Entscheidungen in Leitsätzen
SGB V § 130a Abs. 8
1. Krankenkassen können Rabattverträge im Sinne des § 130a Abs. 8 SGB V für Kontrastmittel als Sprechstundenbedarf mit dem Ziel ausschreiben, dass nach Abschluss eines Rahmenvertrags (Exklusivvertrag) mit dem Ausschreibungsgewinner der Bezug des bezuschlagten Produkts durch Vertragsärzte als wirtschaftliche Verordnung gilt (Konkretisierung des wirtschaftlichen Bezugswegs).
2. Einer gesonderten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf es hierfür nicht (Vorbehalt des Gesetzes). Gesetzliche Regelungen stehen einem solchen Vorgehen nicht entgegen (Vorrang des Gesetzes).
Gründe
I.
1 Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über eine europaweite Ausschreibung von Rahmenverträgen über Arzneimittelrabatte der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 durch den Antragsgegner zu 1. Die Antragstellerin begehrt eine einstweilige Untersagung der Fortsetzung der Ausschreibung sowie des Abschlusses der ausgeschriebenen Rahmenverträge.
2 Die antragstellende GmbH betreibt ein pharmazeutisches Unternehmen, das auf die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb von Kontrastmitteln für bildgebende Verfahren spezialisiert ist. Sie stellt unter anderem die Arzneimittel I® (Wirkstoff: Im.) in den Konzentrationen 150, 250, 300, 350 und 400 mg Iod/ml, S® (Wirkstoff: Ip.) in den Konzentrationen 200, 300 und 370 mg Jod/ml, und P® (Wirkstoff: G.) her, welche Röntgenkontrastmittel sind. Sie ist das einzige Unternehmen im Konzernverbund, das in Deutschland tätig ist.
3 Die Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 sind gesetzliche Krankenversicherungen. Bei dem Antragsgegner zu 1 handelt es sich um den Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen, einschließlich der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3. Der Antragsgegner zu 1 führt im Auftrag der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 die streitgegenständliche europaweite offene Ausschreibung durch. Die Antragsgegnerin zu 2 handelt für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Schleswig-Holstein federführend für sich selbst sowie weitere Krankenkassen bzw. deren Verbände. Die Antragsgegnerin zu 3 handelt für die KV-Bezirke Rheinland-Pfalz und Saarland federführend für sich selbst, sowie weitere Krankenkassen bzw. deren Verbände.
4 Mit Ausschreibung vom 20. Oktober 2020 und EU-weiter Bekanntmachung vom 22. Oktober 2020 schrieb der Antragsgegner zu 1 im Auftrag der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 auf dem Deutschen Vergabeportal den „Abschluss von Rahmenverträgen zur Belieferung der radiologisch tätigen Vertragsärzte im KV-Bezirk Schleswig-Holstein und in den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland mit Kontrastmitteln“ aus („Ausschreibung“; ABl. EU 2020/S …). Bis zum 20. November 2020 konnten sich pharmazeutische Unternehmen mit Angeboten an der Ausschreibung beteiligen.
5 Für beide Gebietslose, die den beiden KV-Bezirken entsprechen, wurden die ausgeschriebenen Kontrastmittel wirkstoffübergreifend, z.B. nach Anwendung, Anwendungsgebieten und Konzentrationen, in fünf Fachlose aufgeteilt. Das Fachlos C hat die jodhaltigen Röntgenkontrastmittel für die intraarterielle, intravenöse und intrakavitäre Anwendung zum Gegenstand, die für die Anwendung in der Urographie, Phelobographie, Arteriographie, Angiographie, Angiokardiographie, digitale Substraktionsangiographie, CT-Kontrastverstärkung und für die Darstellung von Körperhöhlen zugelassen sind. In der Ausschreibung angeboten werden müssen zum einen die Konzentrationen 300 mg/ml oder 320 mg/ml („Konzentrationen 1“) und zum anderen die Konzentrationen 350 mg/ml oder 370 mg/ml oder 400 mg/ml („Konzentrationen 2“), jeweils in bestimmten Packungsgrößen. Die Bewerber müssen jodhaltige Röntgenkontrastmittel sowohl in den Konzentrationen 1 und 2 anbieten (jeweils mindestens eins) als auch gemeinsam alle Anwendungsgebiete abdecken.
6 Für jedes Los ist jeweils der Abschluss eines exklusiven Rahmenvertrages (im Folgenden RV) mit dem Ausschreibungsgewinner vorgesehen. Die entsprechenden Rahmenverträge sind bereits in den Ausschreibungsunterlagen enthalten. Eine Verhandlung über den Vertragsinhalt findet nicht statt. Zuschlagskriterium ist der Preis. Jeder Bieter hat für jedes Fachlos, auf das er bietet, einen einheitlichen Preis pro ml anzubieten (Preisblatt, Anlage 8a und 8b der Vergabeunterlagen). Im Formblatt Preisangaben (Anlage 12; z.B. Bl. 280 der SG-Akte) sind Angaben zu machen u.a. zum Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens, zum Apothekenverkaufspreis und zu den gesetzlichen Herstellerrabatten nach § 130a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V; nach Absätzen 1, 1a, 3a, 3b). Vertragsparteien sind einerseits das pharmazeutische Unternehmen, das in der Ausschreibung den Zuschlag erhalten hat, und andererseits je nach Gebietslos die Antragsgegnerinnen zu 2 oder 3 mit den jeweils oben aufgezählten Sozialversicherungsträgern. Diese Verträge sollen mit Wirkung zum 1. März 2021 in Kraft treten (zunächst mit einer Laufzeit von zwölf Monaten und einer maximalen Verlängerung für ein weiteres Jahr).
7 In den KV-Bezirken bestehen zwischen der jeweiligen KV und der jeweils örtlich zuständigen Antragsgegnerin zu 2 oder 3 einschließlich der von diesen vertretenen Krankenversicherungsträger Vereinbarungen über die vertragsärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf (Sprechstundenbedarfsvereinbarung; im Folgenden SSB), die u.a. folgende Regelungen enthalten:
8 SSB Schleswig-Holstein (SH):
9 § 4 Abs. 2: Die Krankenkassen(-verbände) und die KVSH informieren die Vertragsärzte gemäß § 73 Abs. 8 SGB V über wirtschaftliche Preise/Lieferwege/Lieferkonditionen, vereinbarte Pauschalen und Rabattverträge. Nach Bekanntgabe dieser Informationen sind grundsätzlich nur diese wirtschaftlichen Produkte zu verordnen.
10 Abs. 14: Die Krankenkassen(-verbände) in Schleswig-Holstein sind berechtigt, kostengünstige Bezugswege für Produktgruppen von wirtschaftlicher Relevanz des Sprechstundenbedarfs zu erschließen. Sie vereinbaren mit der KVSH die jeweiligen Produktgruppen. Die Vertragspartner informieren die Vertragsärzte soweit Veränderungen im Verordnungsverhalten notwendig sind.
11 Abs. 15: Die Krankenkassen(-verbände) können für Produkte oder Produktgruppen, die Gegenstand dieser Vereinbarung sind, Vergabeverfahren durchführen. Für die Laufzeit der im Vergabeverfahren zustande gekommenen Verträge sind nur die Produkte des bezuschlagten Bieters zu verordnen. Die Vertragspartner informieren die Vertragsärzte zeitnah. Im Einzelfall kann ausnahmsweise bei Vorliegen medizinischer Gründe davon abgewichen werden. In den Fällen des Satzes 4 ist, wenn möglich, entsprechend diesem medizinisch begründeten Einzelbedarf zu verordnen; etwaige Restmengen sind dem Sprechstundenbedarf zuzuführen. Das Vorliegen eines Einzelfalles nach Satz 4 und die Einhaltung der Bestimmungen der Sätze 4 und 5 sind zu dokumentieren.
12 § 5 Abs. 2: Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Sprechstundenbedarf durch die Prüfungsstelle erfolgt gemäß der zwischen Krankenkassen(-verbänden) und KVSH getroffenen Prüfvereinbarung gemäß §§ 106 Abs. 1, 106a Abs. 4 und 106b Abs. 1 SGB V.
13 SSB Rheinland-Pfalz (RLP):
14 I.3. Für Sprechstundenbedarf gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot. … Ferner ist der Arzt angehalten, bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf einen günstigen Bezugsweg zu wählen und soweit verfügbar – Generika zu verordnen.
15 IV.4. Die nach den §§ 44 oder 47 des Arzneimittelgesetzes in der jeweiligen Fassung von der Apothekenpflicht oder von der Vertriebsbindung über die Apotheken ausgenommenen Mittel (z. B. Verbandmittel, Röntgenkontrastmittel, Infusionslösungen mit mindestens 500 ml pro Einheit, injizierbare Diagnostika) sollen direkt vom Hersteller oder Großhandel bezogen werden, wenn ein solcher Direktbezug wirtschaftlicher ist. …
16 VI.4. Unabhängig von der Durchführung sachlich-rechnerischer Richtigstellungen erfolgt die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Sprechstundenbedarf durch die Gemeinsame Prüfungseinrichtung nach den Bestimmungen der zwischen den Verbänden der Krankenkassen und der KV RLP getroffenen Prüfvereinbarung.
17 SSB Saarland (SL):
18 III.1. Bei der Versorgung und Verwendung von Sprechstundenbedarf ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten.
19 IV.6. Die nach §§ 44 oder 47 des Arzneimittelgesetzes in der jeweiligen Fassung von der Apothekenpflicht oder von der Vertriebsbindung über die Apotheken ausgenommenen Arzneimittel (z. B. Röntgenkontrastmittel, injizierbare Diagnostika, Infusionslösungen in Behältnissen von mindestens 500 m1) sowie nicht apothekenpflichtige Mittel, wie z.B. Verbandstoffe, Nahtmaterial, Infusionszubehör, Einmal-Biopsienadeln usw., sollen direkt vom Hersteller oder Großhandel bezogen werden, wenn ein solcher Direktbezug wirtschaftlicher ist.
20 V.2. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Sprechstundenbedarf erfolgt nach den Bestimmungen der zwischen den Verbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland getroffenen Prüfvereinbarung.
21 Auf die SSB wird in der Ausschreibung und den ausgeschriebenen Rahmenverträgen verwiesen und Bezug genommen.
22 Der ausgeschriebene Rahmenvertrag SH (RV SH) regelt u.a.:
23 § 2 Abruf der Leistungen / Lieferung …
24 (2) Nach § 4 der SSB-Vereinbarung SH gilt für Sprechstundenbedarf eine vereinbarte Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise. Die Krankenkassen/-verbände können für Produkte oder Produktgruppen, die Gegenstand dieser Vereinbarung sind, Vergabeverfahren durchführen. Für die Laufzeit der im Vergabeverfahren zustande gekommenen Verträge sind nur die Produkte des bezuschlagten Bieters zu verordnen. Im Einzelfall kann ausnahmsweise bei Vorliegen medizinischer Gründe davon abgewichen werden.
25 (3) Die radiologisch tätigen Vertragsärzte in Schleswig-Holstein werden von der Auftraggeberin über die Ausschreibungsgewinner der einzelnen Fachlose informiert, so dass diese direkt bei dem entsprechenden Hersteller / Ausschreibungsgewinner bestellen können.
26 Der ausgeschriebene Rahmenvertrag RLP und SL (RV RLP/SL) regelt u.a.:
27 § 2 Abruf der Leistungen / Lieferung …
28 (2) Nach Abschnitt I Nr. 3 der SSB-Vereinbarung RLP sowie Abschnitt III der SSB-Vereinbarung SL gilt für Sprechstundenbedarf das Wirtschaftlichkeitsgebot. … Der Arzt ist angehalten, bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf einen günstigen Bezugsweg zu wählen und — soweit verfügbar — Generika zu verordnen. Gemäß Abschnitt IV Nr. 4 der SSB-Vereinbarung RLP sowie Abschnitt IV Nr. 6 der SSB-Vereinbarung SL sollen Kontrastmittel direkt vom Hersteller oder Großhandel bezogen werden, wenn ein solcher Direktbezug wirtschaftlicher ist.
29 (3) Die radiologisch tätigen Vertragsärzte in Rheinland-Pfalz und im Saarland werden von der Auftraggeberin über die Ausschreibungsgewinner der einzelnen Fachlose informiert, so dass diese direkt bei dem entsprechenden Hersteller / Ausschreibungsgewinner bestellen können.
30 Am 6. November 2020 beantragte die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz bei dem SG und begehrte die – jeweils ordnungsgeldbewehrte – Untersagung der Fortsetzung der Ausschreibung sowie des Vertragsschlusses mit Bietern im Vergabeverfahren. Sie rügte die sozialrechtliche Unzulässigkeit der Ausschreibung und des Abschlusses von Exklusivverträgen mangels Rechtsgrundlage und wegen entgegenstehender Vorschriften des SGB bzw. deren Systematik sowie eine verfassungswidrige Gleichbehandlung ihres Produktes I®400 im Fachlos C. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei insgesamt eröffnet, da es sich ausschließlich um Rechtsfragen sozialrechtlicher Natur handle. Diese seien dem „Ob“ der Ausschreibung zuzuordnen und dem Beschaffungsbeschluss vorgelagert. Bei Fortführung der Ausschreibung und Abschluss der Rahmenverträge drohten ihr, der Antragstellerin, erhebliche wirtschaftliche Schäden. Sie rechne in diesem Fall mit erheblichen Umsatzeinbußen für den Zeitraum der vorgesehenen Vertragslaufzeit. In der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 24. November 2020 gab dieser an, der entstehende Schaden sei bei vorsichtiger Schätzung auf … EUR pro Vertragsjahr zu beziffern.
