Entscheidungen in Leitsätzen
Az.: 1 A 123/14
AMG § 13 Abs. 2 Nr. 1, § 21 Abs. 2 Nr. 1, § 69 Abs. 1; ApoBetrO § 1a Abs. 8 und Abs. 9; AMVV § 2 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2; Richtlinie EG 83/200 Art. 3 Nr. 1 und 2
1. Die erlaubnisfreie Herstellung und das zulassungsfreie Inverkehrbringen von Arzneimitteln als Rezepturarzneimittel setzen voraus, dass zu Beginn der Herstellung die Identität des Patienten, an den das Arzneimittel abgegeben wird, bekannt ist.
2. Eine Verschreibung mit dem Vermerk für den Praxisbedarf oder ad manu medici schließt eine Herstellung als Rezepturarzneimittel aus, da der Arzt erst nachträglich eine Individualisierung des Patienten vornimmt.
3. Der Begriff abgabefertige Packung in der Mengenbeschränkung für Defekturarzneimittel auf bis zu hundert abgabefertige Packungen an einem Tag nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG und § 1a Abs. 9 ApoBetrO ist bezogen auf eine Patientenportion und wird nicht durch die Verschreibung des Arztes für den Praxisbedarf oder ad manu medici in einer beliebigen Abgabemenge definiert.
1 Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung der Herstellung von Arzneimitteln.
2 Der Kläger ist Inhaber der A.-Apotheke in A-Stadt. Er verfügte bis 2008 über eine Herstellungserlaubnis für Fertigarzneimittel. In seiner Apotheke stellt der Kläger Rezeptur- und Defekturarzneimittel her.
3 Unter anderem stellte der Kläger das Arzneimittel „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ zur Fluoreszens-Angiographie her. Mit ihrer Hilfe kann der Augenarzt Störungen der Hämodynamik, Verletzungen des Kapillarbettes sowie vaskulär bedingte Netzhautschädigungen erkennen. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers laufe die Herstellung dieses Arzneimittels wie folgt ab: Der Kläger erhalte von einem verschreibenden Arzt ein Sprechstundenbedarf-Rezept mit der Anforderung für 64 Arzneimittelportionen für Fluorescein-Na-Lösung zur Angiographie in 64 sterilen Einmalspritzen. Die klägerische Apotheke kaufe den Wirkstoff Fluorescein in USP-Qualität (Arzneimittelhandbuch der USA) und lasse diesen durch das Labor ZL prüfen. Der Wirkstoff werde in Natriumhydroxid (NaOH) gelöst, um so Fluorescein-Na herzustellen. Die Ansatzmenge der Lösung betrage nach Angabe des Klägers 39 kg. Die Lösung werde geteilt und zu je 1 l in Flaschen steril filtriert und autoklaviert. Daraus werde eine 10 % Fluorescein-Na-Lösung hergestellt. Diese werde im Reinraum (Klasse A/B) in Glasspritzen zu jeweils 5 ml abgefüllt und erneut sterilisiert.
4 In einem Zivilrechtsstreit der Firma .., die eine Fluorescein-Lösung als Fertigarzneimittel herstellt, gegen den Kläger urteilte der Bundesgerichtshof in dritter Instanz zugunsten des Klägers, dass die Ausnahme von Defekturarzneimitteln von der Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG nicht nur für den regional begrenzten üblichen Versorgungs- und Einzugsbereich einer Apotheke gelte (BGH, Urt. v. 14.04.2011 – I ZR 129/09 –).
5 Ebenfalls aufgrund von Verordnungen mit einem Sprechstundenbedarf-Rezept erfolgt in der Apotheke des Klägers die Herstellung von Darmspülpulvermischungen zur Vorbereitung der Koloskopie:
6 Die „Xxx-Darmspülpulvermischung“ wird zu 1,7 kg durch Sprechstundenbedarf-Rezept verschrieben. Die fertige Mischung wird in 100 Röhrchen/Beutel zu je 17,0 g abgefüllt. Jede Lieferung an die verordnenden Praxen umfasst 100 Röhrchen/Beutel und wird anwendungsgerecht in 50 mal 2 Röhrchen/Beutel zwecks Zubereitung von 50 mal 2 Darmspüllösungen zu je 0,3 l für die Vorbereitung der Darmspiegelung an den Arzt verpackt. Die abgabefertige Packung und jeder Beutel werden mit dem Namen des Arztes als Anwender versehen.
7 Die „xxx Darmspülpulvermischung“ wird zu 23,9 kg verschrieben und nach Rezepturvorlage in der Apotheke hergestellt. Die fertige Mischung wird anschließend in 216 Beutel zu je 119,54 g abgefüllt. Diese 216 Beutel werden in 108 mal 2 Beutel zwecks Zubereitung von 108 mal 2 Darmspüllösungen zu je 1 l für die Vorbereitung der Darmspiegelung aufgeteilt. Die Lieferung an die Arztpraxis und jeder Beutel werden mit dem Namen des Arztes als Anwender versehen.
8 Der Kläger erhält regelmäßig Verschreibungen mit dem Vermerk „für den Praxisbedarf“ oder „ad manu medici“ für das Darmspülpulver M mit den Wirkstoffen PEG 4000, KCl, NaCl und Na2SO4. Die Zusammensetzung des Darmspülpulvers ist identisch mit einem Medizinprodukt mit dem Namen „…“ des Klägers. Die Darmspülpulvermischung wird zu 24,5 kg bestehend aus Pulvermischung A und zu 2,34 kg bestehend aus Pulvermischung B verschrieben. Pro Verordnung werden 216 Beutel A und 216 Beutel B für insgesamt 108 Patientenportionen zur Herstellung von 108 mal 2 l Darmspüllösung hergestellt. Jede Portion besteht aus 4 Beuteln (2 Beutel A zu jeweils 113,4 g und 2 Beutel B zu jeweils 10,8 g) Die Herstellung dieser Darmspülpulvermischungen erfolgt im Voraus in einer Menge von bis zu 5 Packungen mit jeweils 216 Beutel A und 216 Beutel B pro Tag.
9 Nach einer Besichtigung der Apothekenräume des Klägers am 22.01.2014 erließ der Beklagte am 17.04.2014 die Ordnungsverfügung, wonach dem Kläger untersagt wurde:
10 1. Das Arzneimittel Fluorescein-Na (Inj.) 10 % 5-ml-Spritzen als Rezepturarzneimittel in Packungseinheiten für mehr als einen Patienten herzustellen und in den Verkehr zu bringen.
11 2. Die Arzneimittel Xxx-Darmreinigung mit dem zusätzlichen Arznei-Wirkstoff Laxoberal-Tbl und Xxx-2 Liter Darmreinigung als Rezepturarzneimittel in Packungseinheiten für mehr als einen Patienten herzustellen und in den Verkehr zu bringen.
12 3. Das Arzneimittel Darmspülpulver M mit den Wirkstoffen PEG4000, KCl, NaCl und Na2SO4 (Rezeptur identisch mit dem Medizinprodukt „…“) als Defekturarzneimittel ohne Nachweis der häufigen Verordnung an benannte Patienten oder in Mengen von mehr als 100 Packungseinheiten für bis zu 100 Patienten im Voraus herzustellen und in den Verkehr zu bringen.
13 Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2000,- € angedroht.
