Kammergericht Berlin, Urteil vom 21. Februar 2023, Az.: 5 U 138/21

Mehrfache Begründung des lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsbegehrens (Gelenkschmerztherapie)

Entscheidungen in Leitsätzen

UWG § 8 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

Leitsätze des Gerichts:

1. Ein einzelner lauterkeitsrechtlicher, auf Untersagung einer konkret angegebenen Verletzungsform abzielender, Antrag kann mit mehreren, unabhängig voneinander zum Verbot führenden Aspekten begründet werden, ohne dass dies zu einer Anspruchshäufung führen würde.(Rn.24)

 

2. Macht ein Kläger unter den vorstehend genannten Umständen geltend, „die angegriffenen Aspekte“ im Wege einer kumulativen Klage- bzw. Anspruchshäufung jeweils nebeneinander zum Streitgegenstand des Unterlassungsantrags zu machen, so ist das rechtsirrig und nötigt ein Gericht nicht dazu, auch im Falle der Hergabe des erstrebten Verbots sämtliche Aspekte zu prüfen und zu bescheiden („untauglicher Versuch“).(Rn.25)

 

3. Auf der anderen Seite führt ein solches – rechtsirriges – Vorbringen eines Klägers unter den angeführten Umständen nicht etwa dazu, dass die lauterkeitsrechtliche Unterlassungsklage wegen einer fehlenden Bestimmtheit i.S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig wäre (Anschluss und Fortführung BGH, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11, BGHZ 194, 314, Rn. 25 – Biomineralwasser).(Rn.26)

 

Gründe

 

A.

 

1 Von der Wiedergabe eines Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V. mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

 

2 Wegen des damit verbundenen, im Streitfall unangemessenen Aufwands hat der Senat davon abgesehen, die in der Urteilsformel zu I angeführten, z.T. umfänglichen, bei den Verfahrensakten befindlichen Anlagen A bis E dem Urteil beizufügen (vgl. insoweit BGH GRUR 2022, 1336, Rn. 16 f. – dortmund.de). Dem Antragsteller wird im Falle einer Urteilszustellung im Parteibetrieb zu Vollziehungszwecken anheimgestellt, zugleich auch diese Anlagen (in der erforderlichen Form) zuzustellen.

 

B.

 

Die Berufung des Antragstellers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig (dazu nachfolgend B I-III) und begründet (dazu unten B IV-V).

 

I.

 

4 Ein Verfügungsgrund i.S. von §§ 935, 940 ZPO besteht. Das ist gemäß § 12 Abs. 1 UWG zu vermuten. Durch zu langes Zuwarten mit der gerichtlichen Verfolgung ist diese Vermutung – was auch die Antragsgegnerin zu Recht nicht geltend gemacht hat – nicht widerlegt, denn (deutlich) weniger als zwei Monate nach Kenntniserlangung von der angegriffenen Werbung hat der Antragsteller das Eilverfahren eingeleitet. Erfolglos bleibt der (erstinstanzliche) Verweis der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang auf (vermeintliche) Begründungsdiskrepanzen in der vorgerichtlichen Abmahnung einerseits und in der gerichtlichen Antragsschrift andererseits. Denn ob überhaupt und wenn ja ordnungsgemäß und mit welchem Inhalt abgemahnt worden ist, ist für das Vorliegen eines – eben vermuteten – Verfügungsgrundes im wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren nicht von Bedeutung. Für den Gläubiger besteht keine Rechtspflicht, den Schuldner vor der Einleitung des Verfügungsverfahrens abzumahnen. Das ergibt sich aus dem Gesetz durch die in § 13 Abs. 1 UWG gewählte Formulierung „sollen … abmahnen“. Bei der Abmahnung handelt es sich nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung für ein anschließendes Verfügungsverfahren (OLG Oldenburg Magazindienst 2013, 1052, 1054).

 

II.

 

5 Die in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geregelten (Zulässigkeits-) Voraussetzungen sind entgegen der Annahme des Landgerichts gleichfalls erfüllt. Die Antragsschrift enthält die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des jeweils erhobenen Anspruchs (dazu unten B II 3-6) sowie einen jeweils bestimmten Antrag (dazu sogleich B II 1-2).

 

1.

 

6 Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung erfolgt oder die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Wettbewerbsverstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (BGH GRUR 2019, 627, Rn. 15 – Deutschland-Kombi).

 

2.

 

7 Danach sind die 34 Verbotsanträge bestimmt genug, denn sie beziehen sich alle mit der Formulierung „wie geschehen in …“ auf jeweils konkrete Verletzungsformen und lassen in ihrer Formulierung erkennen, welche Einzelaussage oder Ausschnitte aus diesen Formen jeweils unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten angegriffen werden sollen.