31 Die Antragsgegnerinnen traten dem Antrag entgegen. Hinsichtlich des Antragsgegners zu 1 sei dieser bereits unzulässig. Ebenso bestehe keine Antragsbefugnis zur Untersagung der Fortführung der Ausschreibung für die Fachlose A, B und K, auf die die Antragstellerin gar nicht bieten wolle und könne. Die angebliche Verletzung des Diskriminierungsverbotes müsse die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vortrag vor den Vergabenachprüfungsinstanzen im Rahmen des § 97 Abs. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) angreifen. Im Übrigen werde eine Rechtswegrüge ausdrücklich nicht erhoben. Der Abschluss von Rabattvereinbarungen mit Anbietern im Rahmen eines EU-weiten offenen Verfahrens greife nicht in subjektive Rechte der Antragstellerin ein. Unabhängig davon wäre ein entsprechender (unterstellter) Eingriff auch nicht rechtswidrig, sondern – da das Vergabeverfahren und die Rabattvereinbarung nicht gegen geltendes Recht verstießen – gerechtfertigt und von der Antragstellerin deshalb zu dulden.
32 Mit Beschluss vom 12. Dezember 2020 lehnte das SG den Antrag ab. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei eröffnet. Die Frage der Bildung des Fachloses C betreffe zwar eine Frage des „Wie“ der Ausschreibung, was in der Zuständigkeit der Vergabekammern liege. Nach § 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) entscheide das Gericht aber über den Klageanspruch unter jedem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt. Der Antrag sei unzulässig, soweit er auch die Fachlose A, B und K betreffe. Da die Antragstellerin für diese keine Produkte anbiete, fehle es hier an einem Rechtschutzinteresse, weil keine schützenswerte Position vorstellbar sei. Im Übrigen sei der Antrag zulässig, aber unbegründet. Hinsichtlich des Anordnungsanspruches bestünden bereits Bedenken, ob ein Eingriff in eine geschützte Rechtsposition der Antragstellerin vorliege. In Bezug auf die Vornahme von Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits entschieden, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrages an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers berührten. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfe die Ausschreibung der Rahmenverträge nicht. Verträge zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen bedürften keiner gesetzlichen Zulassung (Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03). Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V seien als öffentlich-rechtliche Verträge nach § 53 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zur Durchsetzung des in § 12 Abs. 1 SGB V normierten und das gesamte krankenversicherungsrechtliche Leistungs- und Leistungserbringungsrecht durchziehenden Wirtschaftlichkeitsgebots zulässig. Um den Krankenkassen neben den rechtlichen auch die tatsächliche Möglichkeit einzuräumen, im Verhandlungsweg Abschläge auf die ansonsten geltenden Preise zu erzielen, müsse die Krankenkasse deshalb in der Lage sein, die Abnahme einer bestimmten Menge verlässlich zuzusagen. Eine zumindest prinzipielle Exklusivität der Lieferbeziehungen gehöre daher zu den Essentialia eines entsprechenden Vertrags. Im Umfang eines solchen Exklusivliefervertrags würden alle anderen Anbieter von der Versorgungsberechtigung zulasten der vertragsschließenden Krankenkasse ausgeschlossen (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25 November 2015 – B 3 KR 16/15 R). In diesem Rahmen sei es auch im Hinblick auf die durch Art. 12 Grundgesetz (GG) garantierte Berufsfreiheit ausreichend, wenn den Leistungserbringern im Wege einer Ausschreibung der Leistung gleicher Zugang zur Leistungserbringung gewährt werde. Die Krankenkassen seien bei der Vergabe von Leistungen an Leistungserbringer europarechtlich zur Ausschreibung der Verträge verpflichtet, gerade um den Leistungserbringern gleichen Zugang zu den Verträgen zu gewähren, soweit den Krankenkassen die Möglichkeit eingeräumt sei, Versorgungsverträge mit einzelnen Leistungserbringern, d.h. selektivvertraglich, zu schließen. Einfachgesetzliche Regelungen des SGB V schlössen die ausgeschriebenen Rahmenverträge weder nach ihrem Regelungsgehalt noch nach der Gesetzessystematik aus. Ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmern bestehe nicht. Darüber hinaus sei die Fachlosbildung eine Frage des „Wie“ des Vergabeverfahrens und damit gerade nicht Gegenstand der sozialgerichtlichen Prüfung. Diese Entscheidung obliege jedenfalls der Handlungsfreiheit der Antragsgegnerinnen. Bedenken aus sozialrechtlicher Hinsicht bestünden im Rahmen einer summarischen Prüfung hinsichtlich dieser Aufteilung nicht. Hinsichtlich des Anordnungsgrundes bestünden Bedenken. Gemessen am eigenen Vortrag der Antragstellerin gehe es um einen Verlust von ca. 6 % des Umsatzes bei Fortführung des Vergabeverfahrens und Abschluss der Verträge mit einem anderen Anbieter. Vor diesem Hintergrund seien gravierende wirtschaftliche Folgen für die Antragstellerin fernliegend. Zusätzlich würde sich bei unterstellter Unzulässigkeit der exklusiven Ausschreibung und des hierdurch verursachten Schadens zumindest die Frage eines Schadensersatzanspruchs stellen.
33 In dem parallel geführten Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Bundes (VK 2 – 103/20) wegen der unterbliebenen Bildung eines eigenen Fachloses für die Jod-Konzentration 400 mg/ml bzw. deren Einbeziehung in das Fachlos C sowie der Berechnung von Korrekturfaktoren wurde der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 14. Dezember 2020 zurückgewiesen. Rechtsmittel wurden nicht eingelegt.
34 Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 14. Dezember 2020 zugestellten (elektronisches Empfangsbekenntnis) Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 14. Januar 2021 beim SG Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung führt sie – wie überwiegend bereits erstinstanzlich – aus, der Antrag sei insgesamt zulässig. Exklusivausschreibungen seien (insgesamt) nicht mit dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vereinbar. D.h. nicht nur einzelne Fachlose und etwa deren Bildung, sondern die Ausschreibung sei damit insgesamt rechtswidrig. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Der Ausschreibung und den damit zusammenhängenden Verträgen komme eine exklusive, andere Leistungserbringer ausschließende Wirkung zu. Da die Produkte des Ausschreibungsgewinners nach der Auffassung der Antragsgegnerinnen allein als wirtschaftlich gelten, werde der Absatz der Produkte der Nicht-Ausschreibungsgewinner wesentlich verhindert oder erschwert. Dies sei auch gerade intendiert und nicht bloßer Reflex einer behördlichen Maßnahme. Tatsächlich würden die nicht bezuschlagten Kontrastmittel von der Regelversorgung letztlich aller gesetzlich Versicherten in dem gesamtem jeweiligen KV-Bezirk ausgeschlossen. Es handle sich damit um einen Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG, der nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen dürfe. Auch wegen der erheblichen Einschränkung der Verordnungsfreiheit der Vertragsärzte sei für den Abschluss von Exklusivverträgen eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Dies ergebe sich des Weiteren aus der gesetzlichen Reglungssystematik im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Wo nach dem Willen des Gesetzgebers der Abschluss von Exklusivverträgen möglich sein solle, habe er explizite Regelungen mit zum Teil ausdifferenzierten Vorgaben getroffen (Verweis auf Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2018 – S 8 KR 219/18), so bei der Hilfsmittelversorgung mit einer ausdifferenzierten Regelung in § 127 SGB V, bei der Arzneimittelversorgung in §§ 130b, 130 c SGB V, wo eine Exklusivität lediglich für die besonderen Vereinbarungen nach § 130c Abs. 3 SGB V erreicht werden könne, und bei Impfstoffen nach § 132e Abs. 2 SGB V, der in seiner Fassung bis 12. Mai 2017 eine Exklusivregelung explizit vorgesehen habe, die aber durch ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen abgeschafft worden sei.
35 Eine danach erforderliche und ausreichende Rechtsgrundlage für wirkstoffübergreifende Exklusivverträge bestehe nicht. Das Wirtschaftlichkeitsgebot i.V.m. § 53 SGB X biete keine ausreichende Rechtsgrundlage. Entgegen der Auffassung des SG bedürfe es nicht des Anreizes eines exklusiven Vertrages, um Preisabschläge ohnehin konkurrierender pharmazeutischer Unternehmer zu erreichen. Das vom SG angeführte Urteil des BSG vom 25. November 2015 (B 3 KR 16/15 R) sei auf § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V a.F. gestützt, den der Gesetzgeber in Reaktion auf dieses Urteil unmittelbar aufgehoben habe. Gerade diese gesetzgeberische Korrektur erlaube Rückschlüsse auf die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Regelung für Exklusivverträge. § 130a Abs. 8 SGB V biete eine solche nicht. Dieser knüpfe an die Vertragsautonomie der Krankenkassen und der pharmazeutischen Unternehmen an. Im Fall eines exklusiven Rabattvertrages treffe jedoch allein die Krankenkasse die Entscheidung über das „Ob“ des Vertrages, den Vertragsgegenstand und das „Wie“ des Vertrages. Zudem werde durch eine Exklusivausschreibung ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Krankenkassen und Unternehmen geschaffen, das der Vertragsautonomie zuwiderlaufe. Exklusivverträge seien durch die in § 130a Abs. 8 Satz 9 Alt. 1 SGB V vorgeschriebene Berücksichtigung der Vielfalt der Anbieter ausdrücklich ausgeschlossen und verstießen des Weiteren gegen das Gebot der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten (Satz 9 Alt. 2). Insbesondere zeige die amtliche Begründung der Regelung, dass die Vorgaben über die Vielfalt der Anbieter in vergaberechtlich zulässiger Weise nicht nur bei der Ausschreibung, sondern auch der Vergabe entsprechender Verträge beachtet werden müssten. Mit der Bezugnahme auf den Beschluss des BVerfG vom 13. September 2005 (2 BvF 2/03) verkenne das SG, dass dieser die Notwendigkeit einer expliziten Rechtsgrundlage für (wirkstoffübergreifende) Exklusivausschreibungen unterstütze. Das BVerfG stelle zunächst nur fest, dass § 130a Abs. 8 SGB V den Krankenkassen keine neue Handlungsform zur Verfügung stelle. Zu öffentlich-rechtlichen Verträgen über freiwillig gewährte Preisnachlässe seien diese bereits aufgrund der §§ 53 ff. SGB X berechtigt. An einer solchen Freiwilligkeit fehle es aber im Fall der Exklusivausschreibung, da sich die Vertragsparteien nicht auf Augenhöhe begegneten, sondern tatsächlich in einem klaren Über-/Unterordnungsverhältnis stünden. Einem pharmazeutischen Unternehmen, das die einseitig gesetzten Bedingungen der ausschreibenden Krankenkasse nicht erfüllen möchte oder nicht könne, bleibe keine Möglichkeit zur Verhandlung über den Vertragsgegenstand oder -bedingungen mit der Krankenkasse. Bei den SSB-Vereinbarungen handle es sich um Verträge auf Landesebene zwischen den Krankenkassen und den jeweiligen kassenärztlichen Vereinigungen zur Regelung von Abrechnungsmodalitäten. Normativ könnten Dritte wie pharmazeutische Unternehmen durch die Regelungen in den SSB-Vereinbarungen nicht gebunden werden, da sie keine Vertragspartei und auch nicht in den Abschluss einbezogen seien.
36 Mit der nur auf wirtschaftlichen Erwägungen basierenden Einbeziehung des Produktes I®400 in das Fachlos C trotz seiner therapeutischen Singularität verstoße die Ausschreibung gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Produkt ermögliche im Vergleich zu anderen Kontrastmitteln entweder eine langsamere, schonendere Injektion oder eine erhöhte Bildqualität. Des Weiteren könne es dazu beitragen, die Strahlendosis für den Patienten substantiell zu reduzieren. Diese Sonderstellung sei bislang von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland durch Zuordnung zu einem eigenen Fachlos oder durch eine Vergabe in einem Open-House-Vertrag auch anerkannt worden.
37 Der Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGG sei erforderlich, denn bei Fortsetzung der rechtswidrigen wirkstoffübergreifenden Ausschreibung würden die Exklusivverträge geschlossen mit der Folge, dass andere Kontrastmittel als die des Ausschreibungsgewinners nur noch im Ausnahmefall mit besonderer Begründung und unter der Befürchtung von Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren verordnet würden. Die vom SG angeführte Frage eines Schadenersatzanspruches sei irrelevant. Da ihr, der Antragstellerin, Kerngeschäft in der Herstellung und im Vertrieb von Kontrastmittel liege, sei sie von der Ausschreibung mit drei Produkten in verschiedenen Konzentrationen betroffen. Anders als große Konkurrenzunternehmen könne sie Verluste, die sie im Bereich der Kontrastmittel erleide, durch Gewinne in anderen Tätigkeitsbereichen des Unternehmens nicht ausgleichen. Ihr wirtschaftlicher Erfolg stehe und falle mit dem Absatz von Kontrastmitteln. Die finanziellen Auswirkungen bei Abschluss der Exklusivverträge mit anderen Anbietern im Vergleich zu einem vertragslosen Zustand seien mit einem zu erwartenden Schaden von … EUR erheblich. Es bestehe zudem die Gefahr, dass durch den Antragsgegner zu 1 vermittelt werde, dass in anderen KV-Bezirken/deutschlandweit wirkstoffübergreifende/exklusive Ausschreibungen für Kontrastmittel erfolgen könnten, die zu zusätzlichen Schäden bei ihr, der Antragstellerin, führen würden. In der Summe addiere sich dies auf. Dieser erheblichen finanziellen Belastung stehe gegenüber, dass die Antragsgegnerinnen durch die Fortführung der Ausschreibung und den Abschluss der im Regelfall für zwei Jahre bindenden Exklusivverträge Fakten schafften, die in der Zukunft nicht, auch nicht durch ein sozialgerichtliches Hauptsacheverfahren, zu korrigieren seien. Die Antragsgegnerinnen seien aber rechtlich weder dazu ermächtigt, geschweige denn verpflichtet, die Belieferung mit Kontrastmitteln wirkstoffübergreifend und exklusiv auszuschreiben und Exklusivverträge abzuschließen, noch dazu verpflichtet, überhaupt Rabattverträge abzuschließen.
