Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 18.August 2022, Az.: 6 U 56/22

 

Irreführung über die Lieferbarkeit eines Arzneimittels kurz vor Markteintritt

UWG § 5

Leitsatz des Gerichts:

1. Bei einer zeitlich beschränkten einstweiligen Verfügung bewirkt der Zeitablauf weder eine Erledigung noch einen Wegfall der Dringlichkeit, des Rechtsschutzbedürfnisses oder der Wiederholungsgefahr.

 

2. Zur lauterkeitsrechtlichen Haftung des Betreibers eines Medikamenten-Informationssystems, der ein Medikament als „im Vertrieb“ listet, obwohl das Medikament aufgrund noch laufenden Patenschutzes erst ca. drei Monate später lieferbar ist

 

Gründe:

 

I.

 

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Unterlassung der Listung eines Arzneimittels in der Datenbank der Antragsgegnerin.

 

Die Antragstellerin ist die deutsche Vertriebsgesellschaft der „A“-Unternehmensgruppe und vertreibt unter anderem das Lenalidomid-haltige Produkt „Revlimid“ auf dem deutschen Markt. Eine Schwestergesellschaft der Antragstellerin ist Inhaberin des ergänzenden Schutzzertifikates DE 122007000079.0 betreffend Lenalidomid, wie im Grundpatent EP 0 925 294 B 1 beschrieben. Das Zertifikat lief bis zum 19.6.2022 und stand in Kraft.

 

Die Antragsgegnerin ist die gemeinsame Clearingstelle der pharmazeutischen Industrie, des pharmazeutischen Großhandels und der Apotheker in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Aufgabe ist es, wirtschaftliche und rechtliche Daten über Arzneimittel und apothekenübliche Waren in Ihrer Datenbank zu erheben. Die Clearingstelle1-Datenbank ist Grundlage aller Arzt- und Apotheken-Softwaresysteme. Durch sie wird insbesondere die sogenannte „Lauer-Taxe“ gespeist, welche den Apotheken Auskunft über zugelassene Arzneimittel gibt. Ferner vergibt die Antragsgegnerin für jeden ihrer Artikel die Pharmazentralnummer (PZN). PZN-Nummer und Clearingstelle1-Datenbankeintrag werden in Deutschland ausschließlich von der Antragsgegnerin angeboten.

 

Die Streithelferin vertreibt unter anderem Generika. Sie ist Inhaberin einer arzneimittelrechtlichen Zulassung für das Produkt „Lenalidomid-arzneimittelhersteller1“, welches die Merkmale des ergänzenden Schutzzertifikates und des Klagepatents erfüllt. Lenalodomid-haltige Produkte sind u.a. aufgrund ihrer teratogenen Wirkung besonderen Vertriebsbeschränkungen unterworfen. Sie werden nur gegen besondere Rezepte (sog. T-Rezept) unter strengen Voraussetzungen abgegeben; auch eine „aut-idem“-Abgabe ist nur nach Rücksprache mit dem Arzt möglich.

 

Zwischen der Antragstellerin und der Streithelferin bestand eine vertragliche Vereinbarung englischen Rechts, wonach die Streithelferin das Produkt nach dem 18.2.2022 – und damit vor Ablauf des Schutzzertifikates – in den Verkehr bringen durfte. Die Vereinbarung erlaubte der Streithelferin „pre-launch-activities“ auch vor dem 18.2.22; der Vertragstext ist weder der Antragsgegnerin im Vorfeld noch nunmehr im Prozess vorgelegt worden.

 

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin am 27.10.2021 mit, dass sie das Generikum der Streithelferin zum nächstmöglichen Datum, nämlich zum 15.11.2021 in der Clearingstelle1-Datenbank als „im Vertrieb“ listen werde.

 

Mit Schreiben vom 11.10.2021 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass Lenalomid patentgeschützt sei. Eine entsprechende Listung verstoße gegen die Clearingstelle1-Richtlinien und sei irreführend, da das Produkt der Streithelferin tatsächlich nicht erhältlich sei. Ferner stellte die Antragstellerin Informationen zum Patentschutz zur Verfügung. Die Streithelferin bestätigte der Antragsgegnerin vor der Listung, dass die streitgegenständlichen Produkte nicht vor dem 18.2.2022 lieferbar seien.

 

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 10.11.2021 der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, die Produkte „Lenalidomid-Arzneimittelhersteller1“ und „Lenalidomid Arzneimittelhersteller2“ vor dem 18.2.2022 in der Clearingstelle1-Datenbank mit dem Status „im Vertrieb“ aufzunehmen und/oder zu führen.

 

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch hat das Landgericht durch Urteil vom 9.2.2022, auf das gemäß § 540 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, die einstweilige Verfügung bestätigt.

 

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Antragstellerin sei aktivlegitimiert, da die Parteien zumindest in einem mittelbaren Wettbewerbsverhältnis stünden. Die Antragsgegnerin fördere als vergütete Dienstleisterin die geschäftlichen Handlungen der Bewerbung und des Vertriebes von Arzneimittel durch unmittelbare Wettbewerber der Antragstellerin. Die Clearingstelle1-Listung der streitgegenständlichen Produkte stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG da. Sie diene der Absatzförderung der Anmelder.