 

3.

 

8 Auch Gegenstand und Grund zu den 34 erhobenen Unterlassungsansprüchen sind hinreichend bestimmt angegeben. Mit „Gegenstand und Grund des Anspruchs“ meint § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO den Sachverhalt, aus dem der Kläger den Klageanspruch herleitet. Sie bestimmen, zusammen mit dem Antrag, den Streitgegenstand (Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 253 Rn. 10). Richtet sich die Klage – wie hier – gegen die konkrete Verletzungsform, so ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (BGH, Beschl. v. 15.10.2020 – I ZR 175/19, juris-Rn. 18).

 

4.

 

9 Die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfüllt ein Unterlassungskläger im Lauterkeitsrecht also bereits dann, wenn sein Antrag – wie hier 34-mal geschehen – auf eine (oder mehrere) konkrete Verletzungsform(en) abzielt und er – wie auch hier – vorträgt, dass der Beklagte diese konkrete Verletzungsform verwendet habe, und infolge welcher Tatsache(n) dies wettbewerbsrechtlich unlauter sei. Hierdurch wird der Streitgegenstand eindeutig bestimmt.

 

5.

 

10 An Vorstehendem ändert es nichts, dass der Antragsteller eine Werbeaussage nicht nur aus einem, sondern mehreren verschiedenen Gründen – „Unlauterkeitsaspekten“ – für verbotswürdig hält, also beispielsweise das als erstes beantragte und hier unter der Urteilsformel zu I 1 zugesprochene Verbot damit begründet wissen will (vgl. S. 79 f. der Antragsschrift = Band I Blatt 79 f. der Akten), dass …

 

11 [Unlauterkeitsaspekt a]

 

12… die angegriffene Aussage nicht hinreichend wissenschaftlich abgesichert sei (Irreführung gemäß § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG und § 5 Abs. 1, 2 UWG),

 

13 [Unlauterkeitsaspekt b]

 

14 … die angegriffene Aussage den unzutreffenden Eindruck erwecke, dass die Schmerzminderung um 60 % konkret durch Chrubasik et al. belegt wäre (Irreführung gemäß § 3 Satz 1 HWG und § 5 Abs. 1, 2 UWG),

 

15 [Unlauterkeitsaspekt c]

 

16 … bei der Bezugnahme auf Chrubasik et al. der Hinweis fehle, welches Arzneimittel von der Veröffentlichung betroffen sei (unzulässig gemäß § 6 Nr. 2 HWG).

 

17 Richtet sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform (wie hier: Anlage A, B und/oder C) und beanstandet der Kläger in einem solchen Fall etwa eine Werbeaussage unter mehreren Gesichtspunkten, überlässt er es bei einem Erfolg der Klage dem Gericht zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird. Eine solche Klage ist begründet, wenn sich ein Anspruch unter einem der vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte ergibt (im obigen Beispiel: Unlauterkeitsaspekt „a“ oder „b“ oder „c“). Abgewiesen werden kann eine solche Klage hingegen nur, wenn die Prüfung durch das Gericht ergibt, dass das begehrte Verbot unter keinem der vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte begründet ist (vgl. BGH GRUR 2020, 1226, Rn. 24 – LTE-Geschwindigkeit), also – im Beispiel – weder Unlauterkeitsaspekt „a“ noch „b“ noch „c“ greift. Auch in diesem Fall der Antragsbegründung bleibt es aber dabei, dass in der konkreten Verletzungsform, gegen die sich die Klage richtet, der Lebenssachverhalt zu sehen ist, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (BGH a.a.O.). Das Anführen mehrerer Unlauterkeitsaspekte führt in dieser Konstellation und Struktur des (z.B.) ersten Verbotsantrags also nicht zu einer Vermehrung der Streitgegenstände und damit nicht zur fehlenden Bestimmtheit von „Gegenstand und Grund des Anspruchs“ i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

 

6.

 

18 An Vorstehendem ändert sich bei der hier gegebenen Struktur des (z.B.) ersten Unterlassungsantrags (ebenso wie der 33 weiteren Unterlassungsanträge) auch nichts dadurch, dass der Antragsteller dem Gericht aufzugeben sucht, die von ihm erstrebte Stattgabe des Unterlassungsantrags – entgegen Vorstehendem – mit der Bejahung nicht nur eines der von ihm vorgetragenen Unterlauterkeitsaspekte zu begründen, sondern sämtliche Unlauterkeitsaspekte zu prüfen und zu „bescheiden“, indem er auf Seite 24 der Antragsschrift (Band I Blatt 24 der Akten) ausführt:

 

19 Gemäß der insoweit einschlägigen Rechtsprechung (s. … BGHZ 194, 314 – Biomineralwasser …) werden die angegriffenen Aspekte – im Wege einer kumulativen Klage- bzw. Anspruchshäufung – ausdrücklich jeweils nebeneinander zum Streitgegenstand des hiesigen Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemacht.