14 Zur Begründung führte der Beklagte aus, bei dem Arzneimittel Fluorescein-Na handele es sich aufgrund des geschilderten Herstellungsprozesses nicht um ein Rezepturarzneimittel, sondern um ein Defekturarzneimittel. Die nach § 8 Abs. 3 und 4 ApBetrO für Defekturarzneimittel vorgeschriebenen Qualitätskontrollen seien nicht durchgeführt worden. Es reiche nicht aus, dass die Lösung zweimal autoklaviert werde. Es sei der Rückruf eines analogen Produktes der Firma .. bekannt, bei dem es zu einer Zunahme von Berichten über Nebenwirkungen gekommen sei. Dort sei die Herstellung auf Sterilfiltration und aseptische Abfüllung umgestellt worden. Es sei auffällig, dass der Kläger Fluorescein mit USP-Qualität einkaufe, nach der Monografie Ph.Eur. 7 (European Pharmacopoeia – europäisches Arzneibuch) prüfen lasse und auf dem Etikett die Qualität Ph.Eur. 6.0 ausweise. Außerdem übersteige die geschilderte Ansatzmenge den Höchstwert nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG, so dass keine Ausnahme von der Zulassungspflicht für das Arzneimittel mehr gegeben sei. Es sei immer noch die Herstellung als Defekturarzneimittel möglich.
15 Bei den Arzneimitteln „Xxx-Darmreinigung“ und „Xxx-2 Liter Darmreinigung“ sei die für Defekturarzneimittel vorgeschriebene Qualitätskontrolle nicht durchgeführt worden. Die Produkte seien keine Rezepturarzneimittel. Bei 50 bzw. 108 Patientenportionen sei von einer Herstellung „im Voraus“ auszugehen. Mit 108 Patientenportionen werde bei der „Xxx-2 Liter Darmreinigung“ und bei dem Darmspülpulver M (Zusammensetzung „…“) die zulässige Höchstmenge für Defekturarzneimittel überschritten.
16 Der Kläger hat mit Schreiben vom 16.05.2014 Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass es sich bei dem von ihm hergestellten „Fluorescein 10 %“ um ein Defekturarzneimittel handele. Die Ansatzmenge für die Fluorescein-Lösung lasse zwar rechnerisch und theoretisch eine tägliche Herstellung von 7.000 Spritzen zu. Tatsächlich würden aber nie mehr als 100 mal 64 Spritzen pro Charge hergestellt. Mit 100 abgabefertigen Packungen pro Tag sei aber nicht die Grenze nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG überschritten. Die Benennung eines Patienten könne entfallen, da es sich um ein „verlängertes Rezepturarzneimittel“ handele. Endverbraucher sei der Arzt, der sich das Arzneimittel bei seiner Apotheke beschaffe, um es im Rahmen des Praxisbedarfs bei einem individuellen Patienten anzuwenden. Es gebe kein vergleichbares Fertigarzneimittel mit Einmalglasfertigspritzen auf dem Markt. Die Prüfung der in seiner Apotheke hergestellten Arzneimittel erfolge nur noch durch das zugelassene Labor ZL. Dieses habe die aktuell in Auslieferung befindliche Defekturcharge von „Fluorescein 10 %“ vollständig geprüft. Gehalt und Reinheit entsprächen der aktuellen Ph. Eur. 8.0 . Die Etikettierung von Fluorescein 10 % habe den Qualitätshinweis „Qualität PH. EUR.6.0 ff.“ ausgewiesen. Damit sei klargestellt, dass auch die nachfolgenden Arzneibuchmonografien eingehalten worden seien. Inzwischen sei die Etikettierung auf PH.EUR.8.0 ff.“ korrigiert. Mit dem Fall der Firma … sei seine Herstellung von Fluorescein 10 % nicht vergleichbar, da die Firma … ihr Produkt in mehrfach wiederverwendbaren Injektionsfläschchen (sog. „Vials“) vertreibe, wodurch die Gefahr von Verunreinigungen ungleich höher sei als bei der von ihm verwendeten Abfüllung in Einmalglasfertigspritzen. In seiner Apotheke sei es zu keinen Vorkommnissen oder Rückrufen gekommen. Er habe für die Defekturherstellung stets nur arzneibuchkonforme Arzneimittel verwendet und die Sterilisation für 15 Minuten bei 121 °C durchgeführt. Zudem habe der Bundesgerichtshof in einer Klage der Firma … gegen ihn zu seinen Gunsten entschieden, dass der bundesweite Versand von Einmalglasspritzen zulässig sei. Die ordnungsgemäße Defekturherstellung sei Gegenstand seiner Argumentation in dem Verfahren gewesen.
17 Die „Xxx Darmreinigung“, die „Xxx-2 Liter Darmreinigung“ und das „Darmspülpulver“ seien Rezepturarzneimittel, da die Herstellung aufgrund der Anforderung des Arztes erfolge. Der Arzt sei Anwender der Arzneimittel. Die Anwendung der 3 Arzneimittel erfolge unter Mithilfe des Arztes zur Vorbereitung der Koloskopie. Die Größe der abgegebenen Packung und die Häufigkeit der Rezepturaufträge würden durch die ärztliche Verschreibung bestimmt, nicht durch die Kommissionierung. Die Pulvermischungen enthielten bis auf das apothekenpflichtige Laxoberal bei der „Xxx Darmreinigung“ ausschließlich nicht apothekenpflichtige Hilfsstoffe.
18 Eine Patientengefährdung sei zu keiner Zeit gegeben gewesen.
19 Die Zwangsgeldandrohung sei unverhältnismäßig, da zum einen die Höhe nicht angemessen sei und er zum anderen die streitgegenständlichen Arzneimittel seit 30 Jahren vertreibe, ohne dass es zu einer Gesundheitsgefährdung gekommen sei.
20 Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Tatsache einer unzulässigen Arzneimittelherstellung nicht durch eine vermutete fehlende Patientengefährdung geheilt werden könne. Auf eine Gefährdungsabschätzung durch den Apotheker komme es nicht an, da mit der Festlegung auf 100 abgabefertige Packungen pro Tag bereits durch den Gesetzgeber eine Gefährdungsabschätzung vorgenommen worden sei. Mit der Herstellung von bis zu 100 Spritzentrays mit jeweils 64 Einmalglasfertigspritzen sei die Grenze der hundert abgabefertigen Packungen für ein Defekturarzneimittel bei weitem überschritten. Maßgeblich als abgabefertige Packung sei nicht ein Spritzentray mit 64 Einmalglasfertigspritzen, sondern lediglich eine Spritze à 5 ml, da für jeden Patienten nur eine Spritze benötigt werde. Der Kläger stelle daher 6.400 abgabefertige Packungen am Tag her.
