Rabattgrenzen im Direktvertrieb von Arzneimitteln
Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 31. August 2016

Entscheidungen in Leitsätzen
Az.: 1 U 150/15

AMG § 78; AMPreisVO § 3; HWG § 7; UWG § 3

Leitsätze der Redaktion:

Das Gewähren von Preisnachlässen und Vergütungen durch einen pharmazeutischen Unternehmer beim Direktvertrieb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheken sowie die Werbung hiermit verstößt gegen §§ 78 AMG, 2 AMPreisV bzw. § 7 HWG, sofern hierdurch der Großhändlerzuschlag von 3,15 Prozent, höchstens 37,80 Euro überschritten wird.

 

Auch ein vereinbartes Skonto und ein Werbekostenzuschuss sind, wenn sie ohne erkennbare Gegenleistung gewährt werden, als Preisnachlasses anzusehen.

Gründe

A.

 

1  Der Verfügungskläger, ein Verein zur Selbstkontrolle der pharmazeutischen Industrie, hat die Verfügungsbeklagte, ein pharmazeutisches Unternehmen, das im europäischen Raum vorwiegend Importarzneimittel, unter anderem auch im Direktvertrieb an Apotheken, in Verkehr bringt, auf Unterlassung der Gewährung von geldwerten Vorteilen in Form von Preisnachlässen u. ä. gemäß ihrem Faxschreiben vom 14.03.2015 (AST 2), sofern diese über dem Großhandelszuschlag gemäß § 2 Absatz 1 AMPreisV von 3,15 % des betreffenden Arzneimittel-Abgabepreises, höchstens jedoch 37,80 € liegen, zu Zwecken des Wettbewerbs an Apotheken in Anspruch genommen.

 

2  Nach dem am 17.03.2015 an eine Apotheke versandten Fax des Vertriebsmitarbeiters M. (AST 2) gewährt die Verfügungsbeklagte Apotheken auf den Herstellerabgabepreis eine Basiskondition von 2 % bis 2,85 %, bei Hochpreisern über 1.238,50 € maximal 37,80 €, 3 % Skonto bei Bankeinzug bei drei Monaten Valuta sowie einen Werbekostenzuschuss (WKZ) von 0,5 % bei einem Umsatz von mehr als 50.000 € und einen solchen von 1,0 % bei einem Umsatz von mehr als 100.000 €. Zusätzlich können die Apotheken an einem Clever + Partnerprogramm der Verfügungsbeklagten teilnehmen, in dessen Rahmen ihnen für jede direkt bezogene Rx-Packung (verschreibungspflichtiges Arzneimittel) in Abhängigkeit von dem Direktumsatz der letzten 12 Monate 0,10 € bis 1,10 €, gestaffelt nach der Sortimentsbreite vergütet werden. Darüber hinaus erhält das Apothekenteam Clever + Teampunkte für jede direkt bezogene Rx-Packung, die in Sachprämien eingetauscht werden können.

 

3  Der Verfügungskläger hat hierin einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG, 7 Abs. 1 HWG, 78 AMG, 2 Abs. 1 AMPreisV gesehen und die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 30.04.2015 (AST 4) unter Beifügung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgemahnt. Nachdem die Verfügungsbeklagte deren Abgabe mit Schreiben vom 08.05.2015 (AST 5) abgelehnt hatte, hat der Verfügungskläger am 01.06.2015 beim Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, die nach Ergänzung des Antrags am 09.06.2015 erlassen und der Verfügungsbeklagten am 15.06.2015 (GA 37) zugestellt wurde. Nach Einspruch der Verfügungsbeklagten hat das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 07.07.2015 wegen seiner örtlichen Unzuständigkeit die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung eingestellt und den Rechtsstreit auf Antrag der Verfügungsklägerin an das Landgericht Saarbrücken verwiesen.

 

4  Die Beklagte hat sowohl einen Verfügungsgrund – die Verfügungsklägerin habe durch zu langes Zuwarten die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG selbst widerlegt – als auch einen Verfügungsanspruch in Abrede gestellt. Skonti und Werbekostenzuschüsse seien von § 7 HWG nicht erfasst, die Basiskonditionen stünden im Einklang mit § 7 Abs. 1 Nr. 2a HWG. Bei dem Clever + Programm handele es sich nicht um Produktwerbung sondern um zulässige Imagewerbung, so dass § 7 HWG nicht anwendbar sei.