 

a)

 

20 Allerdings ist dieser Ansatz verfahrensrechtlich verfehlt, weil er nicht mit der jeweiligen Fassung seiner 34 Verbotsanträge (welche freilich im Verhältnis zueinander kumulativ zu prüfende und zu bescheidende Streitgegenstände darstellen) korrespondiert, was sich gerade auch aus der zitierten „Biomineralwasser“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergibt. Danach ist es zwar dem Kläger nicht verwehrt, verschiedene Aspekte im Wege der kumulativen Klagehäufung zu jeweils getrennten Klagezielen zu machen. Er muss in diesem Fall aber die einzelnen Beanstandungen in verschiedenen Klageanträgen umschreiben. Nur in diesem Fall nötigt der Kläger das Gericht, die beanstandete Anzeige (bzw. hier Werbeaussage) unter jedem der geltend gemachten Gesichtspunkte zu prüfen (vgl. BGHZ 194, 314, Rn. 25 – Biomineralwasser). Das aber ist hier nur insoweit geschehen als der Antragsteller aus (z.T.) identischen Verletzungsformen 34 Aussagen mit 34 Verbotsanträgen angegriffen hat. Nicht hingegen hat er beispielsweise die zum ersten Verbotsantrag vorgetragenen drei Unlauterkeitsaspekte („a“, „b“, „c“, s.o. B II 5) zum Anlass genommen, diese – wie aber vom BGH a.a.O. vorgegeben – in drei verschiedenen Klageanträgen zu umschreiben, sondern dazu nur einen einzigen (nämlich den ersten) Verbotsantrag gestellt.

 

21 Die oben zitierte Passage aus der Antragsschrift ist also rechtsirrig. Denn eine „kumulative Klage- bzw. Anspruchshäufung“ liegt hinsichtlich der zu den jeweiligen Verbotsanträgen geltend gemachten Unterlauterkeitsaspekten insoweit in Wirklichkeit nicht vor.

 

b)

 

22 Dieses Defizit in den rechtlichen Ausführungen des Antragstellers hat aber – und (allein) in diesem Punkt widerspricht der Senat den Ausführungen des Landgerichts – nicht zur Folge, dass hier der Streitgegenstand (wegen Perplexität von Antrag und Antragsbegründung) zu unbestimmt wäre. Denn der jeweilige Verbotsantrag und der dazu vorgetragene Lebenssachverhalt (Antragsgegnerwerbung mit der jeweils angeführten Aussage in der jeweils angeführten konkreten Verletzungsform) bilden den Streitgegenstand hinreichend bestimmt ab. Konsequenz besagten Defizits ist vielmehr nur, dass der Antragsteller mit dem Versuch scheitert, das Gericht mittels vermeintlicher kumulativer Anspruchshäufung zur Prüfung und Bescheidung sämtlicher Aspekte vor einer Hergabe des begehrten Verbots zu „nötigen“. Die defizitären Ausführungen haben dementsprechend nicht zur Folge, dass eine unzulässige Geltendmachung vorliegt. Vielmehr ist der jeweilige Verbotsantrag, weil für sich genommen „ungehäuft“ (eben „singulär“) gestellt, weiterhin hinreichend bestimmt, und das Gericht kann einen – etwaigen – Zuspruch des (beispielsweise) ersten Begehrens – anders als vom Antragsteller intendiert – entweder mit Unlauterkeitsaspekt „a“ oder mit Unlauterkeitsaspekt „b“ oder mit Unlauterkeitsaspekt „c“ begründen. (Ihm steht freilich – auch im Falle einer Stattgabe – frei, sich gleichwohl insoweit zu mehreren, vom Antragsteller vorgetragenen, Unlauterkeitsaspekten – gewissermaßen „überobligatorisch“ – zu positionieren.) Nur eine – hier aber nicht erfolgte – Zurückweisung eines der 34 Verbotsanträge hätte vorausgesetzt, dass das Gericht nach Verneinung des Anspruchs unter dem dazu zuerst vorgetragenen Aspekt, den nächsten dazu vorgetragenen Aspekt mit negativem Ergebnis geprüft hätte und so weiter bis zur Prüfung und Verneinung des Anspruchs auch unter dem letzten vorgetragenen und geprüften Aspekt.

 

7.

