Entscheidungen in Leitsätzen
Az.: 9 U 24/19
UWG § 3 Abs. 2, § 3 a, § 8 Abs. 3 Nr. 1; DSGVO Art. 9 Abs. 1
Als „unternehmerische Sorgfalt“ gilt der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmen ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält.
Selbst bei einer Zulässigkeit von Rabatten auf verschreibungspflichtige Arzneimittel unterliegen solche Angebote der Missbrauchskontrolle, wenn der angesprochene Verkehr bei der Entscheidung, die er zu treffen hat, auch die Interessen Dritter Personen zu wahren hat.
Werden von einer EU-Versandapotheken Unterlagen zur Vorlage bei einer privaten Krankenversicherung ausgestellt, die einen gewährten Bonus nicht ausweisen, also Arzneimittelkosten ausweisen, die in dieser Höhe tatsächlich nicht geleistet wurden, werden Interessen Dritter – nämlich der privaten Krankenversicherung – nicht gewahrt.
Erhält der Kunde somit eine Erstattung, die höher liegt als seine Aufwendungen, geht dieser Vorteil zulasten der privaten Krankenversicherung. Dies verstößt gegen das versicherungsrechtliche Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung.
Das Führen personenübergreifender Kundenkonten, in denen, neben den Daten der Adressaten, auch die weiterer Patienten/Familienangehöriger ohne vorherige Einwilligung verarbeitet und wiedergegeben sind, verstößt gegen Datenschutzrecht und begründet einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.
A.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbswidriger Bonus- Gewährung und datenrechtlicher Verstößen in Anspruch. Er ist Apotheker und betreibt die x-Apotheke in T.
Die Beklagte führt unter der Domain „www. … de “ eine Versandapotheke, über die deutsche Endverbraucher per Postversand Arzneimittel bestellen können. Die Versandapotheke ist in den Niederlanden ansässig.
Die Beklagte gewährt deutschen Kunden bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel so genannte Rezeptboni – unabhängig davon, ob es sich um Kassenrezepte oder Privatrezepte handelt. Ein privatversicherter Patient erhält einen Rezept-Bonus für verschreibungspflichtige Arzneimittel i.H.v. 2,50 € pro Rezept; bei mehreren Verschreibungen bis zu 15,00 €. Neukunden erhalten ein Sofortbonus von 10,00 €. Sofern ein gewährter Bonus nicht mit dem Rechnungsbetrag für das verschreibungspflichtige Arzneimittel verrechnet werden kann, wird dieser dem Kundenkonto gutgeschrieben. Erreichen die Gutschriften zusammen einen Betrag von 30,00 €, so wird dieser an den Kunden ausgezahlt.
Die Privatpatienten S. W. und M. W. führten im Zeitraum vom 25. Oktober 2017 bis zum 7. November 2017 im Auftrag des Klägers bei der Beklagten Testkäufe durch. Die Testkäufer erhielten Boni. Die Boni waren zwar in der beigelegten Rechnung aufgeführt. Aus der Rezeptkopie zur Vorlage bei der Krankenkasse ist allerdings die Gewährung eines Bonus nicht ersichtlich.
Am 03.11.2017 bestellte der Testkäufer M. W. aufgrund der auf seinen Namen lautenden ärztlichen Verschreibung vom gleichen Tag nochmals das Arzneimittel Ibuprofen 600. Bei der Bestellung fügte er ein entsprechendes Formular der Beklagten bei, in welchem der Name seines Vaters S. W. eingetragen war. Die Lieferung erfolgte am 07.11.2017. Ihr waren wiederum eine Übersicht über das Kundenkonto, eine Rechnung und eine Rezeptkopie zur Vorlage bei der Krankenkasse beigefügt. Auf Seite 2 der Vorteilsübersicht wird als Hauptbesteller S. W., aber zusätzlich auch M. W. mit verrechneten Vorteilen aufgeführt.
Der Senat nimmt hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Testkäufe auf die landgerichtlichen Feststellungen Bezug.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Wettbewerbsverhältnis bestünde. Die Beklagte handle unlauter. Die Fassung der Rezeptkopien stifte Privatversicherte zum Betrug gegenüber der Krankenversicherung an oder leiste hierzu Beihilfe. Denn durch die Einreichung der hierfür bestimmten Rezeptkopie gebe der Privatpatient gegenüber der Versicherung die Erklärung ab, dass er die darin ausgewiesenen Arzneimittelkosten bezahlt hätte. Reiche ein Privatpatient eine Rezeptkopie der Beklagten ein, so täusche er über die Höhe der bezahlten Arzneimittelkosten und verwirkliche den Tatbestand des Betruges.
