArM angezeigt mit Änderungsanzeige vom X.X.2021, ist sie gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO aufgrund des Einverständnisses der Beklagten und der Beigeladenen berechtigt, den Prozess als Rechtsnachfolgerin (in Bezug auf die Zulassung) der Firma B. fortzuführen.

 

Eine Rechtsnachfolge im Hinblick auf etwaige Rechte an der Marke F. ist hingegen nicht eingetreten. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die frühere Klägerin, die Firma B., nicht exklusive Lizenznehmerin der (international registrierten) Marke war. Diese hat vielmehr mit Schriftsätzen vom 2.9.2015 und vom 15.8.2016 selbst ausgeführt, dass sie ausschließlich Inhaberin der deutschen Zulassung sei und exklusive Lizenznehmerin u. a. für Deutschland die B. Q. sei. Dementsprechend hat die jetzige Klägerin auch vorgetragen, sie habe die (unionsrechtlichen) Markenrechte – als exklusive Lizenznehmerin – von der Markeninhaberin U. erhalten.

 

2. Das Vorbringen der (neuen) Klägerin namentlich im Schriftsatz vom 16.11.2021, die angefochtene Zulassung verletze sie in ihren Rechten an der Marke F, da sie im K. 2021 von der Inhaberin der Unionsmarke, der Firma U., eine exklusive Lizenz an der Marke erworben habe, stellt eine unzulässige Klageänderung dar.

 

Insoweit ist nach dem Vorbringen der Klägerin im vorgenannten Schriftsatz, sie sei von der Markeninhaberin ermächtigt worden, sämtliche Rechte aus dieser Marke im eigenen Namen geltend zu machen, sowie dem Inhalt des nur rudimentär vorgelegten Lizenzvertrages allerdings schon unklar, ob und inwieweit die Markeninhaberin der Klägerin eigene Rechte an der Marke F. eingeräumt hat. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass eine gewillkürte Prozessstandschaft – die Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen – nach § 42 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.1995 – 3 C 27.94 –, juris Rdnr. 19).

 

Dessen ungeachtet sind etwaige eigene Rechte der Klägerin an der Marke F im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigungsfähig. Da, wie ausgeführt, die frühere Klägerin, die Firma B., keine Lizenznehmerin war und daher von vornherein keine Rechte an der Marke besaß, waren diese auch nicht Gegenstand des von ihr geführten gerichtlichen Verfahrens. Die Geltendmachung von (eigenen) Markenrechten durch die (neue) Klägerin ist deshalb eine Klageänderung, die an den Voraussetzungen des § 91 VwGO zu messen ist (a)). Die Änderung der Klage ist jedoch nicht zulässig. Weder haben die Beklagte und die Beigeladene in diese eingewilligt noch ist sie sachdienlich (b)).

 

a) In dem Vorbringen der Klägerin, der der Beigeladenen erteilte Zulassungsbescheid sei aufzuheben, weil er sie in eigenen Rechten an der Marke F. verletze, liegt eine Klageänderung (§ 91 VwGO).

 

Eine Klageänderung ist die Veränderung des Streitgegenstandes durch Disposition des Klägers. Der Streitgegenstand wird bestimmt durch Klageanspruch und Klagegrund, also durch den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch und durch den ihm zugrunde liegenden, d. h. zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalt. Eine Klageänderung liegt demzufolge grundsätzlich dann vor, wenn der Klageanspruch, der Klagegrund oder beides verändert wird (st. Rspr. des BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 24.10.2013 – 7 C 13.12 –, juris Rdnr. 28).

 

Die Berufung der (neuen) Klägerin auf Markenrechte als Rechtsgrund für den geltend gemachten Anspruch auf Aufhebung des Zulassungsbescheides beruht auf einem anderen Lebenssachverhalt und damit auf einem anderen Klagegrund, als er der Klage ursprünglich zugrunde lag. Denn die bisherige Klägerin war nach ihrem eigenen Vorbringen ausschließlich Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Referenzzulassung, die damit einzig als Bezugspunkt für die erforderliche Verletzung in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten in Betracht kam. Allein der Umstand, dass die bisherige Klägerin – unter Hinweis auf die verschiedenen Rechtsträger – in ihrer Klagebegründung Markenrechte thematisiert hat, hinsichtlich derer sie gleichzeitig vorgetragen hat, derartige Rechte nicht zu besitzen, führt nicht dazu, dass Markenrechte Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen wären.

 

Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Drittanfechtungskonstellation von den „klassischen“ Anfechtungsfällen. Während im letztgenannten Fall der Anfechtende seine Klagebefugnis unmittelbar daraus ableiten kann, dass ein rechtswidriger (belastender) Verwaltungsakt ihn als Adressaten in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt, begründet in Drittanfechtungsfällen allein die rechtswidrige Begünstigung des Adressaten nicht automatisch eine Rechtsverletzung des Drittanfechtenden. Dieser kann vielmehr nur unter der Voraussetzung in eigenen Rechten verletzt sein, dass der angefochtene Bescheid gegen eine zu seinen Gunsten wirkende Schutznorm verstößt, was sich aus dem Klagevorbringen ergeben muss (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23.3.1982 – 1 C 157.79 –, juris Rdnr. 23).

 

Der Lebenssachverhalt, aus dem sich der Aufhebungsanspruch ergeben kann, gibt damit den rechtlichen Rahmen für die (prozessuale und materiell-rechtliche) Prüfung des Verwaltungsgerichts vor. Insoweit unterscheidet sich die prozessuale Situation nicht wesentlich von der Verpflichtungsklage. Macht ein Kläger – wie hier – einen anderen Lebenssachverhalt zur Grundlage seines zur Entscheidung gestellten Anspruchs, liegt regelmäßig eine Klageänderung vor (vgl. Peters/Kujath, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 91 Rdnr. 9).

 

Für diese Betrachtung spricht auch, dass – wie die Verfahren der verschiedenen Rechtsträger vorliegend belegen – die Drittanfechtung der Zulassung aufgrund einer Verletzung von Markenrechten oder der Rechtsstellung eines zum Weitervertrieb Berechtigten ohne Einfluss auf eine Drittanfechtung aufgrund einer anderweitigen arzneimittelrechtlichen Zulassung ist und die jeweiligen Aufhebungsbegehren selbständig nebeneinander stehen können (vgl. hierzu Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 91 Rdnr. 15).

 

Eine Änderung des Klagegrunds ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil das VG im angefochtenen Urteil eine „etwaige“ Rechtsverletzung hinsichtlich der Marke verneint hat. Das Urteil in der vorliegenden Rechtssache erfolgte im Verbund und weithin inhaltsgleich mit den Urteilen in den Verfahren der Firma B. Q. GmbH. Diese hatte jedoch – mit wechselndem Vortrag – (auch) behauptet, sie sei exklusive Lizenznehmerin für Deutschland.

 

b) Die Klageänderung ist nicht zulässig. Eine Änderung der Klage ist nach § 91 Abs. 1 VwGO nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Beides ist hier nicht der Fall.

 

Eine Einwilligung der Beklagten und der Beigeladenen liegt nicht vor. Beide Beteiligte haben in der mündlichen Verhandlung einer dahingehenden Änderung der Klage widersprochen. Die zuvor gewechselten Schriftsätze enthalten entgegen der Auffassung der Klägerin keine Einwilligung in eine Klageänderung nach § 91 VwGO. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20.10.2021 ausdrücklich (nur) der Übernahme des Prozesses gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 265 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Allein auf das Ausscheiden der Firma B. und die Weiterführung des von dieser eingeleiteten Verfahrens durch die neue Klägerin ist auch die Zustimmung der Beigeladenen vom 18.11.2021 bezogen. Die Umstellung des Rubrums durch den Senat erfolgte – was den Beteiligten ausdrücklich mitgeteilt worden ist – ebenfalls nur im Hinblick auf die Rechtsnachfolge in die Zulassungsinhaberschaft.

 

Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich.

 

Wesentlich für den Begriff der Sachdienlichkeit ist der Gesichtspunkt der Prozessökonomie. Als sachdienlich ist eine Klageänderung in der Regel anzusehen, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.7.2009 – 9 B 20.09 –, juris Rdnr. 6, und Urteil vom 18.8.2005 – 4 C 13.04 –, juris Rdnr. 22).