 

23 Insoweit zusammengefasst gilt nach Auffassung des Senats also Folgendes:

 

a)

 

24 Ein einzelner lauterkeitsrechtlicher, auf Untersagung einer konkret angegebenen Verletzungsform abzielender, Antrag kann mit mehreren, unabhängig voneinander zum Verbot führenden Aspekten begründet werden, ohne dass dies zu einer Anspruchshäufung führen würde.

 

b)

 

25 Macht ein Kläger unter den vorstehend genannten Umständen geltend, „die angegriffenen Aspekte“ im Wege einer kumulativen Klage- bzw. Anspruchshäufung jeweils nebeneinander zum Streitgegenstand des Unterlassungsantrags zu machen, so ist das rechtsirrig und nötigt ein Gericht nicht dazu, auch im Falle der Hergabe des erstrebten Verbots sämtliche Aspekte zu prüfen und zu bescheiden („untauglicher Versuch“).

 

c)

 

26 Auf der anderen Seite führt ein solches – rechtsirriges – Vorbringen eines Klägers unter den angeführten Umständen nicht etwa dazu, dass die lauterkeitsrechtliche Unterlassungsklage wegen einer fehlenden Bestimmtheit i.S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig wäre.

 

8.

 

27 Nach allem betrachtet der Senat – anders als das Landgericht – die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als erfüllt.

 

III.

 

28 Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, worüber die Parteien – mit Recht – nicht streiten.

 

IV.

 

29 Hinsichtlich der aus §§ 8, 3, 5 UWG folgenden sachlichen Begründetheit der 34 geltend gemachten Unterlassungsansprüche kann übergreifend vorab festgehalten werden, dass die damit jeweils angegriffenen Werbeaussagen sämtlich – wie im Einzelnen noch auszuführen sein wird – irreführende geschäftliche Handlungen i.S. von § 5 Abs. 1, 2 UWG darstellen und dass diese geeignet sind, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung (u.a. den Erwerb des beworbenen Arzneimittels) zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

 

30 Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn das beanstandete Verhalten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme wettbewerbswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz wettbewerbswidrig ist (vgl. BGH GRUR 2022, 500, Rn. 15 – Zufriedenheitsgarantie). Zeitlich nach den vom Antragsteller als rechtsverletzend beanstandeten Handlungen und nach Erlass des landgerichtlichen Urteils ist § 5 UWG mit Wirkung vom 28.05.2022 durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10.08.2021 geändert worden, dies aber nur redaktionell und nicht inhaltlich (vgl. Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 5 Rn. 0.7a). In diesem Urteil wird § 5 UWG jeweils in der nunmehr geltenden Fassung zitiert.

 

31 Im Einzelnen gilt zunächst Folgendes, wobei sich die nachfolgenden Untergliederungsziffern an der Antragsnummerierung orientieren und auch die hiesige Verbotsnummerierung in der Urteilsformel unter I 1 bis I 34 damit korrespondiert:

 

1.

 

32 Die in den Anlagen A, B und C enthaltene Aussage gemäß Antrag zu 1 (und Urteilsformel zu I 1) …

 

33 60% weniger Gelenkschmerzen1

 

34 1Chrubasik. In Phytomedicine. 2002 Apr;9(3): 181-94

 

35 … (wobei in Anlage B die Fußnotenziffern jeweils „2“ lauten), verstößt gegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG, da sie nicht hinreichend wissenschaftlich belegt ist (vgl. auch Senat, Beschl. v. 21.09.2021 – 5 U 113/19 – Gründe II B 4, m.w.N.).

 

a)

 

36 Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über – nachfolgend aufgezählte – Umstände enthält, zu denen nach Nr. 1 der Vorschrift Angaben über die von der Verwendung zu erwartenden Ergebnisse gehören. In diesem Zusammenhang sind gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung nur zulässig, wenn der Werbende die wissenschaftliche Absicherung seiner Aussage dartun kann (Senat a.a.O., Gründe II B 4b, m.w.N.).

 

aa)

 

37 Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (vgl. etwa BGH GRUR 2015, 1244, Rn. 15 – Äquipotenzangabe in Fachinformation). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (BGH GRUR 2013, 649, Rn. 16 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Unzulässig ist es außerdem, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Darüber hinaus kann es – wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit – irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (vgl. BGH GRUR 2013, 649, Rn. 17 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH GRUR 2015, 1244, Rn. 16 – Äquipotenzangabe in Fachinformation; Senat a.a.O., Gründe II B 4b aa).

 

bb)

 

38 Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger. Allerdings besteht Einigkeit darüber, dass zunächst der Werbende die wissenschaftlichen Erkenntnisse benennen muss, die die gesundheitsbezogene Angabe tragen sollen. (vgl. Senat, Urt. v. 04.05.2021 – 5 U 126/19 – juris-Rn. 95; OLG Düsseldorf WRP 2017, 586, 588). Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt unter anderem dann in Betracht, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen oder sogar jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (BGH GRUR 2021, 513, Rn. 18 – Sinupret; Senat a.a.O., juris-Rn. 94, m.w.N.).