Die Herausgabe der inhaltlich unrichtigen Rezeptkopien widerspreche auch der unternehmerischen Sorgfalt. Die Unterlagen begründeten zumindest die Gefahr der missverständlichen Betrachtung durch die Finanzämter im Rahmen der Prüfung als Abzugskosten wegen außergewöhnlicher Belastungen. Insoweit könnten Verbraucher durch die Vorlage dieser Rezeptkopien ungerechtfertigt ihre Steuerlasten mindern.
Die Gewährung von Guthaben und Boni könne zur kostenlosen Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel führen. Dies verstoße sowohl gegen die nach§ 78 AMG in Verbindung mit der AMPreisV festgesetzten einheitlichen Abgabenpreisen als auch gegen §§ 7 Abs.1 S. 1, 10 Abs. 1, 11 HWG.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, an nicht gesetzlich versicherte Endverbraucher in Deutschland
a) zur Vorlage bei den privaten Krankenversicherungen geeignete Unterlagen über Arzneimittelkosten auszustellen, die von den Endverbrauchern tatsächlich nicht oder nicht in dieser Höhe geleistet würden, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 12,
b) verschreibungspflichtige Arzneimittel kostenlos abzugeben,
c) personenübergreifende Kundenkonten auszustellen, in denen, neben den Daten der Adressaten, auch die weiterer Patienten/Familienangehöriger ohne weitere Einwilligung verarbeitet und wiedergegeben werden, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 18,
2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann eine Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren anzudrohen,
3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Betrag in Höhe von 1173,26 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 25.05.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass zwischen den Parteien schon kein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe. Ein sachlicher Bezug liege lediglich zum Landgerichtsbezirk Leipzig vor. Denn dort wohnten die Testkäufer.
Nach dem Urteil des EuGH vom 19.10.2016 stelle die Erstreckung der Preisbindung auf EU-Versandapotheken einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die europäische Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34, 36 Buchst. AEUVO dar. Die Preisbindung sei auf die Beklagte daher nicht anwendbar.
Nach dieser Rechtsprechung diene der gewährte Rezeptbonus der Kompensation des Aufwandes und der Unannehmlichkeiten, welche der Kunde im Zusammenhang mit der Einreichung des Rezepts bei einer Versandapotheke in Kauf nehmen müsse und gleiche so den Wettbewerbsnachteil aus. Den privaten Krankenversicherungen sei spätestens seit dem zitierten Urteil des EuGH bekannt, wie die Beklagte verfahre. Sie hätten seit dem von der Beklagten in keinem Fall verlangt, den gewährten Rezeptbonus auf der Rezeptkopie auszuweisen.
Es liege kein strafrechtlich relevantes Verhalten vor. Denn die privaten Krankenversicherungen erlitten keinen Vermögensnachteil; die gewährten Rezeptboni stünden den privatversicherten Kunden und nicht den Krankenkassen zu.
Das Landgericht hat der Klage mit am 14.03.2019 verkündetem Urteil ganz überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger gegen die Beklagte gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG ein Anspruch auf Unterlassung zustehe. Zwischen den Parteien bestünde ein Wettbewerbsverhältnis. Das Vorgehen der Beklagten verstoße gegen die unternehmerische Sorgfalt. Die Beklagte dürfe an, nicht gesetzlich versicherte Endverbraucher in Deutschland keine zur Vorlage bei den privaten Krankenversicherungen geeignete Unterlagen über Arzneimittelkosten ausstellen, die von den Endverbrauchern tatsächlich nicht oder nicht in dieser Höhe geleistet worden wären. Der Privatversicherte, der eine Rezeptkopie ohne gleichzeitigen Ausweis der verrechneten Vorteile bei seiner Krankenkasse einreiche, begehe einen Betrug im Sinne des § 263 StGB. Die Möglichkeit von Missbrauch sei ausreichend, einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG anzunehmen.
Dem Kläger stehe jedoch kein Anspruch auf Unterlassung hinsichtlich der kostenlosen Abgabe von Verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu. Im vorliegenden Fall sei nicht dargetan, dass sich ein Preiswettbewerb bei verschreibungs- pflichtigen Arzneimitteln nachteilig auf die Wahrnehmung bestimmter Gemeinwohlverpflichtungen auswirken würde.