 

Die Listung des Produktes der Streithelferin als „im Vertrieb“ sei irreführend. Der angesprochene Verkehr erwarte die tatsächliche Verfügbarkeit entsprechend gelisteter Artikel. Darüber hinaus komme auch aufgrund der nicht bestehenden Lieferfähigkeit der Streithelferin vor dem 18.2.2022 eine Irreführung durch Unterlassen im Sinne von § 5a UWG in Betracht. Es fehle auch nicht an der wettbewerblichen Relevanz, da der behandelnde Arzt die Verschreibung des Produktes in Erwägung ziehen werde. Die darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin habe auch nicht dargelegt, dass ebenso wie in der am Markt erhältlichen Apotheken-Software auch in der Arzt-Software über die fehlende Lieferfähigkeit aufgeklärt werde.

 

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags begehrt. Sie ist der Auffassung, das Landgericht sei zu Unrecht von einem Wettbewerbsverhältnis ausgegangen. Es fehle an einer subjektiven Wettbewerbsförderungsabsicht. Das Landgericht sei auch zu Unrecht von einer Haftung der Antragsgegnerin ausgegangen. Diese komme höchstens über das Institut der Störerhaftung in Betracht; die Antraggegnerin habe jedoch keine Prüfpflichten verletzt. Nach den vertraglichen Vereinbarungen obliege der Anbieterin – also hier der Streithelferin – die Prüfung der Verkehrsfähigkeit der Artikel. Die Antragsgegnerin sei hierzu auch gar nicht in der Lage. Schließlich fehle es auch an einer Irreführung, da in der am Markt erhältlichen Endbenutzer-Software jeweils der Lagerbestand angezeigt werde und somit für den Endbenutzer erkennbar sei, dass das Medikament der Streithelferin nicht lieferbar sei.

 

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 29.7.22 die Erledigung der Hauptsache erklärt, der die Antragsgegnerin widersprochen hat.

 

Die Antragsgegnerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9.2.2022, Az. 2-06 O 297/21, abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

Die Antragstellerin beantragt, festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat,

 

hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

 

II.

 

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

 

1. Die funktionelle Zuständigkeit des Senats wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag nachrangig auch auf GWB stützt.

 

Die Zuständigkeit des Kartellsenats nach § 91 GWB setzt eine Kartellberufungssache voraus. Nach § 87 GWB setzt dies wiederum voraus, dass der Rechtsstreit eine Anwendung von Kartellrecht (GWB, AEUV) betrifft oder die Entscheidung ganz oder teilweise von einer kartellrechtlichen Vorfrage abhängt.

 

Dabei ist das Merkmal der Vorgreiflichkeit streng zu handhaben, insbesondere strenger als bei der Aussetzungsregel des § 148 ZPO. Kann auch ohne Klärung der Vorfrage entschieden werden, liegt keine Kartellstreitsache vor (Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl., § 87 Rn 24). Dies ist – wie noch auszuführen sein wird – der Fall.

 

2. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht der von der Antragstellerin definierte Streitgegenstand der auf § 5a UWG gestützten Entscheidung des Landgerichts nicht entgegen.

 

Soweit die Antragsgegnerin der Meinung ist, das Landgericht habe das Verbot nicht auf § 5a UWG stützen dürfen, da dies nicht vom Streitgegenstand umfasst sei, dringt sie damit nicht durch. Richtet sich die Klage bzw. der Verfügungsantrag gegen die sog. konkrete Verletzungsform, also das konkret umschriebene (beanstandete) Verhalten, so ist darin der Lebenssachverhalt zu sehen, der den Streitgegenstand bestimmt (BGHZ 194, 314 Rn 24 – Biomineralwasser). Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt die Voraussetzungen nicht nur einer, sondern mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist unerheblich. Vielmehr umfasst der Streitgegenstand in diesem Fall alle Rechtsverletzungen, die durch die konkrete Verletzungsform verwirklicht wurden (BGH GRUR 2012, 184 Rn 15 – Branchenbuch Berg; BGHZ 194, 314 Rn 24 – Biomineralwasser; BGH GRUR 2018, 203 Rn 18 – Betriebspsychologe; OLG Köln GRUR-RR 2013, 24; OLG Düsseldorf WRP 2019, 899 Rn. 19).

 

Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger sich auf bestimmte Rechtsverletzungen gestützt hat. Denn er überlässt es in diesem Fall dem Gericht, auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es das beantragte Unterlassungsgebot stützt („jura novit curia“). Das Gericht kann daher ein Verbot auch auf Anspruchsgrundlagen stützen, die der Kläger gar nicht vorgetragen hat (OLG Köln WRP 2013, 95). Soweit der Kläger sein Begehren auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützt, begründet dies nicht eine Mehrheit von Streitgegenständen.

 

Im Hinblick auf die Dispositionsmaxime darf das Gericht aber – in tatsächlicher Hinsicht – ein Verbot nur auf solche Beanstandungen stützen, die der Kläger vorgetragen hat (BGH GRUR 2018, 431 Rn. 16 – Tiegelgröße; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2013, 302 – Zählrate; OLG Frankfurt am Main WRP 2014, 1482). So darf z.B. das Gericht die konkrete Verletzungsform nicht mit dem Vorwurf der Irreführung über eine bestimmte Tatsache begründen, wenn diese Irreführungsgefahr zwar zum Streitgegenstand in dem dargestellten weiten Sinn gehört, der Kläger selbst sich auf diese konkrete Irreführungsgefahr jedoch nicht berufen hat. Dies wäre mit der Dispositionsmaxime unvereinbar, die die Berücksichtigung nicht vorgetragener Tatsachen selbst dann verbietet, wenn sie offenkundig sind (vgl. BGH GRUR 2011, 742, Rn 18 – „Leistungspakete im Preisvergleich“). Dass der BGH etwa mit der Entscheidung „Biomineralwasser“ (GRUR 2013, 401) auch diese kurz zuvor vertretene Auffassung wieder aufgeben wollte, ist dieser Entscheidung nicht zu entnehmen.