 

cc)

 

39 Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dies erfordert nach dem sogenannten „wissenschaftlichen Goldstandard“ im Regelfall, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH a.a.O., Rn. 20; Senat, Beschl. v. 21.09.2021 – 5 U 113/19 – Gründe II B 4b cc).

 

b)

 

40 Gegen diese Grundsätze verstößt die Antragsgegnerin mit der angegriffenen Auslobung, dass das hier beworbene Arzneimittel „60 % weniger Gelenkschmerzen“ bewirke (zumal in der Werbung die Bezugsgröße völlig offenbleibt). Die insoweit von der Antragsgegnerin in der Werbung angeführte und vom Antragsteller als Anlage ASt 15 überreichte Untersuchung von Chrubasik et. al. liefert nicht den Nachweis einer hinreichend gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis.

 

41 Die Untersuchung betrifft ein anderes Arzneimittel in anderer Tagesdosierung bei den Probanden (als sie sich für das beworbene Arzneimittel beispielsweise aus dessen Gebrauchsinformation [Anlage ASt 5] ergibt), und untersucht wurden nur Patienten mit Hüft-, Knie oder Kreuzschmerzen (letzteres ggf. mit Ausstrahlung in den Beinbereich), mithin keineswegs sämtliche Arten von Gelenkschmerzen, wie aber in der Werbung vollmundig angesprochen. Die Untersuchung entspricht bei weitem nicht besagtem „Goldstandard“, denn sie enthält weder eine Kontrollgruppe, noch eine Randomisierung, noch eine Verblindung. Die Untersuchung ist mithin für besagte Werbung rundum defizitär und gänzlich unbrauchbar und liefert insoweit keinerlei wissenschaftlichen Erkenntnisse. Über sonstige Studien verfügt die Antragsgegnerin nicht, anderenfalls sie solche überreicht hätte. Insoweit verstößt die Antragsgegnerin mit der Anführung besagter Fundstelle überdies auch gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit.

 

42 Dem Antragstellervorbringen zur fehlenden gesicherten Erkenntnis ist die Antragsgegnerin in ihrer Verteidigung vor Gericht auch gar nicht entgegengetreten. Es gilt damit als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Fragen der Glaubhaftmachungslast stellen sich sonach im Streitfall nicht. Das gilt im Übrigen nicht nur für die hier in Rede stehende, sondern auch für sämtliche weiteren 33 Werbeaussagen, die der Antragsteller (vor dem Senat erfolgreich) mit Verbotsanträgen angreift.

 

43 Die Antragsgegnerin darf deshalb nicht entsprechend werben.

 

2.-9.

 

44 Alles vorstehend zum Antrag zu 1 Ausgeführte gilt sinngemäß auch für die Anträge zu 2-9, die sämtlich – getätigte – Aussagen betreffen, die (u.a.) eine Schmerzreduktion von 60 % zum Inhalt haben und dazu auf besagte Untersuchung verweisen.

 

10.

 

45 Auch die in Anlage B enthaltene Aussage gemäß Antrag zu 10 …

 

46 Basis des neuen wirkstärkeren Medikaments (Apotheke: Gelencium EXTRACT, rezeptfrei) ist ein innovativer, nahezu 3-fach stärker konzentrierter Extrakt der bekannten Arthrose-Arzneipflanze Harpagophytum Procumbens.3

 

47 3Die Standard-Tagestherapiedosis bei Harpagophytum Procumbens-Monopräparaten in Deutschland beträgt 960mg. Bei Gelencium EXTRACT beträgt die Tagestherapiedosis 2.400mg.

 

48 … verstößt gegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG, da sie hinsichtlich der Auslobung eines „wirkstärkeren“ Medikaments gleichfalls nicht hinreichend wissenschaftlich belegt ist (letzteres ist auch hier unstreitig geblieben).

 