Dagegen hätte der Kläger ein Anspruch auf Unterlassung im Hinblick auf personenübergreifende Kundenkonten, in denen, neben den Daten der Adressaten, auch die weiterer Patienten/Familienangehöriger ohne vorherige Einwilligung verarbeitet und wiedergegeben würden.
Der Senat nimmt auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 19.03.2019 zugestellte Urteil am 11.04.2019 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 20.05.2019 begründet. Sie wiederholt ihre Auffassung, dass zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis bestünde. Das Landgericht irre, wenn es annehme, dass die Beklagte jedenfalls gegen ihre unternehmerische Sorgfalt im Sinn des § 3 Abs. 2 UWG verstoßen habe, weil der Rezeptbonus der privaten Krankenversicherung gegenüber offenzulegen gewesen wäre und dies unterblieben sei. Die Beklagte stelle den Versicherten ausreichende Informationen über den gewährten Bonus zur Verfügung. Allein die Versicherten träfe gegenüber ihrer privaten Krankenversicherung eine Aufklärungsobliegenheit.
Der Kläger sei bereits nicht aktivlegitimiert. Das Datenschutzrecht sei Ausfluss des Persönlichkeitsrechts und schütze allein diese Individualrechtsposition. Es enthalte daher keine Marktverhaltensregelungen.
Die Beklagte verstoße auch durch personenübergreifende Kundenkonten nicht gegen Datenschutzrecht. Die Rezepteinsendung im vorliegenden Fall durch den Testkäufer M. W. sei im ausdrücklichen Einverständnis mit seinem Vater Herrn S. W. erfolgt. Deshalb scheide ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 BDSG a.F. aus. Selbst wenn man einen Verstoß annehme, so läge keine spürbare Beeinträchtigung der Interessen von Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern vor.
Die Beklagte beantragt, das am 14.03.2019 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stendal abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
B.
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
I.
1. Im Berufungsverfahren sind Entscheidungen des ersten Rechtszugs nach § 513 Abs. 1 ZPO nur noch darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist grundsätzlich von den durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen auszugehen. Das Berufungsgericht hat nur zu überprüfen, ob konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen bestehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
2. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht die Streit entscheidenden Rechtsfragen nach Auffassung des Senats im Ergebnis zutreffend beantwortet:
Der Kläger ist als Mitbewerber aktivlegitimiert (vgl. II.). Die Beklagte verstößt durch ihre Vorgehensweise gegen die unternehmerische Sorgfalt im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG (vgl. III.). In der vorliegenden Fallkonstellation sind die Regeln der DSGVO als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3 a UWG anzusehen (vgl. IV., 1). Bei den erfassten Daten handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO (IV., 2.). Der Beklagte verarbeitet bei personenüber- greifenden Kundenkonten die von Familienangehörigen erhobenen Daten ohne deren ausdrückliche Einwilligung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO (IV., 3.)
Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Feststellungen sieht der Senat nicht.
II.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.
1. Die Eigenschaft als Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Das ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH, Urteil vom 13. Juli 2006 – I ZR 241/03, BGHZ 168, 314 Rn. 14 – Kontaktanzeigen; Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 92/09, GRUR 2012, 193 = WRP 2012, 201 Rn. 17 – Sportwetten im Internet II). Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zu stellen sind, reicht es hierfür aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt (BGH, Urteil vom 29. November 1984 – I ZR 158/82, BGHZ 93, 96, 97 f. – DIMPLE, mwN; Urteil vom 10. April 2014 – I ZR 43/13, GRUR 2014, 1114 = WRP 2014, 1307 Rn. 32 – nickelfrei; Urteil vom 19. März 2015 – I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129 Rn. 19 = WRP 2015, 1326 – Hotelbewertungsportal). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist daher ein konkretes Wettbewerbsverhältnis anzunehmen, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (BGH, GRUR 2014, 1114 Rn. 32 – nickelfrei; GRUR 2015, 1129 Rn. 19 – Hotelbewertungsportal). Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn die Maßnahme den anderen nur irgendwie in seinem Marktstreben betrifft. Eine bloße Beeinträchtigung reicht zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt (BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 – I ZR 217/15 –, Rn. 16, juris m.w.N.)