 

5  Durch das angefochtene Urteil vom 16.12.2015 (GA 166 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 09.06.2015 bestätigt.

 

6  Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres bereits erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkts die Aufhebung der einstweiligen Verfügung begehrt.

 

7  Es fehle bereits an einem Verfügungsgrund, da zwischen dem Zeitpunkt der angeblichen ersten Kenntnisnahme am 20.04.2015 und der Beantragung der einstweiligen Verfügung am 01.06.2015 ein Zeitraum von mindestens sechs Wochen liege, der dringlichkeitsschädlich sei. Zudem habe der Verfügungskläger das weitere Verfahren nicht zügig fortgeführt, denn nach Einlegung des Widerspruchs sei bis zum Erlass des Verfügungsurteils auch aus vom Verfügungskläger zu vertretenden Umständen noch beinahe ein halbes Jahr vergangen. Im Übrigen hätte dem Verfügungskläger das beanstandete Verhalten schon viel länger bekannt sein müssen, was sich aus der der Abmahnung beigefügten 3. Seite (vgl. AST 4 S. 3), die zuletzt im Jahr 2011 verwendet worden sei und das damalige „Clever punkten“ – Programm der Verfügungsbeklagten betreffe, ergebe. Zum einen sei diese Seite dem Fax ihres Mitarbeiters M. nicht beigefügt gewesen, weshalb es bereits bei dem Kläger vorhanden gewesen sein muss, zum anderen sei hierüber in den Medien ausführlich berichtet worden, was dem Verfügungskläger nicht verborgen geblieben sein könne.

 

8  Es bestehe auch kein Verfügungsanspruch, da die von der Verfügungsbeklagten den Apothekern gewährten Skonti, Werbekostenzuschüsse und Rabatte gemäß § 8 Abs. 1 UWG, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG a. F. /§ 3a UWG n. F. i.V.m. § 78 Abs. 3 AMG und § 2 AMPreisV bzw. § 7 HWG – sowohl für sich betrachtet als auch kumulativ – zulässig seien. Im Übrigen bestehe für eine kumulative Gewährung der einzelnen Konditionen kein hinreichender Anhalt. Eine solche werde auch nicht glaubhaft gemacht.

 

Die Deckelung der Basiskonditionen und Skonti für hochpreisige Arzneimittel entsprechend § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV zeige, dass die Verfügungsbeklagte um deren Einhaltung bemüht war.

 

10  Die Gewährung eines echten Skontos von 3 % bei Einhaltung der gesetzten Zahlungsfrist sei dem pharmazeutischen Hersteller mit Direktvertrieb – im Unterschied zum Großhandel, was sich aus der Gesetzesbegründung zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ergebe – ebenso erlaubt wie die Gewährung eines Werbekostenzuschusses, da diesem eine äquivalente Gegenleistung des Apothekers gegenüberstehe. Im Hinblick auf die geringere Akzeptanz von Importarzneimitteln beim Verbraucher müsse dieser eine umfassendere Aufklärungsarbeit leisten. Darüber hinaus bedeute der Bezug von Importarzneimitteln für die Apotheker einen erheblichen Mehraufwand in der Bestellung und Dokumentation. Dieser erhöhe sich mit zunehmendem Umsatz. Als weitere Gegenleistung hätten sich die Apotheker bereit erklärt, Auskünfte zu ihrem Umsatz- und Abgabeverhalten zu erteilen, die mit zunehmendem Umsatz umfangreicher seien.

 

11  Die Basiskonditionen von 2 – 2,85 % bewegten sich im Rahmen des Großhandelszuschlags von 3,15 % und seien nicht zu beanstanden.

 

12  Bei dem Clever+-Programm handele es sich um reine Imagewerbung, die nicht in den Anwendungsbereich des § 7 HWG falle. Zudem müsse eine Gesamtbetrachtung des ganzen rabattierten Sortiments angestellt werden, dann werde aber die Grenze von 3,15 % in jedem Fall eingehalten. Das gleiche gelte bei der Gewährung von Teampunkten. Jedenfalls sei der Tenor zu weit gefasst, da diese Gesamtbetrachtung keine Berücksichtigung finde.

 

13  Die Verfügungsbeklagte beantragt (GA 190, 191, 357),

 

14  das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16.12.2015 – 7 O 57/15 – und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 9.6.2015 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

 

15  Der Verfügungskläger beantragt (GA 261/272, 357),

 

16  die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.

