Abgrenzung einer Rezeptsammelstelle von einer Pickup-Stelle (rechtskräftig)
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 27. September 2016

Entscheidungen in Leitsätzen
Az.: 19 K 5025/15

ApBetrO § 24; ApoG § 11a; AMG § 43 Abs. 1, § 69 Abs. 1 Satz 1

 

1. Eine Ausnahme vom Verbot des § 24 ApoBetrO greift nur ein, wenn eine Rezeptsammelstelle im Versandhandel betrieben wird.

 

2. Eine Rezeptsammelstelle wird im Versandhandel betrieben, wenn sie einem tatsächlich praktizierten Vertriebsweg des Versandhandels zuzuordnen ist, welcher vom Versorgungssystem einer Präsenzapotheke abzugrenzen ist. Es ist nicht maßgeblich, ob der Betroffene Inhaber einer Versandhandelserlaubnis ist.

 

3. Zur Abgrenzung eines Versandhandels zum Vertriebsweg einer Präsenzapotheke.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Apothekerin und betreibt in Herne drei Apotheken, u.a. die „Q. -Apotheke“ unter der Adresse C.-​straße … , … I. . Zudem verfügt sie seit dem 18. Dezember 2006 über eine Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Medikamenten gemäß § 11a des Apothekengesetzes – ApoG -, § 43 Abs. 1 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes – AMG – (im Folgenden Versandhandelserlaubnis).

 

Seit dem 15. Dezember 2014 betreibt die Klägerin im F. N. W. , H.-​straße … , … I. -I1. , eine Vorrichtung zum Sammeln von Verschreibungen. Diese Einrichtung besteht aus einem Aufsteller (ca. 2,0 Meter hoch und ca. 0,7 Meter breit) mit dem Logo der „Q. -Apotheke“ und der Aufschrift „Hier können Sie Ihre Rezepte einwerfen“ (in deutscher und sechs anderen Sprachen). An dem Aufsteller ist eine waagerechte Vorrichtung zum Schreiben mit der Aufschrift „So geht´s“ und einer Anleitung zum Ausfüllen der Bestellscheine in sechs Punkten angebracht. Über der waagerechten Vorrichtung befinden sich vier Regalbretter, in denen Bestellscheine und Briefumschläge bereit liegen. Daneben ist ein mit einem Apothekenkennzeichen versehener Briefkasten angebracht mit der Überschrift „Rezept im Umschlag bitte hier einwerfen“. Der Aufsteller befindet sich im Eingangs-​/Durchgangsbereich des Supermarktes außerhalb des Kassenbereichs unmittelbar vor den Schranken zum Verkaufsbereich.

 

Die Bestellung erfolgte zunächst dergestalt, dass die Kunden ihre Rezepte zusammen mit einem ausgefüllten Bestellschein in einen dafür vorgesehenen Umschlag stecken und in den angebrachten Briefkasten werfen konnten. Im oberen Teil des Bestellscheins musste der Kunde seine Kontaktdaten angeben sowie die Anzahl der beigefügten Original-​Rezepte. Im unteren Teil des Bestellscheins befand sich eine Tabelle mit der Überschrift „Rezeptfreie Medikamente“. Auf den Bestellscheinen war zudem der Hinweis abgedruckt: „Bis 14:00 Uhr einwerfen und noch am selben Abend nach Hause geliefert bekommen!“. Der Briefkasten wurde einmal am Tag von der Klägerin oder einem ihrer verantwortlichen Mitarbeiter geleert. Im Anschluss an die Bestellung erfolgte eine Auslieferung der Medikamente mittels des Botendienstes der Klägerin. Auf Wunsch des Kunden konnten die Medikamente zudem in der „Q. -Apotheke“ abgeholt werden.

