Untersagung des Inverkehrbringens eines Arzneimittels, das als bilanzierte Diät auf dem Markt ist

Entscheidungen in Leitsätzen

AMG § 21 Abs.4, , § 69 Abs. 1

Leitsätze des Gerichts:

1. Die Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels schreibt das Ergebnis der behördlichen Rechtsanwendung nach außen rechtsverbindlich fest.

 

2. Eine solche Feststellung entfaltet Bindungswirkung – sowohl gegenüber dem Hersteller als auch gegenüber den Landesbehörden – auch hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft.

 

Gründe

 

I.

 

1 Die Klägerin bringt das Produkt „Alpha-Liponsäure plus B…. Kapseln“ als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) zur diätetischen Behandlung von diabetischer Neuropathie in den Verkehr. Hierbei handelt es sich um ein Kombinationspräparat, das als Hauptbestandteil den Wirkstoff Alpha-Liponsäure in einer Dosierung von 300 mg, bezogen auf die empfohlene Tagesdosis von drei Kapseln, enthält.

 

2 Mit Bescheid vom 2.11.2011 stellte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf den Antrag des damaligen saarländischen Ministeriums für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 03.11.2008 auf Feststellung der Zulassungspflicht eines Arzneimittels gemäß § 21 Abs. 4 AMG fest, dass es sich bei dem Präparat „Alpha-Liponsäure plus B…. Kapseln“ der Klägerin (damals: Firma B…. Naturprodukte GmbH) um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel handele. Zur Begründung hieß es u. a., bei dem Präparat handele es sich um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Als Antioxidans sei Alpha-Liponsäure vor allem in der Lage, oxidative Prozesse von Metallen durch Chelatbildung abzufangen und andere Antioxidantien, wie die Vitamine C und E und Glutathion zu regenerieren. Daneben beeinflusse Alpha-Liponsäure den Glucosetransport und wirke sich positiv auf die Insulin-induzierte Glucoseaufnahme aus. Durch die beim Diabetes mellitus verursachte Hyperglykämie komme es zur Anlagerung der Glukose an die Matrixproteine der Blutgefäße und zur Bildung der so genannten „Advanced Glycosylation End Products“. Dieser Prozess führe zu einer Verminderung des endoneuralen Blutflusses und zu einer endoneuralen Hypoxie/lschämie, was mit einer erhöhten Produktion von freien Sauerstoffradikalen verbunden sei, die den peripheren Nerv schädigten. Auch habe im peripheren Nerv eine Depletion von Antioxidantien, wie Glutathion, festgestellt werden können. In Untersuchungen an Ratten habe Alpha-Liponsäure mit diesen interagiert, bei durch Streptozotocin-induziertem Diabetes ausgelösten biochemischen Prozessen durch Verminderung der Bildung von Advanced Glycosylation End Products, Verbesserung des endoneuralen Blutflusses, Erhöhung des physiologischen Antioxidantienspiegels von Glutathion sowie als Antioxidans für freie Sauerstoffradikale im diabetischen Nerv. Diese in der experimentellen Situation beobachteten Wirkungen sprächen dafür, dass die Funktionalität der peripheren Nerven durch Alpha-Liponsäure verbessert werden könne. Das betreffe sensorische Störungen bei diabetischer Polyneuropathie, die sich durch Dysästhesien, Parästhesien wie z. B. Brennen, Schmerzen, Taubheitsgefühl, Ameisenlaufen, äußern könnten. Die beschriebene Wirkweise sei eindeutig als pharmakologisch einzustufen. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Klägerin wies das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 16.8.2012 zurück. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 5.8.2014 – 7 K 5469/12 – abgewiesen. Den dagegen gestellten Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 27.1.2015 – 13 A 1872/14 – zurück.

