Entscheidungen in Leitsätzen
Az.: 13 B 390/16
AMG § 24b, § 25 Abs. 9, § 105 Abs. 5a, § 141 Abs. 5; Richtlinie 2001/83/EG, Art. 6 und 8
Ein Dritter kann nicht die Einhaltung aller gesetzlichen Voraussetzungen einer generischen Zulassung geltend machen, sondern sich lediglich auf die Verletzung drittschützender Normen berufen. Die schützenswerten Rechte des Erstantragstellers reichen nur soweit, wie seine Unterlagen durch eine Bezugnahme des Zweitantragstellers verwertet werden. Dies ist in Bezug auf die Qualitätsunterlagen nicht der Fall.
Der Erstantragsteller kann nicht geltend machen, sein Produkt sei deshalb kein Referenzarzneimittel, weil es nicht entsprechend den Anforderungen der Art. 6 und 8 der Richtlinie 2001/83/EG zugelassen worden sei.
Der Beginn der nationalen Unterlagenschutzfrist nach § 24b AMG, § 141 Abs. 5 AMG i. V. m. § 24a AMG a. F. ist nicht davon abhängig, dass dem Originator der Vertrieb in der EU möglich ist.
1 I. Die Antragstellerin war Inhaberin einer 2005 erteilten Nachzulassung für das Arzneimittel „S. “ und ist Inhaberin der 2010 erteilten Zulassung für das Arzneimittel „M. “, beides Chemotherapeutika für die Krebsbehandlung mit dem Wirkstoff Bendamustin. Die Beigeladene ist Inhaberin einer generischen Zulassung, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ihr 2015 erteilt hat, worin die Antragstellerin eine Verletzung ihrer Unterlagenschutzrechte sieht.
2 Durch Bescheid vom 19. Juli 2005, zugestellt am 27. Juli 2005, erteilte das BfArM die (Nach-)Zulassung für das Bendamustin-haltige Arzneimittel „S. „ für die Indikationen Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) sowie Multiples Myelom (MM). Der Bescheid enthielt zahlreiche Auflagen, u.a. zur pharmazeutischen Qualität; für zwei weitere Anwendungsgebiete wurde die Nachzulassung versagt. Am 16. August 2005 wurde dem BfArM angezeigt, dass die Antragstellerin neue Inhaberin der Zulassung sei. Am 15. Juli 2010 erhielt die Antragstellerin in Frankreich im dezentralen Verfahren die arzneimittelrechtliche Zulassung für das Arzneimittel „M. “. Diese betraf neben den – im Vergleich zur Nachzulassung eingeschränkten – Indikationen NHL und MM auch die Zulassung für die Indikation chronisch-lymphatische Leukämie (CLL), die im Nachzulassungsverfahren versagt worden war. Das BfArM erließ am 15. Dezember 2010 einen Zulassungsbescheid für „M. “. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs im Klageverfahren, das die Auflage W 2 – Streichung des Anwendungsgebiets CLL – zum Nachzulassungsbescheid vom 19. Juli 2005 zu „S. “ betraf (VG Köln 7 K 4982/05), erklärte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 den Verzicht auf die fiktive Zulassung gemäß § 105 AMG und teilte mit, dass der Vertrieb des Arzneimittels „S. “ zum 31. Dezember 2011 eingestellt werde.
3 Unter dem 28. Juli 2015 beantragte die Beigeladene bei den zuständigen Behörden verschiedener EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch bei der Antragsgegnerin, die Erteilung einer generischen Zulassung für ein Bendamustin-haltiges Arzneimittel. Als Referenzarzneimittel wurden „S. “ und „M. “ angegeben. Die Zulassung sollte im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einer bereits im Rahmen eines dezentralen Verfahrens in Dänemark erteilten generischen Zulassung erfolgen. Mit Bescheid vom 9. Dezember 2015 erteilte das BfArM der Beigeladenen die beantragte Zulassung für die – mit „M. “ übereinstimmenden – Indikationen CLL, NHL und MM mit bestimmten Einschränkungen des Anwenderkreises.