 

Mit Schreiben vom 3. Februar 2015 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass es sich bei der von ihr betriebenen Einrichtung um eine unzulässige Rezeptsammelstelle im Sinne von § 24 Abs. 1 der Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO – handeln dürfte und nicht um eine sog. „Pick-up-Stelle“ im Rahmen eines Versandhandels. Sie bezog sich dabei auf ein Schreiben der B. X. -M. vom 19. Januar 2015, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

 

Die Klägerin antwortete mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6. Februar 2015, es handele sich bei der Einrichtung um eine erlaubnisfreie „Pick-​up-​Stelle“ im Rahmen eines von ihr betriebenen Versandhandels. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse die ältere Regelung zu Rezeptsammelstellen in § 24 ApBetrO hinter der Regelung zur Versandhandelserlaubnis in § 11a ApoG zurücktreten, wenn die „Pick-up-Stelle“ im Versandhandel betrieben werde. Ihr Modell sei nicht ausschließlich auf das Sammeln von Rezepten angelegt, sondern es könnten auch erlaubnisfreie Waren bestellt werden.

 

Unter dem 12. Mai 2015 verurteilte das P. I2. die Klägerin auf den Antrag einer Konkurrentin unter Aufhebung eines abweisenden Urteils des M1. C1. im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes dazu, es zu unterlassen, die Vorrichtung im F. -N. ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde zu betreiben und/oder diese zu bewerben. Zur Begründung führte das Gericht aus, bei der in Rede stehenden Einrichtung handele es sich um eine Rezeptsammelstelle im Sinne von § 24 ApBetrO. Die Anwendung des § 24 ApBetrO sei jedenfalls deswegen nicht durch die Regelungen zur Versandhandelserlaubnis verdrängt, weil die Arzneimittelabgabe in der Apotheke der Klägerin bzw. als Alternative dazu durch eigene Boten der Apotheke erfolge.

 

In Reaktion auf dieses Urteil änderte die Klägerin ihr Vertriebskonzept sowie die in der Sammeleinrichtung ausliegenden Bestellscheine. Ab Juni 2015 konnten die Kunden zwischen Lieferung der bestellten Medikamente durch den Botendienst der Klägerin oder Versand durch einen externen Dienstleister wählen. Die Option „Liefern durch Botendienst“ war nur innerhalb des Stadtgebiets von I. von Montag bis Freitag mit Ausnahme der Feiertage verfügbar. Bei Wahl dieser Option fielen keine Versandkosten an. Die Option „Versand durch externen Dienstleister“ galt für Bestellungen außerhalb des Stadtgebiets von I. . Bis zu einem Paketgewicht von einem Kilogramm fielen bei dieser Option Versandgebühren in Höhe von 4,95 Euro und bei Paketen mit einem Gewicht von mehr als einem Kilo in Höhe von 20,- Euro an.

 

Mit Schreiben vom 6. Juli 2015, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, nahm die von der Beklagten angerufene B. X. -M. zu diesem geänderten Betriebskonzept der Klägerin dahingehend Stellung, sie gehe weiterhin davon aus, dass es sich um eine unzulässige Rezeptsammelstelle handele.

 

Unter dem 10. Juli 2015 hörte die Beklagte die Klägerin zum beabsichtigten Erlass eines Bußgeldbescheides wegen des fortgesetzten Verstoßes gegen § 24 ApBetrO an. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin äußerte sich in einem Telefongespräch mit der Beklagten am 14. Juli 2015 dahingehend, dass seine Mandantin durch die Veränderung ihres Betriebskonzeptes nicht mehr gegen die Vorgaben des P. I. verstoße. Das Gericht habe sich lediglich an der Selbstabholung in der Apotheke gestört, diese habe sie nun aufgegeben. Eine schriftliche Stellungnahme erfolgte nicht.

 

Mit Ordnungsverfügung vom 30. Oktober 2015 untersagte die Beklagte der Klägerin unter Ziffer 1., ab Zustellung des Bescheids in dem F. -N. W. ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde eine Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen, die sodann per Bote oder externen Dienstleister an den Kunden geliefert würden, zu unterhalten. Unter Ziffer 2. gab die Beklagte der Klägerin auf, nach Zustellung des Bescheids unverzüglich die unter Ziffer 1. dieser Verfügung genannten Einrichtungen, bestehend aus einem Aufsteller (h ca. 2,0 – 2,2 m; b ca. 0,7 – 0,8 m) mit dem Logo der „Q. -Apotheke“ und der Aufschrift „Hier können Sie Ihre Rezepte einwerfen“ (in deutscher und 6 weiteren Sprachen), an dem eine waagerechte Vorrichtung zum Schreiben mit der Aufschrift „So geht“s“ und einer Anleitung in sechs Punkten angebracht sei, vier Regalfächern mit Bestellscheinen und Briefumschlägen, auf die mit der Aufschrift „Bestellscheine und Briefumschläge“ auf dem Aufsteller hingewiesen werde, sowie einem Briefkasten für den Einwurf der Rezepte an diesem Aufsteller aus den Geschäftsräumen des F. -Supermarktes zu entfernen. Für den Fall, dass die Klägerin den unter Ziffer 1. beschriebenen Pflichten nicht nachkommen werde, drohte die Beklagte unter Ziffer 3. für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- Euro an und für den Fall einer nicht fristgemäßen Befolgung der Anordnung in Ziffer 2. unter Ziffer 4. die Anwendung der Ersatzvornahme dergestalt, dass die Einrichtung durch sie oder einen von ihr Beauftragten auf Kosten der Klägerin entfernt werde.