 

17  Er verteidigt das ihm günstige Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines bereits erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkts.

 

18  Die Staffelvergütung des Clever + Programms verstoße jedenfalls bei Medikamenten mit einem Herstellerabgabepreis von unter 35 € gegen § 7 HWG, da es sich nicht bloß um Imagewerbung handele, jedenfalls aber gegen § 78 Abs. 2 AMG i.V.m. § 2 AMPreisV. Die gewährten Basiskonditionen könnten bei hochpreisigen Arzneimitteln den zu gewährenden Großhandelszuschlag von maximal 37,50 € überschreiten, zumal der Festzuschlag gemäß § 2 AMPreisV von derzeit 0,70 € nicht rabattfähig sei.

 

19  Der Werbekostenzuschuss sei nach dem Angebot der Verfügungsbeklagten allein vom Jahresumsatz der Apotheke mit den Importarzneimitteln abhängig. Konkrete Werbeaufwendungen habe diese weder substanziiert dargelegt noch glaubhaft gemacht. Zudem sei die Begründung mit dem erhöhten Beratungsaufwand des Apothekers neu. Die Arzneimittelberatung gehöre im Übrigen zu dessen originären Aufgaben.

 

20  Zu Recht habe das Landgericht auch einen Verfügungsgrund bejaht. Die Grenze für den Wegfall der Dringlichkeitsvermutung liege jenseits von 6 Wochen. Für die Kenntniserlangung sei das Wissen der für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständigen Geschäftsführerin des Verfügungsklägers maßgeblich, nicht dasjenige von Vorstandsmitgliedern. Diese Kenntnis habe erst am 23.04.2015 vorgelegen. Das Verfahren sei im Folgenden auch nicht zögerlich betrieben worden. Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht der Verfügungsklägerin bestehe nicht. Diese könne aufgrund der personellen Ausstattung auch nicht geleistet werden.

 

21  Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 17.8.2016 (GA 357 ff.) Bezug genommen.

 

B.

 

22  Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

 

23  In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer kausalen Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 9.6.2015 (GA 24 f.) zu Recht bestätigt.

 

I.

 

24  Beanstandungsfrei hat das Landgericht das Bestehen des Verfügungsgrundes nach § 12 Abs. 2 UWG bejaht. Die danach in Wettbewerbssachen bestehende Dringlichkeitsvermutung ist nicht widerlegt. Entgegen der Auffassung der Berufung kann ein längeres, die Dringlichkeitsvermutung widerlegendes Verhalten des Verfügungsklägers nicht festgestellt werden.

 

25  Der Verfügungskläger hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der A. W. vom 15.09.2015 (AST 7, GA 98 f.) glaubhaft gemacht, dass diese als der-zeitige ehrenamtliche Vertreterin der Geschäftsführerin des Verfügungsklägers, die sich in Elternzeit befindet, erstmals am 23.04.2015 von dem streitgegenständlichen Vorgang Kenntnis erlangt hat, nachdem ihr die entsprechenden Unterlagen bereits am 20.04.2015 per E-Mail zugegangen waren. Die erstmalige Kenntniserlangung habe sich zum einen auf das Bonusprogramm und zum anderen auf die dazugehörigen weiteren Vergünstigungen bezogen. Damit lagen zwischen dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung und dem Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung knapp 6 Wochen. Selbst wenn man mit der Verfügungsbeklagten auf eine frühere Kenntniserlangung am 20.4.2015 abstellen wollte, betrüge der Zeitraum lediglich 6 Wochen, was unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hier noch ausreichend ist.

 

26  Die Bemessung des Zeitraums des zulässigen Zuwartens ist sehr umstritten und wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt. Es werden hier Zeiträume zwischen 1 und 3 Monaten für unschädlich erachtet (vgl. die Übersicht bei Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl. 2016, § 12 UWG Rn. 131). Zwar wird man im Regelfalle eine Frist von etwa 1 Monat zugrunde legen können (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 12 Rn. 3.15b m. w. N.; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 18.10.2000 – 1 U 480/00–109 – BeckRS 2000, 17032), allerdings kann im Einzelfall auch eine längere Frist veranlasst sein, etwa weil Vergleichsverhandlungen geführt werden oder aufgrund der schwierigen Rechtsmaterie weitere Ermittlungen erforderlich sind.

