Entscheidung in Leitsätzen
Az.: 4 U 87/17
ApBetrO § 17 Abs. 2a Nr. 7; BGB § 312g Abs. 2 Nr. 2
Eine Versandapotheke ist verpflichtet vom Besteller die Angabe einer Telefonnummer anzufordern und dies mit dem Hinweis zu verbinden, dass diese Angabe für die Arzneimittelbelieferung nötig ist, damit der Kunde unter dieser Nummer durch pharmazeutisches Personal der Apotheke beraten werden kann. Ebenso muss eine Versandapotheke auf gebührenfreie Möglichkeiten der telefonischen Beratung hinweisen sowie die Möglichkeiten und Zeiten der Beratung mitteilen.
Die Ausweitung des Verbraucherschutzes durch Gewährleistung eines Widerrufsrechts gilt auch für Fernabsatzverträge über Arzneimittel. Der Widerrufsausschlussgrund des § 312g Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen schneller Verderblichkeit der Ware erfasst dagegen nicht generell die Abgabe von Arzneimitteln im Fernabsatz. Insbesondere ist die Norm nicht so auszulegen, dass wegen unmöglicher Wiederveräußerung nach Abgabe und Rücksendung des Arzneimittels eine „rechtliche Verderblichkeit“ vorliegt.
I.
Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe für den Sach- und Streitstand im ersten Rechtszug und die getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Unterlassungsanträgen des klagenden Verbandes überwiegend stattgegeben.
Hiergegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung.
Der Kläger verfolgt seinen als unbegründet abgewiesenen Klageantrag Ziff. A 3. weiter und verteidigt im Übrigen das angefochtene Urteil.
Die Auslegung des § 312 i Abs. 1 Nr. 4 BGB durch das Landgericht nach Wortlaut, Gesetzessystematik und -historie sowie die teleologische Auslegung trage das gefundene Ergebnis nicht. Vielmehr werde der Verbraucher dadurch auf eine durch den Wortlaut: „abrufen“ und den Kontext „bei Vertragsschluss“ i.V.m. § 246 a § 4 EGBGB „zur Verfügung stellen“ nicht gerechtfertigte passive Rolle beschränkt. Eine strenge zeitliche Abfolge ergebe sich aus den Ziffern des § 312 i Abs. 1 BGB entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht. Die mit der Stellungnahme des Bundesrates angeregte Vorverlagerung der Speichermöglichkeit entsprechend der technischen Möglichkeiten der Telemedien spreche ebenfalls für das Erfordernis der speicherfähigen Abrufbarkeit zu dem Zeitpunkt, in dem der Verbraucher sich mit seiner Willenserklärung befasse. Die sich überlagernden Regelungsziele des § 312 i Abs. 1 Nr. 2 und 4 BGB seien nur erreichbar, wenn die Identität der abgerufenen und gespeicherten AGB mit den in den Vertrag einbezogenen gewährleistet werden könne, was nur für die Abruf- und Speicherbarkeit bei Bestellung, d.h. zu dem Zeitpunkt, in welchem der Verbraucher sich auch damit befasse, der Fall sei.
Der Beklagte tritt dieser Auslegung entgegen, mit welcher der Kläger der Vorschrift des § 312 i Abs. 1 Nr. 4 BGB einen unzutreffenden Inhalt zuschreibe. Der Begriff des Abrufens postuliere keine aktive Rolle des Verbrauchers, sondern beziehe sich auf die dem elektronischen Geschäftsverkehr immanente Verfügbarkeit in eben dieser Form, während die abweichende Formulierung des Art 246 a § 4 EGBGB auf der Erfassung auch nicht auf elektronischem Wege geschlossener Vereinbarungen, etwa von Haustürgeschäften, beruhe.