 

Zur Begründung der Untersagung in Ziffer 1. sowie der Entfernungsanordnung in Ziffer 2. berief sich die Beklagte auf § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Die streitgegenständliche Einrichtung verstoße gegen § 24 Abs. 1 und 2 ApBetrO. Die Klägerin betreibe eine erlaubnispflichtige Rezeptsammelstelle ohne die erforderliche Erlaubnis und in einem Gewerbebetrieb. Es handele sich dagegen nicht um eine sog. „Pick-up-Stelle“, da die Kunden des F. -Marktes dort die Medikamente nicht abholen könnten.

 

Mit Beschluss vom 12. November 2015 wies das P. I2. einen Antrag der Mitbewerberin der Klägerin auf Festsetzung des Ordnungsgeldes wegen einer Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung vom 12. Mai 2015 zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, mit dem neuen Betriebskonzept verstoße die Klägerin nicht gegen das im Urteil ausgesprochene Unterlassungsgebot, welches sich nur auf die konkrete Verletzungsform durch Abgabe der Medikamente entweder in der Präsenzapotheke der Klägerin oder den Versand durch eigene Boten bezogen habe.

 

Die Klägerin hat am 23. November 2015 die vorliegende Klage erhoben.

 

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Zwangsmittelandrohungen in Ziffer 3. und 4. der Ordnungsverfügung vom 30. Oktober 2015 aufgehoben. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

 

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie sei vor Erlass der Ordnungsverfügung nicht angehört worden. Das Anhörungsschreiben vom 10. Juli 2015 habe sich lediglich auf den beabsichtigten Erlass eines Bußgeldbescheids, nicht aber auf ordnungsbehördliche Maßnahmen bezogen. Im Übrigen betreibe sie keine Rezeptsammelstelle, sondern eine Form des Versandhandels, welche von der ihr erteilten Versandhandelserlaubnis abgedeckt sei. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des M1. C1. vom 20. April 2016, mit dem eine Klage der Mitbewerberin der Klägerin auf Unterlassung des Betriebs der Sammeleinrichtung mit der Begründung abgewiesen wurde, die Klägerin betreibe nach Auffassung der Kammer lediglich zulässigen Versandhandel. Der Begriff sei weit auszulegen und umfasse neben der Annahme von Bestellungen mittels Fernkommunikationsmitteln auch die Annahme der Rezepte in sog. „Pick-​up-​Stellen“. Der Begriff einer „Pick-​up-​Stelle“ bedeute aber nicht, dass die Medikamente an dieser Stelle auch abgeholt werden müssten. Vielmehr sei es ebenfalls zulässig, sich die an der „Pick-​up-​Stelle“ bestellten Medikamente nach Hause liefern zu lassen. Die Liefervariante der Auslieferung durch eigene Boten schließe das Vorliegen eines Versandhandels nicht aus. § 11a ApoG lege nur Kriterien für externe Dienstleister fest, falls ein solcher genutzt werde. Die Norm schreibe aber nicht die Nutzung eines externen Dienstleisters für den Versand vor. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 17 Abs. 2 ApBetrO. Im Übrigen beschränke sie sich im Rahmen ihrer Versandhandelstätigkeit nicht auf die Entgegennahme von Bestellungen über die stationäre Einrichtung. Sie betreibe auch im Internet eine Bestellmöglichkeit für Medikamente.