38 Die Antragstellerin beantragt (sachdienlich gefasst),
39 den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Dezember 2020 aufzuheben und
40 I. im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegnern zu 1 bis 3 zu untersagen, die Ausschreibung vom 20. Oktober 2020 über den „Abschluss von Rahmenverträgen zur Belieferung der radiologisch tätigen Vertragsärzte im KV-Bezirk Schleswig-Holstein und in den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland mit Kontrastmitteln“ (Vergabe-ID: …) fortzusetzen, insbesondere einen Bieter in dem vorgenannten Vergabeverfahren zu bezuschlagen;
41 II. im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegnern zu 2 bis 3 zu untersagen, mit Bietern im Vergabeverfahren mit der Vergabe-ID … in öffentlich-rechtlichen Verträgen Preisnachlässe über die Belieferung mit Kontrastmitteln von radiologisch tätigen Vertragsärzten im KV-Bezirk Schleswig-Holstein und in den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland zu den in dem Vergabeverfahren dargelegten Bedingungen zu vereinbaren;
42 III. im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegnern für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen zu I. und zu II. ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR anzudrohen.
43 Die Antragsgegner beantragen (sachdienlich gefasst),
44 die Beschwerde zurückzuweisen,
45 hilfsweise keine Entscheidung über die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne vorherigen Termin zur mündlichen Verhandlung oder zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Parteien zu erlassen.
46 Sie haben mitgeteilt, das Vergabeverfahren sei nach Bestandskraft des – vorgelegten – Beschlusses der Vergabekammer und Entfallen des Zuschlagsverbots gemäß § 169 Abs. 1 GWB weitergeführt worden. Die europaweite Auftragsbekanntmachung sei noch nicht erfolgt. Die von den Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 gegengezeichneten Vertragsausfertigungen seien bisher noch nicht an die Zuschlagsempfänger übersandt worden.
47 Die angefochtene Entscheidung sei zutreffend. Der gegen den Antragsgegner zu 1 gerichtete Antrag sei bereits unzulässig, dem Antrag Ziff. II komme im Hinblick auf Antrag Ziff. I kein eigener Bedeutungsgehalt zu. Die gerügte Ungleichbehandlung des Produkts I®400 sei nur und ausschließlich vor den Vergabenachprüfungsinstanzen geltend zu machen (§ 156 Abs. 2 GWB). Insoweit liege nunmehr der bestandskräftige und bindende Beschluss der Vergabekammer vom 14. Dezember 2020 vor. Im Ergebnis habe das SG aber zutreffend sowohl den Anordnungsanspruch als auch den -grund verneint.
48 Dem geltenden gemachten Unterlassungsanspruch fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. Der Schutzbereich des allein in Frage kommenden Art. 12 Abs. 1 GG sei durch eine vergaberechtskonforme Ausschreibung bereits nicht betroffen. Die Berufsfreiheit umfasse keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten. Das Recht auf Teilhabe am Wettbewerb bestehe nur nach Maßgabe der Funktionsbedingungen des jeweiligen Wettbewerbs, zu denen die das gesamte SGB V prägende Beschränkung der Leistungspflicht auf wirtschaftliche Leistungen und die hiermit korrespondierende Verpflichtung der Vertragsärzte zu einer wirtschaftlichen Verordnungsweise gehörten. Für die Vergabe öffentlicher Aufträge in einem Vergabeverfahren habe das BVerfG entschieden, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers berühre. Der Abschluss der ausgeschriebenen Rahmenverträge stelle weder einen unmittelbaren noch einen mittelbar faktischen Eingriff in das Recht auf Teilhabe am Wettbewerb dar, sondern betreffe ausschließlich die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung der Antragstellerin. Eventuelle zukünftige wettbewerbliche Nachteile durch verstärkte Verordnung rabattierter Produkte anderer Hersteller aus Gründen der Wirtschaftlichkeit beruhten nicht auf dem Verhalten der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3, sondern auf dem Erfolg von Mitbewerbern in einem wettbewerblichen EU-weiten Vergabeverfahren. Wenn nach der Rechtsprechung des BVerfG bereits Arzneimittelfestbeträge mangels objektiver berufsregelnder Tendenz keinen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellten, gelte dies erst recht für nicht durch staatlichen Hoheitsakt vorgenommene Rabattverträge.
49 Jedenfalls wäre ein unterstellter Eingriff durch eine hinreichende sozialversicherungsrechtliche Rechtsgrundlage gedeckt, nämlich die Vertragsfreiheit nach § 53 SGB X sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot, das u.a. in § 12 SGB V und § 73 Abs. 8 SGB V zum Ausdruck komme, und § 130a Abs. 8 SGB V, was das BVerfG im Beschluss vom 13. September 2005 (2 BvF 2/03) bestätigt habe. Ein dort zugrunde gelegter freiwilliger Vertragsschluss werde entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht durch eine einseitige Vorgabe der Vertragsbedingungen ausgeschlossen. Hierdurch entstehe kein Über-/Unterordnungsverhältnis oder (Kontrahierungs-)Zwang. Die einseitige Vorgabe der Bewerbungs- und Vertragsunterlagen sei zwingendes Gebot des Vergaberechts bei offenen Ausschreibungsverfahren, das dem (Rechts-)Schutz, insbesondere den Gleichheitsrechten der Anbieter diene. Dass Krankenkassen zum Abschluss von öffentlich-rechtlichen Verträgen keiner speziellen Ermächtigung bedürften, hätten das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 27. Mai 2010 – L 21 KR 11/09 SFB) und das Sozialgericht Mannheim (Beschluss vom 1. Dezember 2016 – S 11 KR 3428/16 ER) bereits entschieden. Für die SSB-Vereinbarungen und diese selbst als Grundlage für den Abschluss der ausgeschriebenen Verträge bestünden hinreichend spezifische Grundlagen im SGB V (Verweis auf Oberlandesgericht [OLG] Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juli 2015 – VII-Verg 12/15 und VII-Verg 13/15 – sowie BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 – B 6 KA 41/03 R). Das BSG habe im Urteil vom 25. November 2015 (B 3 KR 16/15 R) bestätigt, dass exklusive Lieferrechte überhaupt erst rechtskonforme Ausschreibungen ermöglichten. Durch eine punktuelle Gesetzesänderung der dem zugrundeliegenden Norm oder des § 132e Abs. 2 SGB V für Impfstoffe habe der Gesetzgeber nicht den grundlegenden Prinzipien öffentlich-rechtlicher Verträge und deren Zulässigkeit die Grundlage entzogen. Auch § 130a Abs. 8 SGB V stelle eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die intendierten Rahmenvereinbarungen im Kontrastmittelbereich dar. Die Anbietervielfalt werde durch die Bildung von Gebiets- und Fachlosen berücksichtigt. Die bedarfsgerechte Versorgung sei sichergestellt. Frühere entsprechende Ausschreibungen hätten in keinem Fall zu einer nicht bedarfsgerechten Versorgung der radiologisch tätigen Vertragsärzte geführt.
50 An einem Anordnungsgrund fehle es, da bereits offensichtlich keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestünden. Jedenfalls wäre letztlich aufgrund der eindeutig zugunsten der Antragsgegnerinnen ausfallenden Interessensabwägung die begehrte einstweilige Anordnung zu versagen. Die Antragstellerin könne nicht glaubhaft machen, dass ihr schwerwiegende, nicht wiedergutzumachende Nachteile drohten, falls die Durchführung der Ausschreibung nicht umgehend untersagt würde. Dass ihr durch die behaupteten Umsatzeinbußen ein existenzgefährdender oder auch nur ein relevanter Schaden drohe, sei nicht dargetan und wäre angesichts der Größe und Wirtschaftskraft der Antragstellerin, deren Konzernergebnis im Jahr 2019 einen Umsatz von … Mrd. EUR umfasst habe und die selbst (isoliert betrachtet) in den letzten Geschäftsjahren jeweils einen Jahresumsatz zwischen … Mio. und … Mio. EUR ausgewiesen habe, ersichtlich abwegig. Selbst bei Zugrundelegung eines – völlig unsubstantiiert und ohne jeden Beleg und Anhaltspunkt angegebenen – Umsatzrückgangs von ca. … Mio. EUR jährlich würde dies weniger als 5 % des Jahresumsatzes der Antragstellerin und einen verschwindenden Promille-Anteil des Jahresumsatzes im Konzernverbund ausmachen, der keine schwerwiegenden Folgen für die Antragstellerin nach sich ziehen würde. Ohnehin sei der wesentlich größere Umsatzfaktor für die Kontrastmittelhersteller der im Rahmen der stationären Versorgung eingesetzten Kontrastmitteln von der angegriffenen Ausschreibung gar nicht umfasst. Angaben zu den – eigentlich relevanten – Gewinneinbußen habe die Antragstellerin nicht gemacht. Eine Ablehnung der einstweiligen Anordnung schaffe keine unumkehrbaren Fakten. Die Antragstellerin wäre im Fall eines Falles durch Schadensersatzansprüche abgesichert. Im Übrigen habe die Allgemeinheit, namentlich die Beitragszahler, ein überwiegendes Interesse an dem Abschluss und der Durchführung nur solcher Verträge, welche eine wirtschaftliche Versorgung mit Arzneimitteln einschließlich Kontrastmitteln sicherstellten.
51 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte des Senats und des SG sowie die vorgelegte Vergabeakte Bezug genommen.
II.
52 1. Die nach § 173 i.V.m. § 65a Abs. 1 und 3 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 172 SGG).
53 2. Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht zurückgewiesen.
54 2.1 Die Anträge der Antragstellerin sind in dem vom SG angenommenen Umfange zulässig.
55 2.1.1. Der Senat hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Sozialgerichten nicht mehr zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Denn das SG hat im angefochtenen Beschluss diesen Rechtsweg bejaht. Zwar greift diese Bindungswirkung nicht ein, wenn das Sozialgericht über den Rechtsweg entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG trotz Rüge des fehlerhaften Rechtswegs nicht vorab, sondern ausdrücklich oder stillschweigend erst in der abschließenden Entscheidung entschieden hat (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 51 Rn. 65a m.w.N.). Eine solche Rüge hatten die Antragsgegnerinnen jedoch nur hinsichtlich der von der Antragstellerin geltend gemachten Ungleichbehandlung des I®400-Produkts erhoben (Bl. 491 der SG-Akten). Hierbei hatten sie geltend gemacht, bei der Verletzung des Diskriminierungsverbotes handle es sich nicht lediglich um eine der Vergabe bzw. dem Vergabeverfahren vorgelagerte Frage, sondern um eine vergaberechtliche Rüge, die sich auf eine konkrete Ausschreibungsgestaltung und damit auf einen Anspruch aus § 97 Abs. 6 GWB beziehe. Diese Beanstandung sei nur und ausschließlich vor den Vergabenachprüfungsinstanzen geltend zu machen (§ 156 Abs. 2 GWB). Insoweit liegt jedoch mittlerweile der nicht mit Rechtsmitteln angefochtene und damit für die Beteiligten bindende Beschluss der Vergabekammer vom 14. Dezember 2020 vor. Eine Überprüfung der dort bejahten vergaberechtlichen Rechtmäßigkeit der Zusammenstellung des Fachloses C unter Einbeziehung auch der Wirkstoffkonzentration 400 mg/ml (und damit des I®400-Produkts) ist dem Senat somit – unabhängig von der Frage des Rechtswegs – nicht mehr möglich. Im Übrigen hatten die Antragsgegnerinnen die Zulässigkeit des Rechtswegs ausdrücklich nicht gerügt (Bl. 492 der SG-Akte).
56 2.1.2. Der auf die Unterlassung der Fortführung des Vergabeverfahrens (Antrag Ziff. I) gerichtete Antrag ist zulässig. Zwar haben die Antragsgegnerinnen nach ihrem Vortrag im Beschwerdeverfahren nach Bestandskraft des Beschlusses der Vergabekammer und Entfallen des Zuschlagsverbots gemäß § 169 Abs. 1 GWB das Vergabeverfahren weitergeführt. Zumindest die entsprechende europaweite Auftragsbekanntmachung ist danach aber noch nicht erfolgt. Hierauf kann sich das Unterlassungsbegehren noch zulässig beziehen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist der Antrag insoweit auch gegen die Antragsgegnerin zu 1 zulässig. Denn diese führt das Ausschreibungsverfahren für die Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 durch. Auch der Zulässigkeit des auf die Unterlassung des Abschlusses von Rabattverträgen gerichtete Antrag Ziff. II steht das mittlerweile weiterbetriebene Vergabeverfahren nicht entgegen. Zumindest wurden die von den Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 gegengezeichneten Vertragsausfertigungen bisher noch nicht an die Zuschlagsempfänger übersandt. Der Antrag richtet sich zulässig nur gegen die Antragsgegnerinnen zu 2 und 3. Die Antragsgegnerin zu 1 schließt hingegen selbst keine der ausgeschriebenen Rahmenverträge ab.