 

27  Im Streitfall waren noch weitere Ermittlungen erforderlich, um den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu unterlegen. So hat der Verfügungskläger seinem Antrag zum Nachweis des Sortiments der Verfügungsbeklagten und ihren Einkaufs- und Verkaufspreisen einen Auszug aus der Lauertaxe beigefügt (Anlage AST 6), die weder für den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers noch für die die stellvertretende Geschäftsführerin vertretende Frau Sch. problemlos zugänglich war (vgl. eidesstattliche Versicherung der Frau Sch. vom 14.12.2015, AST 8, GA 100). Dass dies zu einer Verzögerung geführt hat, ist ohne weiteres einsichtig. Im Hinblick hierauf ist die Dauer des Zuwartens von knapp sechs Wochen noch nicht geeignet, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen. Darüber hinaus hat der Verfügungskläger die einstweilige Verfügung nach Erhalt binnen drei Tagen zugestellt und noch vor Einlegung des Widerspruchs vorsorglich Verweisung an das Landgericht Saarbrücken beantragt, nachdem er von der beabsichtigten Rüge der örtlichen Zuständigkeit Kenntnis erlangt hatte. Damit hat er die aus seiner Sicht bestehende Eilbedürftigkeit deutlich gemacht.

 

28  Ebenso wenig ist die Anrufung des unzuständigen Gerichts geeignet, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen, denn dem kann nicht entnommen werden, dass es dem Antragsteller "nicht eilig ist", da er durch sein gesamtes Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, dass ihm der Erhalt einer einstweiligen Verfügung dringlich ist. Dass er dabei das unzuständige Gericht angerufen hat, mag der Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG geschuldet gewesen sein, weil der Antragsteller – ebenso wie das unzuständige Landgericht Hamburg – übersehen hat, dass diese Regelung auf ihn als Verband nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG nicht anwendbar ist. Diesen Fehler hat der Verfügungskläger im Übrigen sofort korrigiert. Als er davon Kenntnis erlangt hat, dass die Verfügungsbeklagte die örtliche Zuständigkeit rügen wird, hat er umgehend – noch vor Einlegung des Widerspruchs – vorsorglich Verweisung an das zuständige Landgericht Saarbrücken beantragt.

 

29  Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verfügungskläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dem Clever + Programm gehabt hat. Zwar war dem Abmahnschreiben ein "3. Blatt" beigefügt, das sich auf das Clever-Programm der Verfügungsbeklagten bezog, das seit 2011 nicht mehr verwendet wird. Dies allein ist aber nicht geeignet, eine frühere Kenntnis des Verfügungsklägers von diesem Programm zu belegen. Vielmehr hat dessen stellvertretende Geschäftsführerin W. eidesstattlich versichert, dass sie von den streitgegenständlichen Materialien und dem Bonusprogramm der Verfügungsbeklagten erst am 23.04.2015 Kenntnis erlangt hat. Wie diese "3. Seite" zu den der Geschäftsführerin vorgelegten Unterlagen gelangt ist, ließ sich nicht klären, kann aber letztlich dahinstehen, da es für die Kenntnis maßgeblich nur auf das Wissen der Person ankommt, die bei der Verfügungsklägerin für die Ermittlung und/oder Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen zuständig ist (Köhler a.a.O. § 12 UWG Rn. 3.15 a m. w. N.). Dass dies zum damaligen Zeitpunkt die stellvertretende Geschäftsführerin war, hat der Verfügungskläger ebenso glaubhaft gemacht wie deren erstmalige Kenntniserlangung am 23.04.2015.

 

30  Dem Verfügungskläger kann auch nicht der Vorwurf grobfahrlässiger Unkenntnis von dem Bonusprogramm gemacht werden. Selbst wenn es in dieser Form bereits seit vielen Jahren praktiziert und auch in Fachzeitschriften besprochen worden sein sollte, begründet dies den Vorwurf grobfahrlässiger Unkenntnis nicht, denn es besteht keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht (Köhler a.a.O. § 12 UWG Rn. 3.15a m. w. N.; Hess a.a.O. § 12 UWG Rn. 123). Dass die nur mit einer Geschäftsführerin und ihrer Assistentin besetzte Geschäftsstelle des Verfügungsklägers hierzu personell auch gar nicht in der Lage ist, ergibt sich ebenfalls aus der eidesstattlichen Versicherung der Frau W.

 

31  Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Dringlichkeit nicht deshalb entfallen ist, weil ein Verbandsmitglied, das bereits vorher entsprechende Kenntnis hatte, den Verfügungskläger nur vorgeschoben hatte. Insoweit hat die Verfügungsbeklagte nicht dargetan, dass ein eigenes Verbandsinteresse des Verfügungsklägers fehlt.