 

Die Klägerin beantragt, die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 30. Oktober 2015 in der Fassung der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung bezieht sie sich auf die angegriffene Ordnungsverfügung und ergänzt, der Klägerin sei vor Erlass der Ordnungsverfügung durch Übersendung des Anhörungsbogens am 10. Juli 2015 ausreichend Gelegenheit gegeben worden, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Im Übrigen sei die fehlende Anhörung durch Nachholung heilbar. Die von der Klägerin betriebene Einrichtung sei nicht dem Versandhandel zuzuordnen. Es finde sich weder auf dem Aufsteller noch auf den Werbeflyern ein Hinweis, dass die Klägerin eine Versandapotheke betreibe. Zudem sei die Versandvariante durch einen externen Dienstleister offensichtlich nicht erwünscht, da die Versandkosten für Pakete mit einem Gewicht von mehr als einem Kilogramm mit 20,- Euro exorbitant hoch seien. Für I3. Bürger stünde nach dem Bestellschein sowieso nur die Variante des Botenversands zur Verfügung. Die Klägerin wolle auch keinen über den Kundenkreis des F. -Supermarktes hinausgehenden Kundenkreis ansprechen. Dies zeige sich insbesondere in der Einlösemöglichkeit für sog. Q. -Taler. Im Übrigen sei die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor der Neufassung des § 24 ApBetrO im Jahr 2012 ergangen. Der Gesetzgeber habe aber auch in Kenntnis dieser Rechtsprechung keine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm vorgenommen. Dies zeige, dass solch eine Beschränkung des Anwendungsbereichs im Sinne einer Privilegierung des Versandhandels vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Beteiligten den Rechtstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – analog.

 

Die im Übrigen aufrecht erhaltene Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet, da Ziffern 1. und 2. der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 30. Oktober 2015 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

 

Grundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung sowie der Entfernungsverfügung in Ziffer 1. und 2. der Ordnungsverfügung vom 30. Oktober 2015 ist § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Danach trifft die Beklagte als gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen und nach dem Medizinproduktegesetz zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.

 

Die Ordnungsverfügung ist formell rechtmäßig. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte die Klägerin vor Erlass des belastenden Bescheids entsprechend § 28 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-​Westfalen – VwVfG NRW – angehört hat. Denn jedenfalls wäre die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW unbeachtlich, da die erforderliche Anhörung im gerichtlichen Verfahren nachgeholt worden ist. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung das Vorbringen der Klägerin gewürdigt und auf dieser Grundlage die angefochtenen Entscheidungen überdacht.

 

Die Ordnungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat mit der Untersagung des Betriebs sowie der Entfernung der im Bescheid benannten Einrichtungen Anordnungen zur Verhinderung weiterer Verstöße sowie zur Beseitigung festgestellter Verstöße getroffen. Zu den Verstößen, die nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG die zuständigen Behörden zum Eingreifen ermächtigen, gehört neben der Missachtung arzneimittelrechtlicher Vorschriften auch die Verletzung apothekenrechtlicher Bestimmungen (Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 – 3 C 27.07 -; OVG NRW, Urteil vom 7. November 2006 – 13 A 1314/06 -, jeweils juris).

 

Die Einrichtung der Klägerin zum Einsammeln von Verschreibungen verstößt gegen die apothekenrechtliche Bestimmung in § 24 ApBetrO. Nach dessen Abs. 1 dürfen Einrichtungen zum Sammeln von Verschreibungen (Rezeptsammelstellen) nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde unterhalten werden. Rezeptsammelstellen dürfen zudem nicht in Gewerbebetrieben oder bei Angehörigen der Heilberufe unterhalten werden (Abs. 2).

 

Dies zu Grunde gelegt, ist der Klägerin das Sammeln von Verschreibungen über die Einrichtung im F. -Supermarkt nicht gestattet.

 

Bei der von der Klägerin betriebenen Einrichtung handelt es sich um eine Rezeptsammelstelle im Sinne von § 24 ApBetrO. Diese ist definiert als eine Einrichtung zum Sammeln von Verschreibungen. Die streitgegenständliche Einrichtung der Klägerin ist nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrer Zwecksetzung darauf ausgerichtet, Medikamentenverschreibungen von Patienten zu sammeln. Dies zeigt sich insbesondere in den Überschriften auf dem Aufsteller „Hier können Sie Ihr Rezept einwerfen“ sowie über dem Briefkasten „Rezept im Umschlag bitte hier einwerfen“.