21 Auch die Abführmittel „Xxx-Darmreinigung“, „Xxx-2 Liter Darmreinigung“ und „Darmspülpulver“ würden in der klägerischen Apotheke in einem Umfang hergestellt, in dem eine Rezeptur- und im Falle der „Xxx-2 Liter Darmreinigung“ und des „Darmspülpulvers“ auch eine Defekturherstellung nicht mehr zulässig seien. Die Herstellung einer Rezeptur für den Arzt als Anwender sei nur zulässig, sofern sich die Anwendung durch den Arzt auf einen Patienten beschränke. Die Weiterreichung eines Arzneimittels durch den Arzt sei jedoch ein Inverkehrbringen eines Arzneimittels, welches für apothekenpflichtige Arzneimittel nicht zulässig sei. Dies gelte auch unabhängig von der fehlenden Apothekenpflicht der Ausgangsstoffe eines Arzneimittels, wenn dieses in einer Apotheke hergestellt werde. Das Verfahren zur Herstellung der Abführmittel durch den Kläger erfülle den Tatbestand der Herstellung von Fertigarzneimitteln im Voraus. Mit der Herstellung von 108 Patientenportionen sei die Grenze von 100 abgabefertigen Packungen überschritten. Innerhalb der Grenze von 100 abgabefertigen Packungen sei die Herstellung eines Defekturarzneimittels auch nur zulassungsfrei, sofern nachweislich eine häufige Verschreibung für das entsprechende Rezepturarzneimittel gegeben sei. Schließlich fehle dem Herstellungsprozess des Klägers auch die für die defekturmäßige Herstellung notwendige Qualitätskontrolluntersuchung.
22 Die Zwangsgeldandrohung sei erforderlich, um den Kläger zur Einhaltung der Ordnungsverfügung zu bewegen. Der Höhe nach entspreche das Zwangsgeld der Bedeutung des Sachverhalts und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers.
23 Der Kläger hat am 18.08.2014 die vorliegende Klage erhoben.
24 Er trägt zur Begründung vor, er sei grundsätzlich verpflichtet, ihm vorgelegte ärztliche Verschreibungen zu bedienen. Das hergestellte Arzneimittel müsse der Verschreibung entsprechen. Es existiere keine gesetzliche Definition für „Verschreibung“. Es sei aber nach der Arzneimittelverschreibungsverordnung zulässig, von den Angaben zum Endverbraucher des Arzneimittels abzusehen, wenn ein Vermerk wie „für den Praxisbedarf“ oder „ad manu medici“ enthalten sei. Ein solcher Vermerk sei in den Verschreibungen für die Spritzen mit Fluorescein und für die Darmspül-Arzneimittel stets enthalten. Der Umfang einer abgabefertigen Packung werde durch die Verschreibung bestimmt. Bei einer Herstellung im Voraus müssten häufige Verschreibungen vorliegen. Aber auch bei der Herstellung im Voraus bestimmten die häufigen Verschreibungen den Umfang einer abgabefertigen Packung. Die Differenzierung zwischen Rezeptur, Defektur und zulassungspflichtiger Herstellung führe nicht zu unterschiedlichen Gewährleistungen der Patientensicherheit. An die Stelle der für Rezepturarzneimittel erforderlichen Plausibilitätsprüfung trete bei der Herstellung eines Defekturarzneimittels eine Prüfanweisung, an der sich laufende Prüfungen orientierten. Dies sei weitergehend als eine bloße Plausibilitätsprüfung, insbesondere da es sich nicht lediglich um Endprozesskontrollen handele. Mittelbar dienten die Plausibilitätsprüfungen für die Rezepturarzneimittel auch der Defekturherstellung, da die häufigen ärztlichen Verschreibungen die Voraussetzung der Defektur seien. Das Arzneimittelrecht bestimme nicht, dass die pro Tag herzustellende Menge 100 Patientenportionen nicht übersteigen dürfe. Vielmehr bestimmten § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG und § 1a Abs. 9 ApoBetrO eine Menge von bis zu 100 „abgabefertigen Packungen“ pro Tag. Eine abgabefertige Packung dürfe aber auch aus 64 oder 108 aufgeteilten Applikationen oder Portionen bestehen. Dies entspreche auch der gesetzgeberischen Intention, die mit der 100-Packung-Grenze verhindern solle, dass in einer Apotheke über einen längeren Zeitraum Vorratsherstellungen von Fertigarzneimitteln ohne Zulassung erfolgten. Was unter einer abgabefertigen Packung zu verstehen sei, bestimme sich aber anhand der Verschreibungen. Dass es auf die jeweilige Verschreibung ankomme, zeige sich auch in der Regelung der Vergütung für Rezepturen und Defekturen. Die AMPreisV bestimme die Vergütung des Apothekers nach der jeweils verwendeten Grundmenge. Eine Differenzierung von Einzelrezepturen oder Rezepturen für den ärztlichen Praxisbedarf gebe es nicht.
25 Der Kläger beantragt,
26 den Bescheid des Beklagten vom 17.04.2014, Aktenzeichen LAsD 31/122.11 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2014 aufzuheben.
27 Der Beklagte beantragt,
28 die Klage abzuweisen.
29 Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass der Kläger Arzneimittel herstelle, die sowohl hinsichtlich der Herstellung als auch hinsichtlich des Inverkehrbringens einer Zulassung bedürften. Auf die Ausnahmeregelung für Rezepturarzneimittel könne sich der Kläger nur berufen, sofern er Arzneimittel objektiv aufgrund schriftlicher Verordnung subjektiv für einen bestimmten Patienten herstelle. Als Defektur sei ein nicht zugelassenes Arzneimittel nur von der Zulassungspflicht ausgenommen, sofern es im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs im Voraus an einem Tag in bis zu 100 abgefertigten Packungen oder in einer dieser entsprechenden Menge hergestellt werde. Die gesetzliche Definition des Defekturarzneimittels orientiere sich insbesondere an der Definition des Fertigarzneimittels, das in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werde. Als abgabefertige Packungen seien die zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packungsgrößen anzusehen. Die Herstellung von Klinikpackungen falle nicht darunter. Die Ausnahmevorschrift für die Defektur als verlängerte Rezeptur müsse restriktiv ausgelegt werden, um eine Umgehung der generellen Zulassungspflicht für die serienmäßige Herstellung zu verhindern. Eine solche Umgehung sei gegeben, sofern die Wahl des Herstellungsverfahrens über die Größe der abzugebenden Einheit bestimme. Es laufe auch dem Schutzzweck der Zulassungspflicht zuwider, könne der Arzt durch den Umfang seiner Verordnung die Größe einer abgabefertigen Packung bestimmen. Die Verschreibung von „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ erfolge für den Bedarf in der Praxis. Die Packungsgröße auf der Verordnung wähle der verordnende Arzt eigenverantwortlich aus. Der Apotheker habe bei der Ausführung der ärztlichen Verordnungen die gesetzlichen Vorgaben selbst zu beachten und habe die Pflicht, die Verordnung zu prüfen und die Vorgaben der Verordnung mit den arzneimittelrechtlichen Vorschriften in Einklang zu bringen. Bei der Herstellung von 64 Spritzen auf eine Verordnung sei die Grenze zur Defektur überschritten. Die Anwendung der Hunderterregel für 100 Packungseinheiten mit jeweils 64 Spritzen sei als Vorausherstellung für 6.400 Patienten eine Herstellung im industriellen Maßstab, die der Ausnahmeregelung für Defekturarzneimittel nicht mehr entspreche. Für die industrielle Herstellung in der Apotheke des Klägers spreche auch, dass er für die Herstellung und Abfüllung der streitgegenständlichen Arzneimittel Apparaturen nutze, die in der Pharmaindustrie genutzt würden und die teilweise auch von ihm zur Herstellung von Fertigarzneimitteln genutzt worden seien, als er noch eine Herstellungserlaubnis besessen habe. Das Arzneimittel „Fluorescein 10 %“ sei aufgrund seiner Darreichungsform als Injektion (Parenteralium) als besonders kritisches Arzneimittel anzusehen. Es müsse steril hergestellt werden. Die Regelungen des § 35 ApBetrO für Parenteralia zielten ausschließlich auf den apothekenüblichen Betrieb ab und verlangten nicht den für die industrielle Herstellung geltenden hohen Qualitätsstandard des EU-GMP-Leitfadens. Auch die Abgabe von 108 Packungen Darmspülpulver pro Verordnung an die Ärzte überschreite die Grenzen der Defekturherstellung, so dass ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel vorliege. Bei der Abgabe von Darmspülpulver durch den Arzt an den Patienten zur häuslichen Anwendung werde zudem der arzneimittelrechtliche Vertriebsweg nicht eingehalten. Schließlich gälten für die Zulassungspflicht von Arzneimitteln auch europarechtliche Vorgaben, die Ausnahmen nur zuließen, sofern die Arzneimittel nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten hergestellt würden.