 

Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Irreführung sowohl nach § 5 und § 5a UWG hat die Antragstellerin indes vorgetragen. Die Frage, ob es sich bei dem Verhalten eher um ein Unterlassen oder ein Tun handelt, ist letztlich eine reine Rechtsfrage, die der Senat zu entscheiden hat.

 

3. Durch den Zeitablauf der bis zum 18.2.2022 befristeten einstweiligen Verfügung unterliegt die einstweilige Verfügung nicht der Aufhebung.

 

a) Durch Zeitablauf ist hinsichtlich der von vorneherein bis zum 18.2.2022 befristeten einstweiligen Verfügung keine Erledigung eingetreten.

 

Die Berechtigung der Streithelferin zum Vertrieb des Produktes ab 18.2.2022 stellt kein erledigendes Ereignis dar, da die Wirkung der einstweiligen Verfügung von vorneherein bis zum 18.2.22 beschränkt war und das mutmaßlich erledigende Ereignis erst eingetreten ist, nachdem die Wirkung der einstweiligen Verfügung entfallen war. Der Zeitablauf bei einem Unterlassungstitel, der von vornherein befristet war, oder dem nach den Umständen nur in einem bestimmten Zeitraum zuwidergehandelt werden konnte, stellt kein erledigendes Ereignis dar (BGH NJW 2004, 506, 508; vgl. Stein/Jonas/Brehm, § 890 Rn 30; Pastor/Ahrens/Ulrich, Kap. 37 Rdn 20f.; Melullis, Rn 958).

 

b) Durch den Zeitablauf ist auch nicht das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin entfallen.

 

Grundsätzlich kann zwar auch das Rechtsschutzinteresse in Frage stehen, wenn sich der angefochtene Beschluss durch Zeitablauf vollständig erledigt hat (vgl. BGH GRUR 2004, 264 – Euro-Einführungsrabatt; BGH NZM 2017, 473, Rn 5 zum Zwangsvollstreckungsrecht). Allerdings wirkt die einstweilige Verfügung insoweit noch nach, als sie für den Zeitraum bis 18.2. eine Grundlage für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Antragstellerin bilden kann. Es wären also noch Ordnungsmittelverfahren wegen Verstößen gegen die einstweilige Verfügung möglich. Insofern wird man ein Rechtsschutzinteresse zu bejahen haben. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin erklärt hat, es seien keine Verstöße festgestellt worden und man werde keine Zwangsvollstreckung mehr betreiben. Jedenfalls solange der Titel weiter fortbesteht und die Antragstellerin keine über die bloße Ankündigung hinauswirkende Maßnahmen ergriffen hat, die eine Zwangsvollstreckung sicher ausschließen, ist ein Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin weiterhin zu bejahen.

 

c) Durch den Zeitablauf ist auch nicht die Dringlichkeit entfallen.

 

Das Erfordernis der Dringlichkeit steht der Aufrechterhaltung einer Unterlassungsverfügung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum nicht entgegen. Für die Beurteilung des für die Zeit bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses noch anhängigen Verfügungsantrags kommt es vielmehr nach dem Sicherungszweck des Verfügungsverfahrens allein darauf an, ob die Dringlichkeit für die Sicherung des materiell-rechtlichen Anspruchs in diesem Zeitraum gegeben war (BGH NJW 2004, 506, 509 – Euro-Einführungsrabatt).

 

d) Schließlich ist durch den Zeitablauf auch nicht die Vermutung der Wiederholungsgefahr entfallen.

 

Generell gilt, dass eine nur tatsächliche Veränderung der Verhältnisse die Wiederholungsgefahr nicht berührt, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist; sie entfällt nicht schon dann, wenn ein Wiedereintreten völlig gleichgearteter Umstände nicht zu erwarten ist (BGH GRUR 1961, 288, 290 – Zahnbürsten; BGH GRUR 1988, 38, 39 – Leichenaufbewahrung). Die Beendigung eines rechtswidrigen Zustandes allein (z.B. Ablauf befristeter Verkaufsförderungsmaßnahme) lässt die Wiederholungsgefahr unberührt, weil sie allein keine Gewähr dafür bietet, dass der Schuldner nicht erneut eine gleichartige Rechts- oder Wettbewerbsverletzung begehen wird (MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl. 2022, UWG § 8 Rn 94; BGH GRUR 1999, 152 – Spielbankaffaire (zum Urheberrecht); OLG Hamm BeckRS 2011, 18366 (aE))

 

4. Das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung hat das Landgericht zu Recht bejaht.

 

Diese setzt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ein Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss voraus, dass mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

 

Der Unternehmensbezog liegt hier durch die Listung der Medikamente der Streithelferin auf der Hand. Es fehlt auch nicht an dem objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen. Der Marktbezug liegt dann vor, wenn die Handlung ihrer Art nach auf die Marktteilnehmer (Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer) einwirken und damit das Marktgeschehen beeinflussen kann.