4 Nachdem die Antragstellerin Widerspruch gegen die Zulassung mit der Begründung eingelegt hatte, die Unterlagenschutzfrist sei noch nicht abgelaufen, ordnete die Antragsgegnerin auf Antrag der Beigeladenen die sofortige Vollziehung der Zulassung an. Durch Beschluss vom 11. März 2016 hat das Verwaltungsgericht Köln den Antrag der Antragstellerin abgelehnt, die aufschiebende Wirkung ihres Drittwiderspruchs gegen die Zulassung für das Bendamustin-haltige Arzneimittel der Beigeladenen wiederherzustellen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
5 II. Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragstellerin fristgerecht dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet.
6 Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die nach § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, an den Erfolgsaussichten ausgerichtete Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausgeht, weil die der Beigeladenen erteilte Zulassung die Rechte der Antragstellerin verletzt.
7 Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes über die Zulassung von Arzneimitteln sind öffentlich-rechtlicher Natur und vermitteln Dritten keine subjektiv-öffentlichen Rechte. Als drittschützende Normen kommen grundsätzlich nur die Bestimmungen über den Unterlagenschutz in Betracht, die den Interessen der pharmazeutischen Unternehmen dienen, die innovative Arzneimittel entwickeln und auf den Markt bringen.
8 Vgl. EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – Rs. C- 104/13 (Olainfarm) -, Rn. 38 f.; OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 – 13 A 2801/10 -, juris, Rn. 110, 166, sowie Beschlüsse vom 26. Juni 2008 – 13 B 345/08 -, PharmR 2008, 498 = juris, Rn. 20 ff., vom 26. September 2008 – 13 B 1169/08 -, PharmR 2008, 607 = juris, Rn. 24, vom 31. März 2009 – 13 B 278/09 -, juris, Rn. 13, vom 30. August 2012 – 13 B 733/12 -, A&R 2012, 285 = juris, Rn. 7 ff., vom 27. November 2014 – 13 B 950/14 -, PharmR 2015, 76 = juris, Rn. 5, und vom 7. April 2016 – 13 B 28/16 -, DVBl. 2016, 867 = juris, Rn.14.
9 Unstreitig beurteilt sich hier der Unterlagenschutz nach §§ 24b, 141 Abs. 5 AMG i.V.m. § 24a Abs. 1 Satz 3 AMG in der bis zum Ablauf des 5. September 2005 geltenden Fassung. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die hier für das Referenzarzneimittel „S. “ eingreifende Unterlagenschutzfrist sei am 27. Juli 2015 und damit vor Erteilung der generischen Zulassung abgelaufen. Dies wird durch das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
10 1. Dem Vorbringen der Antragstellerin, die Nachzulassung von „S. „ habe keine Unterlagenschutzfrist auslösen können, weil dieses Arzneimittel mangels Erfüllung der europarechtlichen Anforderungen an die Zulassung kein taugliches Referenzarzneimittel sei, ist nicht zu folgen.
11 Die Antragstellerin weist zutreffend darauf hin, dass „Referenzarzneimittel“ für eine generische Zulassung nach § 24b AMG ein gemäß Artikel 6 in Übereinstimmung mit Artikel 8 der Richtlinie 2001/83/EG zugelassenes Arzneimittel ist.
12 Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Juni 2008 – 13 B 345/08 -, juris, Rn. 34, 49 f., sowie Urteil vom 4. Juli 2013 – 13 A 2801/10 -, juris, Rn. 168; s. auch EuGH, Urteil vom 18. Juni 2009 – Rs. C-527/07 (Nivalin) -, Slg. 2009, I-5259 = juris, Rn. 30 ff.
13 Davon ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Ob die Rechtsauffassung richtig ist, die Zulassung von „S. “ habe nicht den Richtlinienvorgaben entsprochen, weil sie nach § 105 Abs. 5a AMG mit zahlreichen Auflagen zur pharmazeutischen Qualität verbunden gewesen und deren Einhaltung zudem nicht sachgerecht geprüft worden sei,
14 so Prof. Dr. Christian Koenig/Lucyne Ghazarian, Rechtsgutachten: Der Unterlagenschutz nach § 24b Abs. 1 AMG von unter Auflagen erteilten Nachzulassungen, Bonn, 8. Dezember 2015; a. A. High Court of Justice, London, Urteil vom 16. Dezember 2015 – Ä2015Ü EWHC 3676 (Ch) -, Rn. 105 und 133,
15 bedarf keiner Entscheidung. Darauf könnte sich die Antragstellerin als Dritte gegenüber der generischen Zulassung der Beigeladenen nicht berufen.