49 Für die Wirkstärke ist zunächst im Vergleich zu Konkurrenzprodukten entgegen der Suggestion dieser Werbung nicht in erster Linie die Menge des eingenommenen Extrakts entscheidend, sondern die darin enthaltene Menge an Droge, die je nach verwendetem Auszugsmittel (Wasser oder Ethanol) unterschiedlich sein kann. Ferner sieht die von der Kommission E erstellte Monographie „Teufelskrallenwurzel“ für die Anwendung zur unterstützenden Therapie degenerativer Erkrankungen des Bewegungsapparates durch diese Heilpflanze eine Tagesdosis von 4,5 g Droge vor (Anlage ASt 6). Weitergehende Wirkungen bei einer höheren Menge an Droge als 4,5 g pro Tag sind – unstreitig – wissenschaftlich nicht belegt. Wie das Produkt der Antragsgegnerin überschreiten auch die angesprochenen Konkurrenzprodukte besagte 4,5 g–Grenze, und zwar einmal etwas mehr und die anderen Male weniger (vgl. Seite 41 der Antragsschrift = Band I Blatt 41 der Akten i.V. mit Anlagen ASt 5, 19, 20). Dass sie deshalb mehr oder weniger wirkstark wären, folgt daraus – wie dargestellt – aber gerade nicht. Damit fehlt es an der wissenschaftlichen Absicherung, dass das Produkt der Antragsgegnerin im Vergleich zu den Konkurrenzprodukten ein „wirkstärkeres“ Medikament wäre.

 

50

 

11. und 12.

 

Randnummer 51

 

51 Das vorstehend zum Antrag zu 10 Ausgeführte gilt sinngemäß auch für die Anträge zu 11 und 12, die beide – getätigte – Aussagen betreffen, die (u.a.) ein „wirkstärkeres“ Medikament zum Inhalt haben.

 

13.

 

52 Auch die in Anlage D enthaltene Aussage gemäß Antrag zu 13 …

 

53 Deutschlands STARKE Tablette gegen Gelenkschmerzen1

 

54 1Chrubasik S, Thanner J, Künzel O, Conradt C, Black A, Pollak S. Comparison of outcome measures during treatment with the proprietary Harpagophytum extract doloteffin in patients with pain in the lower back, knee or hip. Phytomedicine. 2002 Apr;9(3): 181-94.

 

55 … verstößt gegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG, da sie hinsichtlich der Auslobung einer „STARKEN“ Tablette gegen Gelenkschmerzen gleichfalls nicht hinreichend wissenschaftlich belegt ist.

 

56 Der Durchschnittsverbraucher versteht „stark“ in diesem Zusammenhang dahin, dass die Wirksamkeit des beworbenen Produkts über die „durchschnittliche“ oder „übliche“ Wirkung einer Schmerztablette hinausgeht. Die Senatsmitglieder können das diesbezügliche Verkehrsverständnis ohne weiteres selbst beurteilen, weil sie selbst – als potenzielle Schmerzmittelkonsumenten – zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen (vgl. BGHZ 156, 250 – Marktführerschaft). Für eine Wirkung besagten Ausmaßes existiert indes kein wissenschaftlicher Beleg, insbesondere nicht mit besagter Untersuchung von Chrubasik et. al. (Anlage ASt 15), denn diese liefert aus den bereits oben zum Antrag zu 1 dargelegten Gründen (B IV 1b), welche hier gleichermaßen gelten, nicht den diesbezüglichen Nachweis einer hinreichend gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis, sodass überdies auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit vorliegt.

 

57 14. und 15.

 

58 Das vorstehend zum Antrag zu 13 Ausgeführte gilt sinngemäß auch für die Anträge zu 14 und 15, die gleichfalls – getätigte – Aussagen betreffen, die (u.a.) eine „STARKE“ Tablette bzw. „Starke Schmerzlinderung“ zum Inhalt haben und hierfür zu Unrecht besagte Untersuchung referenzieren.

 

16.

 

59 Die in Anlage C enthaltene, auf das beworbene Produkt bezogene Aussage gemäß Antrag zu 16 …

 

60 Deutschland besiegt den Schmerz

 

61 … verstößt nach allem bis hierher Ausgeführten ebenfalls wegen fehlender wissenschaftlicher Absicherung gegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Ist nach dem soeben Ausgeführten schon die Aussage „Starke Schmerzlinderung“ unzulässig, so gilt das erst recht für das angebliche „Besiegen“, also die Beseitigung des Schmerzes. Auch das Eintreten dieser Wirkung ist – unbestritten – nicht hinreichend wissenschaftlich abgesichert.

 

17.

 

62 Nichts anderes als vorstehend gilt auch für die mit dem Antrag zu 17 angegriffene Aussage, wo gleichermaßen versprochen wird, mit dem beworbenen Mittel den Gelenkschmerz zu „BESIEGEN“, wobei insoweit wegen der hier erfolgten Bezugnahme auf besagte Untersuchung überdies gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit verstoßen wird.

 

18.

 

63 Auch die in Anlage A enthaltene, auf das beworbene Produkt bezogene Aussage gemäß Antrag zu 18 …

 

64 Fazit: Mit Gelencium EXTRACT können Sie Gelenkschmerzen endlich wirksam lindern.1

 

65 1Chrubasik. In Phytomedicine. 2002 Apr;9(3): 181-94

 

66 … verstößt wegen – insoweit letztlich unstreitiger – fehlender wissenschaftlicher Absicherung gegen § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG.