2. Da das Internet auch im Einzugsbereich der Apotheke des Klägers verfügbar ist, konkurrieren die Parteien räumlich. Sachlich führen beide die gleichen Waren. Es ist daher denkbar, dass ein Kunde ein verschreibungspflichtiges Medikament statt in der Apotheke des Klägers bei der Beklagten bestellt.
Die Argumentation der Beklagten, dass sich die Parteien im Wesentlichen an unterschiedliche Abnehmerkreise – auch in T. selbst – wendeten, vermag der Senat nicht zu überzeugen. Es mag sein, dass ein Kunde, der ein Medikament umgehend benötigt, in der Regel eine Präsenz-Apotheke aufsuchen wird. Dagegen ist es keinesfalls zwingend, dass ein Kunde, der ein Medikament regelmäßig benötigt, nur im Internet kauft.
III.
Die Verfahrensweise der Beklagten verstößt gegen § 3 Abs. 2 UWG.
1. Auf eine mögliche Strafbarkeit der Kunden bei Einreichung des Rezepts bei ihrer privaten Krankenversicherung kommt es nicht an. Denn das Landgericht hat insoweit auch keine Beteiligung der Beklagten angenommen.
2. Die Beklagte handelt jedoch unlauter im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG, da ihre Verfahrensweise der unternehmerischen Sorgfalt nicht entspricht.
a) Nach dieser Vorschrift sind geschäftliche Handlungen unlauter, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
Als „unternehmerische Sorgfalt“ gilt der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmen ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG, Art. 2 UGP-Richtlinie). Selbst bei einer – zwischen den Parteien weiterhin strittigen – Zulässigkeit von Rabatten auf Arzneimittel unterliegen entsprechende Angebote der Missbrauchskontrolle wenn der angesprochene Verkehr bei einer Entscheidung, die er zu treffen hat, auch die Interessen Dritter Personen zu wahren hat (BGH, Versäumnisurteil vom 08.11.2007 – I ZR 121/06, juris Rn. 14; OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2013 – I-4 31/13, juris Rn. 57; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 23.05.2017 – 2 U 113/16, juris, Rn. 38).
b) Die Interessen Dritter, nämlich der privaten Krankenversicherung, werden hier durch die Art der Ausstellung der Rezepte nicht gewahrt.
aa) Bei hundertprozentigem Versicherungsschutz kann einem Privatversicherten – soweit bereits alle Zuzahlungen geleistet sind – über den Preis des Medikaments wirtschaftlich kein Bonus gewährt werden. Denn ein niedrigerer Preis führt zu einer niedrigeren Erstattung. In diesem Fall ist der Preis nur ein Rechnungsposten. Einen Vorteil erhält der Kunde nur, wenn er das Rezept mit dem Listen- preis ohne Offenlegung des Bonus einreicht. In diesem Fall übersteigt die Erstattung der privaten Krankenversicherung die Aufwendungen des Kunden.
bb) Dieser Vorteil des Kunden geht jedoch zulasten der privaten Krankenversicherung. Dies verstößt gegen das versicherungsrechtliche Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung.
Das Landgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt:
Bei der Krankenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Um- fang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen oder für sonstige vereinbarte Leistungen zu erstatten (§ 192 Abs. 1 VVG). Aufwendungen sind Entgelte, die der Versicherungsnehmer aufgrund von Verträgen zu bezahlen hat, die im Hinblick auf die Heilbehandlung geschlossen worden sind (vgl. BGHZ 70 158,160). Nachlässe sind abzuziehen (Voit in: Prölss/Marti
n, VVG, 30. Aufl. 2018, § 192 Rn. 118). Der Versicherungsschutz erstreckt sich nur auf die vom Versicherungsnehmer tatsächlich erbrachten Aufwendungen, so dass Preisnachlässe des behandelnden Arztes die Leistungspflicht des Versicherers mindern. Lediglich in dieser Höhe ist dem Versicherungsnehmer aus der Heilbehandlung ein Schaden entstanden (OLG Nürnberg, Urteil vom 09.04.1987 – 8 U 3533/86).
Im Gegensatz zu dem Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung, dass nach dem Gesetz bei der Lebensversicherung, der Unfallversicherung sowie bei anderen Arten der Personenversicherung vorkommt, gilt bei der privaten Krankenversicherung, soweit es sich um eine Krankenkostenversicherung handelt, der Grundsatz der konkreten Bedarfsdeckung. Die Leistung des Versicherers wird also durch die Höhe des Schadens bestimmt und begrenzt. Ersetzt wird lediglich der letztlich tatsächlich entstandene Vermögensschaden des Versicherungsnehmers.