 

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Durch die Klageerweiterung auf eine Verletzung von Markenrechten würde Streitstoff in das Berufungsverfahren eingeführt, dessen Würdigung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Fragen aufwirft, die für die Entscheidung über den bisher erst- und zweitinstanzlich verfolgten Streitgegenstand unerheblich sind. Dies betrifft neben weiteren rechtlichen Aspekten insbesondere Fragen der Rechtsstellung von Lizenznehmern, sowohl allgemein als auch konkret nach der Ausgestaltung des – hier nicht bzw. nur äußerst rudimentär vorgelegten – Lizenzvertrages. Schon die Klärung der vertraglichen Modalitäten des Lizenzvertrages würde daher im Übrigen auch den ansonsten entscheidungsreifen Rechtsstreit verzögern.

 

3. Die Klägerin ist im Hinblick auf ihr Vorbringen, die der Beigeladenen erteilte Parallelimportgenehmigung beeinträchtige sie als Zulassungsinhaberin des Referenzarzneimittels, gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Es erscheint möglich, dass der Zulassungsbescheid eine sie als Dritte schützende Norm und die Klägerin daher in eigenen Rechten verletzt. Diese Möglichkeit ist nur dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Klägerin verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.3.1982 – 1 C 157.79 –, juris Rdnr. 23).

 

Dabei dürfen die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 VwGO in arzneimittelrechtlichen Drittanfechtungsfällen nicht überspannt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.10.2019 – 3 C 4.18 –, juris Rdnr. 27).

 

Hiervon ausgehend erscheint es mit Blick auf die vorgenannte Entscheidung des BVerwG jedenfalls nicht von vornherein als ausgeschlossen, dass die Klägerin, die das gleiche Arzneimittel wie die Beigeladene vertreibt und sich mit dieser daher im unmittelbaren Wettbewerb befindet, durch die Erteilung der Parallelimportzulassung in drittschützenden Rechten verletzt sein kann.

 

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Es kann offen bleiben, ob die angefochtene Parallelimportgenehmigung vom 8.9.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.5.2015 rechtswidrig ist (1.). Sie verletzt die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (2.).

 

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Zulassung ist, wie allgemein bei Drittanfechtungsklagen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24.10.2019 – 3 C 4.18 –, juris Rdnr. 12 (Feststellungsbescheid nach § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG), vom 9.5.2012 – 6 C 3.11 –, juris Rdnr. 12 (Entgeltgenehmigung), vom 26.1.2011 – 6 C 2.10 –, juris Rdnr. 34 m. w. N. (Frequenzzuteilung), vom 6.4.2000 – 3 C 6.99 –, juris Rdnr. 29 f. (Linienverkehrsgenehmigung) vom 18.3.1998 – 1 B 33.98 –, juris Rdnr. 11 (Gaststättenerlaubnis), und vom 19.12.1985 – 7 C 65.82 –, juris Rdnr. 25 (atomrechtliche Teilgenehmigung)), der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier mithin der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 22.5.2015. Die zwischen den Beteiligten allein streitige Norm des § 10 AMG ist daher in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012 (BGBl I 2012, S. 2192) anzuwenden.

 

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die angefochtene Parallelimportgenehmigung deshalb rechtswidrig ist, weil die Beklagte, was die Klägerin allein rügt, die Beigeladene im Ergebnis von der Einhaltung der Kennzeichnungsvorgaben des § 10 Abs. 8 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 AMG befreit hat.

 

Zwar trifft die Auffassung der Beklagten zu, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die Richtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001 (ABl. EG L 311 vom 28.11.2001, S. 67) nicht auf den Fall des Parallelimportes angewandt werden kann, dieser vielmehr unter die Bestimmungen des AEU-Vertrages über den freien Warenverkehr – die Art. 34 und 36 AEUV – fällt (st. Rspr., vgl. nur EuGH, Urteile vom 8.10.2020 – C-602/19 (kohlpharma) –, juris Rdnr. 25, und vom 3.7.2019 – C-387/18 (Delfarma) –, juris Rdnr. 19 m. w. N.).

 

Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Richtlinienbestimmungen bzw. das zu deren Umsetzung ergangene nationale Recht insgesamt obsolet wären. Nicht anzuwenden sind in erster Linie die das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung bzw. Zulassung für das Inverkehrbringen betreffenden Richtlinienbestimmungen. Die Bestimmungen außerhalb des Genehmigungsverfahrens, insbesondere diejenigen hinsichtlich der Etikettierung und Packungsbeilage, sind hingegen weiterhin anwendbar. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH gibt es keinen Grund, weshalb die strengen Bestimmungen bezüglich u. a. des Besitzes, der Abgabe, der Etikettierung und der Packungsbeilage sowie der Pharmakovigilanz, die Teil des zur Gewährleistung eines hohen Niveaus des durch die Richtlinie geschaffenen kohärenten Systems der Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sind, im Fall der Paralleleinfuhr nicht anwendbar sein sollen (vgl. EuGH, Urteil vom 27.10.2016 – C-114/15 (Audace) –, juris Rdnr. 56).

 

Von den Kennzeichnungsvorgaben des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG durfte die Beklagte die Beigeladene nicht ohne Weiteres im Rahmen einer Abwägung zwischen der Warenverkehrsfreiheit und entgegenstehenden Belangen des Gesundheitsschutzes befreien. § 10 AMG, der die in den Art. 54 f. der Richtlinie 2001/83/EG enthaltenen Vorgaben zur Etikettierung von Arzneimitteln in nationales Recht umsetzt, ist in Übereinstimmung mit Art. 61 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zwingend ausgestaltet, eröffnet mithin der zuständigen Behörde weder einen Beurteilungsspielraum noch ermöglicht er ein Absehen von den gesetzlichen Vorgaben im Ermessenswege. Zwar ist auch eine zwingend ausgestaltete nationale Regelung im Falle ihrer Unvereinbarkeit mit – primärem oder sekundärem – Unionsrecht von den Gerichten und Behörden des Mitgliedstaats nicht anzuwenden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.8.2004 – 1 C 30.02 –, juris Rdnr. 16 ff. (zu § 47 AuslG).

 

Für Richtlinien der Europäischen Union gilt im Grundsatz nichts anderes. Insoweit ist hinsichtlich des sekundären Rechts der Europäischen Union in der Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass das in Art. 34 AEUV enthaltene Verbot der mengenmäßigen Beschränkung sowie von Maßnahmen gleicher Wirkung auch für Maßnahmen der Unionsorgane gilt und damit auch von diesen beim Erlass von Richtlinien zu beachten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 11.7.1996 – C-427/93 u. a. (Bristol-Myers Sqibb) –, juris Rdnr. 36).

 

Die Klärung der Frage, ob die zwingenden Kennzeichnungsvorgaben des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG bzw. die Etikettierungsvorgaben des diesem zugrundeliegenden Art. 55 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Primärverpackung von einer weiteren – von der Richtlinie nicht vorgesehenen dritten – Verpackung umhüllt ist, die ohne eine (wesentliche) Beeinträchtigung der Haltbarkeit des Inhalts der Primärverpackung nicht geöffnet werden kann, mit Art. 34 AEUV unvereinbar sind, obliegt jedoch grundsätzlich dem EuGH. Die Beantwortung dieser Frage ist auch nicht im Sinne der acte-claire-Doktrin des EuGH derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum verbliebe (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteile vom 17.9.2015 – 1 C 37.14 –, juris Rdnr. 24, und vom 25.9.2013 – 6 C 13.12 –, juris Rdnr. 29).

 

2. Die Klägerin wird jedoch durch eine – unterstellte – Verletzung der Kennzeichnungsvorschriften durch den angefochtenen Zulassungsbescheid nicht, wie von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO gefordert, in eigenen Rechten verletzt.

 

Die Anfechtungsklage eines – wie hier – Drittbetroffenen, der nicht selbst Adressat des angefochtenen Verwaltungsaktes ist, ist nur dann begründet, wenn die Behörde – nationale oder unionale – Grundrechte oder eine einfachgesetzliche Norm verletzt hat, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch die Klägerin als Dritte schützt. Insoweit ist entscheidend, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich hinreichend von der Allgemeinheit unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteile vom 23.3.1982 – 1 C 157.79 –, juris Rdnr. 27, vom 26.1.2011 – 6 C 2.10 –, juris Rdnr. 14, und vom 15.12.2011 – 3 C 41.10 –, juris Rdnr. 11).