 

Soweit die Antragsgegnerin einwendet, es fehle an einer Wettbewerbsförderungsabsicht, ist eine solche nicht (mehr) erforderlich. Die Handlung muss objektiv geeignet sein, den Absatz oder Bezug des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 2 Rn 37). Die objektive Eignung zur Förderung des Absatzes oder Bezugs reicht zwar noch nicht aus, um einen „objektiven Zusammenhang“ anzunehmen. Die eigentliche Bedeutung des Begriffs erschließt sich aus Erwägungsgrund 7 S. 1 und 2 UGP-RL („Diese Richtlinie bezieht sich auf Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen. Sie bezieht sich nicht auf Geschäftspraktiken, die vorrangig anderen Zielen dienen, …“). Daraus ist zu schließen, dass ein „objektiver Zusammenhang“ zwischen der Handlung und der Absatzförderung nur anzunehmen ist, wenn sie das Ziel hat, die geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte zu beeinflussen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG § 2 Rn 45).

 

Anders als die „Wettbewerbshandlung“ im UWG 2004 setzt die geschäftliche Handlung jedoch auch dann, wenn man für den „objektiven Zusammenhang“ ein Ziel der Handlung zur Beeinflussung der Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer verlangt, eine Wettbewerbsförderungsabsicht nicht voraus. Der Gesetzesbegründung (Begr. RegE UWG 2008 zu § 2, BT-Drs. 16/10145, 20 f.) ist zu entnehmen, dass es auf einen „finalen Zurechnungszusammenhang“ nicht mehr ankommen soll, womit offensichtlich das Erfordernis einer Wettbewerbsförderungsabsicht gemeint ist. Auch lässt sich die wesentliche Funktion dieses Kriteriums, nämlich Handlungen mit anderen als geschäftlichen Zielsetzungen aus dem Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts auszunehmen, durch objektive Kriterien gewährleisten. Daher ist für den Tatbestand der geschäftlichen Handlung eine Wettbewerbsförderungsabsicht entbehrlich (vgl. OLG Karlsruhe GRUR-RR 2020, 429 Rn 58; Fezer WRP 2006, 781, 786; Köhler GRUR 2005, 793, 795; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 2 Rn 46).

 

An einem derartigen finalen Zurechnungszusammenhang fehlt es hier nicht. Die Antragsgegnerin wollte ganz offensichtlich den Absatz der Streithelferin fördern. Es ist sogar ihre Kernaufgabe, durch Listung in der Datenbank den Pharmaunternehmen (und damit auch der Streithelferin) ihre Markttätigkeit zu ermöglichen und diese zu unterstützen.

 

5. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Parteien Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG sind, da zwischen ihnen ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht.

 

a) Steht – wie hier – die Förderung eines Unternehmens durch einen in Anspruch zu nehmenden Dritten zur Debatte, muss ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten Unternehmen und dem klagenden Mitbewerber bestehen. Der BGH spricht hier in jüngerer Zeit regelmäßig von einem „mittelbaren Wettbewerbsverhältnis“. Ein Indiz für eine geschäftliche Handlung zugunsten eines Fremdunternehmens kann darin liegen, dass zu diesem eine geschäftliche Beziehung besteht. Dass allerdings dritte Unternehmen einen reflexartigen Vorteil von den in Rede stehenden geschäftlichen Handlungen haben, reicht für die Bejahung einer geschäftlichen Handlung zugunsten eines Fremdunternehmens jedoch nicht aus. Entscheidend ist, dass der Mitbewerber durch die Förderung des dritten Unternehmens gerade in seinen eigenen wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen berührt ist.

 

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist ein Wettbewerbsverhältnis zu bejahen. Die Antragstellerin ist durch die Handlung der Antragsgegnerin, das Medikament der Streithelferin zu listen, unmittelbar in ihren wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen berührt. Sie muss nämlich dann einen unmittelbaren Wettbewerber auf dem Markt fürchten, der in Wettbewerb zur Antragstellerin tritt.

 

Es handelt sich auch nicht um einen reflexartigen Vorteil der Streithelferin. Vielmehr ist die vertragliche Beziehung der Antragsgegnerin und der Streithelferin, auf der die Listung beruht, geradezu darauf angelegt, die die Streithelferin zu fördern. Durch Listung soll die tatsächliche Verkehrsfähigkeit des Medikaments erreicht werden.

 

6. Die Antragsgegnerin hat dadurch, dass sie die Medikamente der Streithelferin ab 15.11.2021 in der Clearingstelle1-Datenbank als „im Vertrieb“ gelistet hat, obwohl diese erst am 18.2.2022 tatsächlich lieferbar waren, über wesentliche Merkmale der Ware irregeführt (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG).

 

a) Die Änderung von § 5 UWG vom 28.5.22 ist – unabhängig davon, ob sich an der materiellen Rechtslage etwas geändert hat – ohne Auswirkungen. Zwar muss bei einem in Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch bei einer Änderung der Rechtslage die Handlung auch am Schluss der mündlichen Verhandlung noch rechtswidrig sein. Hier fehlt es jedoch durch die zeitliche Beschränkung gerade an einer Wirkung in die Zukunft, so dass nur die Rechtslage zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung bis maximal 18.2.22 relevant ist.

 

b) Das Verhalten der Antragsgegnerin stellt eine Handlung nach § 5 und kein Unterlassen nach § 5a Abs. 1 UWG dar.

 

§ 5 UWG, Art. 6 UGP-RL einerseits und § 5a UWG, Art. 7 UGP-RL andererseits haben jeweils eigene Anwendungsbereiche; sie schließen sich hinsichtlich ein und derselben Information aus (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Dreyer, 5. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn 209-214).