57 2.1.3. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG statthaft, aber hinsichtlich der Fachlose A, B und K, für die die Antragstellerin keine Produkte anbietet, mangels schützenswerter Rechtsposition unzulässig ist. Der Senat schließt sich dem aufgrund einer Prüfung an und nimmt insoweit auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (dort Ziff. 2) Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Das Vorbringen der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn nach ihrer Auffassung „Exklusivausschreibungen“ (insgesamt) nicht mit dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vereinbar sind, ergibt sich hieraus noch keine Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung der Antragstellerin durch ausgeschriebene Rabattverträge für Marktsegmente, auf denen sie selbst keine Produkte anbietet (vgl. allg. zur Vermeidung einer „Popularklage“ BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 17/18 R – juris, Rn. 25).
58 2.2. Die Anträge der Antragstellerin sind nicht begründet.
59 Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit – wie hier – nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 23 ff. und vom 25. Februar 2009 – 1 BvR 120/09 – juris, Rn. 11). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden auf Grund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung des begehrten Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (Senatsbeschluss vom 27. März 2014 – L 4 KR 3593/13 ER-B – juris, Rn. 30). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
60 2.3. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch der Antragstellerin.
61 Materiell-rechtlich beruht der Unterlassungsanspruch auf einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, nach dem der Inhaber eines Rechts, sofern ein Eingriff in ein absolutes Recht oder ein ansonsten geschütztes Rechtsgut droht, die Unterlassung des Eingriffs verlangen kann, wenn er nicht zu dessen Duldung verpflichtet ist. Im Verhältnis Bürger-Staat wird der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch regelmäßig auf die dem Einzelnen zustehenden Freiheitsgrundrechte gestützt. Darüber hinaus kann aber die Bedrohung nicht nur grundrechtlich gesicherter Güter, sondern auch durch öffentlich-rechtliche Normen geschützter Rechtspositionen (subjektiv öffentliches Recht) einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch auslösen (BSG, Urteil vom 15. November 1995 – 6 RKa 17/95 – juris, Rn. 17 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 – L 4 KR 4446/15 ER-B – juris, Rn. 38).
62 2.3.1. Die Ausschreibung der Rahmenverträge stellt keinen Eingriff in die nach Art. 19 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin dar (zur Berufsfreiheit „juristischer Personen“ des Privatrechts Scholz, in: Maunz/Dürig/Scholz, GG-Kommentar, 92. EL August 2020, Art. 12 Rn. 106 f., Stand Juni 2006).
63 2.3.1.1. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit liegt vor, wenn die grundrechtlich geschützte Tätigkeit ganz oder teilweise unterbunden wird oder sie aufgrund der staatlichen Maßnahme nicht mehr in der gewünschten Weise ausgeübt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 – 1 BvR 355/86 – juris, Rn. 62). Eine solche Folge ist mit der Ausschreibung der Rahmenverträge nicht unmittelbar verbunden. Die Antragstellerin ist durch diese nicht gehindert, Arzneimittel – hier konkret Kontrastmittel – herzustellen, in den Verkehr zu bringen und auf dem Markt anzubieten. Die Ausschreibung der Antragsgegnerinnen bietet ihr vielmehr eine Möglichkeit, ihre Produkte auch im Rahmen der Arzneimittelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung zu verkaufen.
64 2.3.1.2. Der besondere Freiheitsraum, den das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG sichern will, kann jedoch auch dann berührt sein, wenn die Auswirkungen hoheitlichen Handelns geeignet sind, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen. Das ist insbesondere bei staatlicher Planung und Subventionierung mit berufsregelnder Tendenz möglich (BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 – 1 BvR 355/86 – juris, Rn. 63). Daran fehlt es aber vorliegend. Denn die ausgeschriebenen Rahmenverträge enthalten keine planerischen Elemente. Eine Subventionierung erfolgt nicht. Vielmehr treten die Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 lediglich auf Nachfrageseite auf dem Arzneimittelmarkt auf, auf dem die Antragstellerin mit anderen Anbietern im Wettbewerb steht.
65 2.3.1.3. Das Grundrecht der Berufsfreiheit umfasst auch die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit den Interessenten auszuhandeln. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Art. 12 Abs. 1 GG sichert in diesem Rahmen die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Dagegen umfasst das Grundrecht keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien berühren grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvR 1160/03 – juris, Rn. 61 f.; Nichtannahmebeschluss vom 1. November 2010 – 1 BvR 261/10 – juris, Rn. 11 m.w.N.). Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusst die handelnde staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern wird selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig und eröffnet so einen Vergabewettbewerb zwischen den potentiellen Anbietern. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswählt. Dementsprechend trägt ein Wettbewerber auf der Angebotsseite stets das Risiko, dass seinem Angebot ein anderes, für den Nachfrager günstigeres vorgezogen wird (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvR 1160/03 – juris, Rn. 61 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. November 2010 – 1 BvR 261/10 – juris, Rn. 11 m.w.N.).
66 So liegt es auch hier. Die Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 werden bei der Ausschreibung von Rabattverträgen als Nachfrager auf dem Arzneimittelmarkt wettbewerblich tätig. Es sind keine besonderen Umstände zu erkennen, aufgrund derer die ausgeschriebenen Rahmenverträge ausnahmsweise dennoch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sein könnten. Dies wäre der Fall, wenn die angewandten Kriterien nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einen Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstellen würden, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre. An einer eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehlt es jedoch, wenn mittelbare Folgen lediglich ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung sind (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. November 2010 – 1 BvR 261/10 – juris, Rn. 12 m.w.N.).
67 Das Vergabeverfahren dient dem Abschluss von Rahmenverträgen zur Belieferung der Vertragsarztpraxen in den genannten Gebieten mit Kontrastmitteln. Die Leistung ist in zwei Gebietslose aufgeteilt. Es werden mehrere Wirkstoffe indikationsübergreifend in fünf Fachlosen zusammengefasst. Ein Rahmenvertrag wird jeweils für ein Fachlos je Gebietslos geschlossen (Auftragsbekanntmachung II.1.4). Zuschlagskriterium ist der Preis (Auftragsbekanntmachung II.2.5.). Hierzu gibt der Anbieter im Preisblatt (Anlage 8a; z.B. Bl. 212 der SG-Akte) den Angebotspreis in EUR/ml (inkl. MwSt.) im entsprechenden Fachlos an. Im Formblatt Preisangaben (Anlage 12; z.B. Bl. 280 der SG-Akte) sind Angaben zu machen u.a. zum Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens, zum Apothekenverkaufspreis und zu den gesetzlichen Herstellerrabatten nach § 130a SGB V (nach Absätzen 1, 1a, 3a, 3b). Ermittelt wird auf diese Weise der günstigste zusätzliche (freiwillige) Rabatt über die in § 130a Abs. 1, 1a, 3a, 3b SGB V gesetzlich vorgeschriebenen hinaus. Die Rahmenvereinbarung wird – je Gebiets- und Fachlos – mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer geschlossen (Auftragsbekanntmachung IV.1.3).
68 Nach § 1 Abs. 2 des jeweils vorgesehenen Rahmenvertrags regelt dieser die Belieferung der radiologisch tätigen Vertragsärzte im Land Schleswig-Holstein bzw. Rheinland-Pfalz und im Saarland mit den in der Anlage 11 der Vergabeunterlagen aufgeführten Kontrastmitteln. Der vorgesehene Rahmenvertrag sieht dabei nicht vor, dass der Zuschlagsgewinner und Vertragspartner zum allein zugelassenen Leistungserbringer für das jeweilige Fach- und Gebietslos wird, also alle anderen Anbieter als nicht zugelassene Leistungserbringer per se und gänzlich von der Versorgung/Lieferung in diesem Bereich ausgeschlossen wären. Eine solche Regelung findet sich an keiner Stelle der jeweils vorgesehenen Rahmenverträge. Auch wird keine bestimmte Absatzmenge garantiert, die in diesem Umfang zu einem Ausschluss anderer Anbieter führte. Der Vertragstext sieht eine solche nicht vor. Aus den Besonderen Bewerbungsbedingungen (1.3), die nach § 1 Abs. 3 RV Vertragsbestandteil sind, ergibt sich ausdrücklich, dass auch die in Anlage 4a und 4b aufgeführten Abrufe keine Mengengarantie in Bezug auf die abzuschließenden Rahmenverträge darstellen.
69 Eine exklusive Stellung wird dem Zuschlaggewinner und Vertragspartner nur im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots eingeräumt. § 2 Abs. 2 RV RLP/SL verweist lediglich auf die Regelungen zum Wirtschaftlichkeitsgebot in den jeweiligen SSB-Vereinbarungen: „Nach Abschnitt I Nr. 3 der SSB-Vereinbarung RLP sowie Abschnitt III der SSB-Vereinbarung SL gilt für Sprechstundenbedarf das Wirtschaftlichkeitsgebot. … Der Arzt ist angehalten, bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf einen günstigen Bezugsweg zu wählen und – soweit verfügbar – Generika zu verordnen. Gemäß Abschnitt IV Nr. 4 der SSB-Vereinbarung RLP sowie Abschnitt IV Nr. 6 der SSB-Vereinbarung SL sollen Kontrastmittel direkt vom Hersteller oder Großhandel bezogen werden, wenn ein solcher Direktbezug wirtschaftlicher ist.“ Nach Abs. 3 werden die radiologisch tätigen Vertragsärzte in Rheinland-Pfalz und im Saarland von der Auftraggeberin über die Ausschreibungsgewinner der einzelnen Fachlose informiert, so dass diese direkt bei dem entsprechenden Hersteller/Ausschreibungsgewinner bestellen können. Demnach wird der Bezug des Kontrastmittels durch die niedergelassenen Vertragsärzte beim Ausschreibungsgewinner grundsätzlich als dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechend angesehen. Ein gänzlicher Ausschluss des Bezugs bei einem anderen Anbieter wie bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer liegt hierin nicht. Jedenfalls wenn der Bezug anderer Mittel in gleicherweise wirtschaftlich oder aus medizinischen Gründen notwendig ist, ergibt sich aufgrund des Rahmenvertrags insoweit kein Ausschluss.
70 Dies gilt ebenso für die im Wortlaut strenger gefasste Regelung in § 2 Abs. 2 RV SH: „Nach § 4 der SSB-Vereinbarung SH gilt für Sprechstundenbedarf eine vereinbarte Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise. Die Krankenkassen/-verbände können für Produkte oder Produktgruppen, die Gegenstand dieser Vereinbarung sind, Vergabeverfahren durchführen. Für die Laufzeit der im Vergabeverfahren zustande gekommenen Verträge sind nur die Produkte des bezuschlagten Bieters zu verordnen. Im Einzelfall kann ausnahmsweise bei Vorliegen medizinischer Gründe davon abgewichen werden.“ Abs. 3 sieht ebenfalls die Information der Vertragsärzte über den Ausschreibungsgewinner vor. Die – nur grundsätzliche – Exklusivität der Versorgung durch den Ausschreibungsgewinner ergibt sich auch hier lediglich aus den Regelungen zur Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Medizinische Gründe des Einzelfalls gehen aber nach der Ausnahmeregelung ausdrücklich vor. Auch hier werden im Vergabeverfahren unterlegene Anbieter nicht wie ein nicht zugelassener Leistungserbringer per se von der Versorgung ausgeschlossen. Ausdrücklich wird auch in den Besonderen Bewerbungsbedingungen (1.3 Ausschreibungsgegenstand; Bl. 111 der SG-Akten) darauf hingewiesen, dass eine Verordnung/Bestellung eines bestimmten, nicht bezuschlagten Kontrastmittels/einer nicht bezuschlagten Packungsgröße und/oder Darreichungsform und eine vom Zuschlagsprodukt abweichende Verordnung/Bestellung durch den Arzt im Rahmen seiner Therapiehoheit medizinisch zu begründen und zu dokumentieren sei. Ausgeschlossen ist sie demnach aber gerade nicht.
71 Aus den genannten vertraglichen Regelungen und den darin in Bezug genommenen Regelungen zur Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots folgt allerdings eine den Bezug von Kontrastmitteln steuernde Wirkung hin zu dem bezuschlagten Produkt. Diese wird von den Antragsgegnerinnen mit der Ausschreibung der Rahmenverträge auch erwartet. So wird in der Auftragsbekanntmachung in der kurzen Beschreibung des Gegenstandes (II.4; Bl. 73 der SG-Akten) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vertragsärzte aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet seien, den Bedarf an Kontrastmitteln nur mit dem Bezuschlagten zu befriedigen. In den Bewerbungsbedingungen wird für beide Gebietslose auf die jeweils geltenden, in § 2 Abs. 2 des RV genannten Regelungen der SSB-Vereinbarung und die vorgesehene Information über den Ausschreibungsgewinner (wie § 2 Abs. 3 RV) hingewiesen. Ein entsprechender Hinweis ist auch in die Besonderen Bewerbungsbedingungen (1.2; Bl. 110 der SG-Akte) aufgenommen. In der dortigen Ziff. 1.3 ist ausgeführt: „Der Arzt muss das in dem betreffenden Fachlos bezuschlagte Kontrastmittel verordnen und bestellen. Die Verordnung bzw. Bestellung eines anderen Produktes der gleichen Indikation/einer anderen Packungsgröße/einer anderen Darreichungsform würde in Schleswig-Holstein der SSB-Vereinbarung mit Wirkung ab 01.01.2020 und zugleich dem Wirtschaftlichkeitsgebot und in Rheinland-Pfalz und dem Saarland dem in den SSB-Vereinbarungen festgelegten Wirtschaftlichkeitsgebot nicht genügen.“ Wenn der Arzt im Rahmen seiner Therapiehoheit auf die Verordnung/Bestellung eines bestimmten, nicht bezuschlagten Kontrastmittels/einer nicht bezuschlagten Packungsgröße und/oder Darreichungsform bestehe und eine vom Zuschlagsprodukt abweichende Verordnung/Bestellung vornehme, sei dies medizinisch zu begründen und zu dokumentieren und bei einer etwaigen Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzulegen. Bei Nichteinhaltung des nach Bezuschlagung verbindlichen Bestell- und Bezugsweges sei grundsätzlich von einer Unwirtschaftlichkeit auszugehen (Bl. 111 der SG-Akte). Die ausgeschriebenen Rahmenverträge dienen somit einer wirtschaftlichen Arzneimittelbeschaffung. Sich hieraus ergebende Einschränkungen der Absatzchancen der Antragstellerin auf dem Markt oder die allgemeine Preisgestaltung der am Vergabeverfahren teilnehmenden pharmazeutischen Unternehmen stellen sich lediglich als Reflex des Nachfrageverhaltens und damit nicht als eine staatliche Maßnahme mit eingriffsgleicher Wirkung (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01. November 2010 – 1 BvR 261/10 – juris, Rn. 12) dar.