 

Die Klägerin verfügt nicht über die nach § 24 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO erforderliche Erlaubnis zum Betrieb der Rezeptsammelstelle. Sie hätte im Übrigen auch keinen Anspruch auf die Erteilung, weil I. -I1. kein abgelegener Ort oder Ortsteil im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 2 ApBetrO ist. Darüber hinaus befindet sich die Rezeptsammelstelle in einem Supermarkt und damit in einem Gewerbebetrieb. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, ob sich die Rezeptsammelstelle im Verkaufs- bzw. Kassenbereich des Gewerbebetriebs befindet. Der von ihr gewählte Aufstellungsort unmittelbar vor dem Eingang zum Verkaufsbereich des F. -Supermarktes ist keine öffentliche Verkehrsfläche, wie die Klägerin meint, sondern Teil des Supermarktes.

 

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr das Sammeln der Verschreibungen wegen der ihr erteilten Versandhandelserlaubnis erlaubt ist. Zwar ist nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 13. März 2008, – 3 C 27.07 -, juris, § 24 ApBetrO für die Entgegennahme von Arzneimittelbestellungen im Versandhandel nicht einschlägig. Die strittige Rezeptsammelstelle wird aber nicht im Versandhandel betrieben.

 

Dahinstehen kann, ob die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem oben zitierten Urteil nach der zwischenzeitlichen Änderung der Apothekenbetriebsordnung durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung vom 5. Juni 2012 (BGBl. I 2012, 1254) noch Geltung beanspruchen können, was zweifelhaft ist, weil der Gesetz- und Verordnungsgeber die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zum Anlass genommen hat, § 24 ApBetrO oder § 11a ApoG zu ändern (Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 12. Mai 2015 – I-​4 U 53/15, 4 U 53/15 -; OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2016 – 13 B 284/16 -, jeweils juris).

 

Die etwaige Ausnahme von der Anwendung des § 24 ApBetrO für Rezeptsammelstellen im Versandhandel setzt jedenfalls voraus, dass die fragliche Sammelstelle einem tatsächlich praktizierten Vertriebsweg des Versandhandels zuzuordnen ist. Ob der Betroffene Inhaber einer Versandhandelerlaubnis ist, ist deshalb nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Sammelstelle Bestandteil eines entsprechenden, real praktizierten Versorgungssystems ist, das von dem Versorgungssystem der Präsenzapotheke abzugrenzen ist (Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2016 – 13 B 284/16 -, juris).

 

Das Einsammeln der Verschreibungen über die streitgegenständliche Einrichtung stellt sich im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung nicht als Bestandteil eines von der Klägerin betriebenen Versandhandels, sondern des Vertriebswegs ihrer Präsenzapotheke dar.

 

Typisch für den Betrieb eines Versandhandels ist in Abgrenzung zur Präsenzapotheke, dass sich Kunde und Apotheker nicht persönlich begegnen und der Kundenkreis regelmäßig weder – insbesondere örtlich – eingeschränkt ist noch vorab feststeht. Daher zeichnen den Versandhandel regelmäßig jedermann zur Verfügung stehende Beststellmöglichkeiten per E-​Mail, Telefon oder Telefax aus. Die Bestellung kann auch über sog. „Pick-up-Stellen“ bzw. Sammelbesteller erfolgen. Kennzeichnend für solche Stellen ist allerdings, dass die dort abgegebenen Bestellungen eingesammelt und gebündelt an die Versandapotheke übersandt werden. Das persönliche Einsammeln von Verschreibungen durch den Apotheker bzw. sein Personal ist dagegen untypisch. Daneben bieten die Versandhändler insbesondere ihre rezeptfreien Waren typischerweise durch Kataloge, Prospekte, Anzeigen, elektronische Medien oder Außendienstmitarbeiter einem möglichst großen Kundenkreis an, um die Kunden neben der Einreichung von Verschreibungen zur Bestellung rezeptfreier Waren zu animieren. Der Versand der bestellten Waren erfolgt üblicherweise durch Einschaltung eines externen Logistikunternehmens (Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 – 3 C 27.07 -; OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2016 – 13 B 284/16 -, jeweils juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 16 L 198/16 -, n.V.).

