Entscheidungen in Leitsätzen
UWG § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2
Die Werbung für ein Lebensmittel mit einer Preisersparnis im Vergleich zum „Apothekenpreis“ ist irreführend, wenn Apotheken bei der Preisgestaltung für das Produkt tatsächlich frei sind.
Zum Tatbestand
Der Kläger ist ein Verein, der sich satzungsgemäß unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet; er leitet seine Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG her.
Die Beklagte ist Herstellerin des von ihr in Deutschland beworbenen und direkt an Verbraucher sowie an gewerbliche Kunden vertriebenen Lebensmittels „BlasenFit Forte“. Sie bewarb das Lebensmittel bundesweit gegenüber Verbrauchern in einer Werbebeilage zu einer Fernsehzeitschrift und stellte an verschiedenen, teilweise prominent hervorgehobenen Stellen die Preisgünstigkeit des Angebots heraus. Dabei stellte sie wiederholt den angeblichen regulären Apothekenpreis von 79,95 € dem von ihr verlangten Preis von 19,95 € gegenüber und hob die Preisersparnis von 60,- € hervor.
Die Beklagte meldete das Produkt im September 2017 auf freiwilliger Basis bei der IFA an und bekam eine PZN zugeteilt. Bei der Anmeldung gab sie u.a. als Apothekeneinkaufspreis 49,95 € und als unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers (UVP) 79,95 € an. Einen einheitlichen Apothekenverkaufspreis hat die Beklagte weder bei der IFA-Anmeldung angegeben, noch in der sogenannten Lauer-Taxe hinterlegt, da es sich bei dem Produkt nicht um ein Arzneimittel handelt.
Auf ihrer Webseite bietet die Beklagte das Produkt zum Grundpreis von 49,95 € pro Packung an, bei einer Bestellmenge ab 12 Packungen beträgt der Packungspreis 29,95 €.
Der Kläger mahnte die Beklagte erfolglos mit an den Kundenservice der Beklagten in Deutschland gerichteten Schreiben vom 22.08.2019 und nochmaliger Fristsetzung vom 04.09.2019 ab und forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, der Zugang der Abmahnung ist streitig.
Der Kläger behauptet, den in der Werbung herangezogenen Referenzpreis von 79,95 € habe die Beklagte als Herstellerin des Produkts als „Unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers“ (im Folgenden UVP) in der sog. Lauer-Taxe hinterlegt.
Der Lauer-Taxe sei weiter zu entnehmen, dass die Beklagte ihr Lebensmittel an Apotheken zu einem Preis von 49,95 € verkauft. Auf den Inhalt der Anlage K 3 wird Bezug genommen.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte führe die angesprochenen Verkehrskreise durch den Verweis auf einen „regulären Apothekenpreis“ in die Irre, da der entsprechend ausgewiesene Referenzpreis keinen „Apothekenpreis“ darstelle mangels Bestehen eines festgesetzten Preises für Lebensmittel im Apothekenverkauf. Vielmehr sei jede Apotheke in ihrer Preisfindung frei.
Zudem sei die vermeintliche UVP der Beklagten kein tauglicher Referenzpreis zur Darstellung einer besonderen Preisgünstigkeit, da dem UVP keine ernsthafte Kalkulation als Verbraucherpreis zugrunde liege. Vielmehr liege der von der Beklagten gegenüber Verbrauchern verlangte Preis erheblich unter der eigenen UVP.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, geschäftlich handelnd das Produkt „BlasenFit Forte“ mit einer angeblichen Preisersparnis gegenüber einem Verkaufspreis in Apotheken mit der Aussage
a) „SONDERAKTION: jetzt 60,- € sparen!“,
und/oder
b) „JETZT zum Herstellerpreis: 60,- € günstiger als in der Apotheke“,
und/oder
c) „Sichern Sie sich………………….. für nur je 19,95 €!!! (statt zum regulären Apothekenpreis von 79,95 €)“,
und/oder
d) „Kennenlernpreis je nur 19,95 € statt regulär in der Apotheke von 79,97 €“,
zu bewerben und/oder bewerben zu lassen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie habe die Eintragung in die Lauer-Taxe nicht veranlasst und arbeite nicht mit der ABDA zusammen, die ihre Daten von der IFA bezieht und diese wiederum an Anbieter von Apothekensoftware und Apotheken weiterleitet.