72 Bei der Preisbildung werden über die in § 130a Abs. 1, 1a, 3a, 3b SGB V gesetzlich geregelten Rabatte keine weiteren staatlich vorgegeben oder vorgeschrieben. Weitergehende Preisnachlässe nach § 130a Abs. 8 SGB V sind freiwillige Handlungen der pharmazeutischen Unternehmer (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 – juris, Rn. 167). Die besondere Marktmacht der Antragsgegnerinnen zu 2 und 3 ändert an dieser Beurteilung entgegen der Ansicht der Antragstellerin nichts (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. November 2010 – 1 BvR 261/10 – juris, Rn. 12). Gegen diese schützen die allgemein geltenden Regelungen, die Wettbewerb ermöglichen und begrenzen, insbesondere solche, die dem Missbrauch wirtschaftlicher Macht entgegenwirken (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvR 1160/03 – juris, Rn. 63). An einer eingriffsgleichen Wirkung fehlt es somit vorliegend, da die mittelbaren Folgen für die Antragstellerin lediglich ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Maßnahme zur Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes sind.
73 2.3.2. Zu messen ist das Vorgehen der Antragsgegnerinnen allerdings aus dem nach Art. 19 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erwachsenden Recht eines Unternehmers auf fairen Wettbewerb. Einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. November 2010 – 1 BvR 261/10 – juris, Rn. 13 m.w.N; Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvR 1160/03 – juris, Rn. 64 ff.). Die Krankenkassen sind nach dem deutschen Krankenversicherungssystem Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. Das Recht der Unternehmen aus Art 12. Abs. 1 GG auf Teilhabe am Wettbewerb nach seinen jeweiligen Funktionsbedingungen schützt diese zwar nicht vor Veränderung der Wettbewerbsbedingungen oder vor Konkurrenz, wohl aber im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG vor ungerechtfertigter staatlicher Begünstigung von Konkurrenten (BSG, Urteile vom 24. November 2004 – B 3 KR 23/04 R – juris, Rn. 23, vom 3. Mai 2018 – B 3 KR 9/16 R – juris, Rn. 18 und vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 11/17 R – juris, Rn.51, jeweils m.w.N.). Dieses Recht ist verletzt, wenn eine Krankenkasse die Voraussetzungen für die Teilhabe an der Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in einer vom Gesetzgeber nicht vorgezeichneten Weise zu Lasten einzelner Marktteilnehmer ändert und andere hierdurch begünstigt. Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes gilt insoweit nicht. Denn grundsätzlich kann sich eine Krankenkasse zur Durchsetzung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots aller rechtlich zulässigen Mittel des Verwaltungshandelns bedienen und demnach auf der Grundlage der §§ 53 ff. SGB X auch Verwaltungsverträge mit Leistungserbringern schließen, ohne dass es dazu einer besonderen Ermächtigungsnorm bedarf (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 – juris, Rn. 165; BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 – B 1 KR 4/08 R – juris, Rn. 34). Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bedarf es daher für die ausgeschriebenen Rahmenverträge keiner ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
74 Zu beachten ist insoweit aber der Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes. Er setzt der Vertragskompetenz der Krankenkassen Grenzen, nämlich durch die Existenz entgegenstehender Rechtsvorschriften und/oder Rechte Dritter sowie durch die Bindung an – abschließend ausgestaltete – Vorgaben des Leistungserbringerrechts nach Maßgabe des § 69 SGB V (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 KR 26/08 R – juris, Rn. 24). Trifft eine Krankenkasse vorbereitende oder endgültige Auswahlentscheidungen unter konkurrierenden Leistungserbringern, ist dies demgemäß nur rechtmäßig, soweit sie erstens dem Grunde nach nicht ausgeschlossen sind und zweitens im Einklang mit den jeweils maßgebenden Vorschriften des Leistungserbringungsrechts stehen (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 KR 26/08 R – juris, Rn. 29). Im Übrigen findet allerdings bei Regelungen zu Preisabschlägen eine über die Willkürkontrolle hinausgehende Prüfung nur bei obligatorischen, also gesetzlich vorgeschriebenen Abschlägen statt (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 11/17 R – juris, Rn. 51), die hier nicht vorliegen.
75 2.3.3. Die ausgeschriebenen Rahmenverträge sind nicht bereits dem Grunde nach ausgeschlossen.
76 2.3.3.1. Mit der Ausschreibung der Rahmenverträge handeln die Antragsgegnerinnen nicht hoheitlich in einem Ober- oder Unterordnungsverhältnis, sondern auf der Ebene der Gleichordnung. Die Zulässigkeit eines Verwaltungsvertrages ist deshalb nach § 53 Abs. 1 SGB X zu beurteilen, denn die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den pharmazeutischen Unternehmen sind öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. §§ 69, 130a ff. SGB V). Zur Durchsetzung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots können sich die Krankenkassen aller Mittel des Verwaltungshandelns bedienen. Dazu zählt auch der Abschluss eines Verwaltungsvertrages, der einer besonderen Ermächtigungsnorm – wie bereits dargelegt (s.o. 2.3.2) – nicht bedarf (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 – juris, Rn. 166). Arzneimittelrabattverträge werden als sog. koordinationsrechtliche Verträge zwischen den Vertragspartnern geschlossen, da diese nach dem zu regelnden Gegenstand zueinander in einem Gleichordnungsverhältnis stehen (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 – juris, Rn. 172; BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 – B 1 KR 4/08 R – juris, Rn. 34).
77 Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Entgegenstehende Rechtsvorschriften können formelle Gesetze oder Rechtsverordnungen, aber auch allgemeine Rechtsgrundsätze des öffentlichen Rechts sein. Zu den entgegenstehenden Rechtsvorschriften sind weiter die verfassungsrechtlichen Normen und Prinzipien zu zählen wie das Rechtsstaatsprinzip, Verhältnismäßigkeitsprinzip, Gleichheitsgebot (Schütze/Engelmann, 9. Aufl. 2020, SGB X § 53 Rn. 42 m.w.N.). Insoweit ist hier der Vorrang des Gesetzes (s.o. 2.3.2.) auch einfachgesetzlich normiert. Rechtsvorschriften stehen in diesem Sinne entgegen, wenn entweder eine gesetzliche Regelung die Rechtsform des Vertrages ausschließt oder den vereinbarten Inhalten andere Rechtsvorschriften im genannten Sinne entgegenstehen.
78 2.3.3.2. Der Abschluss von Verträgen zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmern ist gesetzlich nicht ausgeschlossen, sondern ausdrücklich vorgesehen. Nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V können die Krankenkassen oder ihre Verbände mit pharmazeutischen Unternehmern Rabatte für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel vereinbaren. Das Gesetz erlaubt den Krankenkassen hier also ausdrücklich den Abschluss von Einzelverträgen mit pharmazeutischen Unternehmern über Rabatte für Arzneimittel, die der Arzneimittelversorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung dienen. Der Vertragsschluss erfolgt nicht mit Verbänden der pharmazeutischen Unternehmer, sondern jeweils mit dem pharmazeutischen Unternehmer direkt. Allein im Verhältnis mit dem abschließenden pharmazeutischen Unternehmer hätte es dieser speziellen gesetzlichen Regelung nicht bedurft. Denn vom vertragsschließenden pharmazeutischen Unternehmer freiwillig gewährten Preisnachlässen ist im Sozialversicherungsrecht keine gesetzliche Grenze gesetzt, jedenfalls solange nichts vom Gesetz Abweichendes vereinbart wird (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 – juris, Rn. 167).
79 Bei den ausgeschriebenen Rahmenverträgen handelt es sich um Rabattverträge i.S.d. § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V. Denn wie oben dargestellt (2.3.1.3), wird durch die Angabe des Angebotspreises des jeweiligen Anbieters und die weiteren Angaben u.a. zum Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens, zum Apothekenverkaufspreis und zu den gesetzlichen Herstellerrabatten nach § 130a SGB V (nach Absätzen 1, 1a, 3a, 3b) der günstigste zusätzliche (freiwillige) Rabatt über die in § 130a Abs. 1, 1a, 3a, 3b SGB V gesetzlich vorgeschriebenen hinaus ermittelt. Auch die Antragstellerin stellt letztlich nicht in Abrede, dass es sich vorliegend um Rabattverträge in diesem Sinne handelt. Sie ist lediglich der Ansicht, „exklusive“ Rabattverträge benötigten eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage, die § 130a Abs. 8 SGB V nicht biete.
80 2.3.3.3. § 130a Abs. 8 SGB V steht dem Abschluss von „exklusiven“ Rabattverträgen nicht entgegen, die den Vertragspartner der Krankenkassen im Rahmen der Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots privilegieren und andere Anbieter im Umfange dieser Privilegierung tangieren.
81 Ein Ausschluss oder ein gesetzliches Verbot einer solchen Vertragsgestaltung ist in Abs. 8 nach seinem Wortlaut nicht geregelt – auch nicht in Satz 9 (hierzu unten) – und ergibt sich auch nicht im Wege der Auslegung. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass auf Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V das Vergaberecht nach dem Vierten Kapitel des GWB Anwendung findet. Das zeigt sich zunächst daran, dass Abs. 8 vom 26. Oktober 2012 bis 18. April 2016 einen Satz 8 enthielt, wonach Verträge nach Abs. 8 Satz 1 mit Ablauf des 30. April 2013 unwirksam wurden, wenn sie nicht nach Maßgabe der Vorschriften des Vierten Teils des GWB geschlossen worden waren (Schneider, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Stand Dezember 2020, § 130a Rn. 66). In der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz – AMVSG (BT-Drs. 18/10208, S. 37) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ausschreibungen von Rabattverträgen grundsätzlich dem Vergaberecht unterfallen. Gerade auf dieser Erwägung beruht die dortige Einführung der Fristen der Sätze 3 und 4. Die gesetzlich vorgesehene Laufzeit von Rabattverträgen von zwei Jahren soll u.a. den berechtigten Interessen derjenigen Anbieter Rechnung tragen, die „bei einem Rabattvertrag nicht zum Zuge gekommen sind“ (BT-Drs. 18/10208, S. 37 unter Verweis auf BT-Drs. 17/2413, S. 30 [amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung – Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG]). Während das allgemeine Vergaberecht davon ausgeht, dass der Ausschluss vom Vertrag mit dem Auftraggeber für diejenigen Bieter, die den Zuschlag nicht bekommen, für die Dauer von vier Jahren vertretbar ist, soll mit der kürzeren Laufzeit für Rabattverträge von zwei Jahren der besonderen Situation im Arzneimittelmarkt der gesetzlichen Krankenversicherung Rechnung getragen werden (BT-Drs. 17/2413, S. 30). Schon letzteres macht deutlich, dass ein andere Anbieter ausschließender Rabattvertrag nach gesetzgeberischer Vorstellung von § 130a Abs. 8 SGB V ausdrücklich gedeckt ist. Des Weiteren ist ein Beschaffungsvertrag dann ein vergaberechtlich relevanter Auftrag, wenn sein Abschluss dazu führt, dass andere Bewerber die Leistungen nicht erbringen können (Schneider, a.a.O., § 130a Rn. 66 m.w.N.), also von der Leistungserbringung ausgeschlossen sind. Nach überwiegender Ansicht im Krankenversicherungsrecht verlangt das Tatbestandsmerkmal der „Beschaffung“ (§ 103 Abs. 1 GWB) als ungeschriebene Voraussetzung eine Auswahlentscheidung der staatlichen Stelle unter verschiedenen Wettbewerbern, die dem erfolgreichen Bewerber eine Exklusivitätsstellung im Sinne eines Vorteils im Wettbewerb einräumt (Axer, in: Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 130a Rn. 28 m.w.N.). Der grundlegenden Vorstellung des Gesetzgebers von der Anwendung des Vergaberechts auf Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V ist mithin eine andere Anbieter ausschließende Vereinbarung jedenfalls im Sinne der Einräumung eines Vorteils im Wettbewerb gerade immanent. Die Aufzählung von möglichen Vertragsinhalten in Abs. 8 Satz 2 ist nicht abschließend („insbesondere“), steht dem also nicht entgegen.