30 Das Gericht hat den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung dazu befragt, ob er das Arzneimittel „Fluorescein-Na 10 %“ als Rezeptur- oder als Defekturarzneimittel herstelle. Der Kläger hat dazu vorgetragen, er stelle das Arzneimittel „Fluorescein-Na 10 %“ überhaupt nicht mehr her. Er habe es bis 2012 als Defekturarzneimittel hergestellt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle im Jahr 2014 seien möglicherweise noch Reste der letzten Charge vorhanden gewesen. Er würde „Fluorescein-Na 10 %“ aber wieder herstellen, sobald entsprechende Verschreibungen bei ihm eingingen.
31 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
32 Die zulässige Klage ist unbegründet.
33 Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 17.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
34 Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungsverfügung bezüglich der Herstellung und des Inverkehrbringens der Arzneimittel ist § 69 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AMG. Demnach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG können sie insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln und Wirkstoffen untersagen, wenn die erforderliche Zulassung für das Arzneimittel nicht vorliegt.
35 Der Beklagte handelte hier als zuständige Behörde nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Landesverordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach gesundheits- und tiergesundheitsrechtlichen Vorschriften vom 11.12.2001 (GVOBl. Schl.-H. S. 453).
36 Die Untersagungen der Ziffern 1) bis 3) der Ordnungsverfügung vom 17.04.2014 genügen dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 37 Abs. 1 VwVfG. Die Untersagungen der Ziffern 1) und 2) der Ordnungsverfügung vom 17.04.2014 beziehen sich auf die Herstellung und das Inverkehrbringen als Rezepturarzneimittel und die Größe der Packungseinheiten. Es dürfen die benannten Arzneimittel nicht als Rezepturarzneimittel in Packungseinheiten hergestellt und in den Verkehr gebracht werden, die für die Weitergabe an mehr als einen Patienten bestimmt sind. Die Ziffer 3) der Ordnungsverfügung vom 17.04.2014 begrenzt die Herstellung und das Inverkehrbringen des Arzneimittels „Darmspülpulver“ auf 100 Packungseinheiten im Voraus für bis zu 100 Patienten und bezieht sich damit auf die Obergrenze für die Herstellung von 100 abgabefertigen Packungen, die im Rahmen der Defekturherstellung an einem Tag hergestellt und abgegeben werden dürfen. Aus der Formulierung „100 Packungseinheiten im Voraus für bis zu 100 Patienten“ ergibt sich, dass eine Packungseinheit nicht mehr als eine Patientenportion umfassen soll.
37 Die Untersagungen der Ordnungsverfügung vom 17.04.2014 sind materiell rechtmäßig.
38 Der Kläger hat in seiner Apotheke die Arzneimittel „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“, „Xxx-Darmreinigung“ und „Xxx-2 Liter Darmreinigung“ als Rezepturarzneimittel und das „Darmspülpulver M“ als Defekturarzneimittel ohne die nach § 13 Arzneimittelgesetz (AMG) erforderliche Herstellungserlaubnis hergestellt und ohne die nach § 21 AMG notwendige Zulassung in den Verkehr gebracht.
39 Die Herstellung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln im Sinne des § 2 Abs. 1 oder 2 AMG unterliegen nach §§ 13 und 21 AMG einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Bei den streitgegenständlichen Mitteln handelt es sich unstreitig um Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG. Der Kläger verfügt weder über eine Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AMG noch besteht eine Zulassung für die Arzneimittel nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG, obwohl es sich bei den im untersagten Umfang hergestellten Arzneimitteln um Fertigarzneimittel handelt. Es greifen nicht die Ausnahmevorschriften des § 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG für die Herstellung und des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG für das Inverkehrbringen der Arzneimittel.
40 „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“:
41 Bei dem Arzneimittel „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ handelt es sich im Umfang der vom Kläger vorgetragenen Herstellung von täglich bis zu 100 Spritzentrays mit jeweils 64 Einmalglasfertigspritzen nicht um ein Arzneimittel, das nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG keiner Herstellungserlaubnis bedürfte.
42 Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG bedarf, wer Arzneimittel gewerbs- oder berufsmäßig herstellt, einer Erlaubnis der zuständigen Behörde. Gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG sind Inhaber einer Apotheke für die Herstellung von Arzneimitteln im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs von der Erlaubnispflicht befreit. Eine nähere Bestimmung des Begriffes „üblicher Apothekenbetrieb“ erfolgt in der Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO). Zu den Herstellungsformen des üblichen Apothekenbetriebes zählen die Rezepturarzneimittel nach § 7 ApoBetrO und die Defekturarzneimittel nach § 8 ApoBetrO.
43 Bei dem vom Kläger hergestellten Arzneimittel „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ handelt es sich nicht um ein Rezepturarzneimittel im Sinne des § 7 ApoBetrO. Ein Rezepturarzneimittel ist gemäß § 1a Abs. 8 ApoBetrO ein Arzneimittel, das in der Apotheke im Einzelfall auf Grund einer Verschreibung oder auf sonstige Anforderung einer einzelnen Person und nicht im Voraus hergestellt wird. In Abgrenzung zum Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG zeichnen sich Rezepturarzneimittel durch die Patientenindividualität der Herstellung aus. Wesentliches Kennzeichen des Rezepturarzneimittels ist es, dass der Empfänger des herzustellenden Arzneimittels schon bei Beginn des Herstellungsvorgangs bekannt ist und es eine patientenindividuelle Herstellung gibt (Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Kommentar, Stand: September 2012, § 1a, Rn. 86; OLG München, Urt. v. 06.05.2010 – 29 U 4316/09 –, juris Rn. 29).
44 Eine Auslegung des Begriffs „Rezepturarzneimittel“ dahingehend, dass die Herstellung aufgrund einer Verschreibung „für den Praxisbedarf“ oder „ad manu medici“ für eine Mehrzahl noch nicht feststehender Patienten erfolgen könne, widerspricht dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG. Der übliche Apothekenbetrieb soll privilegiert werden in der Herstellung von Arzneimitteln. Diese Privilegierung verlangt, um Missbrauch zu vermeiden, eine restriktive Anwendung auf klar umgrenzte Ausnahmefälle. Die Ausnahmefälle sind durch die ApoBetrO klar definiert. Die Rezeptur- und Defekturarzneimittel lassen sich klar von den Fertigarzneimitteln abgrenzen, die nicht vom Begriff des „üblichen Apothekenbetriebs“ umfasst sind. Die für Rezepturarzneimittel bestehenden Abgrenzungsmerkmale der nicht im Voraus erfolgenden Herstellung und der Patientenindividualität dürfen nicht durch von den Ärzten erfolgende Verschreibungen „für den Praxisbedarf“ aufgegeben und in das Belieben der verschreibenden Ärzte überführt werden.