 

3 Mit Bescheid vom 24.3.2017 untersagte der Beklagte der Klägerin gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 1 AMG das weitere Inverkehrbringen des Produkts „Alpha-Liponsäure plus B…. Kapseln“. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage, die am 2.5.2017 bei Verwaltungsgericht einging. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, bei dem Produkt handele es sich nicht um ein Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG. Die Beklagte unterstelle zu Unrecht eine pharmakologische Wirkung aufgrund der enthaltenen Zutat Alpha-Liponsäure. Soweit sie sich in diesem Zusammenhang auf eine positive Aufbereitungsmonographie der Kommission B des damaligen Bundesgesundheitsamtes für die Indikation „Missempfindungen bei diabetischer Polyneuropathie“ aus dem Jahr 1990 berufe, könne eine Aufbereitungsmonographie auch nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann eine tragfähige wissenschaftliche Grundlage sein, wenn sie nicht wissenschaftlich überholt sei. Das BVerwG habe in einem Urteil vom 25.7.2007 – 3 C 23.06 – im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH ausdrücklich auf den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse abgestellt. Entgegen der Darstellung der Aufbereitungsmonographie aus dem Jahr 1990 sei der Nutzen von Alpha-Liponsäure heute zumindest wissenschaftlich umstritten. In einem weiteren Urteil vom 25.7.2007 – 3 C 21.06 – habe das BVerwG ferner bestätigt, dass eine Einstufung als pharmakologisch wirkendes Arzneimittel voraussetze, dass eine therapeutische Wirkung wissenschaftlich valide belegt sei und eine wirkliche Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers und eine nennenswerte Auswirkung auf den Stoffwechsel erfolge. Eine pharmakologische oder metabolische Wirkung eines Stoffes könne nur dann die Zuordnung zu den Arzneimitteln rechtfertigen, wenn eine Erheblichkeitsschwelle überschritten werde. Das BfArM übersehe, dass es viele Stoffe gebe, für die eine positive Aufbereitungsmonographie der Kommission B oder E existiere und die den Dosierungen von zugelassenen Arzneimitteln entsprächen, ohne dass zwingend eine pharmakologische Wirkung gegeben sein müsse. Dies zeige bereits das Beispiel von Vitamin C, welches sich nicht nur in einer Vielzahl von Lebensmitteln des Alltags, Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln finde, sondern auch in zugelassenen Fertigarzneimitteln, und für das auch eine Aufbereitungsmonographie aus dem Jahr 1991 existiere, die orale Dosen von 50 bis 225 mg pro Tag für die prophylaktische Anwendung und 225 bis 1000 mg pro Tag für die Therapie angebe. Aus dem Sachverständigengutachten von Dr. V… gehe hervor, dass Alpha-Liponsäure in einer Tagesdosis von 300 mg auch über die normale Nahrung aufgenommen werden könne. Bestätigt werde diese Einschätzung durch die gutachtliche Stellungnahme des Sachverständigen R…. Danach genüge schon die Zufuhr von 1500 g Molkepulver oder von 35 g Weizenkeimen, um 300 mg Liponsäure mit einem Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs aufzunehmen. Soweit der Beklagte diese Aussagen bestreite und sich in diesem Zusammenhang auf andere Publikationen stütze, mögen die entsprechenden Werte wissenschaftlich umstritten sein; der Beklagte sei jedoch dafür beweispflichtig, dass seine Behauptungen zuträfen. Soweit der Beklagte ferner darauf verweise, dass Alpha-Liponsäure den Glucosetransport und die insulinindizierte Glucoseaufnahme positiv beeinflusse, sei festzustellen, dass eine Vielzahl von Lebensmitteln geeignet sei, Diabetes mellitus ernährungsphysiologisch günstig zu beeinflussen. Dies gelte z.B. auch für das alltägliche Lebensmittel Zimt, bezüglich dessen der BGH mit Urteil vom 14. 