Kosmetikraum in Apotheke

Entscheidungen in Leitsätzen

Az.: 4 K 3001/18.GI

AMG § 69; ApBetrO § 1a Abs. 11, § 4 Abs. 5; ApoG § 2 Abs. 1 Nr. 6, § 21 ApoG, § 4 Abs. 2

Leitsatz des Gerichts:

Die Durchführung von Kosmetikbehandlungen in den Räumlichkeiten einer Apotheke kann eine apothekenübliche Dienstleistung mit Gesundheitsbezug sein, wenn hierdurch die Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung aufgrund des zeitlichen Umfangs nicht beeinträchtigt wird (Abgrenzung zu VG Minden, Urteil vom 26.11.2011, 7 K 1647/10).

Tatbestand

Mit der Klage wendet der Kläger sich gegen eine apothekenrechtliche Anordnung des Beklagten.

 

Der Kläger ist seit dem 09.06.1983 approbierter Apotheker. Mit Bescheid vom 15.05.1990 wurde dem Kläger die Erlaubnis erteilt, die H.-Apotheke in A-Stadt als Eigentümer zu betreiben. Die Erlaubnis wurde nur für die in den beigefügten Plänen bezeichneten Räume erteilt. Beigefügt waren Raumpläne der Apotheke und eine Flächenberechnung. Danach beträgt die Gesamtfläche der Apotheke nach der Aufstellung des Klägers 210 m², nach der Flächenberechnung in den vorgelegten Plänen sogar 245,80 m².

 

Mit Erlaubnis vom 25.03.2014 wurde dem Kläger unter Bezugnahme auf die Betriebserlaubnis vom 15.05.1990 der Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 AMG genehmigt.

 

Am 17.05.2005 wurde der vom Kläger zur Akte gereichte Grundriss (Raumänderung) zum Bestandteil der Erlaubnisurkunde vom 15.05.1990 gemacht. In diesem Plan ist für einen Bereich der Apotheke eine Nutzungsänderung in „kosmetische Behandlung, Liege, Beratung“ in einem durch eine Türe abgeschlossenen Raum aufgenommen worden.

 

Die Apotheke des Klägers ist TÜV-Zertifiziert unter der Prüfungsnorm ISO 9001:2008 mit dem Geltungsbereich u.a. kosmetische Behandlungen. Das letzte aktenkundige Zertifikat datiert vom 03.01.2014 und war gültig bis zum 13.01.2017.

 

Am 10.01.2014 wurde die Apotheke des Klägers vor Ort überprüft; die Überprüfung war beanstandungsfrei bis auf Nr. 5: Augentropfmontur fehlt. Unter dem 22.01.2014 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass die beanstandete fehlende Augentropfmontur angeschafft worden sei.

 

Eine weitere Überprüfung vor Ort fand in der Apotheke des Klägers am 11.04.2017 statt. Hierbei wurde unter Nr. 3.5 bei der Rezeptur bemängelt: „Hygiene verbessern“. Unter Nr. 10, Bemerkungen, war enthalten: „Bitte Stellungnahme zu Kosmetikraum zusenden“. Mit Schreiben vom 05.10.2017 erinnerte der Beklagte den Kläger daran, hinsichtlich des Prüfprotokolls zu Nr. 10 bis spätestens 30.10.2017 mitzuteilen, was hinsichtlich der festgestellten Mängel von Seiten des Klägers veranlasst worden sei.

 

Mit Schreiben vom 23.10.2017 teilte der Kläger dem Beklagten mit, die Apotheke behandele mit äußerst hochwertigen Spezialgeräten Hautprobleme, die mit „normaler“ Kosmetik nicht behandelbar seien. Ein entsprechendes, gleichwertiges Behandlungskonzept existiere in weitem Umkreis nicht. Hierzu zählten Narbenbehandlungen nach Operationen und Verletzungen, verschiedene Formen starker und stärkste Akne, teilweise in Zusammenarbeit mit Hautärzten, dauerhafte Haarentfernung bei psychischer Beeinträchtigung durch überstarken Haarwuchs, Korrektur von Fehlbehandlungen und Wiederherstellung eines gesundes Hautbildes nach Fehlbehandlungen mit Fruchtsäure durch Kosmetikerinnen. Weiter teilte der Kläger mit, dass ein separater Zugang zum Kosmetikraum nicht möglich sei, da die Apotheke an 3 Seiten von Nachbarn umgeben sei. Auf Aufforderung mitzuteilen, welche Qualifikation die behandelnden Personen hätten, teilte der Kläger dem Beklagten unter dem 07.11.2017 mit, über welche Qualifikationen seine mit der Kosmetikbehandlung betrauten Angestellten verfügten.