Auch im Fall der Zurverfügungstellung der AGB in speicherbarer Form mit der Willenserklärung des Unternehmers müssten diese durch den Verbraucher im Übrigen aktiv abgerufen werden. Darüber hinaus erweise sich auch die systematische, historische und teleologische Auslegung des Landgerichts als zutreffend. Aus dem Zusammenspiel des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB, gerichtet auf Information des Verbrauchers, und des § 312 i Abs. 1 Nr. 4 BGB, welcher der Beweissicherung diene, ergebe sich, dass eine Regelung für den Fall eines Auseinanderfallens der jeweils aktuellen Fassung der AGB bei Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers und Annahme des Angebots durch den Unternehmer nicht beabsichtigt gewesen sei, da andernfalls das Gebot, die AGB speicherbar zur Kenntnis zu geben, bereits in § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt worden wäre. Da der Gesetzgeber offenbar davon ausgegangen sei, dass „die Unternehmer gemäß ihrer unternehmerischen Sorgfalt den Kunden die Unterlagen zur Verfügung stellen, die auch tatsächlich bereits vor Abgabe der Willenserklärung durch den Verbraucher aufgezeigt wurden“, verbiete sich eine rechtsfortbildende Auslegung im Sinne des Klägers.
Der Beklagte erstrebt seinerseits eine umfassende Klagabweisung.
1. Pflichtfeld Telefonnummer ohne Hinweis auf damit verbundene Beratungsmöglichkeit
Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht eine mit der Erfragung einer Telefonnummer des Kunden verbundene Hinweispflicht auf eine mögliche telefonische Beratung durch pharmazeutisches Apothekenpersonal bejaht und dies mit „wilden, nicht weiter belegten und letztlich lebensfremden Spekulationen“ begründet. Der Sinn und Zweck der verpflichtenden Angabe einer Telefonnummer, Rückfragen beim Kunden durch medizinisches Personal zu ermöglichen, werde durch das vorhandene Pflichtfeld für die Angabe einer Telefonnummer erfüllt. Dies ergebe sich auch aus der Begründung des Verordnungsgebers zu § 17 Abs. 2a ApBetrO, welche nur auf die grundsätzliche telefonische Erreichbarkeit des Kunden abstelle.
Im Übrigen sei davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher Verbraucher ohnehin die nach seinen Erwägungen angemessene Telefonnummer nenne.
Dass Verbraucher bei Bestellungen Telefonnummern trotz schlechter Erreichbarkeit angeben würden, sei lebensfremd, werde bestritten und habe der Kläger nicht unter Beweis gestellt.
Demgegenüber verweist der Kläger mit seiner Berufungserwiderung auf den eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 2a Nr. 7 ApBetrO, welchen das Landgericht zutreffend gewürdigt habe. Die Nennung des Grundes für die Pflichtangabe schütze auch das evtl. Geheimhaltungsinteresse des Kunden, dem eine entsprechende Auswahl der angegebenen Telefonnummer dienen könne.
2. Darstellung der Möglichkeit telefonischer Kontaktaufnahme
Insoweit verstößt das angefochtene Urteil nach Auffassung des Beklagten gegen § 308 Abs.1 ZPO, da der Verurteilung ungeprüft eine Klagänderung durch den Kläger, welcher zunächst in unzulässiger Weise ein Verurteilung zu einem aktiven Tun beantragt habe, zugrunde gelegt worden sei. Im Übrigen sei die Bereitstellung einer kostenlosen Telefonnummer nirgends vorgesehen; § 17 Abs. 2 (richtig 2a)Satz 1 Nr. 7 ApBetrO sehe lediglich „Einrichtungen der Telekommunikation ohne zusätzliche Gebühren“ vor.
Die Rüge der Verletzung des § 308 ZPO geht nach Auffassung des Klägers ins Leere, da das Landgericht zu Recht davon ausgegangen sei, dass das Klägerbegehren sich auf die konkrete Verletzungsform bezogen habe, was auch ausdrücklich klargestellt worden sei.
Der Zusatz im Antrag habe lediglich der Begründung der beanstandeten Wettbewerbswidrigkeit dienen sollen.
3. Widerrufsbelehrung
Soweit das Landgericht darauf abstelle, dass jedenfalls bei privat versicherten Kunden im Gegensatz zu Kassenpatienten, für welche ein Fernabsatzvertrag nach § 312 c BGB und auch die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte schon gem. § 129 Abs. 1 SGB V ausgeschlossen sei, ein Fernabsatzvertrag geschlossen werde, hätte auch nur insoweit nach dem Klageantrag erkannt und die Klage teilweise abgewiesen werden müssen. Bei Bestellungen von Kassenpatienten komme ein Vertrag zwischen Patient und Apotheke nicht zustande. Die statt dessen begründete sozialrechtliche Vertragsbeziehung zwischen Krankenkasse und Apotheke stelle keinen Fernabsatzvertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer i.S.d. § 312 c BGB dar und unterfalle auch nicht der Verbraucherrechtsrichtlinie.