 

Eine solchermaßen die Klägerin als Dritte schützende Norm ist hier jedoch nicht verletzt. Die Kennzeichnungsvorschriften des § 10 Abs. 8 Satz 3, Abs. 1 AMG sind nicht drittschützend (a)). Eine privatrechtsgestaltende Wirkung kommt der angefochtenen Zulassung im Verhältnis der Klägerin zur Beigeladenen nicht zu (b)). Grundrechte der Klägerin sind ebenfalls nicht verletzt (c)).

 

a) Die nach der Rechtsprechung des EuGH auch in Fällen der Parallelimportgenehmigung anwendbaren Kennzeichnungsvorschriften des § 10 Abs. 8 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 AMG bzw. des Art. 55 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG, dienen nicht dem Schutz des Inhabers der Zulassung für das Referenzarzneimittel im Einfuhrmitgliedstaat.

Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, insbesondere die arzneimittelrechtlichen Vorgaben an die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels, bezwecken im Grundsatz allein eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung und damit den Schutz der öffentlichen Gesundheit (§ 1 AMG) (St. Rspr. OVG NRW, vgl. Beschlüsse vom 7.4.2016 – 13 B 28/16 –, juris Rdnr. 12, und vom 30.8.2012 – 13 B 733/12 –, juris Rdnr. 7 ff.).

 

Diese Zweckbestimmung steht in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2001/83/EG, nach deren zweiter Begründungserwägung alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten müssen.

 

Für Parallelimporte, deren Genehmigung nicht vollständig anhand der Richtlinie, sondern im Licht der den freien Warenverkehr betreffenden Bestimmungen der Art. 34 und 36 AEUV zu prüfen ist, gilt keine grundsätzlich andere Zweckrichtung, als sie die Richtlinie 2001/83/EG nach Maßgabe ihrer zweiten und dritten Begründungserwägung verfolgt (vgl. EuGH, Urteile vom 3.7.2019 – C-387/18 (Delfarma I) –, juris Rdnr. 22, und vom 12.11.1996 – C-201/94 (Smith & Nephew) –, juris Rdnr. 19).

 

Das Parallelimportverfahren trägt allein dem Umstand Rechnung, dass dem Mitgliedstaat aufgrund der durch ihn erfolgten Zulassung eines im Wesentlichen gleichen Arzneimittels bereits alle für die Beurteilung der Wirksamkeit und Unschädlichkeit des Arzneimittels als unentbehrlich angesehenen Angaben vorliegen und eine Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit durch die im Rahmen eines Zulassungsverfahrens nach Maßgabe von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG vorzulegenden Unterlagen nicht verhältnismäßig ist (vgl. EuGH, Urteile vom 3.7.2019 – C-387/18 (Delfarma I) –, juris Rdnr. 22 f., 29, und vom 12.11.1996 – C-201/94 (Smith & Nephew) –, juris Rdnr. 22).

 

Abgesehen davon, dass weder das Schutzgut der öffentlichen Gesundheit noch die Grundfreiheit des freien Warenverkehrs, die der EuGH als „fundamentalen Grundsatz“ des Unionsrechts ansieht (vgl. EuGH, Urteil vom 11.7.1996 – C-427/93 u. a. (Bristol-Myers Sqibb) –, juris Rdnr. 42), dazu bestimmt sind, den Interessen des Zulassungsinhabers des im Einfuhrmitgliedstaat zugelassenen Arzneimittels zu dienen, kommt es auf die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang dem Verfahren auf Erteilung einer Parallelimportzulassung gleichwohl eine schützende Wirkung zugunsten des Inhabers der Zulassung des Bezugsarzneimittels im Einfuhrmitgliedstaat zukommen könnte, vorliegend nicht an. Denn die Voraussetzung, dass das importierte und das im Einfuhrmitgliedstaat bereits zugelassene Arzneimittel entweder identisch sind oder zumindest nach der gleichen Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt worden sind (vgl. EuGH, Urteile vom 12.11.1996 – C-201/94 (Smith & Nephew) –, juris Rdnr. 23 ff., vom 16.12.1999 – C-94/98 (Rhone-Poulenc) –, juris Rdnr. 28 f., vom 3.7.2019 – C-387/18 (Delfarma I) –, juris Rdnr. 23, und vom 8.10.2020 – C-602/19 (kohlpharma) –, juris Rdnr. 27), steht nicht im Streit. Die Klägerin macht allein geltend, dass infolge der von ihr gerügten Etikettierungsmängel die Gefahr einer falschen Anwendung des Arzneimittels bei einer Verabreichung durch Ärzte bestünde (vgl. aber Art. 63 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG). Dieser Einwand steht in keinem Zusammenhang mit einer spezifischen Voraussetzung des Parallelimportes, sondern betrifft die angesichts der allgemeinen Schutzrichtung arzneimittelrechtlicher Vorschriften für alle Arzneimittel gleichermaßen geltenden Vorgaben, dass diese im Hinblick auf die Qualität, die Wirksamkeit und die Unschädlichkeit keine Probleme aufwerfen dürfen. Die Prüfung, ob die arzneimittelrechtlichen Anforderungen an die Qualität, die Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit des fraglichen Arzneimittels erfüllt sind, obliegt aber dem jeweiligen Mitgliedstaat zur Gewährleistung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und in diesem Zusammenhang der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung (vVgl. EuGH, Urteil vom 3.7.2019 – C-387/18 (Delfarma I) –, Rdnr. 22 f).

 

Die allgemeine Zweckrichtung des Arzneimittelgesetzes – sowie der Richtlinie 2001/83/EG – schließt zwar nicht aus, dass einzelne Bestimmungen neben dem Schutz der öffentlichen Gesundheit auch dem Schutz der Interessen Einzelner, insbesondere des Inhabers einer arzneimittelrechtlichen Zulassung, zu dienen bestimmt sein können. Hierfür bedarf es jedoch, nicht zuletzt mit Blick darauf, dass die arzneimittelrechtlichen Genehmigungsverfahren auch nach der Richtlinie als zweiseitige Verfahren ausgestaltet sind, an dem nur der Antragsteller und die Behörde beteiligt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2014 – C-104/13 (Olainfarm) –, juris Rdnr. 34), eindeutiger Anhaltspunkte. Hinweise auf einen drittschützenden Charakter, die die Rechtsprechung namentlich den Vorschriften der Art. 10 Abs. 1 und 10a der Richtlinie 2001/83/EG über den Schutz der Unterlagen des Referenzarzneimittels entnommen hat (vgl. EuGH, Urteile vom 23.10.2014 – C-104/13 (Olainfarm) –, juris Rdnr. 34, und vom 14.3.2018 – C-557/16 (B. ) –, juris Rdnr. 37; OVG NRW, Beschluss vom 7.4.2016 – 13 B 28/16 –, juris Rdnr. 14 f. m. w. N., und Urteil vom 4.7.2013 – 13 A 2801/10 –, juris Rdnr. 104, 156 f., 166 f.), liegen im Fall der Kennzeichnungsvorgaben des § 10 AMG – hier des Abs. 8 Satz 3 – indes nicht vor.

 

Die der Umsetzung der Art. 54 bis 57 der Richtlinie 2001/83/EG dienenden Regelungen zur Kennzeichnung bzw. Etikettierung von Arzneimitteln (vgl. zur Vorgängerrichtlinie 65/65/EWG: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 7.1.1975, BT-Drs. 7/3060 S. 46 (zu § 10)),

 

insbesondere in § 10 Abs. 1 und Abs. 8 AMG konkretisieren zusammen mit den Vorschriften über die Packungsbeilage (§ 11 AMG, Art. 58, 59 der Richtlinie 2001/83/EG) die allgemeine Zweckrichtung des Arzneimittelgesetzes im Hinblick auf die für eine ordnungsgemäße Anwendung und Aufbewahrung von Arzneimitteln unabdingbare Information über deren wesentliche Eigenschaften, Anwendungsgebiete und Verabreichungsformen. Die Kennzeichnung bezweckt insoweit in erster Linie die Unterrichtung der Verbraucher bzw. Patienten (vgl. Kloesel/Cyran, AMG, 136. Akt. Lief. 2020, § 10 Rdnr. 1; Rehmann, AMG, 5. Aufl. 2020, § 10 Rdnr. 1; Freund, in: MüKoStGB, 4. Aufl. 2021, § 10 Rdnr. 1; Pfohl, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 236. EL. Mai 2021, § 10 Rdnr. 1; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Aufl. 2016, § 10 Rdnr. 3.