 

Die „Nichtinformation“, also das Verschweigen eines Umstandes, über den sich der Verkehr keine Gedanken macht, ist keine Angabe im Sinne von § 5 UWG. Hier ist der ureigenste Anwendungsbereich des § 5a UWG, Art. 7 Richtlinie unlautere Geschäftspraktiken betroffen, der Informationspflichten nur unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, die nicht unterlaufen werden dürfen. Gleiches gilt unter den genannten Voraussetzungen auch für die bloße Unvollständigkeit einer gegebenen Information, über deren fehlende Bestandteile sich der Verkehr keine Gedanken macht.

 

Von der „Nichtinformation“ bzw. der bloß unvollständigen Information abzugrenzen sind mittelbar bzw. konkludent in einer geschäftlichen Handlung enthaltene Angaben. Sie sind „Angaben“ im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG, denn dieser setzt nicht voraus, dass die Information in der geschäftlichen Handlung offen zu Tage tritt. Es reicht aus, wenn der angesprochene Verkehr ihr die Tatsachenbehauptungen durch Schlussfolgerung entnehmen kann.

 

Von verschwiegenen Informationen, die nur unter den Voraussetzungen des § 5a UWG den Tatbestand der Irreführung ausfüllen, unterscheiden sich mittelbare, konkludente bzw. getarnte Angaben dadurch, dass der Verkehr der geschäftlichen Handlung selbst einen Informationsgehalt zuschreibt. Entscheidend ist deshalb, ob der durchschnittlich (angemessen) aufmerksame, verständige und informierte Verbraucher die Aussage des Unternehmers nur um die Lücke schließt, die eine vermeintlich fehlende Information lässt (dann Unterlassen), oder ob er aus den gegebenen Angaben falsche Schlüsse zieht (dann Handeln, selbst wenn korrigierende bzw. aufklärende Hinweise die Täuschungseignung beseitigen könnten, vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Dreyer, 5. Aufl. 2021, UWG § 5).

 

Nach diesen Kriterien liegt hier eine Handlung und kein Unterlassen vor. Der Vorwurf der Antragstellerin geht dahin, dass die Listung als „Im Vertrieb“ vom Verkehr so verstanden wird, dass eine aktuelle Lieferbarkeit besteht. Versteht der Verkehr dies tatsächlich so, handelt es sich nicht um eine fehlende, sondern um eine falsche Information, die unter § 5 Abs. 1 UWG fällt.

 

c) Es liegt eine irreführende Angabe vor.

 

Angesprochene Verkehrskreise sind hier nur Fachkreise, und zwar Apotheker und Ärzte. Dass diese die Informationen aus der Clearingstelle1-Liste überwiegend nicht direkt erhalten, sondern nur die Software mit den Daten gespeist wird, ist irrelevant. Entscheidend ist, dass die Daten unverändert – unverändert – weitergereicht werden und so die Fachkreise erreichen.

 

Diese Verkehrskreise werden die Aussage der Antragsgegnerin dahingehend verstehen, das Produkt der Streithelferin sei grundsätzlich lieferbar.

 

Nach den Richtlinien der Antragsgegnerin sind zwar „vorübergehende Lieferschwierigkeiten und Liefereinstellungen kein Anlass für eine Statusmeldung außer Vertrieb“. Die Clearingstelle1-Richtlinien sind für das Verkehrsverständnis heranzuziehen. Es handelt sich beim angesprochenen Verkehr um Fachkreise, denen eine erhöhte Kenntnis von der Funktion und den Rahmenbedingungen der Clearingstelle1-Datenbank unterstellt werden kann. Der Verkehr entnimmt dem Status „Im Vertrieb“, dass das Medikament grundsätzlich lieferbar ist und höchstens temporäre Unterbrechungen des Vertriebs vorliegen. Hierfür spricht auch die eigene Definition der Antragsgegnerin in der Kategorie „Im Vertrieb“: „Ein Artikel mit Status im Vertrieb ist im Markt tatsächlich erhältlich und wird vom Anbieter vertrieben.“

 

Hier ist das Medikament jedoch grundsätzlich nicht lieferbar. Ein Verkehrsverständnis, wonach die angesprochenen Verkehrskreise auch nicht verkehrsfähige – vielleicht sogar nicht zugelassene oder auch grundsätzlich nicht lieferbare – Medikamente in der Clearingstelle1-Datenbank erwartet, ist fernliegend. Dies würde den Wert der Datenbank nämlich ganz erheblich reduzieren, z.B. durch einen Blick in die Datenbank sicherstellen zu können, dass ein Patient mit einem dort eingetragenen Medikament auch tatsächlich versorgt werden kann. Folgte man der Auffassung der Streithelferin, könnte sie im Grunde auch schon mit Veröffentlichung der Patenterteilung einen „In-Vertrieb“-Eintrag in der Clearingstelle1-Datenbank vornehmen lassen, der dort 20 Jahre erhalten bliebe, ohne dass dies lauterkeitsrechtlich zu beanstanden wäre.