Dies ist – soweit ersichtlich – auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung einheitliche Meinung (OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2017 I-20 U 10/17 – Rn. 11 mit weiteren Nachweisen; OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.11.2006 – 12 U 38/06).
Das Argument der Beklagten, dass sich die privaten Krankenversicherungen bisher nicht gegen diese Praxis gewehrt haben, beseitigt diese Rechtslage nicht.
cc) Wenn sich der Kunde dagegen rechtmäßig verhält und den gewährten Bonus seiner privaten Krankenversicherung anzeigt, hat er wirtschaftlich keinen Vorteil. Denn er erhält dann eine niedrigere Erstattung. Es besteht bei dieser Praxis also gerade kein Anreiz, eine Versandapotheke zu wählen.
c) Wie das Oberlandesgericht Stuttgart zutreffend ausgeführt hat, besteht auch die Möglichkeit einer missbräuchlichen Verwendung der so gestalteten Rezepte gegenüber den Finanzbehörden (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.03.2017 – juris Rn. 44 ff.). Der Senat nimmt auf diese Ausführungen Bezug.
d) Diese Verfahrensweise ist auch dazu geeignet, das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher wesentlich zu beeinflussen.
aa) Eine solche Beeinflussung liegt vor, wenn die fragliche geschäftliche Handlung die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt und er damit zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wird, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Maßgeblich ist allein die objektive Eignung der in Rede stehenden Werbemaßnahmen zur Förderung des Absatzes der Ware (OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2013, I–4 U 31/13 – juris Rn. 54).
bb) Eine solche Eignung liegt hier vor. Die Beklagte führt selbst aus, dass die Bonusgewährung dazu dient, den erhöhten Aufwand des Kunden bei Einschaltung einer Versandapotheke auszugleichen. Er soll damit bewegt werden, statt bei einer Präsenz-Apotheke bei einer Versandapotheke zu kaufen. Ein solcher Anreiz durch einen wirtschaftlichen Vorteil entsteht allerdings nur, wenn er das Rezept einreicht, ohne den gewährten Bonus offenzulegen.
IV.
Das Führen personenübergreifender Kundenkonten, in denen, neben den Daten der Adressaten, auch die weiterer Patienten/Familienangehöriger ohne vorherige Einwilligung verarbeitet und wiedergegeben sind, verstößt gegen Datenschutzrecht und begründet einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.
1. Da ein datenschutzrechtlicher Verstoß noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehen muss, ist die Vorgehensweise der Beklagten auch unter der Geltung der DSGVO zu prüfen. Hinsichtlich der Rechtslage nach dem alten Datenschutzrecht verweist der Senat auf die Ausführungen des Landgerichts.
2. Nach Auffassung des Senats sind die Regelungen der DSGVO in der vorliegenden Fallkonstellation als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG aufzufassen.
a) Eine Norm regelt das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 – I ZR 211/01, BGHZ 155, 301, 305 – Telefonischer Auskunftsdienst; Urteil vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 35 – Jugendgefährdende Medien bei eBay). Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktteilnehmern dient, ist eine Marktverhaltensregelung, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2015 – I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 Rn. 21 = WRP 2016, 586 – Eizellspende; Münch- Komm.UWG/Schaffert, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 60), also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird (vgl. GroßKomm. UWG/Metzger, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 38; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 3a Rn. 1.67). Nicht erforderlich ist eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion in dem Sinne, dass die Regelung die Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – I ZR 189/07, GRUR 2010, 754 Rn. 20 ff. = WRP 2010, 869 – Golly Telly; Urteil vom 4. November 2010 – I ZR 139/09, GRUR 2011, 633 Rn. 34 = WRP 2011, 858 – BIO TABAK; aA Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 3a Rn. 25; Gärtner/Heil, WRP 2005, 20, 22; Scherer, WRP 2006, 401, 404). Die Vorschrift muss jedoch – zumindest auch – den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezwecken; lediglich reflexartige Auswirkungen zu deren Gunsten genügen daher nicht (BGH, Urteil vom 27. April 2017 – I ZR 215/15 -, Rn. 20, juris m.w.N.)
b) Die Frage, ob Datenschutzbestimmungen nach Inkrafttreten der DSGVO Marktverhaltensregeln darstellen, ist bisher in Literatur und Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.