16 Der Senat folgt der zutreffenden Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die schützenswerten Rechte des Erstantragstellers nur soweit reichen können, wie seine Unterlagen durch eine Bezugnahme des Zweitantragstellers verwertet werden. Dazu gehören aber die Qualitätsunterlagen gerade nicht, vielmehr muss der Zweitantragsteller eine eigene Qualitätsdokumentation für das generische Arzneimittel vorlegen. Auf die diesbezüglichen Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen. Der Dritte kann nicht die Einhaltung aller gesetzlichen Voraussetzungen einer generischen Zulassung geltend machen, sondern sich lediglich auf die Verletzung drittschützender Normen berufen. § 24b AMG dient nur insoweit den Interessen der Erstantragsteller, als ihr geistiges Eigentum an ihren Studien bis zum Ablauf der Schutzfrist geschützt wird.
17 Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2016 – 13 B 28/16 -, DVBl. 2016, 867 = juris, Rn. 16.
18 Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang darauf, dass bei einem Generikum die Äquivalenz zu einem „soliden Referenzarzneimittel“ nachzuweisen ist. Eine Drittrechtsverletzung lässt sich daraus nicht ableiten, weil der Zweitantragsteller für die Äquivalenzprüfung nicht die Qualitätsunterlagen des Erstantragstellers nutzt und insoweit nicht auf dessen geistiges Eigentum zugreift.
19 Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2012 – 13 B 733/12 -, A&R 2012, 285 = juris, Rn. 15 ff. (für die Bioäquivalenz bei Parallelimporten).
20 Dieses Verständnis des Drittrechtsschutzes in der vorliegenden Fallkonstellation ist auch durch grundsätzliche Erwägungen geboten. Die Antragstellerin macht mit dem Argument, „S. “ sei kein Referenzarzneimittel, weil es nicht entsprechend den Anforderungen der Art. 6 und 8 der Richtlinie 2001/83/EG zugelassen sei, die fehlende acquis-Konformität und damit letztlich die Gemeinschafts- bzw. Unionsrechtswidrigkeit ihrer Zulassung geltend. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung angenommen hat, ist aber nicht erforderlich, dass die erteilte Zulassung für das Referenzarzneimittel rechtmäßig ist.
21 Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Juni 2008 – 13 B 345/08 -, juris, Rn. 39.
22 Könnte sich der Erstantragsteller gegen die Zulassung eines Generikums mit dem Argument wehren, sein eigenes, zugelassenes und vermarktetes Arzneimittel erfülle nicht die (unions-)rechtlichen Anforderungen – hier: weil Mängel der Unterlagen zur pharmazeutischen Qualität gegeben seien bzw. § 105 Abs. 5a AMG nicht richtlinienkonform sei oder nicht richtlinienkonform angewendet worden sei – widerspräche dies Sinn und Zweck der Unterlagenschutzfrist. Der Originator würde sonst von den Defiziten einer Zulassung, von der er selbst Gebrauch macht, profitieren, in dem er deshalb eine längere Marktexklusivität erhielte. Ob die Antragstellerin, wie geltend gemacht, das Arzneimittel lediglich oder maßgeblich aufgrund der fiktiven Zulassung vertrieben hat, was Antragsgegnerin und Beigeladene bestreiten, ist für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob nur eine acquis-konforme Zulassung den Unterlagenschutz auslöst, unerheblich.
23 Der Vortrag, der Antragstellerin sei zunächst der Zugang zum Europäischen Markt versperrt, ihr Eigentumsrecht dadurch letztlich ausgehöhlt und sie als innovatives Unternehmen gegenüber den generischen Anbietern benachteiligt worden, weil die Nachzulassung für den Beginn der Unterlagenschutzfrist, nicht hingegen für ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung als ausreichend erachtet worden sei, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Diese Umstände beruhen allenfalls auf anderen, hier nicht zur Überprüfung stehenden Entscheidungen der Antragsgegnerin, etwa zur Ablehnung eines Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung nach der Nachzulassung, dem Begehren der Antragstellerin, die Zulassung für eine weitere Indikation zu erreichen, sowie dem Verhalten anderer Mitgliedstaaten, die eine Zulassung ablehnten bzw. im dezentralen Zulassungsverfahren weitere Unterlagen verlangten. Der „Return on Investment“ in den anderen europäischen Staaten fehlt jedenfalls nicht deshalb, weil die Schutzrechte der Antragstellerin an den Ergebnissen der pharmakologischen und toxikologischen Versuche sowie der klinischen Prüfungen zu „S. „ durch die generische Zulassung des Arzneimittels der Beigeladenen in Deutschland verletzt worden wären. Insbesondere ist der Beginn der hier maßgeblichen nationalen Unterlagenschutzfrist nach § 24b AMG, § 141 Abs. 5 AMG i. V. m. § 24a AMG a.F. nicht davon abhängig, dass dem Originator auch der Vertrieb in der EU möglich ist, und hierfür irrelevant, dass in einigen Ländern nur eine 6-jährige Schutzfrist galt.