45 Es entspricht auch nicht den Vorgaben der ApoBetrO, dass der Kläger durch die auf der Verschreibung genannte Menge an Abgabeeinheiten entgegen den arzneimittelrechtlichen Mengenbeschränkungen gebunden wäre. Die Vorgabe in § 7 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO, dass das Rezepturarzneimittel der Verschreibung entsprechen soll, kann sich bereits nach der Regelungssystematik nicht auf die im Rahmen des „üblichen Apothekenbetriebs“ nach dem Arzneimittelrecht pro Tag erlaubnis- und zulassungsfrei herzustellende und abzugebende Höchstmenge beziehen. Diese Bindungswirkung erstreckt sich auf die Vorgaben für die Herstellung der Rezeptur (vgl. Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Kommentar, Stand: Januar 2017, § 7 Rn. 60 ff.). Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 ApoBetrO, in dem erläuternd ausgeführt wird, dass andere als die in der Verschreibung genannten Ausgangsstoffe ohne Zustimmung des Verschreibenden nicht verwendet werden dürfen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorgabe in § 2 Abs. 1 Nr. 6 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), dass die Verschreibung die abzugebende Menge enthalten muss. Die AMVV richtet sich an den verschreibenden Arzt und kann ihrerseits nicht die arzneimittelrechtlich bestehenden Grenzen modifizieren. Entgegen der Ansicht des Klägers ergeben sich aus der Bindung des Apothekers an die Verschreibung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO und dem Gebot des § 2 Abs. 1 Nr. 6 AMVV, auf der Verschreibung die abzugebende Menge des Arzneimittels anzugeben, keine Widersprüche. § 7 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO schweigt sich zur von dem Arzneimittel abzugebenden Menge aus und regelt nur die Beschaffenheit des Rezepturarzneimittels, zu der auch die Dosierung gehört. Die Dosierung einer abgabefertigen Einheit ist im vorliegenden Fall aber nicht streitig, sondern nur die Menge abgabefertiger Einheiten des nach der Verschreibung hergestellten Arzneimittels.
46 Die vom Kläger vertretene Auslegung des Begriffes „Rezepturarzneimittel“ in der Weise, dass die Verschreibung durch den Vermerk „für den Praxisbedarf“ oder „ad manu medici“ die Herstellung eines Arzneimittels als Rezeptur für eine Mehrzahl noch unbestimmter Patienten ermögliche, verstößt zudem gegen die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 geänderten Fassung (RL 2001/83/EG), die eine generelle Genehmigungsbedürftigkeit für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln regelt und der hier ein Anwendungsvorrang zukommt. Soweit sich aus dem Wortlaut der Definition für ein Rezepturarzneimittel nach § 1a Abs. 8 ApoBetrO nicht unmittelbar das Wesensmerkmal ergibt, dass die Person des Patienten zu Herstellungsbeginn bekannt sein muss, gebietet das Unionsrecht eine europarechtskonforme Auslegung der Vorschrift, um eine Harmonisierung der Rechtsordnungen zu erreichen. Das Verwaltungsgericht ist aufgrund des Umsetzungsgebots nach Art. 288 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Verbindung mit der Unionstreue nach Art. 4 Abs. 3 Vertrag über die Europäische Union (EUV) verpflichtet, bei der Anwendung innerstaatlichen Rechts – insbesondere einer speziell zur Umsetzung der Vorgaben einer Richtlinie erlassenen Regelung – das innerstaatliche Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ergebnis zu erreichen (Stelkens/Panzer, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 13. EL Juni 2016, § 1 Rn. 48; EuGH, Urt. v. 05.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01 –, juris Rn. 111 f.). Dem Rezepturarzneimittel nach § 1a Abs. 8 ApoBetrO entspricht die Definition der Ausnahme nach Art. 3 Nr. 1 RL 2001/83/EG: Arzneimittel, die in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zubereitet werden (sog. formula magistralis). Die Patientenindividualität entspricht dem klaren Wortlaut des Art. 3 Nr. 1 RL 2001/83/EG. Eine Auslegung in der Weise, dass der Arzt mit der Verschreibung „für den Praxisbedarf“ als „Patient“ im Sinne der Vorschrift gelten könne, ist mit dem Wortlaut unvereinbar. Das ergibt sich eindeutig aus der Herkunft des Begriffes „Patient“ von dem lateinischen pati (erdulden, leiden) und auch aus dem Wortlaut der französischen Fassung des Art. 3 Nr. 1 RL 2001/83/EG (zubereitet für un malade déterminé – einen bestimmten Kranken).
47 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Voraussetzungen für die Ausnahme nach Art. 3 Nr. 1 RL 2001/83/EG „Zubereitung in einer Apotheke“, „nach ärztlicher Verschreibung“ und „für einen bestimmten Patienten“ als kumulativ anzusehen. Beim Fehlen einer Voraussetzung ist die Ausnahme nicht mehr einschlägig (EuGH, Urt. v. 16.07.2015 – C-544/13 und C-545/13 –, juris Rn. 58). Der Europäische Gerichtshof führte zur Voraussetzung „für einen bestimmten Patienten“ aus (EuGH, Urt. v. 16.07.2015 – C-544/13 und C-545/13 –, juris Rn. 64):
48 „Wie der Generalanwalt in Nr. 46 seiner Schlussanträge festgestellt hat, muss jedoch die Zubereitung eines Arzneimittels, um unter die Ausnahme gemäß Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2001/83 fallen zu können, notwendigerweise nach der Verschreibung für einen bestimmten Patienten erfolgen. Auf ein System der Versorgung mittels eines Abonnements, das eine Apotheke für die ambulante Krankenversorgung auf der Grundlage einer Schätzung ihres kurzfristigen Bedarfs an einem Arzneimittel besitzt, dessen Zubereitung nicht speziell für einen vorher bekannten Patienten erfolgt, kann diese Ausnahme daher nicht anwendbar sein.“
49 Auch für Mittel, auf die im Rahmen von Notfällen in Krankenhäusern zurückgegriffen wird und für die eine patientenindividuelle Verschreibung in der Regel nach der Lieferung erfolgt, darf die Ausnahme des Art. 3 Nr. 1 RL 2001/83/EG nicht weit ausgelegt werden. Denn durch die Ausnahmeregel soll den Apotheken ermöglicht werden, für bestimmte Patienten in kleinem Rahmen Mittel herzustellen (Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar v. 03.03.2015, Verbundene Rechtssachen C-544/13 und C-545/13, Abcur AB gegen Apoteket Farmaci AB (C-544/13), Apoteket AB und Farmaci AB (C-545/13), ECLI:EU:C:2015:136, Nr. 46 ff.).
50 Daraus ergibt sich, dass die Herstellung als Rezepturarzneimittel auf die Verschreibung „für den Praxisbedarf“ ausscheidet. Für diese Art der Verschreibung ist aber die Herstellung als Defekturarzneimittel nicht ausgeschlossen.