aa) In der Literatur wird nunmehr vertreten, dass Datenschutzbestimmungen nach Inkrafttreten der DSGVO keine Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3 Buchst. a UWG darstellen (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., 2018, § 3a Rn. 1.40a und 1.74a).
bb) Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg nimmt dagegen auch nach Inkrafttreten der DSGVO an, dass insoweit die jeweilige Norm konkret darauf überprüft werden muss, ob gerade jene Norm eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat (Urteil vom 25. Oktober 2018 – 3 U 66/17 -, Rn. 72, juris).
cc) Der Senat schließt sich der Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg an. Selbstverständlich schützen Datenschutzregeln in erster Linie das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Gleichwohl verfolgt die DSGVO auch andere Zielsetzungen: In den Erwägungsgründen 6 bis 8 der DS-RL heißt es, dass die Richtlinie auch den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten auf ein einheitliches Schutzniveau heben soll (Erwägungsgründe 6 und 7), weil ein unterschiedliches Schutzniveau ein Hemmnis für die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten auf Gemeinschaftsebene darstellen und den Wettbewerb verfälschen könne (Erwägungsgrund 7 Satz 2), und die Regelungen der Richtlinie auch der Beseitigung solcher Hemmnisse diene, um einen grenzüberschreitenden Fluss personenbezogener Daten kohärent in allen Mitgliedsstaaten und in Übereinstimmung mit dem Ziel des Binnenmarktes zu regeln (Erwägungsgrund 8).
Vor Inkrafttreten der DSGVO war außerdem in der Rechtsprechung bereits anerkannt, dass die Nutzung von Daten zu Werbezwecken nach § 28 Abs. 3 BDSG a.F. als Markt Verhaltensregeln anzusehen ist (OLG Stuttgart, MMR 2007, 437, Rn. 27; OLG Köln, MMR 2009, 845; CR 2011, 680; ZD 2012, 421; OLG Karlsruhe, ZD 2012, 432, Rn. 34; OLG Dresden, BeckRS 2014, 15220, insoweit unklar, ob nur die dort ebenfalls allein streitige Regelung des § 28 Abs. 3 BDSG a.F. oder § 28 BDSG a.F. generell als marktverhaltensregelnd angesehen worden ist).
c) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zur Förderung des Absatzes personenübergreifende Kundenkonten geführt. Denn nicht aufgebrauchte Boni stehen auch den anderen in dem Kundenkonto erfassten Personen zur Verfügung. Dies schafft einen Anreiz zu weiteren Bestellungen.
3. Bei den Bestelldaten der Kunden handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Die Daten, die die Beklagte für den Bestellvorgang erfasst, stellen zwar sicher keine Gesundheitsdaten im engeren Sinne dar, wie z.B. ärztliche Befunde. Gleichwohl können aus den Bestelldaten Rückschlüsse auf die Gesundheit des Bestellers gezogen werden. Dies gilt insbesondere bei ad personam verschriebenen Medikamenten.
4. Im vorliegenden Fall liegen zwei Sätze an personenbezogenen Daten (S. und M. W.) und damit zwei Datenverarbeitungen im Sinne des § 9 Abs. 1 DSGVO vor.
a) Nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO kommt es nicht auf die Erhebung, sondern auf die Verarbeitung der dort genannten personenbezogenen Daten an.
b) An einer Einwilligung des M. W. für die Verarbeitung im Rahmen der Bestellung des S. W. im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO fehlt es hier.
aa) Eine ausdrückliche Einwilligung des M. W. beim Bestellvorgang gegen- über der Beklagten ist von keiner Seite behauptet worden.
bb) Angesichts des Wortlauts des Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO („ausdrücklich eingewilligt“) dürfte eine konkludente Einwilligung die Voraussetzung dieser Vorschrift nicht erfüllen.
C.
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
II. Die Entscheidung über die Höhe des Gebührenstreitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47, 63 GKG, 3 ZPO.
III. Die Revision war zuzulassen.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen vor; denn diese Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts herrührt (BGHZ 151, 221).
2. Aus Sicht des Senates ist klärungsbedürftig, ob die Regeln der DSGVO im Einzelfall als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3 a UWG anzusehen sind. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der hier involvierten Versandapotheke dürfte außerdem ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der Frage bestehen, unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Boni an privatkrankenversicherte Personen beim Kauf in einer Versandapotheke möglich ist.
(…)