1.2010 klargestellt habe, dass allein die Nützlichkeit von Zimt für Diabetiker nicht die Einstufung als Funktionsarzneimittel rechtfertige, sofern vergleichbare Mengen an Zimt über die Ernährung aufgenommen werden könnten. Nach der Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen, des BVerwG und des EuGH könne auch die Zweifelsfallregelung (des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004) nur dann angewendet werden, wenn positiv feststehe, dass es sich um ein pharmakologisch wirkendes Arzneimittel handele. Dass eine Eigenschaft als Funktionsarzneimittel „nicht ausgeschlossen“ werden könne, reiche für die Anwendung der Zweifelsfallregelung und damit der Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG nicht aus. Entscheidend für die Feststellung der Arzneimitteleigenschaft eines Produktes bzw. der pharmakologischen Wirksamkeit eines Stoffes sei stets auch die individuelle Dosierung im Einzelfall. Soweit der Beklagte argumentiere, dass Alpha-Liponsäure seit über 30 Jahren zur Behandlung von Missempfindungen bei diabetischer Polyneuropathie verwendet werde und derzeit mehr als 90 Arzneimittel mit diesem Wirkstoff zugelassen seien, liege die empfohlene Tagesdosis der zugelassenen Präparate nach eigener Einlassung des Beklagten bei 400-600 mg. Mit der hier streitigen Tagesdosis von maximal 300 mg Alpha-Liponsäure werde die Dosis der zugelassenen Arzneimittel signifikant unterschritten. Soweit der Beklage die Einstufung von Alpha-Liponsäure als Funktionsarzneimittel ferner damit begründe, dass das Produkt weder der Ernährung noch dem Genuss diene, verkenne er, dass ein Ernährungs- oder Genusszweck entgegen der früheren Rechtslage kein zulässiges Abgrenzungskriterium zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln mehr sei. Die Klägerin hat auf ein weiteres Sachverständigengutachten des Dr. V… (vom 5.4.2013) verwiesen, welches erneut Zweifel an der pharmakologischen Wirksamkeit von Alpha-Liponsäure belege und darüber hinaus nachweise, dass Alpha-Liponsäure vielfältig in Lebensmitteln vorkomme und bei üblichem Verzehr von Lebensmitteln, die besonders reich an dieser Substanz seien, ohne weiteres 300 mg und mehr pro Tag aufgenommen werden könnten. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass das Produkt in der vom nationalen und europäischen Gesetzgeber ausdrücklich in § 1 Abs. 4a DiätV und der Richtlinie 1999/21/EG akzeptierten Produktkategorie des diätetischen Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr gebracht werden solle. Das Produkt diene somit der Behandlung einer Krankheit, Störung oder Beschwerde, was in den genannten Rechtsgrundlagen ausdrücklich für ein Lebensmittel vorausgesetzt und als zulässig erklärt worden sei. Vor diesem Hintergrund sei offensichtlich, dass die üblichen Abgrenzungsmerkmale zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln für diese Produktkategorie keine Geltung beanspruchen könnten.