24 2. Die Antragstellerin rügt weiter, das Verwaltungsgericht habe eine teilbestandskräftig gewordene Nachzulassung neben einer fortbestehenden fiktiven Zulassung zugrunde gelegt, eine „Chimäre“ könne aber kein Referenzarzneimittel sein. Auch dies verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ausgangspunkt angenommen, dass die Wirksamkeit der Nachzulassung für „S. “ weder durch die Klage gegen den Nachzulassungsbescheid (VG Köln 7 K 4982/05), die sich nur auf das versagte Anwendungsgebiet CLL bezogen habe, suspendiert noch durch den im Klageverfahren abgeschlossenen Vergleich von Anfang an beseitigt worden sei. So auch High Court of Justice, London, Urteil vom 16. Dezember 2015 – Ä2015Ü EWHC 3676 (Ch) -, Rn. 106 ff.
25 Dabei hat es näher ausgeführt, dass und warum die Zulassung für jedes Anwendungsgebiet eine rechtlich selbständige Teilregelung ist. Ferner hat es – zutreffend -darauf hingewiesen, dass es für die Fragen der Teilbarkeit und Teilbestandskraft des Nachzulassungsbescheids bezüglich der Indikationen NHL und MM einerseits sowie CLL andererseits nicht darauf ankommt, ob Klagegegenstand eine Auflage oder eine Teilversagung ist, welches die richtige Klageart ist und ob die isolierte Aufhebung einer Auflage möglich ist.
26 Vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2007 – 3 C 39.06 -, NVwZ-RR 2007, 776 = juris, Rn. 20 ff., sowie vom 19. November 2009 – 3 C 10.09 -, juris, Rn. 12.
27 Mit all diesen Erwägungen setzt sich die fristgerechte Beschwerdebegründung nicht hinreichend auseinander. Insoweit findet sich lediglich in der ihr beigefügten erst- instanzlichen Antragsbegründung sowie in dem in Bezug genommenen Rechtsgutachten von Prof. Dr. L. der Einwand, die Nachzulassungsentscheidung sei nicht teilbar, die Auflage sei nicht isoliert anfechtbar gewesen. Dies genügt nicht den Darlegungsanforderungen.
28 Vor diesem Hintergrund ist hier davon auszugehen, dass mit der positiven Nachzulassungsentscheidung die Schutzfrist für die zu „S. “ eingereichten Unter- lagen in Lauf gesetzt worden ist. Ferner kann nicht angenommen werden, das Verwaltungsgericht hätte bei stattgebender Entscheidung das BfArM verpflichtet, über den Nachzulassungsantrag insgesamt, also auch hinsichtlich der zugelassenen Anwendungsgebiete, neu zu entscheiden. Schon der Klageantrag im Verfahren VG Köln 7 K 4982/05 war eindeutig nur auf Aufhebung der Auflage W 2 und Neubescheidung „insoweit“ gerichtet. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts führt auch nicht zu der geltend gemachten unzulässigen Doppelzulassung für ein einzelnes Arzneimittel. Vielmehr bestand danach eine einzige bestandskräftige Nachzulassung für zwei Indikationen; hinsichtlich der dritten Indikation, die Gegenstand des Klageverfahrens war, galt weiterhin (vorübergehend) die gesetzliche Fiktion einer Zulassung, hingegen kein weiterer Zulassungs-Verwaltungsakt. Ist Referenzzulassung die nach den obigen Ausführungen bestandskräftige Nachzulassung für die Indikationen NHL und MM, kommt es auf eine parallele fiktive Zulassung für das Anwendungsgebiet CLL für den generischen Antrag nicht an. Diese ist nicht die maßgebliche Erstgenehmigung, weshalb auch keine „rechtliche Chimäre“ als Referenzarzneimittel herangezogen wird.