 

67 Das Wort „endlich“ verleitet zur Annahme, dass bisherige Mittel der Konkurrenz wirkungslos waren und das hier beworbene Mittel nicht nur einen Wirksamkeitsvorsprung hat, sondern überhaupt erstmals wirksam ist. Deshalb gelten alle Ausführungen zur nicht hinreichend abgesicherten Behauptung zum „wirkstärkeren Medikament“ gemäß den Anträgen zu 10-12 (s.o. B IV 10-12) hier erst recht. Dass und warum die Untersuchung Chrubasik et.al. nichts absichern kann, wurde gleichfalls bereits ausgeführt (siehe oben B IV 1b). Einmal mehr geschieht ihre Anführung also überdies unter Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit.

 

19.-21.

 

68 Das vorstehend Ausgeführte gilt sinngemäß auch für die Anträge zu 19 bis 21, die gleichfalls – getätigte – Aussagen betreffen, die (u.a.) „endlich“ Linderung versprechen. Auch insoweit hat die Berufung also Erfolg und sind die diesbezüglichen Verbote antragsgemäß zu erlassen.

 

22.

 

69 Die in Anlage E enthaltene und oben in der Urteilsformel zu I 22 abgebildete Werbung (nebst Fußnotentext) ist schon deshalb irreführend, weil sie unwahr ist (§ 5 Abs. 2 Alt. 1 UWG). Das Produkt ist nicht 2,5-fach stärker konzentriert als – wie suggeriert wird – Produkte der Konkurrenz, im Gegenteil. Seine Tagesdosis enthält laut obiger Werbung und laut Gebrauchsinformation 2.400 mg Extrakt in der Konzentration von 1,5-2,5:1 (Anlage ASt 5), gemittelt also 4,8 g Droge. Die in der Werbung in Bezug genommenen Konkurrenzprodukte enthalten in der Tagesdosis 960 mg Extrakt in einer Konzentration von 4,4-5,0:1 (Anlagenkonvolut ASt 19), gemittelt also 4,512 g Droge. Die unterschiedlichen Konzentrationen an Droge je Extrakt-Menge sind den unterschiedlichen Extraktionsverfahren geschuldet (Auszug mit Wasser beim Produkt der Antragsgegnerin, Auszug mit Ethanol bei den referenzierten Konkurrenzprodukten). Wenn die Antragsgegnerin die Menge des täglich einzunehmenden „Pulvers“ (2.400 mg zu 960 mg), welche als solche – was das Publikum nicht weiß – weder mit dem Wirkungsgrad noch mit der Konzentration irgendetwas zu tun hat, mit „2,5fach stärker konzentriert“ umschreibt, ist das unwahr und sonach irreführend. Wenn man nicht auf die Menge der Droge als solche abstellt, sondern tatsächlich auf die Konzentration, gilt das umso mehr, denn dann ist das Produkt der Antragsgegnerin im Gegenteil deutlich schwächer konzentriert, nämlich im Mittelwert nur 2:1 und nicht 4,7:1.

 

23.-25.

 

70 Nichts Anderes als vorstehend gilt auch für die Werbeaussage gemäß Antrag zu 23, wo gleichermaßen behauptet wird, das beworbene Mittel sei „2,5fach stärker konzentriert“. Aus entsprechenden Gründen irreführend ist es, wenn in den Werbungen gemäß Anträgen 24 und 25 – allerdings dort immerhin ohne „2,5fach“-Vergleich – weiterhin behauptet wird, das beworbene Produkt enthalte „hochkonzentrierten HPG2400-Extrakt“.

 

26.

 

71 Für die in Anlage C enthaltene Werbeaussage gemäß Antrag zu 26 …

 

72 Die neue Tablette ist dank des hochdosierten Pflanzenextraktes hingegen bestens verträglich – mehr als 96% aller Anwender haben keinerlei Nebenwirkungen.

 

73 … liegt (dem Senat) hinsichtlich des angegebenen Prozentsatzes ebenfalls keine hinreichende wissenschaftliche Absicherung vor und wird von der Antragsgegnerin im Gerichtsverfahren auch nicht behauptet, was ein Fehlen unstreitig werden lässt. Der von der Antragsgegnerin vorgerichtlich (unter 1.9 im Begleitschreiben zur angebotenen Unterlassungserklärung, Anlage AG 2) angeführte eigene Beipackzettel (Anlage ASt 5) lieferte eine solche ebenso wenig wie die dort des Weiteren erwähnte (aber nicht eingereichte) Meta-Analyse.

 

27.-29.