Die bei der IFA hinterlegten Informationen dienten dem Absatz an gewerbliche Kunden, insbesondere Apotheken. Das Produkt „BlasenFit Forte“ werde von mehreren Versandapotheken angeboten.
Die Beklagte ist der Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche seien mangels Vorliegen einer Irreführung unbegründet.
Dem Verbraucher sei der Begriff des Apothekenabgabepreises im Sinne des AMG nicht bekannt. Daher verstehe er den „Apothekenpreis“ als den Preis, der üblicherweise von Apotheken und anderen Händlern verlangt werde. Als „regulären Apothekenpreis“ werde der übliche, nicht reduzierte Preis verstanden.
Auch liege keine Irreführung vor durch Angabe eines untauglichen Referenzpreises. Insoweit sei der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Berechnung des Referenzpreises nicht nachgekommen, da er bloße Mutmaßungen anstelle und die Marktverhältnisse nicht darlege. Im Übrigen habe der von der Beklagten verwendete Referenzpreis Marktbedeutung und könne für Preisvergleiche verwendet werden. Die in Anlage B 2 aufgelisteten Anbieter verlangten Preise zwischen 58,80 € bis 70,07 € bei einem durchschnittlichen Preis von 70,18 €. Sie orientierten sich damit erkennbar an der UVP, die die Beklagte bei der IFA angegeben hat. Auch Verbraucher bestellten bei der Beklagten das Produkt zum Preis von 79,95 €.
Entscheidungsgründe
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG zu.
Der Kläger ist klagebefugt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Unstreitig handelt es sich bei dem Kläger um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne dieser Norm.
Die streitgegenständliche Bewerbung des Lebensmittels „BlasenFit Forte“ durch die Beklagte ist irreführend gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG, da die Beklagte in der angegriffenen Werbung zur Täuschung geeignete Angaben über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils macht.
Die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise gehen davon aus, dass es sich bei dem von der Beklagten herangezogenen Referenzpreis „Apothekerpreis“ um einen einheitlichen Apothekenverkaufspreis handelt, an den die Apotheken bei dem Verkauf des Produkts gebunden sind. Diejenigen Verkehrskreise, die Produkte in der Apotheke beziehen, sind daran gewöhnt, dass diese aufgrund einer wie auch immer gearteten Regulierung zumeist einen festen Preis haben. Dabei ist bezüglich des relevanten Verkehrskreises zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein solches handelt, das sich überwiegend an ein älteres Publikum richtet, was auch in der Bewerbung in einer Fernsehzeitschrift zeigt. Die Angabe „Apothekerpreis“ in der Bewerbung lesen diese Verkehrskreise daher so, dass das streitgegenständliche Produkt einen festen Preis hat, der bei dessen Kauf in der Apotheke Gültigkeit hat.
In dieser Erwartung wird der Verbraucher jedoch getäuscht, da ein solcher bindender Apothekenverkaufspreis für das Produkt nicht existiert, die Apotheken vielmehr frei sind in ihrer Preisfindung.
Eine Irreführung ist jedoch auch dann gegeben, wenn – wie die Beklagte meint – der „reguläre Apothekenpreis“ vom Verbraucher als der übliche, nicht reduzierte Abgabepreis verstanden würde. Auch hier wird der Verbraucher in der Erwartung eines Preisvorteils getäuscht dahingehend, dass er das Produkt statt zum „regulären Apothekenpreis“ von 79,95 € zu dem deutlich günstigeren Preis von 19,95 € – also mit einer Ersparnis von 60,- € – direkt von der Beklagten erwerben könne. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Anlage B 2 wird das Produkt nämlich in keiner der angegebenen Apotheken zu dem Preis von 79,95 € verkauft. Selbst die Beklagte selbst vertreibt das Produkt online zu einem Stückpreis von 49,95 € bzw. bei Abnahme von mehr als 12 Packungen sogar zu 29,95 €.
Dass namentlich nicht genannte Verbraucher bei der Beklagten das Produkt zum Preis von 79,95 € erwerben würden (Anlage B 6) kann angesichts des vorgelegten Online-Angebots, nachdem das Produkt für regulär 49,95 € erhältlich ist, nicht angenommen werden.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten zu aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.