51 Die ApoBetrO enthält mit den dem üblichen Apothekenbetrieb entsprechenden Herstellungsformen „Rezepturarzneimittel“ und „Defekturarzneimittel“ bereits ein gestuftes Programm, das den praktischen Bedürfnissen der Ärzte angepasst ist. Den Verschreibungen der Ärzte zur Deckung des Praxisbedarfs kann mit der Herstellungsform des Rezepturarzneimittels nicht begegnet werden, da in diesen Fällen die Herstellung erfolgt, wenn der konkrete Patient, bei dem die Anwendung erfolgen soll, noch nicht feststeht. Dieser Bedarf der Ärzte der Verfügbarkeit von Arzneimitteln in der Praxis zur konkreten Anwendung auf einzelne Patienten kann nur durch zulassungspflichtige Fertigarzneimittel oder Defekturarzneimittel (so genannte „verlängerte Rezeptur“) gedeckt werden.
52 Die Definition für ein Defekturarzneimittel ist weiter als die des Rezepturarzneimittels. Ein Defekturarzneimittel ist nach der Definition in § 1a Abs. 9 ApoBetrO ein Arzneimittel, das im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs im Voraus an einem Tag in bis zu hundert abgabefertigen Packungen oder in einer diesen entsprechenden Menge hergestellt wird. Das Merkmal der „Herstellung im Voraus“ schließt die Herstellung als Defekturarzneimittel bei einer Verschreibung „für den Praxisbedarf“ nicht aus. Denn dieses Merkmal bedeutet nicht, dass das Arzneimittel hergestellt sein muss, bevor es im Wege der Verschreibung für eine Vielzahl noch unbestimmter Patienten angefordert wird. Vielmehr soll damit lediglich die Abgrenzung zum Rezepturarzneimittel erfolgen, indem auf die Wesensmerkmale des Rezepturarzneimittels der „nicht im Voraus“ erfolgenden Herstellung „für einen bestimmten Patienten“ verzichtet wird (Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Kommentar, Stand: September 2012, § 1a, Rn. 96). Eine Herstellung im Voraus liegt dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Herstellungsvorgangs noch nicht feststeht, welcher Patient das Arzneimittel letztlich erhält (Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Kommentar, Stand: September 2012, § 1a, Rn. 85). Das ist bei der Verschreibung „für den Praxisbedarf“ oder „ad manu medici“ gegeben, da der verschreibende Arzt die Patientenindividualisierung selbst vornimmt, nachdem er das Arzneimittel erhalten hat.
53 Bei dem Arzneimittel „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ handelt es sich in der konkreten Herstellung durch den Kläger indes auch nicht mehr um ein Defekturarzneimittel. Denn die Herstellung von bis zu 100 Spritzen-Trays mit jeweils 64 Einmalglasfertigspritzen übersteigt die Grenze der für Defekturarzneimittel pro Tag herzustellenden abgabefertigen Packungen. Um als Defekturarzneimittel gelten zu können, dürfen maximal 100 abgabefertige Packungen pro Tag hergestellt werden. Dabei versteht die Kammer den Begriff der „abgabefertigen Packung“ dahingehend, dass eine abgabefertige Packung einer Patientenportion entspricht.
54 Der Umfang einer abgabefertigen Packung ist weder gesetzlich noch durch Verordnung konkret festgelegt.
55 Nach dem Wortlaut muss es sich um eine abgabefertige Packung handeln. Grundsätzlich schließt das eine Abgabe an die verschreibenden Ärzte für den Praxisbedarf nicht aus. In den Anwendungsbereich von § 8 ApoBetrO fallen auch Krankenhausapotheken, die Arzneimittel für eine Mehrzahl von Patienten herstellen (BT-Drucks. 7/3060, S. 73). Es ist jedoch nicht vorgesehen, dass in diesen Fällen eine abgabefertige Packung den Bedarf einer ganzen Station abdeckt. Vielmehr sind abgabefertige Packungen solche, die zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt sind. Überdimensionierte Klinikpackungen sollen gerade nicht erfasst sein (Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Kommentar, Stand: September 2012, § 1a, Rn. 102). Es besteht auch keine Notwendigkeit, den für seinen Praxisbedarf verschreibenden Arzt in diesem Sinne als Verbraucher anzusehen. Der Praxisbedarf lässt sich mit einer Begrenzung der täglichen Herstellung auf 100 Patientenportionen decken. Zudem ist durch die Variante „einer dieser entsprechenden Menge“ der Fall erfasst, dass ein Defekturarzneimittel nicht unmittelbar an den Verbraucher abgegeben wird und noch kein Fertigarzneimittel ist. In diesen Fällen, in denen zum Beispiel der Arzt von der Apotheke eine nicht für den einzelnen Patienten abgabefertige Packung, sondern eine noch nicht aufgeteilte Menge übernimmt und selbst eine Aufteilung in Patientenportionen vornimmt, darf die pro Tag hergestellte und abzugebende Menge 100 Patientenportionen nicht übersteigen.
56 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 AMVV, wonach auf die konkreten Angaben zum Patienten verzichtet werden kann, wenn durch einen Vermerk auf der Verschreibung deutlich gemacht wird, dass es sich um eine Verschreibung für den Praxisbedarf handelt. Denn diese Ausnahme ist nur geschaffen, um Verschreibungen für den Praxisbedarf zu ermöglichen. Arzneimittelrechtliche Mengenbeschränkungen sollen damit nicht beeinflusst werden (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar; Stand: 2012, A1.0.1, § 2 AMVV, Rn. 24).
57 Die von der Kammer vertretene Auslegung des Begriffes „abgabefertige Packung“ als eine für den einzelnen Patienten bestimmte Einheit ergibt sich auch aus dem Zweck der Privilegierung der Arzneimittelherstellung in Apotheken gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG. Die Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken bedarf grundsätzlich keiner Erlaubnis, weil die Sachkenntnis der in den Apotheken verantwortlich tätigen Personen und die Vorschriften der ApoBetrO eine ordnungsgemäße Herstellung in der Regel gewährleisten (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, A 1.0, § 13 AMG, Rn. 43; BGH, Urt. v. 14.04.2011 – I ZR 129/09 –, juris Rn. 20). Die mengenmäßige Begrenzung auf 100 abgabefertige Packungen dient der Abgrenzung zur Serienherstellung von Fertigarzneimitteln, da für die ebenfalls im Voraus hergestellte Defektur als zusammengefasster Herstellung von Rezepturen (BT-Drucks. 7/3060, S. 73), sofern sie für die Abgabe an Verbraucher bestimmt sind, grundsätzlich die Regeln für Fertigarzneimittel – insbesondere die Zulassungspflicht – anwendbar wären. Für das Erfordernis einer Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG dient die mengenmäßige Begrenzung der Abgabe von Defekturarzneimitteln der Bestimmung der Grenzen des üblichen Apothekenbetriebs. Dies ist insbesondere der Tatsache geschuldet, dass durch die im Jahr 2012 erfolgte Änderung der ApoBetrO die in § 9 ApoBetrO a.F. geregelte Großherstellung als dritte dem „üblichen Apothekenbetrieb“ entsprechende Herstellungsform weggefallen ist und die mengenmäßige Begrenzung für Defekturarzneimittel nicht mehr als Abgrenzung zu dieser Großherstellung dient.