Dies könne letztlich aber dahinstehen, da das Landgericht verkannt habe, dass § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB auch auf Arzneimittel anzuwenden sei, da auch bei der Rückgabe von Arzneimitteln, welche nicht weiterveräußert werden dürften, der Unternehmer unverhältnismäßig belastet werde. Entgegen der Urteilsgründe stelle die ratio legis nicht maßgeblich auf die Verderblichkeit von Lebensmitteln ab. Als maßgeblich für die Einschränkung des Widerrufsrechts nach Nr. 2 wie auch Nr. 3 der Vorschrift erweise sich die Unverkäuflichkeit der zurückgegebenen Ware. Daher ergebe sich aus § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB eine Beschränkung auf Lebensmittel ebenso wenig wie aus der zugrunde liegenden Richtlinie 2011/81/EU oder deren Erwägungsgründen. Die Subsumption von Arzneimitteln unter den Begriff der verderblichen Ware stelle daher keine erweiternde Auslegung dar.
Auch die weitere Begründung des Landgerichts erweise sich als nicht tragfähig, da ein Übereilungsschutz bei üblicherweise nur im Bedarfsfall bestellten Arzneimitteln nicht geboten sei und persönliche Beratung auch bei der online Bestellung durch die im selben Urteil postulierte Angabe einer kostenfreien Telefonnummer zu Beratungszwecken gewährleistet werde.
Tatsächlich werde der Kunde einer online-Apotheke mit dem angefochtenen Urteil gegenüber dem Kunden einer Präsenzapotheke, dem kein Rückgaberecht zustehe, obwohl er die Ware ebenfalls nicht öffnen und prüfen könne, in nicht gerechtfertigter Weise bevorzugt. Auch bestehe beim Versand von Arzneimitteln aufgrund der weitgehenden Preisbindung für den Apotheker keine Möglichkeit, Verluste aufgrund der Rückgabe von dann nicht mehr veräußerlichen Arzneimitteln bei der Preiskalkulation zu berücksichtigen.
Letztlich befördere die Einräumung eines Widerrufsrechtes den vom Gesetzgeber nicht gewünschten sorglosen Umgang mit Arzneimitteln.
Die Auslegung des § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB müsse die zugrunde liegende Verbraucherrechtsrichtlinie 2011/83/EU berücksichtigen. Sollte der Senat der Auffassung des Klägers und der Entscheidung des Landgerichts folgen, beantragt der Beklagte daher in Anlehnung an einen Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2017 (IIX ZR 104/16) zur Reichweite des Widerrufsausschlusses bei versiegelter Ware die Vorlage an den EuGH zur Klärung der Frage, ob auch die „rechtliche Verdorbenheit“ unter den Begriff der Verdorbenheit zu fassen ist.
Da die Erstreckung der §§ 312ff BGB auf Verbraucherverträge betreffend Gesundheitsdienstleistungen eine richtlinienüberschießende Ausdehnung darstelle, welche mit einem Eingriff in die Berufsfreiheit des Beklagten verbunden sei, beantragt dieser weiter
die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht im Wege einer konkreten Normenkontrollklage gem. Art. 100 Abs. 1 GG.
Damit widerspricht der Beklagte der Auffassung des Klägers zufolge der Regelung seiner eigenen Geschäftsbedingungen, welche unter § 2 den Kaufvertragsschluss mit dem Besteller und nicht etwa mit dessen Krankenversicherung vorsehen sowie unter § 8 auf ein Widerrufsrecht des Kunden mit Verbrauchereigenschaft hinweisen. Dieser Hinweis entspreche dem Regelungsgehalt des § 129 SGB V, welcher das zivilrechtliche Verhältnis zwischen Kunden und Apotheker zwar beeinflusse, aber nicht ersetze und bei richtlinienkonformer Auslegung in Bezug auf die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU nicht ersetzen dürfe.