 

Hinzu kommt die besondere Situation der Markteinführung. Mag der Verkehr – wie die Antragsgegnerin vorträgt – Nichtverfügbarkeitszeiten von als „Im Vertrieb“ befindlichen Medikamenten von einigen Monaten gewöhnt sein, so wird doch der Verkehr nicht erwarten, dass neu auf dem Markt eingeführte Medikamente sogleich über Monate nicht verfügbar sind. Dass der Verkehr – so die Antragsgegnerin – Kenntnis davon haben soll, dass nach § 130a Abs. 8 SGB V bei Vereinbarung von Rabattverträgen über Generika Lieferfähigkeit frühestens drei Monate nach Zuschlag hergestellt werden muss (und in diesem Zeitraum schon eine Eintragung „im Vertrieb“ besteht, Bl. 948/949), erscheint demgegenüber – jedenfalls für Ärzte – fernliegend.

 

7. Diese irreführenden Angaben sind auch geeignet, Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten. In Betracht kommen hier nur Ärzte und Apotheker.

 

a) Im Hinblick auf Apotheker hat die Antragsgegnerin vorgetragen, die auf dem Markt erhältliche Apothekensoftware sei durch zusätzliche Module so ausgestattet, dass die aktuelle Verfügbarkeit mit angezeigt werde, so dass der Apotheker sofort erkenne, dass das Medikament nicht lieferbar sei.

 

Hier ist zwischen den Parteien im Streit, ob tatsächlich alle Softwareprodukte über solche Module verfügen. Die Antragsgegnerin hat aber nicht bestritten, dass es durchaus Apotheker gibt, die über diese Module nicht verfügen.

 

b) Soweit Ärzte betroffen sind, hat die Antragsgegnerin zudem in ihrer Widerspruchsschrift selbst ausgeführt, dass „schlimmstenfalls“ der Arzt nach einem Blick in die Software das in Rede stehende Produkt verordnen, also auf ein Rezept schreiben werde. Bereits hierin – und nicht erst in der Abgabe des Medikaments – liegt jedoch schon eine geschäftliche Entscheidung im Sinne von § 5 UWG. Dabei kann dahinstehen, ob einzelne Arztsoftwareprodukte nun wöchentlich, monatlich oder quartalsweise ihre Datenbank updaten. Dass einzelne Softwareprodukte offensichtlich so kurzintervallig updaten, dass schon weit vor dem 18.2. das Produkt der Streithelferin als „im Vertrieb“ angezeigt wird, ist nicht substantiiert bestritten.

 

Im Verhältnis Patient-Arzt-Krankenkasse-Apotheke trifft der Arzt durch die Verordnung die initiale Entscheidung dafür, dass eine spätere Abgabe des Medikaments überhaupt zustande kommt. Ohne seine Verschreibung kommt es zu keinem Geschäft.

 

c) Die Tatsache, dass die tatsächliche Abgabe des Medikaments der Streithelferin – mangels Lieferbarkeit – nicht erfolgen konnte, stellt die Geeignetheit nicht in Frage.

 

Die geschäftliche Entscheidung, zu deren Veranlassung die im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG relevante Irreführung geeignet ist, ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder ein sonstiger Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden. In der Rechtsprechung des EuGH wird der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ i.S.d. zugrundeliegenden Art. 2 lit. k UGP-RL, zu deren Vornahme der Verbraucher durch die Irreführung i.S.d Art. 6 Abs. 1 UGP-RL voraussichtlich veranlasst wird, weit definiert. Erfasst ist nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH GRUR 2014, 196 Rn. 36 – Trento Sviluppo) oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet (BGH GRUR 2017, 1269 Rn. 19 – MeinPaket.de II). Nach diesen Maßgaben kann also auch eine Irreführung relevant sein, die lediglich einen „Anlockeffekt“ bewirkt, selbst wenn es nicht zur endgültigen Marktentscheidung – etwa dem Kauf der Ware – kommt.

 

Ist die Irreführung geeignet, eine in diesem Sinne der endgültigen Marktentscheidung des Verbrauchers vorgelagerte Entscheidung zu veranlassen, steht es der Annahme der Relevanz nicht entgegen, dass der Irrtum zum Zeitpunkt der endgültigen Marktentscheidung des zunächst getäuschten Verbrauchers bereits aufgeklärt ist (BGH GRUR 2016, 1073 Rn 35 – Geo-Targeting). Damit trägt das Irreführungsverbot dem wirtschaftlichen Umstand Rechnung, dass schon die durch Täuschung induzierte Befassung mit dem Angebot des Werbenden für diesen kaufmännisch vorteilhaft und dementsprechend für Mitbewerber nachteilig ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen UWG § 5 Rn 1.196)

 

Eine derartige Anlockwirkung ist hier zu bejahen. Die Veranlassung einer der endgültigen Marktentscheidung vorgelagerten geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers ist regelmäßig für Mitbewerber potentiell schädlich, etwa weil der in das Geschäft gelockte Verbraucher sich zwar gegen den Kauf der irreführend beworbenen Ware, aber für den Kauf einer anderen Ware entscheiden mag und den Mitbewerbern dieses Geschäft dann entgeht. Insofern bewirkt das weite Verständnis des Begriffs der „geschäftlichen Entscheidung“ gem. § 2 Nr. 1, Art. 2 lit. k UGP-RL nicht nur den von der UGP-RL vorrangig bezweckten Verbraucherschutz, sondern dient mittelbar auch dem Mitbewerberschutz (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen UWG § 5 R. 1.198). Eine vergleichbare Situation liegt hier zwar nicht vor. Der Arzt (er trifft ja die geschäftliche Entscheidung, nicht der Kunde), der das Präparat der Streithelferin verschreibt, wird – wenn er von der Apotheke erfährt, dass es nicht lieferbar ist – nunmehr nicht ein anderes „Arzneimittelhersteller1“-Produkt, wie etwa ein Schnupfenspray, verschreiben. Vielmehr wird er dann ein Produkt der Antragstellerin verschreiben, da es damals noch das einzige am Markt erhältliche Produkt mit dem Wirkstoff ist.