 

4 Mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.1.2020 – 2 K 831/17 – ergangenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zu Begründung ist in dem Urteil ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Verfügung seien die Regelungen in § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Danach träfen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie könnten insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen untersagen, deren Rückruf anordnen und diese sicherstellen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliege oder deren Ruhen angeordnet sei. In materieller Hinsicht setze die Rechtmäßigkeit des Untersagungsbescheides voraus, dass es sich bei dem Produkt „Alpha-Liponsäure plus B…. Kapseln“ um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG handele. Diese Frage sei vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Bescheid vom 2.11.2011 rechtsverbindlich entschieden worden. In diesem Bescheid habe das BfArM auf den Antrag des damaligen saarländischen Ministeriums für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 3.11.2008 auf Feststellung der Zulassungspflicht eines Arzneimittels gemäß § 21 Abs. 4 AMG festgestellt, dass es sich bei dem Präparat „Alpha-Liponsäure plus B…. Kapseln“ der Klägerin um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel handele. Diese Feststellung sei in Bestandskraft erwachsen. § 21 Abs. 4 AMG räume der zuständigen Bundesoberbehörde unabhängig von der Bescheidung eines konkreten Zulassungsantrags die Kompetenz ein, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels zu entscheiden. Damit sollten zur Herbeiführung der Rechtsklarheit ein einheitlicher Vollzug des Arzneimittelgesetzes bei den einzelnen Landesvollzugsbehörden in dieser Grundsatzfrage gewährleistet und sich widersprechende Entscheidungen der Landesbehörden für dasselbe Präparat vermieden werden. Die Feststellung solle aber auch dazu dienen, Rechtsklarheit gegenüber den Herstellern oder Vertreibern pharmazeutischer Produkte zu schaffen, denn ohne eine verbindliche Klärung des Produktstatus würden diese sich der Gefahr der Begehung einer Straftat (§ 96 Nr. 5 AMG) aussetzen und damit rechnen müssen, ordnungsbehördlich nach § 69 AMG in Anspruch genommen zu werden. Neben der Entscheidung über die Zulassungspflicht räume die Regelung des § 21 Abs. 4 AMG der zuständigen Bundesoberbehörde regelungsimmanent die Kompetenz ein, über den rechtlichen Status des Produkts, welches Gegenstand des Antrags ist, zu entscheiden. Die Bundesoberbehörde habe damit mittelbar auch eine Entscheidungskompetenz darüber, ob es sich bei dem Produkt um ein (zulassungspflichtiges) Arzneimittel handele oder ob ein Nichtarzneimittel, z.B. ein Lebensmittel, Kosmetikum oder Medizinprodukt vorliege. Die Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde stelle einen rechtsbehelfsfähigen Verwaltungsakt für den Hersteller und Vertreiber des von der Entscheidung betroffenen Präparats dar. Gegen die Entscheidung könne mit Widerspruch und Anfechtungsklage vorgegangen werden. Andererseits entfalte die Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde Bindungswirkung für die Landesbehörden. Diese Bindungswirkung könne in dem Verfahren gegen die von der zuständigen Landesbehörde im Anschluss an die Feststellung der zuständigen Bundesoberbehörde nach § 21 Abs. 4 AMG getroffene Untersagungsverfügung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 AMG nicht mehr mit nachträglich entstandenen oder vorgebrachten Erkenntnissen über die Arzneimitteleigenschaft des betreffenden Produkts überwunden werden. Anderenfalls würde die Möglichkeit einer zentralisierten Prüfung durch eine mit besonderer Sachkompetenz ausgestattete Stelle weitgehend entwertet, da der so getroffenen Entscheidung keinerlei Verbindlichkeit mehr zukäme. Hieraus