 

Diese sollen über wesentliche Eigenschaften des Arzneimittels – dessen Wirkstoffe (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AMG), deren Stärke (Nr. 2) und ggf. Verwendungszweck (Nr. 14) – in Kenntnis gesetzt und in die Lage versetzt werden, es ordnungsgemäß anzuwenden. Dem Schutz des Patienten vor fehlerhafter oder nicht indizierter Anwendung dienen dabei insbesondere die Angaben zur Darreichungsform und Art der Anwendung, aber auch damit im Zusammenhang stehende Informationen etwa zum Verfalldatum, zu besonderen Vorsichtsmaßnahmen und zur Aufbewahrung (vgl. § 10 Abs. 2 AMG, s. a. Art. 54 Buchst. g) und i) der Richtlinie 2001/83/EG). Dass die Vorschrift des § 10 Abs. 1, Abs. 8 AMG auf den Verbraucher abzielt, belegen auch die in Abs. 1 – in Übereinstimmung mit Art. 56 der Richtlinie 2001/83/EG – normierten weiteren Vorgaben an die Ausgestaltung der Etikettierung. So muss die Kennzeichnung u. a. in gut lesbarer Schrift ausgeführt sein, um zu gewährleisten, dass der Patient diese auch tatsächlich wahrnehmen kann. Sie darf also insbesondere nicht zu klein und muss in der Farbgebung von dem Untergrund abgesetzt sein, so dass sie von einem Leser mit durchschnittlicher Lesefähigkeit ohne größere Anstrengungen lesbar ist. Zudem muss sie – anders als die in § 11a AMG normierte, Ärzten und Apothekern dienende Fachinformation – klar und allgemein verständlich sein, damit ihre Bedeutung von dem Patienten tatsächlich und richtig erfasst werden kann (vgl. im Einzelnen Rehmann, AMG, 5. Aufl. 2020, § 10 Rdnr. 3 m. w. N.; Kloesel/Cyran, AMG, 136. Akt. Lief. 2020, § 10 Rdnr. 20 ff.; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Aufl. 2016, § 10 Rdnr. 14.

 

Dass die Vorgaben zur Kennzeichnung von Arzneimitteln daneben auch weiteren Personengruppen dienen, insbesondere den Apothekern, die das Arzneimittel an den Patienten abgeben und ihn beraten, stellt den vorgenannten Schutzzweck ebenso wenig in Frage wie der Hinweis der Klägerin auf den von Kloesel/Cyran in der Kommentierung zu § 10 in Rdnr. 1 angesprochenen Aspekt des Schutzes der Vertriebsketten und Überwachungsbehörden. Abgesehen davon, dass die Klägerin weder der einen noch der anderen Gruppe angehört, steht die Information der einzelnen Mitglieder der Vertriebskette und der Überwachungsbehörden insbesondere über die Identität des Arzneimittels und ggf. bestimmte Vorgaben und Vorsichtsmaßnahmen für deren Aufbewahrung, die durch die Etikettierung erfolgen soll, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gewährleistung einer sicheren Arzneimittelversorgung der Patienten.

 

Aus den unionsrechtlichen Vorgaben, die § 10 Abs. 1 und 8 AMG zugrunde liegen, ergibt sich nichts anderes. Die Maßgaben für die Etikettierung eines Arzneimittels in Art. 54 f. der Richtlinie 2001/83/EG, bei der es sich lediglich um eine kodifizierte Fassung der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26.1.1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. EG 65 S. 369) sowie weiterer Richtlinien handelt (vgl. den ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83/EG), waren im Wesentlichen bereits in den Art. 13 bis 19 der Ursprungsfassung der Richtlinie 65/65/EWG enthalten. Diese Richtlinie diente ausweislich ihrer Erwägungsgründe indes insgesamt in erster Linie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Einen Schutz des Inhabers der Zulassung eines Arzneimittels, das im Wesentlichen einem Arzneimittel gleicht, für das ein anderer eine Zulassung beansprucht, bezweckte die Richtlinie 65/65/EWG hingegen offenkundig nicht. Denn Art. 4 Nr. 8 dieser Richtlinie sah in der Ursprungsfassung eine generische Zulassung noch nicht vor. Abweichendes ist auch nachfolgend der Richtlinie 92/27/EWG des Rates vom 31.3.1992 über die Etikettierung und die Packungsbeilage von Humanarzneimitteln (ABl. EG Nr. L 113 S. 8) nicht zu entnehmen. Diese führte u. a. den Begriff der „Primärverpackung“ ein, ergänzte die Vorgaben zur Etikettierung und Packungsbeilage und gestaltete die Etikettierungsvorgaben in Art. 2 und 3 in der Form aus, die nunmehr den Art. 54 und 55 der Richtlinie 2001/83/EG entspricht. Mit diesen Änderungen sollte ausweislich der Erwägungsgründe erreicht werden, dass die Be­stimmungen über die Unterrichtung der Patienten ein hohes Schutzniveau gewährleisten, so dass die Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß angewandt werden können (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 39 der Richtlinie 2001/83/EG). Weitere – insbesondere dem Zulassungsinhaber eines vergleichbaren Arzneimittels dienende – Schutzzwecke ergeben sich aus der Richtlinie weder direkt noch mittelbar.

 

Es ist auch nicht erkennbar, dass den Etikettierungsvorschriften im Zusammenhang mit der Einführung der generischen Zulassung ein weiterer Schutzzweck namentlich zugunsten des Zulassungsinhabers eines vergleichbaren Arzneimittels beigemessen worden wäre. Die Vorschriften über die Zulassung eines Arzneimittels, das im Wesentlichen einem Erzeugnis gleicht, das entweder in dem Land, in dem der Antrag gestellt wird, bereits zugelassen ist (Buchst. a) i)) oder das in der Gemeinschaft nach Gemeinschaftsvorschriften zugelassen ist (Buchst. a) iii)), sind durch Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 87/21/EWG des Rates vom 22.12.1986 zur Änderung der Richtlinie 65/65/EWG (ABl. EG Nr. L 15 S. 36) eingefügt worden. Im Zusammenhang mit der rechtlichen Ausgestaltung dieser Zulassung sind jedoch weder Änderungen der Etikettierungsvorschriften erfolgt noch ist den Erwägungsgründen ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass dem Inhaber der Zulassung für das Originalarzneimittel schützenswerte Belange im Hinblick auf die Etikettierung des Generikums zukommen sollten.

 

Zu einer anderen Beurteilung der Kennzeichnungsvorschriften gelangt auch der BGH nicht. So hat er im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens ausgeführt, die Vorschrift des § 10 AMG diene in erster Linie dem Schutz der Patienten, damit diese die Mittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß anwenden könnten. Sie sei daher eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, die aufgrund ihrer Zweckbestimmung, nämlich dem Gesundheitsschutz von Verbrauchern zu dienen, auch unionrechtskonform sei (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2012 – I ZR 161/11 –, juris Rdnr. 10 f).

 

Dass der BGH in Verfahren, die einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch betreffen (vgl. das zwischen den Beteiligten des Verfahrens 13 A 1528/16 ergangene Urteil vom 2.12.2015 – I ZR 239/14 –, juris Rdnr. 31, sowie für den Fall des Parallelvertriebs das Urteil vom 30.3.2017 – I ZR 263/15 –, juris Rdnr. 37 ff.),

prüft, ob die Kennzeichnung des Parallelimportes mit den Vorgaben des § 10 AMG übereinstimmt, beruht nicht auf einer abweichenden Bewertung des Schutzzwecks dieser Vorschrift. Denn auch hier geht der BGH davon aus, dass die Kennzeichnungsvorschriften des Arzneimittelgesetzes dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Verbraucher dienen. Er nimmt lediglich an, dass es dem Inhaber der Marke möglich sein muss, das Umpacken der Ware und damit einhergehend auch die ordnungsgemäße Kennzeichnung bzw. Etikettierung in einem gerichtlichen Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Dies folgert er aus dem Umstand, dass der EuGH in einem markenrechtlichen Verfahren, dem die Fallgestaltung des Parallelimports zugrunde lag, ausgeführt hat, eine Beeinträchtigung des Zustands der Ware könne auch mittelbar erfolgen, etwa wenn die äußere oder innere Verpackung der umgepackten Ware oder ein neuer Beipack- oder Informationszettel bestimmte wichtige Angaben nicht aufweise oder aber unzutreffende Angaben über die Art der Waren, ihre Zusammensetzung, ihre Wirkung, ihren Gebrauch oder ihre Aufbewahrung enthalte (vgl. EuGH, Urteil vom 11.7.1996 – C-427/93 (Bristol-Myers Sqibb) –, Rdnr. 65 und 79).