82 Gleiches gilt für § 130a Abs. 8 Satz 9 SGB V. Danach sind in den Vereinbarungen nach Satz 1 die Vielfalt der Anbieter und die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten zu berücksichtigen. Die Regelung zur Vielfalt der Anbieter diente lediglich der Klarstellung. Im Weiteren verweist die amtliche Begründung zur Neuregelung durch das AMNOG (BT-Drs. 17/2413, S. 30) lediglich darauf, dass bereits nach § 97 Abs. 3 GWB (jetzt Abs. 4) bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen mittelständische Interessen vornehmlich zu berücksichtigen und Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben sind (ebenso Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand April 2020, § 130a SGB V Rn. 46c). Eine darüberhinausgehende Bedeutung kann dieser Regelung mithin nicht entnommen werden, jedenfalls nicht im Sinne eines – der immanenten Grundentscheidung widersprechenden – Verbotes einer andere Anbieter ausschließenden Vereinbarung. Das Gebot der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung (in Satz 9 eingefügt durch Art. 12 Nr. 9 Buchst. c des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vom 9. August 2019, BGBl. I, S. 1202) soll Versorgungsengpässen bei Rabattarzneimitteln vorbeugen. Zu berücksichtigen ist bei Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung auch der Gesichtspunkt der Gewährleistung einer unterbrechungsfreien und bedarfsgerechten Lieferfähigkeit. Diese Vorgaben müssen in vergaberechtlich zulässiger Weise bei der Ausschreibung und Vergabe entsprechender Verträge beachtet werden (Begr. des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 19/8753, S. 64). Entgegen der Ansicht der Antragstellerin schließt dies den Abschluss einer Vereinbarung mit nur einem Anbieter nicht aus. Denn die Anwendung von Vergaberecht, das eben die Möglichkeit einer Exklusivstellung eines Anbieters gerade beinhaltet, wird nicht in Frage gestellt. Die Sicherstellung der Versorgung hat in diesem Rahmen zu erfolgen, z.B. durch die Vereinbarung von Vertragsstrafen (Axer, a.a.O., § 130a Rn. 26).
83 Eine Exklusivität des Rabattvertrages im beschriebenen Sinne entspricht auch dem Zweck des § 130a Abs. 8 SGB V zur Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Sie bietet dem pharmazeutischen Unternehmer überhaupt erst einen Anreiz, einen über die bereits gesetzlich vorgegebenen Preisnachlässe des § 130a Abs.1, 1a, 3b, 3c SGB V hinausgehenden – freiwilligen – Rabatt zu vereinbaren (allg. zur Anreizfunktion bei Einzelverträgen zur Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots: BSG, Urteil vom 25. November 2015 – B 3 KR 16/15 R – juris, Rn. 23; Baierl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Stand Juni 2020, § 130c Rn. 60). Dies gilt insbesondere im Rahmen des vorliegend betroffenen Sprechstundenbedarfs. Dessen Beschaffung erfolgt grundsätzlich unmittelbar zwischen Vertragsarzt und pharmazeutischem Unternehmer. Daher kann insoweit eine Privilegierung rabattierter Arzneimittel über die die Abgabe durch Apotheken an Versicherte geltende Vorschrift des § 129 Abs. 1 SGB V nicht erfolgen. Die Ausschreibung als Exklusivvertrag mit den oben beschriebenen Wirkungen stellt somit ein geeignetes und im Rahmen des Rechts auf Teilhabe am Wettbewerb sachlich gerechtfertigtes Mittel zur Durchsetzung des in § 12 Abs. 1 SGB V normierten und das gesamte krankenversicherungsrechtliche Leistungs- und Leistungserbringerrecht durchziehenden Wirtschaftlichkeitsgebotes dar. Der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist besonderes Gewicht beizumessen (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 – juris, Rn. 231 m.w.N.).
84 2.3.3.4. Die vorgesehenen Rahmenverträge werden diesen Anforderungen gerecht. Die Vielfalt der Anbieter und die mittelständischen Interessen werden durch die Aufteilung der Leistung in zwei Gebiets- mit jeweils fünf Fachlosen gewährleistet. Ein Rahmenvertrag wird jeweils für ein Fachlos je Gebietslos geschlossen. Zur Sicherstellung der Versorgung sehen die Rahmenverträge jeweils in § 5 RV eine bestimmte Lieferfrist sowie eine Verpflichtung zur Gewährleistung einer verbindlichen Lieferfähigkeit der Produkte über den gesamten Ausschreibungszeitraum vor. Beide Verpflichtungen werden durch Schadenersatzregelungen und Vertragsstrafen nach § 6 RV sowie die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung (§ 7 Abs. 3 RV) abgesichert.
85 2.3.4. Es liegt kein Verstoß gegen abschließende Rechtsnormen des maßgeblichen Leistungserbringerrechts vor (s. 2.3.4.1 ff.). Weder deren Wortlaut noch deren Zusammenwirken oder Änderungshistorie (hierzu weiter unten) lassen den Rückschluss zu, dass Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V mit der beschriebenen Exklusivität gegenüber anderen Anbietern im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes ausgeschlossen sind. Dabei kann entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht auf das Regelungssystem der Hilfsmittelversorgung zurückgegriffen werden. Dieses hat der Gesetzgeber gegenüber der Arzneimittelversorgung in den §§ 126 bis 128 SGB V einer gesonderten und eigenständigen Regelung zugeführt (Sechster Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V). Die Arzneimittelversorgung wird hingegen im Siebten Abschnitt geregelt. Regelungen, die der Gesetzgeber in besonderen Teilen von einander abgrenzt, erlauben keine negativen Rückschlüsse auf den in einem anderen Abschnitt bereits eröffneten Anwendungsumfang einer Norm.
86 2.3.4.1. Dass das SGB V zwischenzeitlich punktuelle Regelungen für bestimmte „Exklusivlieferverträge“ enthielt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die vorgesehenen Rahmenverträge ebenso einer solchen punktuellen Ermächtigungsgrundlage bedürften bzw. ohne deren Fehlen unzulässig wären.
87 2.3.4.1.1. Nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V in der bis zum 12. Mai 2017 geltenden Fassung konnte die Krankenkasse die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten durch Verträge mit Apotheken sicherstellen; dabei konnten Abschläge auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens und die Preise und Preisspannen der Apotheken vereinbart werden.
88 Zunächst diente diese Regelung als lex specialis, das abweichende Regelungen von Bestimmungen des Rahmenvertrags nach § 129 Abs. 2 SGB V (durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker) und der ergänzenden Verträge nach § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V (durch die Krankenkassen oder ihre Verbände können mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene) über die Versorgung mit Rabattarzneimitteln durch Apotheken durch Verträge zwischen der Krankenkasse und Apotheken unmittelbar erlaubte (BSG, Urteil vom 25. November 2015 – B 3 KR 16/15 R – juris, Rn. 20). Eine solch gestufte Vertragshierarchie und Regelungsbefugnis besteht im hier maßgeblichen Bereich des Bezugs von Kontrastmitteln unmittelbar vom pharmazeutischen Unternehmer nicht. Des Weiteren erlaubte diese Regelung nicht nur – wie vorliegend – eine gewisse Steuerung der Arzneimittelversorgung aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots, sondern den Abschluss eines Versorgungsvertrages, der bereits nach seinem unmittelbaren Vertragsinhalt andere Anbieter/Leistungserbringer gänzlich vom vertraglich geregelten Marktsegment ausschloss, so dass diese keine öffentlich-rechtliche Leistungspflicht erfüllten (BSG, a.a.O., 18, 21 f.). Die Abschaffung dieser Rechtsgrundlage zum 13. Mai 2017 durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. b DBuchst. aa AMVSG vom 4. Mai 2017 (BGBl. I, S. 1050) erfolgte zur Berücksichtigung der Besonderheiten des speziellen Bereichs. In der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfes (BR-Drs. 601/16, S. 27) wird auf das besonders enge Vertrauensverhältnis krebskranker Patienten zum behandelnden Arzt, ein geschütztes Vertrauen auf gutes Zusammenwirken der an ihrer Versorgung beteiligten Heilberufe und die hohe Bedeutung einer friktionsfreien Versorgung mit den in einer Apotheke hergestellten parenteralen Zubereitungen verwiesen. Die Möglichkeit des Patienten, die versorgende Apotheke frei zu wählen, solle daher nicht beschränkt werden. Eine verallgemeinerungsfähige Aussage des Gesetzgebers zu nicht in Apotheken hergestellten und vertriebenen Arzneimitteln lässt sich dem nicht entnehmen.
89 2.3.4.1.2. Nach § 132e Abs. 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung konnten die Krankenkassen oder ihre Verbände zur Versorgung ihrer Versicherten mit Impfstoffen für Schutzimpfungen nach § 20d Absatz 1 und 2 SGB V Verträge mit einzelnen pharmazeutischen Unternehmern schließen; § 130a Absatz 8 SGB V galt entsprechend. Soweit nicht anders vereinbart, erfolgte die Versorgung der Versicherten ausschließlich mit dem vereinbarten Impfstoff (Satz 2). In den Verträgen nach Satz 1 waren Vereinbarungen zur Sicherstellung einer rechtzeitigen und bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten mit Impfstoffen zur Schutzimpfung vorzusehen (Satz 3).
90 Es kann offenbleiben, ob Satz 2 eine gesetzliche Gestattung eines „Exklusivliefervertrages“ oder lediglich eine Regelvorgabe für eine bereits vorausgesetzte Vereinbarungsbefugnis darstellte. Jedenfalls handelte es sich auch hier um einen Versorgungsvertrag, der unmittelbar andere Anbieter gänzlich vom vertraglich geregelten Marktsegment ausschloss und nicht nur über die Regelungen des Wirtschaftlichkeitsgebots Steuerungswirkungen entfaltete. Diese Grundlage für die exklusive Versorgung mit Impfstoffen wurde mit Wirkung ab 1. Januar 2015 zunächst eingeschränkt durch die Verpflichtung, Verträge mit mindestens zwei pharmazeutischen Unternehmern innerhalb eines Versorgungsgebietes zu schließen (§ 132e Abs. 2 Satz 4 SGB V in der Fassung vom 21. Juli 2014), und mit Wirkung vom 13. Mai 2017 gänzlich abgeschafft (Aufhebung des Abs. 2 durch Art. 1 Nr. 12 AMVSG). Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drs. 18/11449, S. 38) beruhte die Aufhebung auf den Besonderheiten des Impfstoffmarktes. Dieser sei aufgrund der Komplexität der Herstellung generell durch eine begrenzte Zahl von Herstellern gekennzeichnet. Die Anbieterstruktur spiegele sich auch bei den Ausschreibungen wider. Die Herstellung von Impfstoffen sei komplex und gehe daher mit Unwägbarkeiten einher, die auch Auswirkungen auf die Sicherheit und Sicherstellung der Versorgung haben könnten und im Falle von exklusiven Rabattverträgen zu Unsicherheiten bei der Versorgung und zu zeitweiligen Lieferproblemen führen könnten. Um dies zu vermeiden, sollten künftig die Impfstoffe aller Hersteller für die Versorgung zur Verfügung stehen. Dem entspricht auch der ausdrückliche Ausschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V für Impfstoffe für Schutzimpfungen nach § 20i SGB V durch den zum 11. Mai 2019 eingeführten Satz 10 (Art. 1 Nr. 70 Buchst. b des Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung, Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG – vom 6. Mai 2019, BGBl. I, S. 646). Dieser dient der Klarstellung, dass nach der Abschaffung der Verträge nach § 132e Abs. 2 SGB V auch Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V für Impfstoffe ausgeschlossen sind (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 19/8531 S. 204). Aus der Regelung des § 132e Abs. 2 SGB V a.F. sowie deren mit den Besonderheiten des Impfstoffmarktes begründeten Abschaffung lassen sich mithin keine Einschränkungen auf den generellen Anwendungsbereich des § 130a Abs. 8 SGB V ziehen. Vielmehr stellt das Gesetz in § 130a Abs. 8 Satz 10 SGB V nunmehr ausdrücklich klar, dass Impfstoffe gerade nicht dem Regelungsregime der „normalen“ Arzneimittel nach § 130a Abs. 8 SGB V unterfallen.
91 2.3.4.2. Das Regelungssystem der §§ 130b und c SGB V lässt ebenfalls keine (negativen) Rückschlüsse auf die mittelbar bedingte Exklusivität von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V zu.
92 § 130b SGB V bezweckt die Vereinbarung eines bundeseinheitlichen für alle Krankenkassen maßgeblichen Erstattungsbetrages für nicht festbetragsfähige Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer auf der Grundlage einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 35a Abs. 3 oder § 35b Abs. 3 SGB V erfolgten Nutzenbewertung bzw. Kosten-Nutzen-Bewertung. Ziel ist die Vereinbarung von Erstattungsbeträgen, die für den festgestellten Zusatznutzen angemessen sind und einen Ausgleich zwischen den Interessen der Versichertengemeinschaft und denen der pharmazeutischen Unternehmer ermöglichen (Hess, in: Kasseler Kommentar, SGB V, Stand September 2020, § 130b Rn. 2). Sie dient also der Preisbegrenzung für neu auf den Markt gelangende Arzneimittel, falls diese noch keiner Festbetragsgruppe (insbesondere für therapeutisch vergleichbare Arzneimittel, vgl. § 35a Abs. 4 SGB V) zugeordnet werden können. In erster Linie hat die Regelung dabei die Zeit vor Entstehung eines generischen Wettbewerbs im Blick, solange sich nur ein Arzneimittel eines Wirkstoffs („Solist“) auf dem Markt befindet. Als neu sind in § 2 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AMNutzenV) Arzneimittel mit noch bestehendem Unterlagenschutz (vgl. § 24b Arzneimittelgesetz [AMG]) definiert, der den Markteintritt für Konkurrenzunternehmer unattraktiv macht (Weiß, in: Krauskopf, SGB V, Stand September 2020, § 130b Rn. 2). Diesen Teil des Arzneimittelmarktes hat der Gesetzgeber in den §§ 130b und c SGB V einem hierarchischen Regelungskonzept unterworfen, das in Zusammenhang auch mit den §§ 35 a und b SGB V steht. Die grundlegende Regelung erfolgt dabei bundeseinheitlich auf der Ebene des GKV-Spitzenverbandes mit dem pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung (§ 130b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB V). Diese – zwingend zu treffende – Vereinbarung wird, wenn sie nicht rechtzeitig zustande kommt, durch eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V ersetzt.