 

74 Entsprechendes wie zuvor gilt für Aussagen gemäß den Anträgen zu 27 („96 % ohne Nebenwirkungen“), 28 („97 % ohne Nebenwirkungen“) und 29 („keine Wechselwirkungen“).

 

30.

 

75 Die in Anlage C enthaltene, sich auf das Produkt der Antragsgegnerin beziehende Werbeaussage gemäß Antrag zu 30 …

 

76 Forscher bestätigen überlegene Wirkung von neuer hochkonzentrierter Gelenkschmerztablette! 1

 

77 1Chrubasik. In Phytomedicine. 2002 Apr;9(3): 181-94

 

78 … hat hinsichtlich einer überlegenen Wirkung keine hinreichende wissenschaftliche Absicherung, insbesondere die dort zitierte Studie liefert eine solche aus bereits angeführten Gründen (B IV 1b) nicht. Insoweit liegt daher überdies ein Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit vor.

 

31.

 

79 Entsprechendes wie vorstehend gilt für die Werbeaussage zum Antrag zu 31, soweit dort dem Produkt der Antragsgegnerin eine „einzigartige schmerzlindernde Wirkung“ und damit eine therapeutische Überlegenheit zu Konkurrenzprodukten zuschreibt, welche nicht ersichtlich, geschweige denn wissenschaftlich abgesichert ist.

 

32.

 

80 Die Aussage in Anlagen D und E gemäß Antrag zu 32 …

 

81 Die Nr. 1 bei Gelenkschmerzen & Arthrose1

 

82 1Chrubasik S, Thanner J, Künzel O, Conradt C, Black A, Pollak S. Comparison of outcome measures during treatment with the proprietary Harpagophytum extract doloteffin in patients with pain in the lower back, knee or hip. Phytomedicine. 2002 Apr;9(3): 181-94.

 

83 … ist ebenfalls unlauter. Auch diese Behauptung therapeutischer Überlegenheit gegenüber allen Korrespondenzprodukten ist nicht hinreichend wissenschaftlich abgesichert, insbesondere nicht durch die – überdies unter Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit – angeführte Untersuchung.

 

33.

 

84 Die in Anlage F enthaltene und oben in der Urteilsformel zu I 33 abgebildete Werbung (nebst Fußnotentext) ist hinsichtlich „Der einzigartig hochdosierte Pflanzenextrakt“ jedenfalls insoweit unrichtig, mithin irreführend, als es mit Doloteffin zumindest ein weiteres Mittel auf dem Markt in nämlicher Tagesdosierung gibt (Seite 41 der Antragsschrift = Band I Blatt 41 der Akten i.V. mit Anlage ASt 20).

 

34.

 

85 Die in Anlage F enthaltene und oben in der Urteilsformel zu I 34 abgebildete Werbung ist ebenfalls irreführend, i.S. von § 5 UWG, und zwar schon allein wegen des ersten Satzes in der rechten (Text-) Spalte:

 

86 Die täglich aufgenommene Wirkstoffmenge ist mit 2.400mg um ein Vielfaches höher als bei vergleichbaren Harpagophytum-Arzneimitteln (960mg).

 

87 Hinsichtlich der „Wirkstoffmenge“ ist die Tagesdosierung der Extrakt-Menge zwischen dem Produkt der Antragsgegnerin und den Produkten der Mitbewerber gerade nicht „vergleichbar“. Wie weiter oben ausgeführt (B IV 22) enthalten letztere wegen des abweichenden Extrahierungsmittels einen höheren Anteil an „Droge je Extrakt-Menge“, sind also, was den Wirkstoff angeht, höher konzentriert als ersteres. Aus demselben Grund wie die Aussage „2,5fach stärker konzentriert“ unrichtig ist (s.o. B IV 22), ist es hier auch irreführend, die bloßen Mengen der – eben nicht vergleichbaren – Extrakt-Arten vergleichend untereinander zu stellen, wie dies überdies auch in den beiden mittleren (Zahlen-) Spalten geschieht. Auch der Begriff der „Wirkstoffmenge“ ist aus entsprechenden Gründen im hier verwendeten Kontext irreführend.

 

V.

 

88 Schließlich besteht auch die in § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG vorausgesetzte Wiederholungsgefahr. Sie wird aufgrund der 34 Wettbewerbsverstöße jeweils vermutet (vgl. BGH GRUR 2020, 755, Rn. 80 – WarnWetter-App). Die von der Antragsgegnerin angebotene strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 08.09.2021 (Anlage AG 2) ändert daran schon deshalb nichts, weil der Antragsteller deren Annahme gegenüber der Antragsgegnerin abgelehnt hat (vgl. BGH GRUR 2023, 255, Rn. 33 – Wegfall der Wiederholungsgefahr III).

 

C.

 

89 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.