 

Dem Urteil des BGH vom 2.12.2015 ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht die Aussage zu entnehmen, der der Beigeladenen erteilte Zulassungsbescheid verletze die Inhaberin der Zulassung in ihrer Stellung auf dem Markt. Vielmehr heißt es dort lediglich, der den Parallelimport genehmigende Zulassungsbescheid beeinträchtige den Markeninhaber und Arzneimittelhersteller unmittelbar sowohl im Hinblick auf sein Markenrecht als auch in seiner Stellung auf dem Markt (juris Rdnr. 31). Abgesehen davon, dass im Kontext dieser Entscheidung der Begriff des Arzneimittelherstellers schwerlich im Rechtssinne gemeint gewesen sein dürfte (vgl. § 4 Abs. 14 AMG i. V. m. den im dritten Abschnitt enthaltenen Vorschriften der §§ 13 ff. AMG sowie die im Titel IV enthaltenen Art. 40 ff. der Richtlinie 2001/83/EG), ist nichts dafür ersichtlich, dass der BGH den Zulassungsinhaber im Blick hatte. Zum einen geht der BGH offensichtlich von einer Personenidentität des Markeninhabers und des Arzneimittelherstellers aus. Zum anderen waren Gegenstand des Verfahrens ausschließlich Markenrechte der Firma U., die die Klägerin des dortigen Verfahrens, die Firma B. Q. GmbH, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht hatte (juris Rdnr. 16).

 

Hiervon ausgehend steht der Klägerin ebenso wenig wie jedem anderen Dritten ein subjektiv-öffentliches Recht hinsichtlich der Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Vorgaben zur Kennzeichnung zu. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, sie müsse die Rechtmäßigkeit der Kennzeichnung „ihres“ Arzneimittels überprüfen lassen können, weil etwaige nachteilige gesundheitliche Folgen für die Patienten aufgrund einer fehlerhaften Etikettierung und darauf beruhender falscher Anwendung des parallelimportierten Arzneimittels auf sie zurückfielen und ihren Ruf beschädigten. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nicht ihr deutsches Arzneimittel, für das sie eine nationale Zulassung besitzt, importiert wird, sondern die in den Mitgliedstaaten Italien, Rumänien und Polen zugelassenen und dort in den Verkehr gebrachten Arzneimittel der dortigen Zulassungsinhaber. Davon abgesehen sind Kennzeichnungsmängel in Fällen parallelimportierter – fremdsprachiger – Arzneimittel ohne Weiteres dem Parallelimporteur zuzuordnen, der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Abs. 18 Satz 2 AMG auf der – hier vorhandenen – äußeren Umhüllung anzugeben ist (vgl. zum Erfordernis der Angabe des Parallelimporteurs auf der Verpackung auch EuGH, Urteil vom 26.4.2007 – C-348/04 (Boehringer/Ingelheim) –, juris Rdnr. 21).

 

Die Inhaberschaft der Zulassung für das als „Bezugsarzneimittel“ dienende Arzneimittel vermittelt der Klägerin auch kein besonderes Näheverhältnis zu dem parallelimportierten Arzneimittel, das es rechtfertigen könnte, ihr – anders als anderen Dritten – ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der gesetzlichen Kennzeichnungsvorgaben zuzusprechen. Dass der Parallelimporteur nicht auf das Zulassungsverfahren nach der Richtlinie 2001/83/EG bzw. der entsprechenden nationalen Vorschriften verwiesen werden darf, beruht darauf, dass der Einfuhrmitgliedstaat aufgrund eines durch diesen bereits zugelassenen, im Wesentlichen gleichen Arzneimittels bereits über alle für die Beurteilung der Wirksamkeit und Unschädlichkeit des Arzneimittels als unentbehrlich angesehenen Angaben verfügt (EuGH, Urteile vom 12.11.1996 – C-201/94 (Smith & Nephew) –, juris Rdnr. 22, und vom 20.5.1976 – C-104/75 (de Peijper) –, juris Rdnr. 21 f.).

 

Dementsprechend müssen sich die Mitgliedstaaten die von ihnen benötigten Informationen zum einen hinsichtlich der Frage, ob das importierte und das im Einfuhrmitgliedstaat bereits zugelassene Arzneimittel im Wesentlichen gleich sind, und zum anderen im Hinblick auf die allgemeine Beurteilung der Sicherheit, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des eingeführten Arzneimittels selbst beschaffen. Insoweit sind die Mitgliedstaaten in erster Linie gehalten, sich benötigte Informationen im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten – insbesondere denjenigen, in denen das eingeführte Arzneimittel zugelassen ist – zu besorgen (cgl. EuGH, Urteile vom 3.7.2019 – C-387/18 (Delfarma I) –, juris Rdnr. 22, 23, 30 f. und 33 ff., vom 12.11.1996 – C-201/94 (Smith & Nephew) –, juris Rdnr. 27 f., und vom 20.5.1976 – C-104/75 (de Peijper) –, juris Rdnr. 24–27).

 

In diesem Zusammenhang können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Rahmen der Prüfung der Zulassung eines Parallelimportes zwar auch auf Dritte zurückgreifen. Insbesondere verfügen die Mitgliedstaaten nach Auffassung des EuGH über legislative und administrative Mittel, mit denen der Hersteller, dessen offizieller Vertreter oder der Lizenzinhaber für das betreffende Arzneimittel gezwungen werden können, die Angaben zu machen, über die sie verfügen und die die Behörde für notwendig hält. Soweit die zuständige Behörde ferner auf die Unterlagen zurückgreifen kann, die im Rahmen des Zulassungsverfahrens für das im Einfuhrmitgliedstaat zugelassene Bezugsarzneimittel eingereicht worden sind (vgl. EuGH, Urteile vom 3.7.2019 – C-387/18 (Delfarma I) –, juris Rdnr. 37, vom 12.11.1996 – C-201/94 (Smith & Nephew) –, juris Rdnr. 27 f., und vom 20.5.1976 – C-104/75 (de Peijper) –, juris Rdnr. 24 – 27, sowie vom 6.11.2014 – C-108/13 (Mac) –, juris Rdnr. 36 (zu Pflanzenschutzmitteln)), lässt dies entgegen der Auffassung der Klägerin nicht den Schluss zu, die Zulassung ihres Arzneimittels dürfe nur unter den gesetzlich vorgesehenen Zulassungsbedingungen – und damit auch unter Beachtung des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG – „ausgenutzt“ werden. Vielmehr folgt bereits aus dem Umstand, dass der EuGH in den Parallelimportfällen einen dem Unterlagenschutz der Art. 10 und 10a der Richtlinie 2004/83/EG vergleichbaren Schutz des Inhabers der Zulassung für das Bezugsarzneimittel nicht einmal thematisiert (vgl. EuGH, Urteile vom 3.7.2019 – C-387/18 (Delfarma I) –, Rdnr. 33, vom 12.11.1996 – C-201/94 (Smith & Nephew) –, Rdnr. 27 f., und vom 20.5.1976 – C-104/75 (de Peijper) –, Rdnr. 24 – 27, sowie vom 6.11.2014 – C-108/13 (Mac) –, Rdnr. 36 (zu Pflanzenschutzmitteln)), dass das Bezugsarzneimittel nicht in einer spezifischen Nähe zum parallelimportierten Arzneimittel steht. Gegen ein solches Näheverhältnis spricht zudem, dass die Parallelimportzulassung nach der Rechtsprechung des EuGH nicht an den Bestand der Zulassung des Bezugsarzneimittels im Einfuhrmitgliedstaat gebunden ist. Erlischt die Zulassung für das Bezugsarzneimittel aus Gründen, die nicht mit der öffentlichen Gesundheit zusammenhängen, dürfen die Mitgliedstaaten dies allein nicht zum Anlass nehmen, die Parallelimportgenehmigung zu widerrufen. Das gilt selbst in Fällen des vollständigen Erlöschens der Genehmigung (vgl. EuGH, Urteile vom 25.11.2021 – C-488/20 (Delfarma II) –, juris Rdnr. 31, 39 ff., vom 8.5.2003 – C-15/01 (Paranova) –, juris Rdnr. 25 f., und vom 10.9.2002 – C-172/00 (Ferring) –, juris Rdnr. 36).