Zur Recht habe das Landgericht dies indessen dahinstehen lassen, da sich aus der unstreitigen Verwendung der Klausel auch gegenüber Privatpatienten ihre Unwirksamkeit insgesamt ergebe und eine Teilklagabweisung daher nicht in Betracht komme.
Die der Berufungsbegründung des Beklagten zugrunde gelegte Auslegung des § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB hält der Kläger für unvereinbar sowohl mit dem klaren Wortlaut als auch mit der ratio legis, welche der Beklagte in unzulässiger Weise zu erweitern versuche.
§ 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB stelle ausdrücklich auf die Verderblichkeit der Ware bzw. eine kurze Verfallsfrist und nicht auf die Unmöglichkeit der Weiterveräußerung nach Rückgabe ab, welche der Beklagte auch nicht substantiiert vorgetragen habe. Waren, welche zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht versandt seien und daher jedenfalls anderweitig veräußert werden könnten, würden im Übrigen von der beanstandeten Klausel ebenfalls erfasst.
Für den weiteren Parteivortrag im Berufungsverfahren wird auf die vorgelegten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Berufungen des Klägers (A) wie des Beklagten (B) sind unbegründet.
A) Berufung des Klägers
Einen Unterlassungsanspruch des Klägers bezüglich der gebotenen Zugriffsmöglichkeit auf die AGB des Beklagten unter www. hat das Landgericht zu Recht verneint.
Es kann dahinstehen, ob nach § 312 i Abs. 1 Nr. 4 BGB eine Speichermöglichkeit bezüglich der AGB des Unternehmers zum Zeitpunkt der Absendung der Willenserklärung des Kunden geboten wäre (a), da der Kläger ausdrücklich die Verurteilung zur Unterlassung der Präsentation der AGB ohne Speichermöglichkeit vor der verbindlichen Erklärung der Bestellung begehrt (b).
a) Die in Umsetzung der E-Commerce Richtlinie 2000/31/EG, Art. 10 und 11, erlassene Vorschrift des § 312 i BGB stellt in Abs. 1 Nr. 4 als maßgeblichen Zeitpunkt für die Abruf- und Speichermöglichkeit von AGB auf den Vertragsschluss ab. Obwohl die Willenserklärungen im E-Commerce zeitlich notwendigerweise auseinanderfallen, wird insoweit – anders als zum Beispiel nach § 312 j Abs.1, Abs. 2 BGB – nicht der Abgabezeitpunkt einer der beiden erforderlichen Willenserklärungen als maßgeblich festgelegt.
Wie durch das Landgericht unter ausführlicher und zutreffender Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Gesetzgebungsgeschichte dargelegt, ergibt sich hieraus eine zwingende Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunktes auf die Abgabe der Willenserklärung durch den Verbraucher nicht. Erst recht ergibt sie sich nicht für einen noch früheren Zeitpunkt.
Die offensichtliche Intention des Gesetzgebers, die zeitnahe Dokumentation der dem Vertragsschluss nach korrespondierender Annahmeerklärung durch den Unternehmer zugrunde zu legenden AGB zur Beweissicherung zu ermöglichen (jurisPK/Junker, BGB Bd.2, 8.Aufl. 2017, § 312i, Abs.1 Nr.4, Rn. 72 m.w.N.), könnte allerdings entgegen der Auffassung des Landgerichts das Erfordernis einer unmittelbar mit der verbindlichen Bestellung zu eröffnenden Speichermöglichkeit nahelegen. Aufgrund des zeitlichen Auseinanderfallens der Willenserklärungen kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass die maßgeblichen AGB sich zum Zeitpunkt der Übersendung der Annahmeerklärung geändert haben könnten, nachdem der Unternehmer gem. § 312 i Abs. 1 Nr. 3 BGB zwar zur unverzüglichen Übermittlung einer Empfangsbestätigung verpflichtet ist, die Erklärung der Annahme aber – auch zeitlich in der Grenze des § 147 Abs. 2 BGB – in seinem Belieben steht. Für den Besteller, welchem schon gem. § 305 Abs. 2 BGB die Kenntnisnahme auf der Bestellseite vor Abgabe seiner Willenserklärung zu ermöglichen ist, wäre mangels Dokumentation, sofern er keinen – ihm nicht zuzumutenden – Screenshot der AGB angefertigt hatte, eine Abweichung der AGB und damit der Willenserklärung des Unternehmers kaum feststellbar. Die ratio legis könnte vor diesem Hintergrund für eine Auslegung dahingehend sprechen, dass die wiedergabefähige Speicherung spätestens zum Zeitpunkt der verbindlichen Abgabe der Willenserklärung des Bestellers, d.h. mit Absendung der Bestellung, ermöglicht werden sollte.