folge, dass die Klägerin im vorliegenden Fall gehalten gewesen sei, ihre Rechte gegenüber dem gemäß § 77 Abs. 1 AMG zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu wahren. Dass ihr dies im Ergebnis nicht gelungen sei, weil sowohl das VG Köln als auch das OVG Nordrhein-Westfalen den Feststellungsbescheid des BfArM vom 2.11.2011 für rechtmäßig erachtet und die hiergegen erhobene Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen hätten, könne nicht dazu führen, auf dem Wege einer Anfechtung der nachfolgenden Untersagungsverfügung des Beklagten zu einer erneuten gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung des Bundesinstituts zu gelangen. Die Klägerin sei insoweit auch nicht rechtlos gestellt, da sie gegenüber dem BfArM aufgrund neuer Erkenntnisse das Wiederaufgreifen des Verfahrens beantragen könne. Sofern sie über neue – belastbare – wissenschaftliche Studien verfüge, die eine andere rechtliche Einordnung des von ihr vertriebenen Produkts „Alpha-Lipon-säure plus B…. Kapseln“ etwa als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke im Sinne des § 1 Abs. 4a DiätV und damit nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG nahelegten, bleibe es ihr unbenommen, beim BfArM einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG zu stellen und im Falle einer Ablehnung dieses Antrags erneut den Rechtsweg vor den hierfür örtlich zuständigen nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten zu beschreiten. Auf die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung des Beklagten vom 24.3.2017 habe dies indes keinen Einfluss, solange die Bindungswirkung des Feststellungsbescheides des BfArM vom 2.11.2011 noch bestehe. Stehe somit im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten bindend fest, dass es sich bei dem Produkt „Alpha-Liponsäure plus B…. Kapseln“ um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel handele, für das die erforderliche Zulassung nicht vorliege, sei der Beklagte gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 AMG berechtigt gewesen, der Klägerin das weitere Inverkehrbringen dieses Produkts zu untersagen. Dass er bei seiner Entscheidung das ihm eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte, sei nicht erkennbar. Diesbezüglich habe das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 25.05.2011 – 13 LA 213/10 – überzeugend ausgeführt, der Vertrieb eines Arzneimittels ohne Zulassung sei einer der gravierendsten denkbaren Verstöße gegen arzneimittelrechtliche Bestimmungen und stelle eine Straftat dar. Er müsse daher sofort unterbunden werden. Der Ermessensspielraum, der der Behörde bei der Auswahl ihrer Maßnahmen zustehe, sei in einem solchen Fall in der Regel auf Null reduziert. Sie habe dafür Sorge zu tragen, dass das nicht zugelassene Arzneimittel aus dem Verkehr gezogen werde. Neben dem Vertriebsverbot sei in der Regel auch ein Rückruf angezeigt. Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall bestünden nicht. Insbesondere sei die Verfügung nicht deshalb mit einem Ermessensfehler behaftet, weil der Beklagte aufgrund der vorgelegten neuen Untersuchungen und Gutachten zur Wirkweise der Produkte der (dortigen) Klägerin nicht in eine erneute Prüfung der Arzneimitteleigenschaft dieser Produkte eingetreten sei, sondern die Argumentation des Feststellungsbescheides des BfArM unter Hinweis auf diese Entscheidung wörtlich übernommen habe. Aufgrund der Verbindlichkeit der Entscheidung des Bundesinstituts sei der Beklagte an einer eigenen Prüfung gehindert gewesen. Auch eine Verpflichtung zur erneuten Befassung des Bundesinstituts mit der auf Ersuchen des Beklagten dort gerade erst entschiedenen Fragestellung habe nicht bestanden. Die Klägerin sei insoweit auf einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gegenüber dem BfArM zu verweisen.