 

Das Urteil des BVerwG vom 24.10.2019 – 3 C 4.18 – zu einem von einem Apotheker hergestellten Defekturarzneimittel gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Bewertung der Kennzeichnungsvorschriften. Das BVerwG hat dort, anders als in Drittanfechtungsfällen in Konstellationen einer gleichrangigen Konkurrenz (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 15.12.2011 – 3 C 41.10 –, juris Rdnr. 12 ff.),

die Klagebefugnis des Zulassungsinhabers bejaht (juris Rdnr. 18 ff.). Es hat in diesem Zusammenhang angenommen, dass § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG, der eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Zulassung regele, mit den dort festgelegten Voraussetzungen bezwecke, eine Umgehung der Zulassungsvorschriften für ein Arzneimittel zu vermeiden. Insoweit diene die Vorschrift auch dem Schutz des Inhabers einer Zulassung für ein vergleichbares Arzneimittel, die er aufgrund eines kostenintensiven und aufwendigen Zulassungsverfahrens erhalten habe. Denn dieser stehe im wirtschaftlichen Wettbewerb zu demjenigen, dem das BfArM die Befugnis zugesprochen habe, ein vergleichbares Arzneimittel ohne Zulassung zu vertreiben und der daher einen erheblichen und spürbaren Wettbewerbsvorteil genieße.

 

Für die Frage nach dem Drittschutz der Kennzeichnungsvorschriften lässt sich daraus nichts ableiten. Zwar stellt auch die Parallelimportzulassung eine Ausnahme von der Zulassung im herkömmlichen Verfahren dar und befreit namentlich von der mit erheblichen Kosten und Aufwand einhergehenden Vorlage von Unterlagen für die Untersuchung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels. Jedoch stehen die spezifischen Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des EuGH eine Zulassung als Parallelimport erfolgen muss, vorliegend – wie bereits ausgeführt – nicht im Streit. Daher liegt in der Erteilung einer solchen Zulassung an die Beigeladene auch keine Umgehung des herkömmlichen Zulassungsverfahrens. Der Einwand der Klägerin, das Arzneimittel der Beigeladenen sei ebenfalls unter Umgehung einer rechtlichen Bestimmung, nämlich des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG, zugelassen worden, die für sie weiterhin verpflichtend sei, greift nicht durch. Die Kennzeichnungsvorschrift des § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG steht in keinem spezifischen Zusammenhang zu der erteilten Parallelimportzulassung, sondern gilt für sämtliche zulassungspflichtigen Arzneimittel. Insoweit steht der Klägerin daher ebenso wenig wie in Fällen einer gleichrangigen Zulassung ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gegenüber anderen Antragstellern zu.

 

Auch das von der Klägerin angeführte Urteil des EuGH vom 23.10.2014 – C-104/13 (Olainfarm) – rechtfertigt keine abweichende Betrachtung. Diese Entscheidung betraf eine von Art. 10 der Richtlinie 2001/83/EG erfasste Fallgestaltung und in diesem Zusammenhang die Frage, ob dem Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Referenzarzneimittels ein subjektives Recht zusteht, eine für das Inverkehrbringen eines Generikums erteilte Genehmigung anzufechten. Hierauf bezogen stellt der EuGH fest, dass der Zulassungsinhaber sich nicht nur auf die in Art. 10 der Richtlinie enthaltenen Schutzfristen berufen, sondern auch verlangen könne, dass sein Arzneimittel nicht zu dem Zweck verwendet werde, eine Zulassung nach Art. 10 der Richtlinie für ein Arzneimittel zu erhalten, für das sein eigenes nicht als Referenzarzneimittel angesehen werden könne. Vorliegend stehen jedoch weder Art. 10 oder 10a der Richtlinie in Rede noch betreffen die Rügen der Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen eine vergleichbare Fallgestaltung.

 

b) Eine subjektive Rechtsverletzung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer privatrechtsgestaltenden Wirkung der Parallelimportzulassung im Verhältnis der Klägerin zur Beigeladenen.

 

Einer behördlichen Genehmigung kommt privatrechtsgestaltende Wirkung zu, wenn sie auf das vertragliche Rechtsverhältnis zweier Parteien unmittelbar und rechtlich bindend einwirkt und auf diese Weise in die von der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Vertragsfreiheit eingreift (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.8.2015 – 6 C 10.14 –, juris Rdnr. 12, und Vorlagebeschluss vom 12.4.2018 – 3 C 20.16 –, juris Rdnr. 21, 23 f.).

Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die markenrechtliche Entscheidung des BGH vom 2.12.2015 – I ZR 239/14 – verweist, ist nicht ersichtlich, inwiefern diese überhaupt Auswirkungen auf die Privatautonomie der Klägerin als Inhaberin der Bezugszulassung entfalten könnte. Im Übrigen erlangt ein arzneimittelrechtlicher Zulassungsbescheid nach der genannten Rechtsprechung markenrechtlich Bedeutung allein durch den Umstand, dass der BGH eine markenrechtlich für geboten erachtete Prüfung der Rechtmäßigkeit der Etikettierung des parallelimportierten Arzneimittels dann grundsätzlich nicht vornimmt, wenn und soweit die Etikettierung Gegenstand einer behördlichen Genehmigung war. Der Auffassung des BGH liegt der Gedanke zugrunde, dass ein behördlicher Verwaltungsakt grundsätzlich von dem durch ihn Beschwerten angefochten werden kann und muss (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 24.10.2019 – 3 C 4.18 –, juris Rdnr. 25 f.).

 

Eine Tatbestandswirkung misst der BGH entgegen der Behauptung der Klägerin einem Zulassungsbescheid jedoch nur dann zu, wenn und soweit er aufgrund der in verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklagen bestehenden Beschränkung der Prüfung auf die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte (§ 42 Abs. 2 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) von den VG auch tatsächlich überprüft wird (BGH, Urteil vom 2.12.2015 – I ZR 239/14 –, juris Rdnr. 31).

 

c) Die Klägerin ist ferner durch den angefochtenen Zulassungsbescheid nicht in ihren Grundrechten verletzt. Insoweit kann offen bleiben, ob die Grundrechte des Grundgesetzes, die im vorliegenden Zusammenhang auch für die Klägerin als juristische Person mit Sitz in der Europäischen Union gelten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.7.2018 – 2 BvR 1287/17 und 2 BvR 1583/17 –, juris Rdnr. 27),

oder diejenigen der Grundrechtecharta der Europäischen Union zur Anwendung kommen.

 

Im Geltungsbereich des Rechts der Europäischen Union hängt die Bestimmung der für deutsche Behörden und Gerichte maßgeblichen Grundrechtsverbürgungen grundsätzlich davon ab, ob die zu entscheidende Rechtsfrage unionsrechtlich vollständig determiniert ist. Dies richtet sich in aller Regel nach den Normen, aus denen die Rechtsfolgen für den streitgegenständlichen Fall abzuleiten sind, also danach, ob das streitgegenständliche Rechtsverhältnis und die sich aus ihm konkret ergebenden Rechtsfolgen durch das Unionsrecht oder das nationale Recht festgelegt werden. Maßgeblich sind die im konkreten Fall anzuwendenden Vorschriften in ihrem Kontext, nicht eine allgemeine Betrachtung des in Rede stehenden Regelungsbereichs. Soweit etwa für eine bestimmte Regelung des deutschen Rechts eine Determinierung durch Bestimmungen einer Richtlinie angenommen wird, gilt dies nicht zwingend auch für alle weiteren Regelungen der Richtlinie (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27.4.2021 – 2 BvR 206/14 –, juris Rdnr. 35, 42 f. (Heranziehung von Ökotox-Daten im Verfahren nach § 25b AMG), und vom 6.11.2019 – 1 BvR 276/17 –, juris Rdnr. 78).