Die in der Literatur teilweise vertretene Auffassung, eine Übersendung der AGB mit der Annahmeerklärung des Unternehmers (MüKo/Wendehorst, BGB, 7. Aufl. 2016, § 312 i Abs.1 Nr.4 Rn.105) bzw. „während angemessener Zeitspanne, die spätestens bei Zugang der 2. korrespondierenden Willenserklärung beginnt“ (jurisPK/Junker, a.a.O., Rn. 75 m.w.N.) genüge den Anforderungen des § 312 i Abs. 1 Nr. 4 BGB, berücksichtigt das Beweissicherungsinteresse des Bestellers demgegenüber möglicherweise nicht ausreichend.
Ob einer derartigen teleologischen Auslegung die systematische Auslegung des Landgerichts entgegenstünde, bedarf jedoch keiner Entscheidung.
b) Der Kläger hat sein Unterlassungsbegehren nämlich ausdrücklich auf die fehlende Speichermöglichkeit vor der verbindlichen Bestellung gerichtet. Auch wenn er an anderer Stelle auch auf den Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung (I 75, II 37) bzw. den Zeitpunkt, in dem der Verbraucher sich mit der Bestellung befasst (II 35) abstellt, vertritt er in der Klagschrift ausdrücklich die seinen Antrag begründende Auffassung, der Verbraucher solle gem. § 305 Abs. 2 BGB in die Lage versetzt werden, sich vor Abgabe seiner Willenserklärung mit dem Bedingungswerk zu befassen, um zu wissen, mit welchen Konditionen das Vertragsverhältnis zustande komme. Genau zu diesem Zeitpunkt bestehe dann auch das Erfordernis, das Bedingungswerk zu archivieren (I 25). Die ausdrückliche zeitliche Beschränkung des Klageantrages A 3 auf eine Speichermöglichkeit in wiedergabefähiger Form vor Abgabe der Bestellung entspricht daher der Antragsbegründung, so dass keine nicht beabsichtigte Einschränkung des Antrages (BGH Urteil vom 27.07.2017 – I ZR 162/15 –, juris Rn. 17f) vorliegt.
Für eine noch weiter, vor verbindlicher Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers vorgelagerte Speichermöglichkeit besteht aber selbst dann, wenn von einer erweiternden Auslegung aufgrund der ratio legis (s.o. Ziff. II A a) auszugehen sein sollte, kein Grund.
B) Berufung des Beklagten
1. Pflichtfeld Telefonnummer ohne Hinweis auf damit verbundene Beratungsmöglichkeit
Insoweit hat das Landgericht mit überzeugender Begründung einen Unterlassungsanspruch des Klägers nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3 Abs. 1, 3 a UWG, 2 UKlaG, 17 Abs. 2 a Nr. 7 ApBetrO bejaht. Diese Begründung bezieht sich in erster Linie auf den klaren Wortlaut des § 17 Abs. 2 a Nr. 7 ApBetrO und ist schon deshalb nicht von „wilden…und letztlich lebensfremden Spekulationen“ getragen. Dass die Begründung des Verordnungsgebers (II 63) nicht nochmals auf den schon nach dem Wortlaut zu erteilenden Hinweis abstellt, sondern nur auf die eben dadurch erreichte Gewährleistung der Beratungsmöglichkeit für die Versandapotheke, steht dem nicht entgegen.