 

5 Die Klägerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

 

II.

 

6 Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung (§§ 124a Abs. 4, 124 Abs. 1 VwGO) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31.1.2020 – 2 K 831/17 – ist zulässig, aber unbegründet.

 

7 Dem den gerichtlichen Prüfungsumfang mit Blick auf das Darlegungserfordernis (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO) begrenzenden Antragsvorbringen lässt sich ein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO nicht entnehmen. Der Vortrag der Klägerin begründet weder die von ihr geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch belegt er die darüber hinaus reklamierten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), die Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) oder das Vorliegen eines Verfahrensfehlers im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.

 

8 Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen dann, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Anhaltspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird.1 Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint dabei die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die (vollständige) Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung.2

 

9 Der Senat hat nach Würdigung des Zulassungsvorbringens keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die in einem Verfahren nach § 21 Abs. 4 AMG ergangene Entscheidung des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 2.11.2011 Bindungswirkung für die Landesbehörden entfaltet und dass diese Bindungswirkung in dem vorliegenden Verfahren gegen die von dem Beklagten als der zuständigen Landesbehörde getroffene Untersagungsverfügung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 AMG nicht mehr mit nachträglich entstandenen oder vorgebrachten Erkenntnissen über die Arzneimitteleigenschaft des betreffenden Produkts überwunden werden kann. Die Klägerin kann sich hiergegen nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bindungswirkung der Entscheidung vom 2.11.2011 und der nachfolgenden Gerichtsentscheidungen beziehe sich nur auf den damals bekannten Sachverhalt; es lägen nunmehr andere Tatsachen zur Wirkungsweise von Alpha-Liponsäure und zu der Aufnahme über die normale Ernährung vor, was die sog. Erheblichkeitsschwelle ausschließe. Die Entscheidung des BfArM nach § 21 Abs. 4 AMG über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels ist ein feststellender Verwaltungsakt. Sie schreibt das Ergebnis der behördlichen Rechtsanwendung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen rechtsverbindlich fest.3 Eine solche Feststellung entfaltet Bindungswirkung – sowohl gegenüber dem Hersteller und Vertreiber des Produkts als auch gegenüber den Länderbehörden – auch hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft.4 Die von der Bundesoberbehörde auf der Grundlage des § 21 Abs. 4 AMG getroffene Entscheidung über die Frage der Zulassungspflicht eines Arzneimittels soll im Interesse der Rechtsklarheit einen einheitlichen Vollzug des AMG gewährleisten und widerstreitende Entscheidungen der Landesbehörden über dasselbe Produkt vermeiden.5 Darüber hinaus soll die zentrale Feststellung Rechtsklarheit gegenüber dem Hersteller oder Vertreiber pharmazeutischer Produkte schaffen, da die Unternehmer sich ohne eine verbindliche Klärung des Produktstatus der Gefahr der Begehung einer Straftat gemäß § 96 Nr. 5 AMG aussetzen und damit rechnen müssen, ordnungsbehördlich nach § 69 AMG in Anspruch genommen zu werden.6 Mit der Festlegung einer zentralen Abgrenzungszuständigkeit einer Bundesoberbehörde soll vor allem ausgeschlossen werden, dass es wegen der regionalen Zuständigkeiten mehrerer Landesbehörden hinsichtlich desselben Produkts zu widersprechenden Entscheidungen zur Zulassungspflicht kommt. Mit der Entscheidung über die Zulassungspflicht wird notwendigerweise auch über die Arzneimitteleigenschaft entschieden, wie sich für den Fall der Versagung der Zulassung oder Registrierung unmittelbar aus § 2 Abs. 4 Satz 2 AMG ergibt. Der betreffende Verwaltungsakt entfaltet daher auch Bindungswirkung hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft. Im Hinblick auf die Feststellung der Arzneimitteleigenschaft besteht in gleicher Weise ein Bedürfnis nach einer bundesweit einheitlichen Entscheidung durch eine sachkundige zentrale Stelle, wie dies hinsichtlich der Zulassungspflicht der Fall ist. Die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung vom 2.11.2011 kann in einem Verfahren gegenüber dem Beklagten nicht mehr mit nachträglich entstandenen oder vorgebrachten Erkenntnissen über die Arzneimitteleigenschaft der betreffenden Produkte überwunden werden. Anderenfalls würde die Möglichkeit einer zentralisierten Prüfung durch eine mit besonderer Sachkompetenz ausgestattete Stelle weitgehend entwertet, da der so getroffenen Entscheidung keinerlei Verbindlichkeit mehr zukäme. Die Klägerin war daher gehalten, ihre Rechte in dem Verfahren gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu wahren. Dass ihr dies nicht gelungen ist, führt nicht dazu, dass im Rahmen der Anfechtung der Untersagungsverfügung des Beklagten eine erneute Überprüfung der Entscheidung dieses Bundesinstituts erfolgt.7 Das Verwaltungsgericht hat in dem Zusammenhang zu Recht auf die Möglichkeit eines Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG bei Vorliegen neuer Erkenntnisse hingewiesen. Einen solchen Antrag hat die Klägerin inzwischen auch gestellt. Er wurde mit Bescheid vom 13.3.2020 abgelehnt.