93 Allein hierauf bezogen regelt § 130c Abs. 1 Satz 1 SGB V, dass Krankenkassen oder ihre Verbände abweichend von bestehenden Vereinbarungen oder Schiedssprüchen nach § 130b SGB V mit pharmazeutischen Unternehmern Vereinbarungen über die Erstattung von Arzneimitteln sowie zur Versorgung ihrer Versicherten mit Arzneimitteln treffen können. Diese ausdrückliche Regelung war also notwendig, um eine (teilweise) Lösung von den verbindlichen Vorgaben aufgrund des § 130b SGB V für Vereinbarungen auf der Ebene einer einzelnen Krankenkasse überhaupt zu legitimieren. Bereits insofern unterscheiden sich Verträge nach § 130c SGB V von solchen nach § 130a Abs. 8 SGB V, die demnach nach Abschluss eines Vertrages nach § 130b SGB V nicht mehr möglich sind (Axer, a.a.O., § 130c Rn. 5 m.w.N.). Nach § 130c Abs. 3 SGB V können die Krankenkassen oder ihre Verbände mit Ärzten, kassenärztlichen Vereinigungen oder Verbänden von Ärzten Regelungen zur bevorzugten Verordnung von Arzneimitteln nach Abs. 1 Satz 1 entsprechend § 84 Abs. 1 Satz 5 SGB V treffen. Abs. 4 erlaubt in diesen Verträgen eine Vereinbarung, wonach Arzneimittelverordnungen im Rahmen einer Vereinbarung nach Abs. 3 Satz 1 von der Prüfungsstelle als bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach den §§ 106 bis 106c SGB V zu berücksichtigende Praxisbesonderheiten anzuerkennen sind. Diese Regelungen zur bevorzugten Verordnung von Arzneimitteln sollen die pharmazeutischen Unternehmer dazu bewegen, mit den Krankenkassen Verträge nach Abs. 1 abzuschließen (Weiß, a.a.O., § 130c Rn. 8). Der hier gesetzte Anreiz unterscheidet sich aber wesentlich von dem, der durch die hier streitige Ausschreibung eines Rabattvertrages nach § 130a Abs. 8 SGB V gesetzt wird. Zunächst verspräche eine Ausschreibung in dem von den §§ 130b und c SGB V erfassten Arzneimittelbereich aufgrund der oben genannten eingeschränkten Konkurrenzsituation auf Anbieterseite keinen Anreiz für den pharmazeutischen Unternehmer, einen weitergehenden Rabatt einzuräumen. Des Weiteren trifft § 130c Abs. 3 SGB V eine Sonderregelung über Vereinbarungen nicht mit dem pharmazeutischen Unternehmer, sondern mit ärztlichen Leistungserbringern bzw. deren Vereinigungen. Schließlich setzt § 130c Abs. 3 und 4 SGB V bereits im Vorfeld einer Wirtschaftlichkeitsprüfung an, indem die Krankenkassen und ihre Verbände ermächtigt werden, in den Vereinbarungen nach Abs. 3 vorab verbindlich für die Prüfungsstellen Praxisbesonderheiten festzulegen (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum AMNOG, BT-Drs. 17/3698, S. 79). Die entsprechenden Arzneimittel können unter den vereinbarten Voraussetzungen vollständig von der Richtgrößenprüfung freigestellt und damit vollständig von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen werden (vgl. BT-Drs. 17/2413, S. 33; Weiß, in: Krauskopf, SGB V, Stand September 2020, § 130c Rn. 9; Baierl, a.a.O., § 130c SGB V Rn. 62). Die Wirkungen der vorliegenden Ausschreibung bzw. der ausgeschriebenen Verträge setzen hingegen erst im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein, indem allein der wirtschaftliche Bezugsweg konkretisiert wird.
94 2.3.4.3. Die in § 131 Abs. 1 SGB V vorgesehenen Rahmenverträge über die Arzneimittelversorgung, die durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene geschlossen werden, umfassen nach den in Abs. 2 vorgesehenen Vertragsinhalten gerade keine Arzneimittel-Rabattverträge, sondern die Bestimmung therapiegerechter und wirtschaftlicher Packungsgrößen und die Ausstattung der Packungen sowie Maßnahmen zur Erleichterung der Erfassung und Auswertung von Arzneimittelpreisdaten, Arzneimittelverbrauchsdaten und Arzneimittelverordnungsdaten einschließlich des Datenaustausches, insbesondere für die Ermittlung der Preisvergleichsliste und die Festsetzung von Festbeträgen. Eine Sperrwirkung gegenüber § 130a Abs. 8 SGB V kommt daher nicht in Betracht.
95 2.3.4.4. § 129 Abs. 1 SGB V steht den ausgeschriebenen Rahmenverträgen nicht entgegen.
96 Nach dieser Vorschrift sind die Apotheken bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte nach Maßgabe des Rahmenvertrages nach Abs. 2 verpflichtet zur (1.) Abgabe eines preisgünstigen Arzneimittels in den Fällen, in denen der verordnende Arzt (a) ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder (b) die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen hat, sowie (2.) Abgabe von preisgünstigen importierten Arzneimitteln unter näher geregelten Voraussetzungen. Bei der Abgabe eines Arzneimittels nach Satz 1 Nr. 1 haben die Apotheken ein Arzneimittel abzugeben, das mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch ist, für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt; als identisch gelten dabei Packungsgrößen mit dem gleichen Packungsgrößenkennzeichen nach der in § 31 Abs. 4 SGB V genannten Rechtsverordnung (Satz 2). Dabei ist die Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorzunehmen, für das eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V mit Wirkung für die Krankenkasse besteht, soweit hierzu in Verträgen nach Abs. 5 nichts anderes vereinbart ist (Satz 3). Besteht keine entsprechende Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V, hat die Apotheke die Ersetzung durch ein preisgünstigeres Arzneimittel nach Maßgabe des Rahmenvertrages vorzunehmen (Satz 5). Abweichend von den Sätzen 3 und 5 können Versicherte gegen Kostenerstattung ein anderes Arzneimittel erhalten, wenn die Voraussetzungen nach Satz 2 erfüllt sind (Satz 6). Nach § 129 Abs. 1a Satz 2 SGB V bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V die Arzneimittel, bei denen die Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abweichend von § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b SGB V ausgeschlossen ist; dabei sollen insbesondere Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite berücksichtigt werden. Die nachfolgenden Absätze treffen nähere Regelungen zu dem nach Abs. 2 zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker zu schließenden gemeinsamen Rahmenvertrag sowie in Abs. 5 zur Möglichkeit ergänzender Verträge durch die Krankenkassen oder ihre Verbände mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene.
97 Auch hier lässt die gestufte Vertragshierarchie und die hiermit verbundene Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage für Regelungen auf einer unteren Ebene keine Rückschlüsse auf einen eingeschränkten Anwendungsbereich des § 130a Abs. 8 SGB V zu, in dessen Bereich eine solche Hierarchie gerade nicht besteht.
98 Aus § 129 Abs. 1 SGB V ergibt sich auch nicht, dass die ausgeschriebenen Rahmenverträge insoweit unzulässig sind, als sie auf einer wirkstoffübergreifenden Zusammenstellung der Fachlose beruhen. Zu Recht verweist die Antragstellerin zunächst darauf, dass in § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 SGB V nur eine Ersetzung mit wirkstoffgleichen Arzneimitteln vorgesehen ist und Abs. 1a eine nähere Bestimmung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss vorsieht, wann eine solche Ersetzung ausgeschlossen ist. Die Konstellation des § 129 Abs. 1 SGB V ist aber nicht mit dem von den vorliegend ausgeschriebenen Rahmenverträgen erfassten Bezug von Kontrastmitteln vergleichbar. Die Verordnung eines Arzneimittels durch den Vertragsarzt erfolgt in der Konstellation des § 129 Abs. 1 SGB V patientenindividuell, der Bezug des Arzneimittels durch den Versicherten in einer Apotheke. Es liegt also eine individuelle Therapieentscheidung des Vertragsarztes bezogen auf den – wiederum individuellen – Gesundheitszustand des Versicherten vor. Des Weiteren nimmt im Rahmen des § 129 Abs. 1 SGB V der Apotheker den Austausch des vertragsärztlich verordneten Arzneimittels vor. Allein diesen zwar ärztlich erlaubten, aber nicht ärztlich durchgeführten Austausch des Arzneimittels hat der Gesetzgeber durch die Beschränkung auf wirkstoffgleiche Arzneimittel und eine nähere Regelung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss weiter abgesichert. Hingegen muss ein Vertragsarzt bestimmte Arznei- und Verbandmittel zur direkten Behandlung durch ihn in seiner Praxis vorrätig halten oder bei Bedarf bestellen. Dazu gehört auch der hier relevante Sprechstundenbedarf wie Röntgenkontrastmittel. Diesbezüglich liegt die Wahl der Bezugsquelle im Rahmen der gesetzlichen Regelungen nicht beim Versicherten, sondern allein beim Arzt (BSG, Urteil vom 25. November 2015 – B 3 KR 16/15 R – juris, Rn. 32). Der Bezug von Kontrastmitteln als Sprechstundenbedarf erfolgt mithin allein durch den Vertragsarzt und gerade nicht patienten-, sondern praxisbezogen zur Bevorratung, also für eine unbekannte und unbestimmte Patientengruppe. Für den nicht patientenbezogenen Bezug von Arzneimitteln unmittelbar im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und pharmazeutischem Unternehmer hat der Gesetzgeber bislang keine entsprechende Regelung für notwendig erachtet. Im Übrigen verbleibt es auch in Umsetzung der ausgeschriebenen Rahmenverträge bei der Entscheidung des Vertragsarztes über den von ihm eingesetzten Wirkstoff; ein „Austausch“ findet nicht statt. Erachtet der Vertragsarzt einen anderen Wirkstoff als den des Kontrastmittels des Ausschreibungsgewinners aus medizinischen Gründen für erforderlich, ist er weder durch den Inhalt der ausgeschriebenen Rahmenverträge noch die diesen und der Ausschreibung zugrunde gelegten Vorschriften zur Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes gehindert, das Kontrastmittel mit diesem Wirkstoff zu verordnen und bei einem anderen Anbieter als dem Zuschlagsgewinner/Rahmenvertragspartner zu beziehen. Wie oben unter 2.3.1.3. dargelegt, enthalten die Rahmenverträge an keiner Stelle eine dies ausschließende Regelung; vielmehr ist dies jeweils in § 2 Abs. 2 RV RLP/SL bzw. SH gerade vorgesehen. Diese verweisen auf die Regelungen in Abschnitt I Nr. 3, IV Nr. 4 SSB-Vereinbarung RLP sowie Abschnitt III, IV Nr. 6 SSB-Vereinbarung SL bzw. § 4 SSB-Vereinbarung SH. Die genannten Regelungen der SSB-Vereinbarungen RLP und SL bestimmen lediglich, dass für Sprechstundenbedarf das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt und von der Vertriebsbindung über die Apotheken ausgenommenen Mittel (z. B. Verbandmittel, Röntgenkontrastmittel, Infusionslösungen mit mindestens 500 ml pro Einheit, injizierbare Diagnostika) direkt vom Hersteller oder Großhandel bezogen werden sollen, wenn ein solcher Direktbezug wirtschaftlicher ist. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 SSB-Vereinbarung SH sind nach Bekanntgabe u.a. vereinbarter Rabattverträge „grundsätzlich“ nur diese wirtschaftlichen Produkte zu verordnen. Nach Abs. 15 sind für die Laufzeit der im Vergabeverfahren zustande gekommenen Verträge nur die Produkte des bezuschlagten Bieters zu verordnen (Satz 2). Nach Satz 3 kann aber im Einzelfall ausnahmsweise bei Vorliegen medizinischer Gründe davon abgewichen werden. Dies wurde auch in den Ausschreibungsbedingungen zugrunde gelegt. Andere Anbieter sind gerade nicht per se als Leistungserbringer ausgeschlossen.
99 2.3.4.5. Die Therapiefreiheit des Vertragsarztes wird durch die ausgeschriebenen Rahmenverträge nicht verletzt.
100 Eine Therapiefreiheit in dem Sinne, dass Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahmen beliebig eingesetzt werden könnten, kennt weder das einfache Recht noch das Verfassungsrecht. Wie jeder Arzt hat auch der Vertragsarzt bei der Wahl der ihm geeignet erscheinenden Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden einen Ermessensspielraum. Seine Entscheidungsfreiheit erfährt jedoch Einschränkungen, die sich aus den Erfordernissen einer beitragsfinanzierten, solidarischen Krankenversicherung und in Sonderheit aus dem sie beherrschenden Wirtschaftlichkeitsgebot ergeben. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, denn es handelt sich um zulässige Regelungen der Berufsausübung zur Sicherung der finanziellen Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG, Urteil vom 25. September 2000 – B 1 KR 24/99 R – juris, Rn. 17 m.w.N.). Diese Bindung zeigt sich auch gerade in der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln nach § 106 Abs. 2 Satz 1, § 106b SGB V (BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 15/18 R – juris, Rn. 15). Die für die Verordnungsweise geltenden Grundsätze der Wirtschaftlichkeit sind auch bei der Verordnung, Anforderung und Verwendung von Sprechstundenbedarf zu beachten. Auch die Verordnung von Sprechstundenbedarf ist eine ärztliche Verordnung i.S.d. § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V. Der Unterschied besteht allein darin, dass die über den Sprechstundenbedarf verordneten Arzneimittel und Medizinprodukte wegen der Art ihrer Verwendung nicht für den einzelnen Versicherten, sondern pauschal zu Lasten bestimmter Kostenträger und Versichertengruppen verordnet werden (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 6 KA 23/18 R – juris, Rn. 22). Damit gilt auch unmittelbar die in § 73 Abs. 8 Satz 1 SGB V geregelte Informationspflicht der dort vorgesehenen Stellen – u.a. der Krankenkassen – zur wirtschaftlichen Verordnungsweise unter Einschluss der Benennung von Bezugsquellen. Die durch eine Prüfvereinbarung geregelte Wirtschaftlichkeitsprüfung nach §§ 106, 106b SGB V betrifft u.a. die Nichtwahrnehmung wirtschaftlicher Bezugswege. Bei einer solchen handelt es sich um eine unwirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 6 KA 23/18 R – juris, Rn. 23.).