Zu Recht hat das Landgericht insoweit auch auf die Bedeutung des normierten Hinweises für die Auswahl der anzugebenden Telefonnummer durch den Kunden hingewiesen. Nur der entsprechend informierte Kunde wird in die Lage versetzt, die Gewährleistung der Erreichbarkeit gegen mögliche andere Interessen wie die eingeschränkte Preisgabe bestimmter Telefonnummern abzuwägen.
Die Behauptung, der Verbraucher gebe im Internet eine Nummer bei Bestellungen an, unter der er nicht gut zu erreichen sei, hat der Kläger nicht aufgestellt. Ob entsprechend der – naheliegenden – Auffassung des Beklagten (II 65) im Gegenteil davon auszugehen ist, dass der durchschnittliche Besteller von Waren im Internet eine Telefonnummer angibt, unter der er tatsächlich erreichbar ist, kann dahinstehen, da nach § 17 Abs. 2 a Nr. 7 ApBetrO eine aufgrund des dort postulierten Hinweises qualifizierte Auswahl der anzugebenden Telefonnummer ermöglicht werden soll.
2. Darstellung der Möglichkeit telefonischer Kontaktaufnahme
a) Auch insoweit überzeugt die auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.07.2012 (I ZR 40/11) gestützte Argumentation des Landgerichts.
Die bereits nach der bis 11.06.2012 maßgeblichen Fassung des § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 7 ApBetrO bestehende Verpflichtung, Bestellkunden auf die telefonische Beratungsmöglichkeit unter Mitteilung von Verbindungsmöglichkeit und Beratungszeiten hinzuweisen, wurde durch die seit 12.06.2012 geltende Fassung lediglich insoweit ergänzt, als auch über die Gebührenfreiheit der telefonischen Beratung zu informieren ist (BGH a.a.O., juris Rn. 19). Der alleinige Hinweis auf eine Telefon-Hotline, die nur gegen Gebühr in Anspruch genommen werden kann, war schon bis zum 12.06.2012 unzulässig (BGH a.a.O., juris Rn. 21 m.w.N.).
Dem Betreiber einer Versandapotheke soll mit diesen Regelungen die Schaffung einer der Beratungsmöglichkeit im stationären Arzneimittelhandel vergleichbaren Informations- und Beratungsmöglichkeit aufgegeben werden (BGH a.a.O., juris Rn. 19).
Wie durch die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vorgehende und insoweit bestätigte Entscheidung des OLG Stuttgart vom 17.02.2011 – 2 U 65/10 – zu Recht betont, ist aufgrund der überragenden Bedeutung des Schutzgutes der Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit und damit der Volksgesundheit jede Vorgabe, insbesondere jede weitere Kostenbelastung unzulässig, welche die Entscheidungsfreiheit des Kunden, sich beraten zulassen, unmittelbar oder mittelbar zu beschränken geeignet ist (OLG Stuttgart, a.a.O., juris Rn. 156f). Dies haben das OLG Stuttgart (a.a.O., juris Rn. 163ff) und nachfolgend der Bundesgerichtshof (a.a.O., juris Rn. 24) für den zu entscheidenden Fall von über den eigenen Tarifkosten des Kunden liegenden Gebühren bejaht.
Aufgrund des geschuldeten und seit der Neuregelung vom 12.06.2012 von der Hinweispflicht umfassten Angebots einer Beratungsmöglichkeit ohne zusätzliche, d. h. neben den Arznei- und Versandkosten anfallende Gebühren, welches allein geeignet ist, die Gleichstellung mit der Beratung in einer Präsenzapotheke zu gewährleisten, sind auch geringfügige Gebühren ohne Zeitlimit als in diesem Sinne unzulässig anzusehen. Auch der Höhe nach üblichen Festnetzgebühren oder üblichen Mobilfunkgebühren entsprechende Kosten bedeuten gegenüber den weit verbreiteten Flatrates Mehrkosten und sind geeignet, Bestellkunden aus diesem Grund oder im Fall geringer oder erschöpfter Prepaid-Handy-Guthaben von der Inanspruchnahme der Hotline abzuhalten.