 

10 Wenig zielführend ist der Hinweis in der Zulassungsbegründung auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.8.2011 – 8 C 15.10 – zur Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO, die sich auf die Rechtsfolge und den Klagegrund, d.h. den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergibt, erstreckt. Das Verwaltungsgericht hat sich im vorliegenden Fall – anders als im Verfahren 2 A 96/20 (VG 2 K 832/17) – nicht entscheidungstragend auf die Rechtskraft der in dem Zusammenhang ergangenen gerichtlichen Entscheidungen (der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichtsbarkeit) gestützt, sondern ausschließlich auf die Bindungswirkung aufgrund einer Entscheidung nach § 21 Abs. 4 AMG abgestellt. Diese Bindungswirkung ist auch bei geändertem Sachverhalt und geänderter Rechtsprechung keineswegs „sinnlos“, sondern dient – wie schon erwähnt – dem Zweck, einen einheitlichen Vollzug des AMG zu gewährleisten und widerstreitende Entscheidungen der Landesbehörden über dasselbe Produkt zu vermeiden.

 

11 Einen Ermessensfehler bei der Anwendung des § 69 Abs. 1 AMG zeigt die Berufungszulassungsbegründung ebenfalls nicht auf. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts und in der dort erwähnten Entscheidung des OVG Lüneburg vom 25.5.2011 – 13 LA 214/10 – verwiesen. Der Hinweis der Klägerin auf einen Beschluss des VGH Mannheim vom 26.3.2019 – VGH 9 S 1668/18 -, der sich mit einem Nahrungsergänzungsmittel mit 1,5 mg des Wirkstoffs Melatonin befasst, und die sich über mehrere Seiten erstreckende Zitierung dieser Entscheidung, ohne dass ein Bezug zum vorliegenden Fall hergestellt wird, helfen in dem Zusammenhang nicht weiter.

 

12 Aus dem Gesagten folgt ferner, dass die konkrete Rechtssache weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht „besondere“ Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aufweist. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Untersagung des Inverkehrbringens des Produkts „Alpha-Liponsäure plus B…. Kapseln“, die maßgeblich von der Arzneimitteleigenschaft dieses Produkts abhängt, liegt von der Schwierigkeit her jedenfalls nicht signifikant über dem Durchschnitt verwaltungsgerichtlicher Fälle.8

 

13 Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist ebenfalls nicht gegeben. Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn sie eine in dem angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.9 Eine derartige Darlegung lässt die Begründung des Zulassungsantrags vermissen. In ihr wird lediglich allgemein die Frage aufgeworfen, „ob ein entsprechender Bescheid des BfArM bestandskräftig sein kann und keine Überprüfung im Rahmen eines nachfolgenden Untersagungsverfahrens möglich ist, obwohl sich die zugrunde liegenden Tatsachen, als auch die Rechtsprechung geändert haben“. Substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit dieser Frage fehlen. Sie lässt sich im Übrigen unschwer in dem zuvor genannten Sinn beantworten.

 

14 Auch eine Divergenz i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nicht dargelegt. Diese wird lediglich damit begründet, dass sich nach dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Rechtskraft auf den entsprechenden Sachverhalt beschränke, wie er zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen habe. Um die Rechtskraftwirkung nach § 121 VwGO geht es jedoch hier – wie oben erwähnt – nicht. Das erstinstanzliche Urteil stellt vielmehr zur Begründung allein auf die Bindungswirkung der Entscheidung nach § 21 Abs. 4 AMG ab.

 

15 Einen Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) legt die Zulassungsbegründung ebenfalls nicht dar.

 

16 Da das Vorbringen der Klägerin somit insgesamt keinen Grund für die von ihr beantragte Zulassung der Berufung im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO aufzeigt, ist ihr Antrag zurückzuweisen.

 

III.

 

17 Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO.

 

18 Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 GKG.

 

19 Der Beschluss ist nicht anfechtbar.