101 Die Regelungen der SSB-Vereinbarungen konkretisieren das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Informationspflicht nach § 73 Abs. 8 SGB V für den Bereich des Sprechstundenbedarfs (Abschnitt I Nr. 3, IV Nr. 4 SSB-Vereinbarung RLP sowie Abschnitt III, IV Nr. 6 SSB-Vereinbarung SL bzw. § 4 SSB-Vereinbarung SH) und bestimmen die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Sprechstundenbedarf nach den Bestimmungen der jeweiligen Prüfvereinbarung (Abschnitt IV Nr. 4 SSV-Vereinbarung RLP, Abschnitt V Nr. 2 SSB-Vereinbarung SL bzw. § 5 Abs. 2 SSB-Vereinbarung SH). Die ausgeschriebenen Rahmenverträge konkretisieren den danach maßgeblichen wirtschaftlichen Bezugsweg. Andere Anbieter und deren Kontrastmittel sind hierdurch aber nicht per se und gänzlich von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen. Der Vertragsarzt ist mithin nicht gehindert, Kontrastmittel mit anderem Wirkstoff, in anderer Konzentration oder bei einem anderen Anbieter zu beziehen als das nach Gebiets- und Fachlos bezuschlagte. Dabei ist er, wie aber gesetzlich ausdrücklich vorgesehen, einer wirtschaftlichen Verordnungsverweise verpflichtet. Dies gilt auch für die zwar engeren Vorgaben nach § 4 Abs. 2 Satz 2, Abs. 15 SSB-Vereinbarung SH, die aber eine Abweichung vom bezuschlagten Kontrastmittel bei Vorliegen medizinischer Gründe ausdrücklich vorsehen.
102 2.3.5. Verstöße gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz i.S.d. Willkürverbots (vgl. oben 2.3.2.) liegen nicht vor.
103 2.3.5.1. Die Entscheidung der Antragsgegnerinnen, die Ausschreibung in wirkstoffübergreifenden Fachlosen vorzunehmen, betrifft zunächst das im Rahmen eines vergaberechtlichen Verfahren zu prüfenden „Wie“ der Ausschreibung. Die Vergabekammer hat dies in ihrem Beschluss vom 14. Dezember 2020 im Rahmen der Frage der Einbeziehung der Wirkstoffkonzentration 400mg/ml in das Fachlos C inzident geprüft und eine indikations-, nicht wirkstoffbezogene Ausschreibung für rechtmäßig erachtet (S. 13/14 des Beschlusses vom 14. Dezember 2020). Auch sozialrechtlich sind aufgrund einer solchen Ausschreibung zustande gekommene Rahmenverträge nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerinnen haben vorliegend entschieden, die im Markt stehenden Kontrastmittel indikations-, nicht wirkstoffbezogen zu erfassen. Dies ergibt sich aus den Ausschreibungsunterlagen, insbesondere aus der Anlage 11 – „Fachloseinteilung wirkstoffübergreifend-exklusiv“ (vgl. z.B. Bl. 279 der SG-Akte für das Gebietslos 2). Danach werden z.B. im Fachlos C nicht ionische, jodhaltige, monomere, niederosmolare, wasserlösliche, nephrotrope Röntgenkontrastmittel mit nicht abschließend aufgezählten Wirkstoffen/-kombinationen nach Anwendung (intraarteriell und intravenös und intrakavitär. Weitere möglich) und Anwendungsgebieten (Urographie; Phlebographie, Arteriographie, Angiographie; Angiokardiographie; digitale Substraktionsangiographie; CT-Kontrastverstärkung; Darstellung von Körperhöhlen) sowie zwei kumulativ anzubietenden Wirkstoffkonzentrationen (300 mg/ml oder 320 mg/ml sowie 350 mg/ml oder 370 mg/ml oder 400 mg/ml) zusammengefasst. Wie oben bereits dargelegt, verbieten sozialrechtliche Regelungen Rabattverträge aufgrund einer wirkstoffübergreifenden Ausschreibung nicht. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin ergibt sich nicht. Sachfremde Erwägungen i.S.e. Willkürkontrolle liegen nicht vor. Mit der indikationsbezogenen Zusammenstellung erfassen die Antragstellerinnen die Kontrastmittel mit den hierfür jeweils geltenden Zulassungen. Auch bei Abschluss der auf dieser Grundlage ausgeschriebenen Rahmenverträge bleibt die Verordnung von Kontrastmitteln mit anderen Wirkstoffen durch den Vertragsarzt, wie oben dargelegt, möglich. Dies gilt insbesondere bei medizinischer Erforderlichkeit eines bestimmten Wirkstoffes im Einzelfall. Die Entscheidung hierüber verbleibt im Verantwortungsbereich des Vertragsarztes. Eine patientengerechte Versorgung der Versicherten wird durch die nach wirkstoffübergreifender Ausschreibung geschlossenen Rahmenverträge somit nicht ausgeschlossen.
104 2.3.5.2. Die Entscheidung der Antragsgegnerinnen, die Wirkstoffkonzentration 400mg/ml in das Fachlos C der Ausschreibung einzubeziehen, war Gegenstand des vor der Vergabekammer geführten Verfahrens, die die Ausschreibung diesbezüglich nicht beanstandet hat. Mangels Anfechtung deren Beschlusses vom 14. Dezember 2020 steht die Zulässigkeit der Ausschreibung mit diesem Inhalt zwischen den auch an diesem Verfahren Beteiligten fest. Sozialrechtlich ergibt sich auch hier keine Rechtsverletzung der Antragstellerin. Hinsichtlich der zugrundeliegenden sachlichen Erwägungen ergeben sich keine Unterschiede zur vergaberechtlichen Entscheidung. Der Senat verweist insoweit zunächst auf die Ausführungen der Vergabekammer auf Seite 14 bis 16 des den Beteiligten im vorliegenden Verfahren bekannten Beschlusses vom 14. Dezember 2020. Ergänzend ist wiederum zu beachten, dass die Entscheidung über die medizinische Erforderlichkeit eines bestimmten Kontrastmittels im Einzelfall, auch einer bestimmten Wirkstoffkonzentration, im Verantwortungsbereich des verordnenden Vertragsarztes verbleibt. Die von der Antragstellerin geltend gemachten therapeutischen Vorzüge von I®400 gegenüber den anderen Produkten im Fachlos C können im Rahmen dieser ärztlichen Beurteilung Berücksichtigung finden.
105 2.4. Ein Anordnungsgrund, der trotz der danach fehlenden Erfolgswahrscheinlichkeit in der Hauptsache die begehrte einstweilige Anordnung erforderlich macht, liegt nicht vor.
106 Zugunsten der Antragstellerin ist dabei grundlegend zu berücksichtigen, dass ohne Untersagung des Abschlusses der Rahmenverträge diese mit den jeweiligen bezuschlagten Anbietern zustande kommen und die vertragliche Bindung der Antragsgegnerinnen zum 1. März 2021 in Kraft treten werden. Wie bereits oben dargestellt, führt dies nicht zu einem gänzlichen Ausschluss der nicht bezuschlagten Anbieter. Die Antragstellerin wird ohne den Zuschlag nicht zu einem nicht zugelassenen Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung. Allerdings wird der Abschluss der Rahmenverträge voraussichtlich die oben beschriebene Lenkung der Verordnungen und des Bezugs von Kontrastmitteln durch die Vertragsärzte hin zum bezuschlagten Anbieter nachsichziehen. Erhält die Antragstellerin den Zuschlag nicht, ist somit von einem Rückgang der Nachfrage der von ihr angebotenen Kontrastmittel und damit von wirtschaftlichen Einbußen auszugehen. Diese Konsequenzen sind jedoch durch die Laufzeit der ausgeschriebenen Rahmenverträge zeitlich beschränkt zunächst auf zwölf Monate (§ 7 Abs. 1 Satz 1 RV). Bei Inanspruchnahme der allein den Antragsgegnerinnen zustehenden Verlängerungsoption ergibt sich eine maximale Vertragslaufzeit von 24 Monaten (§ 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 RV; vgl. auch § 130a Abs. 8 Satz 8 SGB V). Die Wirkungen der Rahmenverträge betrifft nicht den gesamten deutschen Markt. Vielmehr sind sie örtlich begrenzt auf die beiden Gebietslose (Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein). Inhaltlich sind sie auf den Bezug von Kontrastmitteln als Sprechstundenbedarf der Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt. Nicht erfasst wird insbesondere der Kontrastmittelbezug stationärer Einrichtungen.
107 Zutreffend weist die Antragstellerin zwar darauf hin, dass auch bei solch (insbesondere örtlich) begrenzten Wirkungen eine unzumutbare Belastung entstehen kann, wenn auch für weitere Gebiete entsprechende Verträge geschlossen werden. Weder hat die Antragstellerin aber selbst konkret dargelegt, dass dies bereits der Fall sei, noch ist sonst ersichtlich, dass durch Hinzutritt der hier allein zu prüfenden Rahmenverträge eine solche Summierung eintritt. Folgewirkungen durch entsprechende, aber derzeit hypothetische Ausschreibungen können hier nicht berücksichtigt werden. Die Antragstellerin trägt vor, auf der Grundlage eines Referenzjahres, in dem noch keine Lenkungswirkung durch die Antragsgegnerinnen zu 2 und zu 3 stattgefunden habe, ergebe sich unter Zugrundelegung des damaligen Marktanteiles mit den von der Ausschreibung betroffenen Produkten ein Gesamtumsatz in den beiden Gebietslosen von … EUR (Skontoabzüge berücksichtigt). In diesem Betrag nicht berücksichtigt seien ein über die letzten Jahre hinweg gestiegener Bedarf an Kontrastmitteln sowie mögliche Zuwächse im Marktanteil. Bei Berücksichtigung der maximal möglichen Laufzeit der Rahmenverträge sei der zu erwartende Schaden auf … EUR anzusetzen. In der dies wiederholenden eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin vom 24. November 2020 (Bl. 596 der SG-Akte) erläuterte dieser, hierbei von einem vertragslosen Zustand ausgegangen zu sein und die letzten Absatzzahlen aus einem der letzten Jahre herangezogen zu haben, in denen nach seiner Kenntnis keine Ausschreibung stattgefunden habe bzw. keine Rabattverträge mit den gesetzlichen Krankenkassen geschlossen worden seien. Zum Umsatz hat die Antragstellerin darauf verwiesen, das LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 13. August 2020 – L 11 KR 2139/20 ER B) sei im dortigen von ihr geführten Verfahren für das Jahr 2019 zuletzt von einem – von ihr angegebenen – Gesamtumsatz von … Mio. EUR ausgegangen. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen (einschließlich anderweitiger Ausschreibungsverfahren) gehe sie davon aus, dass sie im Jahr 2020 sogar einen deutlich verringerten Gesamtumsatz erwirtschaften werde. Derzeit rechne sie mit einem Umsatz von … Mio. EUR Euro für das Jahr 2020. Weitere und nähere Angaben erfolgten nicht. Die Antragstellerin gibt mithin – unter Berücksichtigung auch anderweitiger Ausschreibungen – eine erwartete Umsatzeinbuße von ca. 7 % pro Jahr an. Daraus ergibt sich vorliegend keine Unzumutbarkeit für die Antragstellerin, die den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlich machte (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Dezember 2006 – L 10 B 21/06 KA ER – juris, Rn. 36: Umsatzverlust von 5 % nicht ausreichend). Dabei war zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Anordnungsanspruch der Antragstellerin, insbesondere auch unter Einbeziehung grundrechtlicher Positionen, bereits einer hohen Prüfungsdichte unterzogen wurde. Daher können diese grundrechtlichen Positionen im Rahmen des Anordnungsgrundes kein gesteigertes Gewicht mehr erlangen. Eine Existenzgefährdung der Antragstellerin macht diese selbst nicht geltend. Eine solche ist angesichts der beschriebenen zu erwartenden Wirkungen auch nicht ersichtlich. Der Senat räumt daher dem Interesse der Antragsgegnerinnen am Erreichen der Wirtschaftlichkeitsziele (hierzu §§ 2 Abs.1, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 und 72 Abs. 2 SGB V) den Vorrang ein. Der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist besonderes Gewicht beigemessen (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 – juris, Rn. 231 m.w.N.).
108 3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
109 4. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, 52 Abs. 3 Satz 1 und 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Die Vertragslaufzeit der streitbefangenen ausgeschriebenen Rahmenverträge beträgt zunächst ein Jahr. Die von der Antragstellerin angegebene Umsatzeinbuße für diesen Zeitraum beträgt … EUR. Der Senat legt dies mangels anderer Anhaltspunkte und fehlender Angaben zum entgangenen Gewinn zugrunde. Dieser Betrag ist bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen, wegen des nur vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens jedoch nur zu einem Viertel (Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 2018 – L 4 KR 172/18 ER-B und 19. November 2014 – L 4 R 3936/14 ER-B – beide nicht veröffentlicht; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. August 2020 – L 11 KR 2139/20 ER-B – juris, Rn. 47) und damit vorliegend … EUR.
110 5. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).