29 Dass die Zulassung mit Auflagen zur pharmazeutischen Qualität erteilt wurde, bedeutet ferner nicht, dass die Unterlagenschutzfrist erst mit deren ordnungsgemäß geprüfter Erfüllung begonnen hat. Die Zulassung von „S. “ mit Auflagen nach § 105 Abs. 5a AMG, die ohnehin nur bei nicht gravierenden Mängeln möglich ist, war unmittelbar wirksam. Die nicht fristgerechte Erfüllung der Auflagen zur pharmazeutischen Qualität, die die Zulassung auch nicht inhaltlich beschränkten, wäre nur von Bedeutung für den Bestand der Nachzulassung gewesen. Die (weitere) Vermarktung hing hingegen nicht davon ab. Dies zugrunde gelegt, ist auch kein schutzwürdiges Interesse des Erstantragstellers ersichtlich, den Unterlagenschutz erst zu diesem späteren Zeitpunkt beginnen zu lassen.
30 3. Die Antragstellerin macht weiter ohne Erfolg geltend, das Konzept der Globalzulassung sei auf die Zulassung von „M. “ nicht anwendbar. Das Verwaltungsgericht hat insoweit angenommen, die spätere Zulassung von „M. “ habe keine neue Unterlagenschutzfrist ausgelöst, weil die Erweiterung der Anwendungsgebiete gemäß § 25 Abs. 9 Satz 3 AMG bzw., sollte man die Vorschrift hier nach § 141 Abs. 9 AMG noch nicht für anwendbar halten, dem gemeinschaftsrechtlichen Prinzip der Globalzulassung nicht dazu führe, dass eine neue Unterlagenschutzfrist ausgelöst werde. Mit den diesbezüglichen umfassenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzt sich das fristgerechte Beschwerdevorbringen nicht auseinander. Die Beifügung der Antragsbegründung aus dem erstinstanzlichen Verfahren reicht insoweit nicht aus. Sie verhält sich insbesondere nicht zur entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichts, dass § 25 Abs. 9 Satz 3 AMG anwendbar sei, weil bei dem in § 141 Abs. 9 AMG festgelegten Stichtag 6. September 2005 auf das zweite Referenzarzneimittel (hier: „M. “) abgestellt werden müsse,
31 so auch OVG NRW, Beschlüsse vom 11. Oktober 2013 – 13 A 2756/12 -, juris, Rn. 8, und vom 27. November 2014 – 13 B 950/14 -, juris, Rn. 19,
32 und dieses erst 2010 zugelassen worden sei.
33 Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Konzept der globalen Zulassung erkennt die Antragstellerin in der Beschwerdeschrift als zutreffend an. Geltend gemacht wird mit der Beschwerde lediglich, hier liege kein klassischer Fall einer Globalzulassung mit der nachträglichen Erweiterung von Anwendungsgebieten vor. Die im Zuge des dezentralen Verfahrens umfassend geänderten Anwendungsgebiete seien Folge der unvollkommenen und im Widerspruch zur Richtlinie 2001/83/EG vorgenommenen Prüfung des BfArM, die eine nachgeholte vollständige und zeitlich aufwendige Prüfung durch die Zulassungsbehörden wie bei einer ersten Neuzulassung im dezentralen Verfahren nach sich gezogen habe. Im Kern bringt die Antragstellerin damit nur erneut vor, dass nicht „S. “ als Referenzarzneimittel gelten dürfe, sondern allein „M. “ die initiale Zulassung sei, die Schutzfristen starte. Davon kann aber nach den obigen Ausführungen nicht ausgegangen werden. Die geltend gemachte Benachteiligung dadurch, dass die Beigeladene die neu erarbeiteten Unterlagen zu „M. “ nutzen konnte, ohne eine weitere Schutzfrist abwarten zu müssen, ist Folge des Instituts der Globalzulassung, das die Antragstellerin abstrakt nicht in Frage stellt.
34 4. Dies zugrundegelegt, bedarf es auch nicht der Vorlage an den EuGH. Die Rechtsfrage, ob auf § 105 Abs. 5a AMG gestützte Nachzulassungsentscheidungen den rechtlichen Anforderungen von Art. 6 und 8 der Richtlinie 2001/83/EG genügen, ist mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsbedürftig.
35 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, hinsichtlich der Beigeladenen aus §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
36 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
37 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.