 

32  Für die Dauer des Widerspruchsverfahrens ist der Verfügungskläger nicht verantwortlich. Ein zögerliches Verhalten des Verfügungsklägers im Rahmen des Widerspruchsverfahrens kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Dieser hat zur Widerspruchsschrift unverzüglich Stellung genommen und war auch für die erste Terminsverlegung nicht verantwortlich. Die hier aufgetretene Verzögerung bleibt allein in der Sphäre des Gerichts, was nicht geeignet ist, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen (Hess a.a.O. § 12 UWG Rn. 136 m. w. N.).

 

II.

 

33  Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch das Bestehen eines Verfügungsanspruchs bejaht.

 

34  Der begehrte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 8 Absatz 1, Absatz 3 Nr. 3, 3, 4 Nr. 11 in der Fassung vom 03.03.2010 – bzw. 3a in der Fassung vom 02.12.2015 – UWG in Verbindung mit § 78 AMG und § 2 AMPreisV bzw. in Verbindung mit § 7 HWG, denn die Gewährung von Preisnachlässen und Vergütungen, wie von der Verfügungsbeklagten in dem Telefax vom 17.03.2015 (AST 2) angeboten, und die Werbung hiermit sind unlauter.

 

35  1. Das Bestehen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs ist nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beurteilen, im Streitfall also nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 in der seit dem 10.12.2015 geltenden Fassung. Soweit ein Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit seiner Begehung wettbewerbswidrig war (BGH, Urteil vom 9. 9. 2010 – I ZR 193/07 – Unser Dankeschön für Sie – GRUR 2010, 1136 ff. Rn. 12). Maßgebend ist insoweit das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der vom 29.12.2008 bis zum 09.12.2015 geltenden Fassung. Allerdings war mit der Gesetzesänderung zum 10.12.2015 keine für den Streitfall bedeutsame Änderung des materiellen Regelungsgehalts des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verbunden. Insbesondere sind die Regelungen des § 4 Nr. 11 UWG a.F. und des § 3a UWG n.F., von dem Erfordernis der Spürbarkeit abgesehen, im Wesentlichen inhaltsgleich.

 

36  2. Die Vorschriften der § 78 Abs. 1 AMG, § 2 Abs. 1 AMPreisV, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a HWG stellen Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG a.F., § 3a UWG n.F. dar (OLG Köln, Urteil vom 19. Februar 2014 – 6 U 103/13 – GRUR-RR 2014, 175 ff., juris Rn. 6). Sie dienen dem Schutz der Volksgesundheit, insbesondere der Arzneimittelsicherheit. Mit der Gewährleistung einheitlicher Apothekenabgabepreise soll im Hinblick auf die Beratungs- und Schlüsselfunktion der Apotheken ein Preiswettbewerb auf der Handelsstufe der Apotheken ausgeschlossen oder jedenfalls vermindert und dadurch im öffentlichen Interesse die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt und zudem das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abgesichert werden (BGH, Urteil vom 05. März 2015 – I ZR 185/13 – NJW-RR 2015, 1388 ff., juris Rn. 22).

 

37  3. Dass die in der Anlage AST 2 aufgeführten Vergünstigungen und Preisnachlässe der Verfügungsbeklagten jedenfalls in Kombination über den Höchstzuschlag von 3,15 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers hinausgehen können, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Diese Rabatte verstoßen gegen § 78 Absatz 1 AMG, § 2 Absatz 1 Satz 1 AMPreisV.

 

38  a. Soweit die Berufung geltend macht, den handschriftlichen Notizen ihres Vertriebsmitarbeiters M. lasse sich nicht entnehmen, dass die aufgeführten Rabattmöglichkeiten tatsächlich kumulativ gewährt oder angeboten würden, überzeugt das nicht. Zwar sind die verschiedenen Rabattmöglichkeiten untereinander nicht mit einem "und" verbunden, der Empfänger eines solchen Angebots kann es ohne klarstellenden Zusatz aber nur so verstehen, dass sämtliche Vergünstigungen in Kombination angeboten werden. Denn es drängt sich ihm geradezu auf, dass ihm neben der Teilnahme an dem Clever+-Programm der Verfügungsbeklagten die weiteren Vergünstigungen angeboten werden sollen. Die Annahme, er könne sich aus den verschiedenen Möglichkeiten nur eine auswählen, liegt fern. Im Übrigen gingen eventuelle Unklarheiten in Werbeäußerungen zulasten des Werbenden.