 

Allerdings verankert sich die Streithelferin als „Erstanbieterin“ eines Generikums xxx im Markt, wovon sie dann nach der tatsächlichen Markteinführung profitiert. Zudem führt eine Clearingstelle1-Liste zu Berichterstattung in der Fachpresse, was durch von der Antragsgegnerin vorgelegte Beispiele (Gelbe Liste Pharmaindex) substantiiert wird.

 

8. Auch Verhältnismäßigkeitsaspekte stehen der Annahme einer unlauteren Irreführung nicht entgegen.

 

Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Irreführungsgefahr in besonderen Ausnahmefällen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hinzunehmen, wenn die Belange der Allgemeinheit und der Mitbewerber nicht in erheblichem Maße ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen werden, weil die bewirkte Fehlvorstellung zwar von Bedeutung, gleichwohl aber für die Verbraucherentscheidung letztlich nur von geringem Gewicht ist und schutzwürdige Interessen des auf Unterlassung in Anspruch Genommenen entgegen stehen (BGH GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei; BGH WRP 2012, 1526 Rn. 2 – Über 400 Jahre Brautradition; BGH GRUR 2013, 1161 Rn 76 ff. – Hard Rock Café). Hierbei mag auch zu berücksichtigen sein, dass die Gefahren, die von einer Irreführung mit bloßem Anlockeffekt ausgehen, in der Regel geringer sind als die einer Irreführung, die unmittelbar in eine durch Täuschung und mangelnde Aufklärung bewirkte (Kauf-)Entscheidung mündet (vgl. BGH GRUR 1999, 1122, 1124 – EG-Neuwagen I; BGH GRUR 1999, 1125, 1126 – EG-Neuwagen II; OLG Karlsruhe WRP 1996, 584, 586; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen UWG § 5 Rn 1.199).

 

Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Weder handelt es sich um eine objektiv richtige Angabe noch kann die Antragsgegnerin auf erworbenen Besitzstand verweisen noch ist eine vergleichbare Sondersituation erkennbar, die eine Unterlassungsverpflichtung als unverhältnismäßig erscheinen ließe.

 

Die Antragsgegnerin haftet auch für den Wettbewerbsverstoß.

 

a) Es ist allerdings keine täterschaftliche Haftung begründet. Hierfür müsste sich die Antragsgegnerin die von der Streithelferin gemeldeten Inhalte zu eigen gemacht haben. Dies ist dann der Fall, wenn sie nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf ihrer Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen oder den zurechenbaren Anschein erweckt hat, sie identifiziere sich mit den fremden Inhalten (BGH GRUR 2015, 1129 Rn. 25 – Hotelbewertungsportal; BGH GRUR 2020, 543 Rn 16 f. – Kundenbewertungen auf Amazon; BGH GRUR 2016, 209 Rn 13 – Haftung für Hyperlink). Nach der Verkehrsauffassung machen Plattformbetreiber sich die bei Ihnen eingestellten Inhalte Dritter indes grundsätzlich nicht zu eigen. Die Antragsgegnerin ist hier auch als Plattformbetreiberin anzusehen. Zwar können Dritte die Inhalte nicht unkontrolliert einstellen können, wie z.B. Verbraucher bei Ebay; die Einstellung erfolgt nach Anmeldung durch die Antragsgegnerin. Der – aus fachkundigen Ärzten und Apothekern bestehende – Verkehr erkennt aber, dass es sich bei den Inhalten der Datenbank um von den Arzneiherstellern gemeldete Inhalte handelt, und nicht um solche, die von der Antragsgegnerin erstellt, verantwortet oder inhaltlich überprüft werden.

 

b) Soweit die Antragsgegnerin die Grundsätze der Störerhaftung bemüht, übersieht sie, dass der BGH mit der Entscheidung „Kinderhochstühle im Internet I“ (BGH GRUR 2011, 152 Rn 48 – Kinderhochstühle im Internet I) in Bezug auf den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch das traditionelle Institut der Störerhaftung aufgegeben hat, da eine Störerhaftung in den dem Verhaltensunrecht zuzuordnenden Fällen nicht in Betracht kommt.

 

c) Die Antragsgegnerin haftet aber aufgrund der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten.

 

(1) Teilweise an die Stelle der Störerhaftung getreten ist die Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten. Mit dem Urteil „Jugendgefährdende Medien bei eBay“  hat der BGH (GRUR 2007, 890) das aus der Störerhaftung stammende Konzept einer Haftung bei der Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten zu einem eigenständigen wettbewerbsrechtlichen Haftungsgrund dahingehend verdichtet, dass derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, dazu verpflichtet ist, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn 532)

 