b) Einer Teilabweisung bezüglich des Hinweises auf eine anzugebende kostenlose Telefonnummer im Klageantrag bedurfte es nicht. Der Klageantrag Ziff. A 2 war nach Formulierung und Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform auf die Unterlassung der beanstandeten Darstellung der telefonischen Kontaktaufnahmemöglichkeit gerichtet und dieser Anspruch weiter konkretisiert hinsichtlich Darstellungen „ohne Angabe einer Telefonnummer, an der der Verbraucher kostenlos anrufen kann.“ Diese Einschränkung enthält keine Verpflichtung zu einer aktiven Handlung im Sinne einer Verpflichtung zur Angabe einer kostenfreien Telefonnummer; aus der beantragten Unterlassungspflicht ergäbe sich lediglich mittelbar, dass eine danach zulässige Darstellung diese Angabe enthalten müsste. Auch wenn die Einschränkung nicht in Konditionalform erfolgte, stellte sie gleichwohl eine unschädliche Überbestimmung i.S.d. durch den Beklagten zitierten Rspr. des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 10.02.2011 – I ZR 183/09, juris Rn. 24 m. w.N.) dar, vergleichbar einer Auslegungshilfe in Form von „insbesondere“ Zusätzen (zu letzteren ausführlich Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 36. Auflage 2018, § 12 UWG, Rn. 2.46).
3. Widerrufsbelehrung
Auch die Einwendungen des Beklagten gegen die Verurteilung zur Unterlassung der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung gehen fehl.
a) Die Auslegung der maßgeblichen Vorschrift des § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB durch das Landgericht, der sich das Oberlandesgericht Naumburg angeschlossen hat (Urteil vom 22.06.2017 – 9 U 19/17 –, juris Rn. 40ff) entspricht der ratio legis und verstößt nicht gegen die Richtlinie 2011/83/EU.
Mit dem Verbraucherrechtsrichtlinienumsetzungsgesetz (VerbrRRL-UG) vom 20.09.2013 wurden zwar die Vorgaben dieser Richtlinie in nationale Vorschriften umgesetzt. Entgegen Erwägungsgrund (30) zu dieser Richtlinie, welcher indessen lediglich eine Empfehlung darstellt („die Gesundheitsversorgung … sollte daher vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden“) sieht § 312 Abs. 2 Nr. 7 BGB die eingeschränkte Anwendung der §§ 312 ff BGB nur für Behandlungsverträge vor. Die Anwendung des § 312 g BGB auf Verträge betreffend die Abgabe von Arzneimitteln als Bestandteil der Gesundheitsversorgung (Art 3 a der Richtlinie 2011/24/EU) beruht daher nicht auf den Vorgaben dieser Richtlinie und ist nicht an dieser zu messen, weshalb auch die vom Beklagten angeregte Vorlage an den EuGH nicht in Betracht kommt.
Aus der Gesetzesbegründung zu § 312 Abs. 2 Nr. 7 BGB (BR-Drucksache 817/12, S. 75) ergibt sich vielmehr ausdrücklich die mit der Regelung angestrebte Ausweitung des Verbraucherschutzes durch Gewährleistung eines Widerrufsrechtes auch für Fernabsatzverträge über die Abgabe von Arzneimitteln. Die Formulierung der Gesetzesbegründung ist insoweit eindeutig: „Verträge über die Abgabe von Arzneimitteln… sollen von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 diese Untertitels jedoch erfasst werden. Auch bei diesen Verträgen ist der Verbraucher schutzwürdig. … Darüber hinaus“ (bezogen auf weitere Informationspflichten bei Abgabe von Gesundheitspräparaten) „steht dem Verbraucher bei einem Vertrieb außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz grundsätzlich auch ein Widerrufsrecht zu, wenn nicht ein anderer Ausschlussgrund … eingreift“. Diese Formulierung verbietet eine Auslegung des Ausschlussgrundes des § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB im Sinne einer vom Beklagten postulierten „rechtlichen Verderblichkeit“ wegen unmöglicher Wiederveräußerung nach Widerruf und Warenrücksendung, welche einem, schon gem. § 312 k Abs. 1 BGB untersagten, Ausschluss des Widerrufsrechts für Arzneimittel im Fernabsatz gleichkäme (ebenso Kommentar von Mand, WRP 2017, 1529f, Ziff. 4; zitiert nach juris). Es kommt daher nicht darauf an, dass als „Waren, die schnell verderben können“ gem. § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB nach dem Wortsinn nach kurzer Zeit nicht mehr genuss- oder verwendungsfähige Waren zu verstehen sind, was auf an einen Verbraucher übersandte Medikamente nur in Ausnahmefällen zutrifft.