 

Hiervon ausgehend spricht Vieles für eine vollständige unionsrechtliche Determinierung des Streitfalls. Die Situation des Parallelimportes fällt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unter die Art. 34 und 36 AEUV mit der Folge, dass die Vorschriften der Richtlinie bzw. des sie umsetzenden nationalen Rechts über das Verfahren der Genehmigungserteilung, namentlich über die dem Antrag auf Erteilung beizufügenden Unterlagen (Art. 8 der Richtlinie 2001/83/EG), nicht anzuwenden sind. Die unmittelbar streitgegenständlichen Kennzeichnungsvorschriften des § 10 Abs. 1 und 8 AMG setzen zudem bindend ausgestaltete Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG um: Zum einen dürfen die Mitgliedstaaten nach Art. 60 der Richtlinie 2001/83/EG das Inverkehrbringen von Arzneimitteln nicht aus Gründen, die u. a. mit der Etikettierung zusammenhängen, untersagen oder verhindern, sofern diese mit den Vorschriften des Titels V übereinstimmen. Zum anderen müssen nach Art. 61 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG die zuständigen Behörden die Genehmigung für das Inverkehrbringen verweigern, wenn u. a. die Etikettierung nicht mit den Vorschriften des Titels V und den Angaben in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels übereinstimmt.

 

Letztlich kann die Frage, ob der streitige Sachverhalt vollständig unionsrechtlich determiniert ist, indes offen bleiben. Die Grundrechtsgarantien des Grundgesetzes, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gründen jeweils auf dem Schutz der Menschenwürde, gewährleisten einen nach Inhabern, Verpflichteten und Struktur im Wesentlichen funktional vergleichbaren Schutz und stellen sich in großem Umfang als deckungsgleiche Gewährleistungen dar. Dies gilt insbesondere für die Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 16 GRCh sowie Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 17 GRCh (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.4.2021 – 2 BvR 206/14 –, juris Rdnr. 58, 83).

 

Die Erteilung der Parallelimportgenehmigung an die Beigeladene verletzt weder grundgesetzliche noch unionsrechtliche Grundrechte der Klägerin aus Art. 12 GG bzw. Art. 16 GRCh (aa), Art. 14 GG bzw. Art. 17 GRCh (bb) oder Art. 19 Abs. 4 GG bzw. Art. 47 GRCh (cc).

 

aa) Der Zulassungsbescheid verletzt die Klägerin nicht in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG bzw. dem durch Art. 16 GRCh gewährleisteten Recht auf unternehmerische Freiheit.

 

Das Grundrecht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG sichert die Teilhabe am Wettbewerb. Es gewährt aber im Grundsatz keinen Schutz vor Konkurrenz. Die Wettbewerber haben keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Insbesondere verleiht Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht das Recht, den Marktzutritt eines weiteren Konkurrenten abzuwehren (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27.4.2021 – 2 BvR 206/14 –, juris Rdnr. 51 m. w. N., und vom 26.7.2002 – 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 –, juris Rdnr. 43, sowie Urteil vom 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 –, juris Rdnr. 44).

 

Etwas anderes kann zwar gelten, wenn der Staat selbst die Funktionsbedingungen des Wettbewerbs festlegt. Hieraus kann einem Wettbewerber das Recht auf Einhaltung dieser Wettbewerbsbedingungen zuwachsen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie (auch) dem individuellen Interesse der Teilnehmer am Wettbewerb zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2011 – 3 C 41.10 –, juris Rdnr. 18). Um einen solchen Fall handelt es sich nach dem Vorstehenden jedoch nicht.

 

Zwar kann ausnahmsweise eine Grundrechtsverletzung auch dann anzunehmen sein, wenn die hoheitliche Maßnahme eine Wettbewerbsveränderung herbeiführt, die die wirtschaftliche Position des klagenden Konkurrenten unzumutbar beeinträchtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2011 – 3 C 41.10 –, juris Rdnr. 21). Jedoch ist für einen solchen Fall nichts ersichtlich.

 

Art. 16 GRCh vermittelt der Klägerin keinen weitergehenden Schutz. Zu dem durch Art. 16 GRCh gewährleisteten Recht auf unternehmerische Freiheit zählen sowohl die Freiheit zur Ausübung einer Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit als auch die Vertragsfreiheit und die ungehinderte Teilnahme an einem freien Wettbewerb (vgl. EuGH, Urteil vom 22.1.2013 – C-283/11 (Sky Österreich) –, juris Rdnr. 42).

 

Allerdings gilt die unternehmerische Freiheit nicht schrankenlos, sondern ist im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen. Sie kann einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können (vgl. EuGH, Urteil vom 30.7.2016 – C-134/15 (Lidl) –, juris Rdnr. 30 und 34).

 

Sind mehrere grundrechtlich geschützte Rechte und Freiheiten im Spiel, die unter dem Schutz der Unionsrechtsordnung stehen, ist zudem darauf zu achten, dass die Erfordernisse des Schutzes der verschiedenen Rechte und Freiheiten mit­einander in Einklang gebracht werden und dass zwischen ihnen ein angemessenes Gleichgewicht besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 22.1.2013 – C-283/11 (Sky Österreich) –, juris Rdnr. 60).

 

Dies zugrunde gelegt ist für eine Verletzung der unternehmerischen Freiheit der Klägerin nichts ersichtlich. An der Teilnahme am freien Wettbewerb wird die Klägerin durch die der Beigeladenen erteilte Zulassung nicht gehindert. Eventuell verminderte Absatzmöglichkeiten aufgrund des Inverkehrbringens der Parallelimporte, das durch die Zulassung ermöglicht wird, sind unmittelbare Folge der Wahrnehmung der unternehmerischen Freiheit durch die anderen Marktteilnehmer. Dies spricht trotz des Umstandes, dass (auch) bei der Charta der Grundrechte der Europäischen Union von einem weiten Eingriffsverständnis auszugehen ist, bereits gegen die Annahme eines Eingriffs. Dem entspricht es auch, dass sich der EuGH in seiner ständigen Rechtsprechung zu den Fallgestaltungen des Parallelimports nicht mit etwaigen Grundrechten des Inhabers der Zulassung für das Bezugsarzneimittel befasst. Sollte die Zulassung eines Konkurrenten hingegen als Eingriff in die unternehmerische Freiheit gewertet werden, wäre er jedenfalls durch die mit dem Parallelimport bezweckte Gewährleistung des durch Art. 34 AEUV garantierten freien Warenverkehrs gerechtfertigt.

 

bb) Die der Beigeladenen erteilte Zulassung verletzt die Klägerin ferner nicht in ihrem Grundrecht der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 17 GRCh.

 

(1) Soweit sich die Klägerin auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. auf die ihr erteilte arzneimittelrechtliche Zulassung bezieht, gewährt Art. 14 Abs. 1 GG keinen Schutz vor Konkurrenz. Das Grundrecht der Eigentumsfreiheit schützt den konkreten Bestand an vermögenswerten Gütern – etwa eine Arzneimittelzulassung oder wissenschaftliches Erkenntnismaterial des pharmazeutischen Unternehmers – vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt. Die Aufrechterhaltung eines bestimmten Geschäftsumfangs in Form einer bestimmten Marktstellung sowie in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten werden hingegen nicht geschützt. Art. 14 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz davor, sich auf dem Markt im Wettbewerb behaupten zu müssen und gegebenenfalls Kunden an konkurrierende Unternehmen zu verlieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.3.2000 – 1 BvR 230/00 –, juris Rdnr. 18; OVG NRW, Beschluss vom 7.4.2016 – 13 B 28/16 –, juris Rdnr. 19 m. w. N.).