58 Es wird davon ausgegangen, dass sich die defekturmäßige Herstellung kleiner Chargen häufig verordneter Arzneimittel auf begrenzten Vorrat im Wesen kaum von der Fertigung einer Einzelrezeptur unterscheidet, aber die Arzneimittelsicherheit durch diese zusammengefasste Herstellung – zum Beispiel durch eine verbesserte Dosierungsgenauigkeit – erhöht wird (BT-Drucks. 7/3060, S. 73; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, A 1.0, § 21 AMG, Rn. 33). Dieser Effekt gilt aber nur in einem begrenzten Rahmen, da sich mit der Herstellung für mehrere Patienten auch das Gefährdungspotential bei Fehlern in der Rezeptur erhöhen kann (zur Zulassungspflicht: BGH, EuGH-Vorlage v. 16.04.2015 – I ZR 130/13 –, juris Rn. 22; vgl. BGH, Urt. v. 14.04.2011 – I ZR 129/09 –, juris Rn. 24).
59 Auch für Defekturarzneimittel gilt, dass die – für die Zulassungspflicht auch gesetzlich geregelte (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG) – mengenmäßige Begrenzung nicht durch die Verschreibung einer bestimmten Anzahl von Abgabeeinheiten „für den Praxisbedarf“ in das Belieben des verschreibenden Arztes gestellt werden darf. Der Umfang einer abgabefertigen Packung bestimmt sich nach dem Umfang der für den einzelnen Patienten anzuwendenden Einheit des Arzneimittels und nicht nach dem jeweiligen Praxisbedarf oder der jeweiligen Verschreibung. Dies ergibt sich auch aus den Synonymen, die für den Begriff des „Defekturarzneimittels“ verwendet werden. Sowohl der Begriff der „verlängerten Rezeptur“ (SG Hamburg, Urt. v. 27.02.2015 – S 33 KR 590/09 –, juris Rn. 29; Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Kommentar, Stand: Januar 2017, § 8 Rn. 1; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, A 1.0, § 21 AMG, Rn. 33) als auch der Begriff „zusammengefasste Herstellung von Rezepturen“ (BT-Drucks. 7/3060, S. 73) drücken aus, dass die Defektur lediglich ein Vorgriff auf individualisierte Einzelrezepturen ist. Die Einzelrezeptur ist aber aufgrund der Patientenindividualität auf eine Patientenportion begrenzt.
60 Schließlich ergibt sich für die Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der durch die ApoBetrO für das Defekturarzneimittel geschaffenen Regelungen, dass sich die so genannte „Hunderterregel“ für die Erlaubnisfreiheit von Defekturen auf 100 für den einzelnen Patienten bestimmte Abgabeeinheiten bezieht. Die RL 2001/83/EG gilt gemäß ihrem Art. 2 für Humanarzneimittel, die in den Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden sollen und die entweder gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt. Die Ausnahmen nach Art. 3 Nr. 1 und 2 RL 2001/83/EG – neben der oben beschriebenen formula magistralis betrifft das Arzneimittel, die in der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitet worden und für die unmittelbare Abgabe an Patienten bestimmt sind, die Kunden dieser Apotheke sind (sogenannte formula officinalis) – sind für die streitgegenständliche Herstellung von Defekturarzneimitteln für den Praxisbedarf der verschreibenden Ärzte nicht anwendbar, da weder ein der formula magistralis entsprechendes Rezepturarzneimittel vorliegt noch die Abgabe der Defekturarzneimittel unmittelbar an den Patienten erfolgt.
61 Die für die Defekturarzneimittel geltende Hunderterregel steht jedoch mit der RL 2001/83/EG insoweit in Einklang, als Defekturarzneimittel, die im Rahmen der Mengenbegrenzung hergestellt werden, nicht als gewerblich oder unter Anwendung eines industriellen Verfahrens zubereitet anzusehen sind und folglich nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen (EuGH, Urt. v. 26.10.2016 – C-276/15 –, juris Rn. 41). Im Hinblick auf das mit den Vorschriften der Union für Humanarzneimittel verfolgte Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit dürfen die Wendungen „gewerblich zubereitet“ und „[Zubereitung unter Anwendung] ein[es] industrielle[n] Verfahren[s]“ nicht eng ausgelegt werden. Sie müssen somit zumindest jede Zubereitung oder Herstellung umfassen, bei der ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt. Ein solches Verfahren ist im Allgemeinen durch eine Abfolge von Operationen gekennzeichnet, die insbesondere mechanisch oder chemisch sein können, um ein standardisiertes Erzeugnis in einer bedeutenden Menge zu erhalten (EuGH, Urt. v. 16.07.2015 – C-544/13 und C-545/13 –, juris Rn. 50). Im Gegensatz dazu sind die Ausnahmen der RL 2001/83/EG eng auszulegen (EuGH, Urt. v. 16.07.2015 – C-544/13 und C-545/13 –, juris Rn. 54). Gemäß Art. 5 Abs. 1 RL 2001/83/EG kann ein Mitgliedstaat in besonderen Bedarfsfällen Arzneimittel vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnehmen, die auf eine nach Treu und Glauben aufgegebene Bestellung, für die nicht geworben wurde, geliefert werden und die nach den Angaben eines zugelassenen Angehörigen der Gesundheitsberufe hergestellt werden und zur Verabreichung an einen bestimmten Patienten unter seiner unmittelbaren persönlichen Verantwortung bestimmt sind. Wenn Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen, derselben Dosierung und derselben Darreichungsform wie die, deren Verschreibung der behandelnde Arzt für die Behandlung seiner Patienten für notwendig erachtet, bereits genehmigt und auf dem nationalen Markt verfügbar sind, kann von „besonderen Bedarfsfällen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83, die eine Ausnahme von dem Erfordernis einer Genehmigung für das Inverkehrbringen verlangen, keine Rede sein (EuGH, Urt. v. 16.07.2015 – C-544/13 und C-545/13 –, juris Rn. 57 m.w.N.).
62 Nach diesen Maßstäben gilt die Hunderterregel zur Abgrenzung der handwerklichen Herstellung von Arzneimitteln in Kleinstmengen von der industriellen Arzneimittelherstellung. Die Herstellung behält aber nur den handwerklichen Charakter, wenn die hergestellten Mengen auch hinsichtlich der abgabefertigen Einheiten in einem klar umgrenzten Rahmen bleiben. Eine klare Abgrenzung der erlaubnisfrei im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs herstellbaren Mengen lässt sich im vorliegenden Fall nur durch die Begrenzung der abgabefertigen Einheit auf einen Patienten erreichen.
63 Ein Indiz für die nicht mehr handwerkliche, sondern bereits industrielle Herstellung von „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ bilden bereits die für die Befüllung der 64 Einmalglasfertigspritzen auf den Spritzentrays notwendigen Apparaturen.
64 Ob die vom Beklagten als mangelhaft gerügten Qualitätsprüfungen gemäß § 8 Abs. 3 und 4 ApoBetrO tatsächlich vorlagen, kann unentschieden bleiben, da es sich bei dem in der Apotheke des Klägers hergestellten „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ bereits nicht um ein bezüglich der Herstellung erlaubnisfreies Rezeptur- oder Defekturarzneimittel gehandelt hat.
65 Die Frage der Zulassungsfreiheit des Inverkehrbringens von „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG bestimmt sich über die zuvor dargelegte Herstellung im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs in einer Menge von maximal hundert abgabefertigen Packungen pro Tag hinausgehend aufgrund nachweislich häufiger ärztlicher Verschreibung und der Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis. Ob diese beiden weiteren Voraussetzungen für die Zulassungsfreiheit bestehen, kann dahingestellt bleiben, da bereits nicht die Grenze der maximal pro Tag herzustellenden abgabefertigen 100 Packungen eingehalten wird.