 

Dies zu Grunde gelegt, ist das Einsammeln der Verschreibungen in der von der Klägerin praktizierten Weise nicht im Sinne einer „Pick-up-Stelle“ dem von ihr betriebenen Versandhandel zuzuordnen. Die Einrichtung ist stattdessen auf das Sammeln von Verschreibungen durch die Präsenzapotheke der Klägerin ausgelegt. Der Klägerin geht es in erster Linie darum, den räumlich-​gegenständlichen Bereich ihrer Präsenzapotheke auf den örtlich eingegrenzten Bereich von I. -I1. zu erweitern.

 

Das Angebot der Bestellung von Medikamenten durch die streitgegenständliche Einrichtung richtet sich nicht, wie bei einem Sammelbesteller für eine Versandapotheke typisch, an einen unbestimmten Personenkreis, sondern an die Kunden des F. -Marktes bzw. die Bewohner der Stadt I. , insbesondere des Ortsteils I1. . Das Bestellsystem und die Versandmöglichkeiten sind auf diesen Kundenkreis zugeschnitten. Nur den Bewohnern I4. steht die Versandoption des kostenlosen Botenversandes zur Verfügung, diese ist sogar innerhalb des Stadtgebiets die einzige. Sämtliche anderen potentiellen Besteller müssen die Option des kostenpflichtigen Versands durch einen externen Dienstleister in Kauf nehmen, unabhängig vom Bestellwert. Die Kosten ab einem Paketgewicht von 1 kg sind mit 20,- Euro dabei derart hoch, dass eine Inanspruchnahme der Versandoption durch externe Besteller fernliegend ist. Ferner haben nur die Kunden aus I. die Möglichkeit, sich die Bestellung noch am selben Tag (bei Einwurf des Rezepts vor 14 Uhr) liefern zu lassen. Andere Besteller müssen aufgrund des Versands durch einen externen Dienstleister mit einer Lieferzeit von 2-3 Tagen rechnen. Damit stellt der Versand durch einen externen Dienstleister keine wirkliche „Alternative“ dar. Dies führt dazu, dass die Arzneimittelzustellung, wie für die Präsenzapotheke, nicht aber für einen Versandhandel typisch, im Regelfall durch den Botendienst erfolgt, welcher der Weisungs- und Organisationsbefugnis der Klägerin unterliegt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die „Versandalternative“ nur geschaffen worden ist, um den Eindruck eines „Versandhandels“ zu erwecken.

 

Die räumliche Bindung an den Kundenkreis des Supermarktes, der im Wesentlichen aus den Bewohnern des Stadtteils I. -I1. besteht, zeigt sich darüber hinaus in der Möglichkeit, sog. „Q. -Taler“, die als Bonus für die Bestellung von Waren in der Apotheke der Klägerin ausgegeben werden, im F. -Supermarkt einzulösen. Mit dieser Einlösemöglichkeit wirbt die Klägerin auch explizit auf den ausliegenden Werbezetteln.

 

Nach eigenen Angaben der Klägerin war die Versorgung der Anwohner des Stadtteils I. -I1. mit Medikamenten durch ihre Präsenzapotheke auch Anlass und Zweck der Einrichtung der Sammelstelle. So gab sie bei G. in einem Post vom 14. Dezember 2014 an, durch die Sammelstelle könnten „ab sofort I5. Bürger durch die Q. -Apotheke im D. D1. betreut werden“. Auch in ihrer Klagebegründung betont die Klägerin, dass sie die Sammeleinrichtung als besonderes Angebot an die Bevölkerung in I. -I1. ansehe, da sich dort keine Präsenzapotheke habe ansiedeln wollen. In einem Zeitungsartikel der „I3. Sonntagsnachrichten“ vom 15. Februar 2015 gab der Betreiber des F. -Marktes dementsprechend an, die Rezeptsammelstelle diene nach dem Wegfall der Stadtteilapotheke der adäquaten Versorgung der Bewohner des Stadtteils I. -I1. mit Medikamenten.