Der Senat sieht keinen Anlass für eine Normenkontrollvorlage gem. Art 100 GG an das Bundesverfassungsgericht wegen eines nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des Beklagten gem. Art. 12 GG durch Ungleichbehandlung gegenüber Präsenzapotheken. Es erscheint schon höchst zweifelhaft, dass eine Benachteiligung gegenüber einer Präsenzapotheke durch die Belastung mit der Unveräußerlichkeit zurückgegebener Arzneimittel gegenüber dem Vorteil erheblich geringerer Sach- und Personalkosten bei gleichzeitig ungleich größerem Einzugsbereich eintreten könnte. Dies kann jedoch dahinstehen. Das Grundrecht aus Art. 12 GG steht im Verhältnis praktischer Konkordanz (BVerfG, Beschlüsse vom 17.12.1975 – 1 BvR 63/68 –, juris Rn. 67 und – 1 BvR 428/69 –, juris Rn. 62) zum Verbraucherschutz, welchem ebenfalls Verfassungsrang zukommt (BVerfG, Beschluss vom 29.06.2016 – 1 BvR 1015/15 –, Ls. 2a, 2b,aa, juris Rn. 66; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2017, Einf. vor § 145 Rn. 14) und wird durch diesen entsprechend begrenzt. Der Gesetzgeber war daher zu der mit der Normierung der §§ 312ff BGB verbundenen Regelung der Berufsausübung für Versandapotheken befugt. Die mit dieser Regelung getroffene Bewertung der zugrunde liegenden Interessen ist hinzunehmen und kann nur durch den Gesetzgeber geändert werden (ebenso OLG Naumburg, a.a.O., juris Rn. 53; Mand a.a.O., Ziff. 5).
b) Zutreffend hat das Landgericht auch die Verwendung der beanstandeten Widerrufsbelehrung untersagt, ohne zwischen der Verwendung gegenüber Kassenpatienten bei Bestellung verschriebener Arzneimittel und gegenüber anderen Kunden zu differenzieren.
Ob Kassenpatienten als Besteller aufgrund der nach der Rspr. des Bundessozialgerichts allein § 129 SGB V in Verbindung mit den nach dessen Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 geschlossenen Rahmenvereinbarungen unterworfenen öffentlich-rechtlichen Leistungsberechtigung und -verpflichtung des Apothekers (Hauck/Noftz/Luthe, SGB 12/16, § 129 SGB V, juris Rn. 10) als Verbraucher i.S.d. § 312 g BGB zu behandeln sind, kann dahinstehen. Eine Teilabweisung für den Fall fehlender Verbrauchereigenschaft war nicht geboten, da der von der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung erfasste, mit Sicherheit häufige und erwünschte Fall von Bestellungen durch Privatpatienten als Verbraucher den Verstoß gegen §§ 312 g Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, 1 UKlaG begründet, ohne dass es darauf ankommt, ob die Klausel in anderen Fallkonstellationen als unbedenklich zu bewerten wäre (BGH Urteil vom 25.07.2017 – XI ZR 260/15 –, juris Rn. 26ff). Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf den Fall der Bestellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch Kassenpatienten – unterstellt, dass diese insoweit nicht als Verbraucher zu behandeln wären – kommt daher nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordert die Zulassung der Revision nicht.
Insbesondere liegen die Voraussetzungen für die von Seiten des Beklagten angeregte Zulassung der Revision hinsichtlich der Wirksamkeit des Ausschlusses des Widerrufsrechts nicht vor. Von einer klärungsbedürftigen Frage ist angesichts der unmissverständlichen Gesetzesbegründung nicht auszugehen. Abweichende obergerichtliche Entscheidungen liegen, soweit ersichtlich, nicht vor; in der – spärlichen – Literatur zur aktuellen Gesetzesfassung finden sich dezidiert abweichende Meinungen nicht (ebenso OLG Naumburg a.a.O., Rn. 61ff).