 

39  b. Dem Angebot lässt sich auch keine Deckelung der Konditionsgewährung gemäß § 2 AMPreisV entnehmen. Zwar findet sich dort der Zusatz "Hochpreiser > 1.238,50 € = 37,80 €", der dem Höchstzuschlag nach § 2 AMPreisV entspricht. Allerdings ist auch unterhalb eines Betrages von 1.238,50 € bereits die Überschreitung dieses Höchstzuschlags durch die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten gegeben, so dass eine ausreichende "Deckelung" nicht vorliegt.

 

40  c. Der Gesetzgeber hat von der in § 78 Abs. 1 AMG niedergelegten Ermächtigung Gebrauch gemacht und in der Arzneimittelpreisverordnung die Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel abgegeben werden, festgesetzt. Er hat hierbei in der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV bestimmt, dass sich der Abgabepreis des Großhandels aus dem Herstellerpreis, einem Höchstzuschlag hierauf von 3,15 % (maximal 37,80 €) sowie einem Festzuschlag von 0,70 € und der Umsatzsteuer hierauf zusammensetzt. Nach der Neufassung des § 7 Absatz 1 Nr. 2a HWG sind Barrabatte für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Daraus folgt, dass die pharmazeutischen Unternehmer bei Direktabgabe an die Apotheken auf die Geltendmachung des Großhändlerzuschlags verzichten können, eine weitergehende Rabattgewährung aber unzulässig ist. Die von der Verfügungsbeklagten angebotenen Vergünstigungen verstoßen aber gegen § 2 AMPreisV.

 

41  aa. Bereits der Basisrabatt beträgt 2 % bis 2,85 % und liegt damit nur geringfügig unter dem Höchstzuschlag von 3,15 %. Berücksichtigt man weiter, dass nach dem Clever + Partnerprogramm je nach Status pro direkt von der Verfügungsbeklagten bezogener verschreibungspflichtiger Packung eine Vergütung von 0,10 € bis maximal 1,10 € gewährt wird, ist offensichtlich, dass selbst wenn man, wie die Berufung geltend macht, von einer Mischkalkulation im Clever + Partnerprogramm ausginge, bei der der Höchstzuschlag von 3,15 % auf das gesamte bezogene und rabattierte Sortiment nicht überschritten wird, dennoch dazu führt, dass in Kombination mit dem ebenfalls gewährten Basisrabatt der Höchstzuschlag von 3,15 % bezogen auf einzelne Arzneimittel weit überschritten werden kann.

 

42  bb. Des Weiteren ist das bei Bankeinzug gewährte Skonto von 3 % zu berücksichtigen, das ebenfalls von § 2 Absatz 1 Satz 1 AMPreisV erfasst wird. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des OLG Bamberg in seinem Urteil vom 29.06.2016 – 3 U 216/15 – (zitiert nach juris) an.

 

43  Zwar werden Skonti grundsätzlich für eine besonders rasche Zahlung aufgrund einer besonderen vertraglichen Vereinbarung eingeräumt. Da die Kunden der Verfügungsbeklagten keinen Anspruch auf Einräumung eines solchen Skonto haben, stellt er sich jedoch letztlich als Teil der Preisgestaltung der Verfügungsbeklagten dar, die im Ergebnis zu einem Preisnachlass führt. Dies zeigt sich im Streitfall bereits daran, dass das Skonto von 3 % zwar nur bei Bankeinzug gewährt wird, dabei allerdings ein Zahlungsziel von drei Monaten eingeräumt wird. Das hat mit einer schnellen Zahlung als Gegenleistung für das gewährte Skonto letztlich nichts mehr gemein, zumal auch der Bankeinzug wegen des vereinbarten langen Zahlungsziels und etwaiger Unterdeckung des Kontos keine hinreichend sichere Zahlung gewährleistet und dem pharmazeutischen Unternehmer damit letztlich keinen Vorteil verschafft.

 

44  Schließlich spricht auch das Ziel, das der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 2 AMPreisV verfolgt, dafür, dass ein über den Höchstzuschlag von 3,15 % hinausgehender Rabatt auch nicht durch die Gewährung eines Skonto unterlaufen werden darf. Denn durch die in § 2 AMPreisV vorgesehene Preisgestaltung soll eine flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden (BT-Drucksache 17/8005 Seite 2). Dieses Ziel soll insbesondere mit dem in der genannten Vorschrift enthaltenen „Festzuschlag“ erreicht werden. Der Gesetzgeber will damit dem Großhandel eine Vergütung verschaffen, die die Erfüllung dieser Aufgabe unabhängig vom Preis eines Arzneimittels gewährleistet. (BT-Drucksache 17/2413 Seite 36). Dieses gesetzgeberische Ziel würde grundsätzlich infrage gestellt, wenn dieser feste Zuschlag ganz oder teilweise nicht gezahlt würde. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn durch die Möglichkeit der Gewährung von Skonti der Wettbewerb unter den Großhändlern im Bereich des Festzuschlags eröffnet würde. Jeder Großhändler hätte dann die Möglichkeit, gegebenenfalls unter Berufung auf die Handelsüblichkeit, durch die Einräumung weiträumiger Zahlungsziele und eines nach eigenem Belieben zu gewährenden Nachlasses de facto einen Preiskampf auch in diesem Bereich entgegen der Intention des Gesetzgebers zu eröffnen. Dies könnte dann zur Folge haben, dass die Belieferung von Fertigarzneimitteln an Apotheken sich punktuell als nicht mehr lukrativ erwiesen und damit nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr erfolgten. Würden Skonti nur Großabnehmern gewährt, so würde die Konkurrenzfähigkeit kleinerer Apotheken beeinträchtigt, was zu einer Ausdünnung der Apotheken und damit zu einer Versorgungsbeeinträchtigung führen könnte. Damit würde genau das Szenario eintreten, das der Gesetzgeber mit dem Festzuschlag im Sinne der angemessenen und flächendeckenden Belieferung der Apotheken gerade verhindern will (OLG Bamberg, Urteil vom 29. Juni 2006 – 3 U 216/15 – WRP 2016, 1151 ff., Juris Rn. 116 m. w. N.).

 

45  Soweit die Verfügungsbeklagte hiergegen einwendet, dass diese Regelung ausdrücklich nur den Großhändler betreffe, nicht aber den pharmazeutischen Unternehmer, sich bereits aus den Begründungen zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung ergebe, wo ausdrücklich in Bezug auf den pharmazeutischen Unternehmer festgehalten sei, dass die Vereinbarung von Skonti und Zahlungsfristen im Rahmen marktüblicher Bedingungen hiervon unberührt bleibe (vgl. BT- Drucksache 16/3100, Seite 199), übersieht er, dass der Gesetzgeber durch Änderung des § 78 Abs. 1 AMG mit dem Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011 (BGBl I 2011, 2983 ff.) ausdrücklich klargestellt hat, dass die Vorschriften zur Höhe der Großhandelszuschläge und zum Rabattverbot auch für den pharmazeutischen Unternehmer im Direktvertrieb gelten, da er dann wie ein Großhändler tätig wird (BT-Drucksache 17/8005, Seite 135). Daraus folgt, dass auch ein von einem pharmazeutischen Unternehmer im Direktvertrieb an Apotheken gewährtes Skonto, bei dem der Höchstzuschlag von 3,15 % überschritten wird, unzulässig ist (Rehmann, AMG, 4. Auflage, § 78 Rn. 2).

 

46  cc. Der Senat folgt dem Landgericht auch darin, dass der umsatzabhängige Werbekostenzuschuss ebenfalls einen (verdeckten) Rabatt darstellt, der zu einer weiteren Preisreduzierung je nach Umsatz von 0,5 % bzw. 1 % führt. Die von der Verfügungsbeklagten angeführte Begründung dafür, dass der Werbekostenzuschuss eine Gegenleistung des Apothekers – Auskünfte über das Abgabeverhalten und/oder deren Lagersortiment; erhöhte Beratung in Bezug auf Importarzneimittel – honoriert, überzeugt nicht. Dass solche Auskünfte abhängig vom Umsatz einen erhöhten Arbeitsaufwand nach sich ziehen, ist wenig plausibel, zumal sie sich auf das gesamte Sortiment der Apotheke, d. h. die Importe im Vergleich zu den Originalpräparaten, beziehen. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist, dass sich der Beratungsaufwand des Apothekers für Importarzneimittel umsatzabhängig erhöhen soll. Im Übrigen ist hier auch zu berücksichtigen, dass gerade die Beratung durch den Apotheker zu dessen ureigenen Pflichten gehört, die nicht gesondert vergütet werden müssen. Zudem wird bereits in dem Clever+-Programm der Beratungsaufwand der Apotheke bei der Abgabe von Import-Arzneimitteln in den Mittelpunkt gerückt und ausgeführt, dass hierfür eine Vergütung für jede direkt bezogene Rx-Packung gewährt wird. Es drängt sich deshalb, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, der starke Verdacht auf, dass es sich bei dem Werbekostenzuschuss um einen weiteren versteckten Rabatt handelt, da diesem keine echte Gegenleistung gegenübersteht.

 

47  Danach bleibt festzuhalten, dass die von der Verfügungsbeklagten angebotenen Preisnachlässe und Skonti jedenfalls dann, wenn sie in (verschiedenen) Kombinationen gewährt werden, den Höchstzuschlag von 3,15 % übersteigen und damit gegen §§ 78 AMG, 2 AMPreisV verstoßen.

 

48  4. Ebenso verstößt die beanstandete Werbung gegen § 7 Abs. 1 HWG.

 

49  Zwar verweist die Verfügungsbeklagte zu Recht darauf, dass Werbung nach dieser Vorschrift nur untersagt ist, wenn sie produktbezogen ist; diese Voraussetzung ist hier jedoch – auch in Bezug auf das Clever+-Programm – erfüllt. Die Abgrenzung zwischen Absatz- und Firmenwerbung richtet sich danach, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Daher ist die Bestimmung des § 7 HMG nur dann anwendbar, wenn gewährte Vorteile sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs als Werbung für konkrete Heilmittel darstellen (BGH, Urteil vom 26. März 2009 – I ZR 99/07 – DeguSmiles, GRUR 2009, 1082 ff., juris Rn. 15 m. w. N.; OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 14. März 2016 – 6 U 248/15 –, juris Rn. 2 f.). Ausgehend von dem Zweck des § 7 HWG, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen ausgehen kann, macht es keinen Unterschied, ob die Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln oder nur für genau benannte Heilmittel eingesetzt wird, denn die Eignung einer Zuwendung, den Absatz eines Heilmittels unsachlich zu beeinflussen, hängt hiervon nicht ab (BGH a.a.O. juris Rn. 16). Auch wenn sich das von dem Verfügungskläger beanstandete, in Form eines Treueprogramms betriebene Kundenbindungssystem der Beklagten (Clever+-Programm) auf deren gesamtes verschreibungspflichtiges Sortiment erstreckt, können die angesprochenen Apotheker diese aufgrund ihres Erscheinungsbildes nur als Absatzwerbung verstehen. Die Verfügungsbeklagte will damit gerade erreichen, dass die jeweiligen Apotheker die rezeptpflichtigen Arzneimittel von ihr und nicht von anderen Großhändlern oder den Originalherstellern beziehen. Gerade dieser Absatz wird durch das umsatzabhängig gestaffelte Vergütungssystem in den Vordergrund gestellt und gefördert.

 

50  5. Es besteht zumindest Erstbegehungsgefahr, denn durch das Rabattsystem der Beklagten besteht die ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr, dass die nach dem Arzneimittelrecht zulässigen Höchstrabatte überschritten werden, wobei zudem eine ganz erhebliche Vermutung dahingehend besteht, dass dies in der Vergangenheit bereits der Fall war.

 

51  6. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist der Tenor der einstweiligen Verfügung nicht zu weit gefasst. Selbst wenn dem Clever+-Programm eine Mischkalkulation zugrunde liegen sollte, die bezogen auf den gesamten rabattierten Bezug nicht zu einer Überschreitung des Höchstsatzes von 3,15 % führt, ändert dies unabhängig davon, ob eine solche „Mischkalkulation“ überhaupt den Vorgaben des § 2 Abs. 1 AMPreisV standhält, nichts daran, dass dieser Satz in Kombination mit anderen gewährten Vergütungen überschritten werden kann. Dem trägt der Tenor dadurch Rechnung, dass eine Begrenzung auf den Großhandelszuschlag gemäß § 2 Abs. 1 AMPreisV von 3,15 %, höchstens 37,80 € auf den Arzneimittelabgabepreis vorgenommen wird.

 

52  Die Berufung des Verfügungsbeklagten war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs.1 ZPO und Vollstreckbarkeitserklärung gemäß § 542 Abs.2 ZPO zurückzuweisen.