 

Die Zuordnung der Sammelstelle zur Präsenzapotheke der Klägerin statt eines Versandhandels kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass sich nirgendwo am Aufsteller Werbung für bestellbare rezeptfreie Medikamente oder Waren findet. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie in einer anderen Form für diese Angebote Werbung macht. Zwar besteht die Möglichkeit, mittels der ausliegenden Bestellzettel auch rezeptfreie Waren zu bestellen. Dafür müssen die Kunden aber die Bestellnummer bzw. Pharmazentralnummer (PZN) des Medikaments angeben, welche ihnen ohne entsprechende Werbung oder eine mögliche vorherige Bestellung auf anderem Wege nicht bekannt sein dürfte.

 

Die Klägerin macht auch weder an der Einrichtung selbst noch auf ihren ausliegenden Flyern deutlich, dass die Sammeleinrichtung dem von ihr betriebenen Versandhandel zuzuordnen sein soll. Am Aufsteller sowie auf den Bestellscheinen findet sich kein Hinweis auf die Versandhandelserlaubnis der Klägerin bzw. die Tatsache, dass der Versand der Medikamente im Rahmen ihrer Versandhandelstätigkeit erfolgen soll. Einzig auf den Bestellzetteln ist als Kontaktmöglichkeit die E-Mail-Adresse „C2. A.“ angegeben. Dies lässt aber für den Patienten nicht unbedingt den Rückschluss zu, dass die Klägerin einen Versandhandel für Medikamente betreibt. Ein ausdrücklicher Hinweis auf den angeblichen Bestellshop der Klägerin im Internet findet sich dagegen nicht. Stattdessen betont die Klägerin mit der Aufmachung des Aufstellers, der Bestellscheine sowie der Werbeflyer den räumlichen Bezug der Sammeleinrichtung zu ihrer Präsenzapotheke. So gibt die Klägerin auf den Bestellscheinen sowie dem Aufsteller die Anschriften ihrer drei Apotheken in I. an und wirbt mit dem Slogan „Meine Apotheken“.

 

Die räumliche Anbindung der Sammeleinrichtung an die Präsenzapotheke der Klägerin zeigt sich weiter darin, dass die Einsammlung der eingeworfenen Verschreibungen, für einen Versandhandel untypisch, durch die Klägerin als verantwortliche Apothekerin bzw. einen ihrer Mitarbeiter erfolgt. Eine Sammlung der Rezepte vor Ort und eine Übersendung an die Apotheke der Klägerin durch externe Dritte findet dagegen nicht statt.

 

Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit von „Pick-​up-​Stellen“ im Versandhandel gibt für ihre gegenteilige Wertung nichts her. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 13. März 2008 lediglich festgestellt, dass der Begriff des Versandhandels keine individuelle Warenzustellung an die Anschrift des Empfängers voraussetzt. Die hier entscheidende Frage der Abgrenzung der Vertriebswege des Versandhandels und der Präsenzapotheke stellte sich für das Bundesverwaltungsgericht nicht. Dessen Aussage, dass der Betrieb einer „Pick-up-Stelle“ für die Annahme von Versandhandel nicht schädlich ist, besagt nicht, dass jede „Pick-up-Stelle“ im Versandhandel betrieben wird. Unabhängig davon ist die strittige Rezeptsammelstelle keine „Pick-up-Stelle“, denn an der Einrichtung können keine Waren abgeholt („Pick-up“), sondern nur Rezepte eingeworfen werden.

 

Die Ausübung des der Beklagten durch § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG eingeräumten Ermessens begegnet nach den Maßgaben des § 114 Satz 1 VwGO keinen rechtlichen Bedenken.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, würden die Kosten des Verfahrens zwar der Beklagten nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zur Last fallen, weil sie die Erledigung durch Aufhebung der Zwangsmittelandrohungen in Ziffer 3. und 4. der angefochtenen Ordnungsverfügung herbeigeführt hat. Das Unterliegen der Beklagten in Bezug auf die aufgehobenen Zwangsmittelandrohungen wiegt im Verhältnis zum Unterliegen der Klägerin hinsichtlich der Untersagungs- und Entfernungsverfügungen jedoch gering, weil sich die Zwangsmittelandrohungen nicht streitwerterhöhend auswirken.

 

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Anmerkung: Das Urteil ist rechtskräftig