66 „Xxx-Darmreinigung“ und „Xxx-2 Liter Darmreinigung“:
67 Auch bei den Arzneimitteln „Xxx-Darmreinigung“ und „Xxx-2 Liter Darmreinigung“ gelten die vorstehenden Ausführungen zu den erlaubnisfrei herzustellenden Mengen. Für diese Arzneimittel kommt wegen der fehlenden Patientenindividualität der Verschreibung lediglich die Herstellung als Defekturarzneimittel in Betracht. Jeweils zwei Beutel (ein Beutel mit Pulver A und ein Beutel mit Pulver B) bilden eine abgabefertige Packung. Der Umfang einer abgabefertigen Packung bestimmt sich auch hier nicht nach den ärztlichen Verschreibungen, sondern nach den für einen Patienten bestimmten Portionen.
68 „Darmspülpulver M“:
69 Für das „Darmspülpulver M“ mit den Wirkstoffen PEG4000, KCl, NaCl und Na2SO4 (Rezeptur identisch mit dem Medizinprodukt „ …“) werden die Grenzen für ein Defekturarzneimittel überschritten. Es dürfen pro Tag nicht mehr als 100 Patientenportionen, mithin 100 Beutelgruppen zu jeweils vier Beuteln, hergestellt werden.
70 Ob, wie von dem Beklagten gerügt, die häufigen Verschreibungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG nicht nachgewiesen wurden, kann dahinstehen, da mit der Untersagungsverfügung die Einhaltung der Nachweispflicht für die häufigen Verordnungen sowie der Hunderterregel verlangt wird und jedenfalls die Hunderterregel nicht eingehalten wurde. Die Ziffer 3) der Ordnungsverfügung vom 17.04.2014 entspricht der gesetzlichen Vorgabe des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG. Die Vorschrift enthält für den Apotheker eine spezielle Regelung für auf Vorrat hergestellte Fertigarzneimittel, im Gegensatz zu solchen, die erst auf die konkrete Anfrage bzw. Rezeptvorlage eines Kunden hin hergestellt werden. Für eine "häufige Verschreibung" im Sinne dieser Vorschrift muss es daher genügen, wenn sie so oft erfolgt, dass die Herstellung des Mittels "auf Vorrat" gerechtfertigt erscheint (OLG München, Urt. v. 23.02.2006 – 6 U 3721/05 –, juris Rn. 73). Die Forderung eines Nachweises der Verschreibung an „benannte Patienten“ ist von dieser Vorschrift insofern gedeckt, als es sich bei den Defekturarzneimitteln um „zusammengefasste“ oder „verlängerte“ Rezepturen (siehe oben) handelt und für Rezepturarzneimittel eine Patientenindividualität gegeben sein muss. Der in diesem Sinne nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG vorgeschriebene Nachweis der häufigen Verschreibung kann im vorliegenden Fall aber bereits mit mindestens zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Verschreibungen mit dem Vermerk „für den Praxisbedarf“ oder „ad manu medici“ erfolgen. Denn der verschreibende Arzt bringt mit der Verschreibung in der oben beschriebenen Art zum Ausdruck, dass er das Arzneimittel für eine Mehrzahl von Patienten verwendet, die von ihm selbst individualisiert werden. Bei der Vorlage von zwei derartigen Verschreibungen wird hinreichend deutlich, dass die Verschreibungen wiederkehrend sind. In der Rechtsprechung wurden bereits 20 Verschreibungen pro Monat als „häufig“ angesehen (OLG München, Urt. v. 23.02.2006 – 6 U 3721/05 –, juris Rn. 73). Diese Schwelle ist bei der vom Kläger vorgetragenen Verschreibungspraxis der Ärzte überschritten, da eine Verschreibung bereits mehr als 20 Patientenportionen umfasst.
71 Die Untersagungsverfügungen sind auch verhältnismäßig. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
72 Die Untersagungen dienen dem Schutzzweck der Patientensicherheit, indem sie verhindern, dass nicht einwandfreie oder gesundheitsgefährdende Arzneimittel in den Wirkungskreislauf der Patienten gelangen. Sie sind auch geeignet und erforderlich, da sie sich darauf beschränken, dem Kläger Verhaltensweisen zu untersagen, die nicht vom Arzneimittelrecht gedeckt sind. Die Angemessenheit ergibt sich daraus, dass es dem Kläger ohne Weiteres möglich bleibt, die streitgegenständlichen Arzneimittel als Defekturarzneimittel im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben herzustellen und in den Verkehr zu bringen. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers, die Arzneimittel über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend herzustellen und abzugeben, ist nicht schützenswert.
73 Die Untersagungsverfügungen der Ziffern 1) und 2) sind auch nicht deswegen unverhältnismäßig, weil eine Herstellung nach dem Vortrag des Klägers ausschließlich als Defekturarzneimittel und im Falle des „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“ seit 2012 gar nicht mehr erfolgte.
74 Nach den Darlegungen des Klägers entsprach die Herstellung der Arzneimittel „Fluorescein-Na (Inj.) 10 %“, „Xxx-Darmreinigung“ und „Xxx-2 Liter Darmreinigung“ der Herstellung als Rezepturarzneimittel und die des „Darmspülpulvers“ der Herstellung als Defekturarzneimittel. Der Kläger stellte die Fluorescein-Lösung nach seinem Vortrag als Defekturarzneimittel her und wäre auch bereit, die Herstellung wieder aufzunehmen, sofern Verschreibungen eingingen. Nach seinem Vortrag wäre die Herstellung als Rezepturarzneimittel insofern erlaubt, als er auf jeweils eine Verschreibung über 64 Einmalglasfertigspritzen an den Arzt die entsprechende Menge liefere. Hinsichtlich der Darmreinigungsmittel „Xxx-Darmreinigung“ und „Xxx-2 Liter Darmreinigung“ ist der Vortrag des Klägers so zu verstehen, dass er auch bei diesen Mitteln die Lieferung auf jeweils eine Verschreibung als Abgabe einer abgabefertigen Packung sehe und aufgrund der Verschreibung „für den Praxisbedarf“ vor Herstellungsbeginn von einer Rezeptur ausgehe. Die Herstellung des „Darmspülpulvers M“ erfolgt nach dem klägerischen Vortrag als Defekturarzneimittel, wobei nach seinem Verständnis eine abgabefertige Packung 108 mal 4 Beutel umfasst. Wie oben dargelegt, überschreitet dies die Menge von 100 abgabefertigen Packungen, die defekturmäßig erlaubnisfrei hergestellt und zulassungsfrei in den Verkehr gebracht werden dürfen.
75 Die Zwangsgeldandrohung ist ebenfalls rechtmäßig. Die Androhung beruht auf der Ermächtigung des § 236 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 LVwG. Die Wahl des Zwangsgelds als Zwangsmittel entspricht den Vorgaben des § 237 Abs. 1 Nr. 2 LVwG, da vom Kläger eine Unterlassung gefordert wird. Die Höhe des Zwangsgelds bewegt sich im gesetzlichen Rahmen des § 237 Abs. 3 LVwG. Es sind keine Ermessensfehler hinsichtlich der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes erkennbar. Der Beklagte hat sich ausweislich der Begründung der Ordnungsverfügung vom 17.04.2014 an der Bedeutung der zu schützenden Rechtsgüter, dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Fortsetzung der untersagten Handlung sowie an dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit orientiert.
76 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 711 ZPO.
77 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG.