Entscheidungen in Leitsätzen
Az.: 2 U 113/16
UWG § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 2; SGB V § 61 Satz 1; EStG § 33
Die von einer ausländischen Versandapotheke getätigte Ausstellung von Quittungen zur Vorlage bei der gesetzlichen Krankenkasse über eine Zuzahlung, die die Kunden wegen einer nicht auf dieser Quittung vermerkten anderweitigen Gutschrift nur zur Hälfte geleistet haben, stellt eine Unlauterkeit nach § 3 Abs. 2 UWG dar.
Die am 23.03.2017 verkündete Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
A.
1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Unterlassung, an Endverbraucher in Deutschland Zuzahlungsquittungen über einen Betrag auszustellen, der von diesen nie an sie geleistet wurde.
I.
2 Der Kläger ist Inhaber der B…-Apotheke in K… und verfügt zudem über eine Versandhandelserlaubnis, die er im Internet unter der Anschrift „www.f…-p… .de“ nutzt. Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandhandelsapotheke, die ihr Internetangebot auf den deutschen Markt ausrichtet.
3 Die Beklagte warb auf ihrer Internetseite mit dem folgenden „Rezeptbonus“:
4 „D…-Rezeptbonus
5 Für jedes rezeptpflichtige Medikament erhalten Sie in jedem Fall einen Rezeptbonus von 2,50 EUR – selbst, wenn Sie keine Zuzahlung leisten müssen. Für zuzahlungspflichtige Medikamente erhalten Sie sogar einen Rezeptbonus in Höhe der halben gesetzlichen Zuzahlung – das sind bis zu fünf Euro.“
6 Darunter heißt es u.a.: „Bonus wird direkt mit dem Rechnungsbetrag verrechnet.“
7 Im Juni 2015 bestellte eine gesetzlich krankenversicherte Kundin, Frau S… K…, bei der Beklagten das Medikament „F… D…“. Der gesetzliche Zuzahlungsbetrag lag bei 5,71 Euro. Die Beklagte stellte der Kundin die in der Urteilsformel des Landgerichts abgedruckte Zuzahlungsquittung zur Vorlage bei der Krankenkasse über diesen Betrag aus. Zugleich schrieb sie dem Kundenkonto die Hälfte dieses Betrages (2,86 Euro) gut und verlangte Zahlung von 2,85 Euro.
8 Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Ausstellung der Quittung über eine höhere als tatsächlich geleistete Zahlung sei wegen eines Verstoßes gegen die fachliche Sorgfalt wettbewerbswidrig. Die Quittung erlaube dem Käufer, gegenüber der Krankenkasse und dem Finanzamt eine höhere als tatsächlich erbrachte Belastung geltend zu machen und damit die Belastungsgrenzen schneller zu erreichen.
9 Der Kläger hat erstinstanzlich sinngemäß folgenden Antrag gestellt:
10 1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber gesetzlich versicherten Endverbrauchern in Deutschland Zuzahlungsquittungen zur Vorlage bei der gesetzlichen Krankenkasse über einen Betrag auszustellen, den der Kunde tatsachlich als Zuzahlung an die Beklagte nicht geleistet hat, wenn dies geschieht wie folgt:
11 2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren angedroht.
12 3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Verletzungshandlung gem. Ziff. 1 zu erteilen, nämlich Auskunft über die Anzahl der Verschreibungen, bei denen den gesetzlich versicherten Endverbrauchern in Deutschland Zuzahlungsquittungen zur Vorlage bei der gesetzlichen Krankenkasse über einen Betrag ausgestellt wurden, den der Kunde tatsachlich nicht als Zahlung an die Beklagte geleistet hat, aufgeschlüsselt nach Kalendermonaten und Bundesländern sowie die mit diesen Verschreibungen erzielten Umsatze, sowie Auskunft über die Werbung für diese Handlungen, wobei die Angaben nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger, Bundesländern und Kalendervierteljahren aufzuschlüsseln sind.
13 4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die Handlung Ziff. 1 entstanden ist und noch entstehen wird.
14 5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Betrag von 1.973,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2015 sowie ferner weitere 1.973,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.02.2016 zu zahlen.
15 Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
16 die Klage abzuweisen.
17 Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, die Gutschrift stehe nicht in einem Zusammenhang mit der Zuzahlungspflicht. Es handle sich um einen Willkommensbonus, der unabhängig von der Bestellung gewährt worden sei. Die Ausstellung der Quittung entspreche den Tatsachen.
18 Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
II.
19 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
20 Dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 8 in Verbindung mit § 3 Absatz 2 UWG zu. Verkaufsfördermaßnahmen könnten, auch wenn sie weder aggressiv noch irreführend seien, gegen die unternehmerische Sorgfalt verstoßen. Die Beklagte verstoße gegen diese Sorgfalt, wenn sie ihren Kunden Zuzahlungsquittungen über Beträge erteile, welche die Kunden unter Berücksichtigung der Verrechnung einer über die Gutschrift auf dem Kundenkonto erfolgten Rabattierung tatsächlich nicht bezahlten und wenn sie die Quittungen als „zur Vorlage an die Krankenkasse“ bezeichne. Die tatsächlichen Zahlungsflüsse müssten für die Vorlagestelle eindeutig offen gelegt werden. Diesem Zweck genügten die Quittungen nicht, da sie die im Zusammenhang mit der Leistung erteilte Gutschrift nicht erkennen ließen. Hierdurch begründe die Beklagte die Gefahr einer missverständlichen Betrachtung. Es bestehe kein nachvollziehbarer Grund, die Zuzahlungsquittungen nicht in einer eindeutigen Form auszustellen. Das Verhalten könne den Kunden dazu veranlassen, die Medikamente nur deshalb bei der Beklagten zu beziehen, weil er dort die Belastungsgrenzen eher erreichen könne. Der Auskunftsanspruch ergebe sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, der Schadensersatzanspruch aus § 9 Satz 1 UWG.
21 Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
22 Eine beglaubigte Ausfertigung des Urteils des Landgerichts vom 21.07.2016 wurde der Beklagten am 26.07.2016 zugestellt. Die Berufung ging am 10.08.2016 ein. Sie wurde am letzten Tag der bis 26.10.2016 verlängerten Frist begründet.
III.
23 Mit der Berufung verteidigt sich die Beklagte weiter gegen die Klage. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof ergebe sich, dass die Erstreckung der Preisbindung auf Versandapotheken im EU-Ausland einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit darstelle. Die Beklagte habe von Frau K… die volle Zuzahlung verlangt und lediglich wegen der Rezepteinreichung einen Bonus gewährt, welcher dann mit der Zuzahlung verrechnet worden sei. Die Gutschrift auf dem Kundenkonto in Höhe von 2,86 Euro stehe in keinem Zusammenhang mit der Zuzahlung. Aus dem Gesetz ergebe sich auch nicht, dass die Kunden die Zuzahlung selbst erbringen müssten. Die „passive“ Warenverkehrsfreiheit erfordere, dass sich der Verbraucher gegenüber der Krankenversicherung und den Steuerbehörden darauf berufen können dürfe, dass die Zuzahlung teilweise von der Versandapotheke übernommen worden sei. Es sei auch nicht das Ansinnen der Beklagten gewesen, ihren Kunden unrichtige Quittungen auszustellen, um ihnen eine schnellere Befreiung von der Zuzahlungspflicht zu ermöglichen.
24 Die Beklagte beantragt,
25 das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 31.7.2016 – Az. 7 O 1/16 KfH – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
26 Der Kläger beantragt,
27 die Berufung zurückzuweisen.
28 Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil und betont den Zusammenhang zwischen dem eingeräumten Rabatt und der Höhe der gesetzlichen Zuzahlungspflicht. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof habe an der Arzneimittelpreisbindung nichts geändert, da sich die Beklagte gem. §§ 129, 130 SGB V in einem Rahmenvertrag freiwillig zur Einhaltung der Preisvorschriften gebunden habe.
29 Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
B.
30 Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht aus § 8 i.V.m. § 3 Absatz 2 UWG n.F. der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.
I.
31 Gemäß § 8 Absatz 1 Satz 1 UWG kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Die Klägerin ist als Mitbewerberin der Beklagten aktivlegitimiert (§ 8 Absatz 3 Nr. 1 UWG). Mitbewerber ist gemäß § 2 Absatz 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Beide Parteien sind Apotheker, die im Internet einen Versandapothekenhandel betreiben und ihr Angebot deutschlandweit anbieten.
II.
32 Es liegt eine unlautere Handlung vor.
33 1. Dabei kann offenbleiben, ob sich die Unlauterkeit bereits aus § 3a UWG ergibt. Demnach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
34 a) Gemäß § 78 Absatz 3 Satz 1 AMG und § 1, 3 AMPreisV unterliegt die Abgabe von Arzneimitteln der Preisbindung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt, sondern auch dann, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 08. Mai 2013 – I ZR 98/12, juris Rn. 13 – Rezeptbonus). Ein Verstoß gegen diese Bestimmungen ist geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn der Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten Werbegabe einen Euro übersteigt (ebda., Rn. 19).
35 Nicht entscheidungsrelevant ist, ob diese Rechtsfragen nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Arzneimittelpreisbindung für Versandapotheken aus der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19.10.2016, C-148/15) anders zu bewerten sind. Der Bundesgerichtshof ging (in Rn. 11) nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 22. August 2012 – GmS-OGB 1/10) davon aus, dass die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben. Demgegenüber hat der Gerichtshof nunmehr entschieden, dass die Arzneimittelpreisbindung nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne von Artikel 36 AEUV gerechtfertigt werden kann, da sie nicht geeignet ist, die angestrebten Ziele zu erreichen.
36 b) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hier nicht der Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung als solcher streitgegenständlich. Rechtsschutz wird vielmehr begehrt gegen die Ausstellung von Quittungen zur Vorlage bei der gesetzlichen Krankenkasse über eine Zuzahlung, die die Kunden nicht geleistet haben.
37 2. Die Unlauterkeit dieser Handlung folgt aus § 3 Absatz 2 UWG n.F. Demnach sind geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, unlauter, wenn sie (a) nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und (b) dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
38 a) Als „unternehmerische Sorgfalt“ gilt der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält (§ 2 Absatz 1 Nr. 7 UWG, Artikel 2 Buchst. h UGP-Richtlinie). Selbst bei einer – zwischen den Parteien weiterhin strittigen – Zulässigkeit von Rabatten auf Arzneimittel unterliegen entsprechende Angebote der Missbrauchskontrolle, wenn der angesprochene Verkehr bei Entscheidungen, die er zu treffen hat, auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 08. November 2007 – I ZR 121/06, juris Rn. 14; OLG Hamm, Urteil vom 12. November 2013 – I-4 U 31/13, juris Rn. 57).
39 Die Interessen Dritter werden durch die ausgestellte Zuzahlungsquittung nicht gewahrt. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, begründet sie die Gefahr einer missverständlichen Betrachtung der Quittung durch die Sozialbehörden und Finanzämter.
40 aa) Gemäß § 61 Satz 1 SGB V haben gesetzlich Versicherte Zuzahlungen von 10 % des Abgabepreises, mindestens fünf und höchstens zehn Euro, zu bezahlen. Die Pflicht zur Zuzahlung besteht nur bis zu einer Belastungsgrenze, die grundsätzlich bei zwei Prozent – in manchen Fällen auch nur bei einem Prozent – der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt liegt (§ 62 Absatz 1 SGB V). Nach § 61 Satz 4 SGB V ist über die Zuzahlungen eine Quittung auszustellen. Diese Quittung dient dem Versicherten zum Nachweis der während eines Kalenderjahres geleisteten Zuzahlungen im Hinblick auf die Belastungsgrenze (Gerlach in: Hauck/Noftz, Kommentar zur SGB, Stand 07/05, § 61 SGB V Rn. 56).
41 In der im Urteilstenor abgebildeten Quittung der Anlage K 2 wird eine Zuzahlung von 5,71 Euro bestätigt, obwohl die Kundin lediglich die Hälfte (2,85 Euro) zu zahlen hatte.
42 Zurückzuweisen ist der Versuch der Beklagten, die Verrechnung einer Gutschrift mit einem „unabhängigen Bonus bei Gelegenheit des Erwerbs verschreibungspflichtiger Arzneimittel“ zu umschreiben. Der Zusammenhang zwischen der Höhe der Zuzahlung und dem Bonus wird durch die Beklagte selbst hergestellt, wie sich aus der Anlage K 7 deutlich ergibt, wenn es darin heißt: „Rezeptbonus in Höhe der halben gesetzlichen Zuzahlung“. Dass der Kunde zunächst eine volle Zuzahlung zahlen würde und dann lediglich ein Werbegeschenk erhalte, ist nicht nachvollziehbar. Vom Kunden wird von Anfang an lediglich die Leistung des halben Zuzahlungsbetrages eingefordert. Zwar wurde zunächst eine Rechnung über den vollen Zuzahlungsbetrag ausgestellt. Gleichzeitig wird jedoch der halbe Betrag dem Konto gutgeschrieben, so dass der Kunde von vornherein lediglich zur Zahlung der Hälfte der Zuzahlung aufgefordert wird.
43 Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass es gleichgültig wäre, ob der Zuzahlungsbetrag vom Versicherten selbst oder von der Beklagten gem. § 267 BGB übernommen wird. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Beklagte gemäß § 43c Absatz 1 SGB V die Zuzahlungsbeiträge in voller Höhe mit ihrem Erstattungsanspruch gegen die jeweilige Krankenkasse verrechnet hat, so dass alleine hieraus den Krankenkassen kein Schaden entstanden ist. Auswirkungen hat die beanstandete Handlung der Beklagten jedoch für die Ermittlung, ob die Belastungsgrenze überschritten wurde. Die Regelung über die Befreiung von der Zuzahlungspflicht dient dem Ausgleich von Härten, die durch die Zuzahlungspflicht ausgelöst werden kann (Nolte in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 91. EL (2016), § 62 SGB V Rn. 2). Maßgebend ist, ob die Zuzahlungen aus dem Vermögen derjenigen erbracht werden, deren Einkommen gem. § 62 Absatz 2 SGB V zusammen betrachtet wird. Berücksichtigt wird die finanzielle Belastung des Haushaltseinkommens durch die Aufwendungen des Versicherten bzw. seiner Angehörigen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2002 – B 1 KR 20/00 R, juris Rn. 30). Sind sie tatsächlich nicht angefallen, ist die Befreiung von der Zuzahlungspflicht ungerechtfertigt, weil damit das Solidarprinzip durchbrochen wird.
44 bb) Auch gegenüber dem Finanzamt könnte die Zuzahlungsquittung missbräuchlich eingesetzt werden. Dass die Beklagte im Kleingedruckten vermerkt, die Quittung diene nur zur Vorlage bei der Krankenkasse, verhindert eine entsprechende Verwendung nicht zuverlässig.
45 Gemäß § 33 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Die Belastungsgrenze liegt je nach Einkommen und Unterhaltspflicht bei ein bis sieben Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 33 Absatz 3 Satz 1 EStG). Die Arzneikosten, die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen zu tragen haben, sind als Aufwendungen im Sinne dieser Bestimmung anerkannt (Blümich/Heger, 134. Aufl. 2016, § 33 EStG Rn. 160). Werden Krankheitskosten jedoch von Dritten übernommen, so bewirkt dies eine Minderung der Belastung des Steuerpflichtigen im Sinne von § 33 EStG (BFH, Urteil vom 14. März 1975 – VI R 63/73, juris Rn. 7; Blümich/Heger, a.a.O., § 33 EStG Rn. 177). So liegt der Fall hier, da die Beklagte die Hälfte des Zuzahlungsbeitrages an die gesetzliche Krankenversicherung erbringt. Nachdem die Quittung missverständlich ausgestellt ist, könnte das Finanzamt dazu verleitet werden, das Erreichen der Belastungsgrenze anzunehmen, obwohl die Voraussetzungen hierfür tatsächlich nicht vorliegen.
46 cc) Vor diesem Hintergrund ist auch nicht erkennbar, dass damit der von der Beklagten behauptete Eingriff in die passive Warenverkehrsfreiheit verbunden wäre. Mit dem von der Beklagten angeführten Urteil hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine Regelung gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, mit der die Erstattung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Medizinproduktes von einer vorherigen Genehmigung abhängig gemacht werde (EuGH, Urteil vom 28. April 1998 – C-120/95, Rn. 35). In derselben Entscheidung hat der Gerichtshof betont, dass die Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer sozialen Sicherheitssysteme zuständig sind (ebda., Rn. 21). Im vorliegenden Fall ist die Frage berührt, ob die ausgestellte Quittung eine zuverlässige Aussage über die tatsächliche Belastung des Versicherten bzw. Steuerpflichtigen trifft. Die passive Warenverkehrsfreiheit ist hiervon nicht berührt. Dem Kunden ist es unbenommen, seine Heilmittel bei der Beklagten zu beziehen. Die Erteilung missverständlicher Quittungen ist von der Warenverkehrsfreiheit hingegen nicht geschützt. Mit überzeugenden Argumenten führt das Landgericht aus, dass es auch keinen nachvollziehbaren Grund dafür gibt, die Zuzahlungsquittung in der vorliegenden Form zu erteilen.
47 b) Die Handlung ist auch dazu geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Darunter versteht das Gesetz die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 2 Absatz 1 Nr. 8 UWG).
48 Zutreffend führt das Landgericht aus, dass ein konkret vorliegender Ursachenzusammenhang zwischen der Handlung und der Kaufentscheidung nicht vorausgesetzt wird. Maßgeblich ist alleine die objektive Eignung der in Rede stehenden Werbemaßnahme zur Förderung des Absatzes der Ware (OLG Hamm, Urteil vom 12. November 2013 – I-4 U 31/13, juris Rn. 54).
49 Diese Eignung ergibt sich aus der Berufungsbegründung selbst. Die Beklagte führt aus, dass chronisch kranke Patienten – die zu ihrer Zielgruppe gehören – nicht nur auf eine kostengünstige Arzneimittelversorgung angewiesen seien, sondern auch darauf, diese Zuzahlungen im vollen Umfang gegenüber der Krankenkasse bzw. steuerlich geltend zu machen. Auch wenn der Patient bei der ersten Bestellung die geübte Praxis hinsichtlich der Zuzahlungsquittung noch nicht kennt, kann er – wovon das Landgericht berechtigterweise ausgeht – darauf hoffen, entsprechende Quittungen bei weiteren Käufen ebenfalls zu erhalten, um einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der Krankenkasse oder dem Finanzamt zu erzielen. Unerheblich ist der Vortrag der Beklagten, dies sei nicht ihr Ansinnen gewesen. Vorsätzliches Handeln ist nicht erforderlich (Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. (2017), § 2 UWG Rn. 144).
50 3. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Handlung im Juni 2015 auch unter der alten Fassung von § 3 Absatz 2 UWG wettbewerbsrechtlich nicht anders zu werten war. Da der Kläger den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr stützt, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Berufungsinstanz rechtswidrig ist (BGH, Urteil vom 04. Februar 2016 – I ZR 194/14, juris Rn. 9 – Fressnapf). Die Vorschrift hat zu keiner maßgebenden Änderung geführt. Sie bewertete Handlungen als unlauter, die nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprachen und dazu geeignet waren, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Hierzu gilt das oben Ausgeführte.
51 4. Die Feststellung des Landgerichts zur Wiederholungsgefahr wurde durch die Berufung nicht angegriffen. Rechtsfehler sind nicht erkennbar.
III.
52 Ebenso verhält es sich mit den Ausführungen des Landgerichts zum Auskunftsanspruch, zur Feststellungsklage und zum Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Auch diese sind weder angegriffen noch weisen sie Rechtsfehler auf.
C.
53 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 ZPO nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung abstrakt geklärt.