(2) Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten können zwar auch in Überwachungs- und Eingreifpflichten bestehen. In den meisten Fällen konkretisiert sich die Verkehrspflicht indes als Prüfungspflicht. Über den Umfang und die Intensität der Prüfung entscheiden im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit in einer Güter- und Interessenabwägung die Umstände des Einzelfalles. Man kann zwischen Pflichten unterschiedlicher Reichweite unterscheiden, die zueinander in einem Stufenverhältnis stehen. Die Pflicht, einzelne erkannte Verletzungen im Sinne eines „notice and take down“ des konkret benannten Inhalts abzustellen, trifft grundsätzlich jeden, der im geschäftlichen Verkehr handelt. Hierfür muss entweder ein automatischer Mechanismus eingerichtet oder es müssen Mitarbeiter dazu bestimmt werden, Beanstandungen innerhalb kürzester Zeit zu prüfen und berechtigten Beanstandungen abzuhelfen. Eine Verkehrspflicht zur Prüfung entsteht regelmäßig erst dann, wenn auf eine klare und eindeutige Rechtsverletzung bzw. ein klar wettbewerbswidriges Angebot hingewiesen worden ist. Das Risiko einer schleppenden bzw. einer tatsächlich oder rechtlich fehlerhaften Prüfung trägt der Prüfungspflichtige. Nach der Rechtsprechung. ist der Betreiber einer Internetplattform aber in der Regel nicht gehalten, komplizierte Beurteilungen im Einzelfall durchzuführen und dazu rechtlichen Rat einzuholen, um festzustellen, ob das Angebot des Dritten tatsächlich wettbewerbswidrig ist. Die Hinzuziehung eines mit der Materie vertrauten Juristen soll nicht zumutbar sein.

 

(3) Im vorliegenden Fall sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen. Zwar handelt die Antragsgegnerin mit Gewinnerzielungsabsicht. Sie ist allerdings als „Clearingstelle“ im Interesse aller Marktteilnehmer tätig und zu einer umfassenden rechtlichen Prüfung nicht in der Lage. Die Antragsgegnerin betreibt ein äußerst billigenswertes Geschäftsmodell, das allen Marktteilnehmern nutzt; sie ist quasi als „Spinne im Netz“ tätig, die die Player auf dem Markt für Medikamente vernetzt und mit Informationen versorgt. Dieses Geschäftsmodell wäre gefährdet, würde man die Prüfpflichten der Antragsgegnerin zu streng ansetzen. Das Modell ist auch nicht als besonders gefahrgeneigt anzusehen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass dem Anmelder als deutlich sachnäherem Player eine ganz erhebliche Eigenverantwortung zukommt, was die Prüfungsintensität für den Mittler reduzieren kann (vgl. BGH GRUR 2015, 485, Rn 50 – Kinderhochstühle im Internet III). Gesteigerte Prüfungspflichten sind hier also nicht anzunehmen.

 

(4) Den ihr obliegenden Prüfpflichten ist die Antragsgegnerin indes nicht gerecht geworden.

 

Die Antragsgegnerin argumentiert, sie sei schon mangels Vorlage des Vertrages zwischen der Antragstellerin und der Streithelferin nicht in der Lage zu prüfen, ob die patentgemäße Handlung durch eine entsprechende Erlaubnis der Antragstellerin erlaubt sein. Dies geht jedoch am Problem vorbei. Die Antragsgegnerin wird von der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren nicht wegen Patentverletzung in Anspruch genommen – dabei würde die Frage, ob die Antragstellerin der Streithelferin z.B. die Werbung o.Ä. gestattet hätte, ebenso eine Rolle spielen wie die Frage, ob dies für die Antragsgegnerin erkennbar war. Hier geht es aber um einen Irreführungsvorwurf hinsichtlich der Lieferbarkeit des Generikums. Zu fragen ist also, ob die Antragsgegnerin insoweit Prüfungspflichten verletzt hat. Die Antragsgegnerin bestreitet, dass ihr bekannt war, dass die Streithelferin erst ab 18.2. tatsächlich liefern wollte.

 

In tatsächlicher Hinsicht war es indes so, dass die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.10.2021 der Antragsgegnerin mitgeteilt hatte, dass Lenalidomid patentgeschützt ist. Die Antragstellerin hat weiter erläutert, dass eine entsprechende Listung solcher Produkte gegen die Clearingstelle1-Richtlinien verstoßen würde, weil sie tatsächlich nicht erhältlich seien. Ferner hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin die geforderten Informationen zum Patentschutz zur Verfügung gestellt. Die Streithelferin schließlich hat auf ausdrückliche Nachfrage der Antragsgegnerin vor der Listung bestätigt, dass die streitgegenständlichen Produkte nicht vor dem 18.2.2022 lieferbar sind. In der Abmahnung der Antragstellerin vom 29.10.2021 hat die Antragstellerin erneut darauf hingewiesen, dass kein Zweifel daran besteht, dass die Streithelferin keine Absicht zum Vertrieb vor dem 18.2.2022 habe deshalb sei die Listung als „im Vertrieb“ irreführend nach § 5 Abs. 1 UWG sei. Der Abmahnung beigefügt war ein Schreiben der Streithelferin, aus dem sich ergibt, dass diese einen Vertrieb vor dem 18.2.2022 nicht beabsichtigt hatte.

 

Bei dieser Sachlage musste die Antragsgegnerin wissen, dass eine tatsächliche Lieferbarkeit des Medikaments der Streithelferin nicht vor dem 18.2.2022 bestand. Sie hatte damit ausreichende unstreitige Informationen vorliegen um beurteilen zu können, dass die Angabe „im Vertrieb“ irreführend war. Damit liegt eine Verletzung der Prüfpflichten vor, die eine Haftung der Antragstellerin begründet.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Das Teilunterliegen der Antragstellerin im Hinblick auf den Erledigungsfeststellungsantrag hat keine Kostenfolge.