 

Hinsichtlich des Eigentumsschutzes aus Art. 17 GRCh gilt nichts anderes. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann kein Wirtschaftsteilnehmer ein Eigentumsrecht an einem Marktanteil geltend machen, selbst wenn er ihn zu einem Zeitpunkt vor der Einführung einer diesen Markt betreffenden Maßnahme besessen hat, da ein solcher Marktanteil nur eine augenblickliche wirtschaftliche Position darstellt, die den mit einer Änderung der Umstände verbundenen Risiken ausgesetzt ist (vgl. EuGH, Urteile vom 12.7.2005 – C-154/04 und C–155/04 (Natural Health u. a.) –, juris Rdnr. 128, und vom 5.10.1994 – C-280/93 (Deutschland ./. Rat) –, juris Rdnr. 79).

 

Dementsprechend verhält sich der EuGH in seiner ständigen Rechtsprechung zu den Fallgestaltungen des Parallelimports auch nicht zum Eigentumsrecht des Inhabers der Zulassung für das Bezugsarzneimittel.

 

(2) Die Klägerin kann eine Verletzung des Eigentumsrechts auch nicht mit Markenrechten begründen. Auf diese kann sie sich nach den obigen Ausführungen zur Klageänderung als Rechtsnachfolgerin allein in die Zulassungsinhaberschaft der vormaligen Klägerin in diesem Rechtsstreit nicht stützen.

 

Der Senat weist allerdings in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin: Die Frage, ob eine arzneimittelrechtliche Zulassung rechtswidrig und der diese anfechtende Dritte dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hängt grundsätzlich von dem Regelungsgehalt der Zulassung ab, den das insoweit maßgebliche Recht festlegt (vgl. zu einer Baugenehmigung BVerwG, Beschluss vom 10.11.1998 – 4 B 107.98 –, juris Rdnr. 5).

 

Was Gegenstand einer Zulassung ist, bestimmen das Arzneimittelgesetz bzw. die Richtlinie 2001/83/EG. Die Regelungen des Arzneimittelgesetzes enthalten zwar keine positive Festlegung der im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens zu prüfenden Vorschriften. § 25 Abs. 2 AMG bestimmt aber abschließend, in welchen Fällen die Zulassung versagt wird, und regelt damit gleichzeitig – in Übereinstimmung mit der Konzeption der Richtlinie 2001/83/EG (vgl. Art. 26) – wann ein Anspruch auf deren Erteilung besteht. Der danach allein in Betracht zu ziehende Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Nr. 7 AMG ist entgegen der Auffassung der Klägerin im Hinblick auf Markenrechte nicht einschlägig. Nach der genannten Vorschrift darf die Zulassung nur versagt werden, wenn das Inverkehrbringen des Arzneimittels (…) gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Verordnung oder eine Richtlinie oder eine Entscheidung oder einen Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstoßen würde. Gesetzliche Vorschriften in diesem Sinne sind jedoch keine (zivilrechtlichen) Marken- oder sonstige Urheber- und Patentrechte. Mit § 25 Abs. 2 Nr. 7 AMG bezweckte der Gesetzgeber vornehmlich, die Zulassung für solche Arzneimittel abzulehnen, deren Inverkehrbringen nach § 6 oder § 7 AMG nicht statthaft ist (vgl. BT-Drs. 7/3060 S. 50) bzw. eine Versagung oder einen Widerruf in den Fällen zu ermöglichen, in denen aufgrund von Gemeinschaftsrecht bestimmte Stoffe als Arzneimittel nicht zugelassen werden dürfen oder in denen bestimmte Arzneimittel nur unter bestimmten Bedingungen zugelassen werden dürfen (vgl. BT-Drs. 11/5373 S. 14; vgl. auch Kloesel/Cyran, 136. Akt. Lief. 2020, § 25 Rdnr. 94; Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Aufl. 2016, § 25 Rdnr. 86 ff).

 

Bereits vor diesem Hintergrund ist nichts dafür ersichtlich, dass der nationale Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 25 Abs. 2 Nr. 7 AMG die Erteilung der Zulassung an Voraussetzungen knüpfen wollte, die nicht unmittelbar in den durch den Zweck des Gesetzes vorgegebenen Gründen der öffentlichen Gesundheit wurzeln. Darüber hinaus sieht auch die unionsrechtliche Regelung in Art. 26 der Richtlinie 2001/83/EG bzw. die Vorgängerregelung in Art. 5 der Richtlinie 65/65/EWG, deren Umsetzung § 25 AMG dient (vgl. BT-Drs. 7/3060 S. 50), eine Versagung der Genehmigung in Fällen eines Verstoßes der Genehmigung gegen Markenrechte nicht vor. Bestätigt wird dies durch die Art. 10 Abs. 1 und 10a Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG. Diese regeln für die von der Richtlinie erfassten Fälle der generischen und der bibliographischen Zulassung für den jeweiligen Antragsteller eine Ausnahme von der Pflicht zur Vorlage der in Art. 8 Abs. 3 Buchst. i) genannten Versuchsergebnisse unbeschadet des Rechts über den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums (Hervorhebung durch den Senat). Aus diesen Bestimmungen folgt zum einen, dass der durch die Richtlinie gewährleistete sog. Unterlagenschutz nur eine – nämlich die unmittelbar durch die Richtlinie gewährleistete – Form des Schutzes darstellt, auf den sich der Inhaber der Bezugszulassung berufen kann, und zum anderen, dass der rechtliche Schutz, der Inhabern von Marken- und Patentrechten insbesondere durch Unionsrecht gewährt wird, von dem Zulassungsverfahren der Richtlinie 2001/83/EG unberührt bleibt (vgl. auch Schlussanträge des Generalanwaltes Leger vom 30.1.1996 im Verfahren C-201/94 (Smith & Nephew), juris Rdnr. 68), und mithin nicht Gegenstand des Zulassungsverfahrens ist. Dass der nationale Gesetzgeber hiervon abweichen wollte, ist – ungeachtet der Folge einer fehlerhaften Umsetzung – nicht ersichtlich. Gilt danach für die von der Richtlinie 2001/83/EG erfassten Fälle, dass die – speziellen – Rechte des Markeninhabers unberührt bleiben, muss Gleiches für den von ihr nicht geregelten Fall des Parallelimportes gelten. Dies entspricht im Übrigen der von den Beteiligten mehrfach zitierten ständigen Rechtsprechung des EuGH zu markenrechtlichen Parallelimportfällen.

 

Dienen danach weder das Arzneimittelgesetz noch die Richtlinie 2001/83/EG dem Schutz von Markenrechten und sind Markenrechte nicht Gegenstand einer Prüfung im Rahmen eines Zulassungsverfahrens, so regelt die Zulassung nicht im Rechtssinne die Zulässigkeit einer bestimmten Kennzeichnung im Verhältnis zum Markeninhaber und kann folglich auch dessen Rechte nicht verletzen.

 

cc) Unter dem von der Klägerin angeführten Gesichtspunkt der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG bzw. Art. 47 GRCh) ist ebenfalls keine Rechtsverletzung festzustellen. Das Grundrecht der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, dass dem Einzelnen im Hinblick auf die Wahrung oder Durchsetzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle zuteil wird. Dazu gehört, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen kann und genügend Entscheidungsbefugnisse besitzt, um eine Rechtsverletzung abzuwenden oder erfolgte Rechtsverletzungen zu beheben (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 12.4.2018 – 3 C 20.16 –, juris Rdnr. 20 m. w. N.; EuGH, Urteil vom 14.3.2018 – C-557/16 (B. ) –, juris Rdnr. 36, 39).

 

Das durch die genannten Grundrechte gewährleistete Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf setzt jedoch das Bestehen von (subjektiven) Rechten voraus, begründet selbst aber keine. Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand der Klägerin, infolge der Rechtsprechung des BGH bestünde eine Rechtsschutzlücke, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Diese Rechtsprechung bezieht sich schon nicht auf den Inhaber einer arzneimittelrechtlichen Zulassung für ein vergleichbares Arzneimittel. Davon abgesehen besteht die von der Klägerin behauptete Rechtsschutzlücke nicht. Denn der BGH hat, wie dargelegt, ausdrücklich ausgeführt, dass eine Überprüfung der Kennzeichnung des Arzneimittels, deren Fehlerhaftigkeit den Inhaber einer Marke seiner Auffassung nach in den durch die Marke geschützten Rechten verletzen kann, im markenrechtlichen Verfahren erfolgt, falls und soweit die VGe den Zulassungsbescheid nicht auf seine Rechtmäßigkeit hin prüfen.