 

Mit Schreiben vom 10.01.2018 gab der Beklagte dem Kläger Gelegenheit, zu einer beabsichtigten Untersagung der Durchführung von Kosmetikbehandlungen in den Apothekenbetriebsräumen Stellung zu nehmen. Zur Begründung der beabsichtigten Untersagung wies der Beklagte zunächst auf die Besichtigung vom 11.04.2017 und die getroffenen Feststellungen hin. Der Beklagte war der Auffassung, bei einer Kosmetikbehandlung handele es sich nicht um eine apothekenübliche Dienstleistung. Die Betriebsräume seien durch Wände oder Türen von anderweitig gewerblich oder beruflich genutzten Räumen abzutrennen.

 

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.02.2018 vertrat der Kläger die Auffassung, bei den Kosmetikbehandlungen handele es sich um apothekenübliche Dienstleistungen, da die medizinische Kosmetik, die der Kläger anbiete, einen Gesundheitsbezug aufweise. Daher bestehe für den Kosmetikraum auch kein Abtrennungsgebot. Der Kosmetikbereich in der H.-Apotheke sei bereits 2002 eingerichtet worden und eine räumliche Abtrennung mittels einer Türe existiere seit mindestens 2005/2006, was dem Beklagten bekannt sei. Der entsprechende Grundriss, der dem Beklagten vorgelegt worden sei, sei am 17.05.2005 ausdrücklich zum Bestandteil der Erlaubnisurkunde vom 15.05.1990 gemacht worden. Seitdem seien Regelbesichtigungen erfolgt (u. a. am 01.03.2011 und 10.01.2014) bei denen der Kosmetikraum bzw. dessen Existenz zu keinem Zeitpunkt beanstandet worden sei. Aufgrund des hierdurch geschaffenen Vertrauenstatbestandes habe der Beklagte sein Recht verwirkt, die Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers zu untersagen. Die Änderung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 habe zu keiner Veränderung der Sach- oder Rechtslage geführt. Zudem sei die geplante Untersagung der Kosmetikbehandlung ermessensfehlerhaft.

 

Mit Bescheid vom 03.05.2018 untersagte der Beklagte dem Kläger die Durchführung von Kosmetikbehandlungen in den Apothekenbetriebsräumen ab dem 01.01.2019, mit der Möglichkeit der einmaligen Fristverlängerung, und drohte dem Kläger für den Fall, dass er der Anordnung nicht bis zu der gesetzten Frist nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 300,– Euro an. Gleichzeitig wurden dem Kläger die Kosten des Verfahrens in Höhe von insgesamt 211,76 Euro auferlegt.

 

Zur Begründung führte der Beklagte aus, bei einer Kosmetikbehandlung handele es sich nicht um eine apothekenübliche Dienstleistung gemäß § 2 Abs. 4 i.V.m. § 1a Abs. 11 der Apothekenbetriebsordnung. Apothekenübliche Dienstleistungen seien Dienstleistungen, die der Gesundheit von Menschen oder Tieren dienten oder diese förderten. Dazu gehörten Kosmetikbehandlungen nicht. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. Nr. 1a Apothekenbetriebsordnung seien zudem die Apothekenbetriebsräume durch Wände oder Türen von anderweitig gewerblich oder beruflich genutzten Räume abzutrennen. Ein anderes Gewerbe oder eine freiberufliche Tätigkeit dürfe in den Apothekenbetriebsräumen selbst nicht ausgeübt werden. § 1a Abs. 11 Apothekenbetriebsordnung existiere erst seit 2012. Die getroffene Anordnung sei erforderlich, aber auch ausreichend, um den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Hierzu diene auch die dem Kläger eingeräumte Frist. Die Androhung des Zwangsgeldes sei notwendig, um den Kläger zur Befolgung der Verfügung anzuhalten. Da der Kläger die Amtshandlung veranlasst habe, habe er auch die durch das Verfahren entstandenen Kosten zu tragen.

 

Der Bescheid wurde dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 08.05.2018 zugestellt.

 

Am 08.06.2018 hat der Kläger Klage erhoben.

 

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die in seiner Apotheke angebotenen Kosmetikdienstleistungen seien apothekenrechtlich zulässige Dienstleistungen. Auch wenn sich die Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 geändert haben sollte, so bleibe festzuhalten, dass seine Apotheke noch im Jahr 2014 insoweit ohne Beanstandungen vor Ort kontrolliert worden sei. Die in der Apotheke angebotenen Kosmetikbehandlungen hätten Gesundheitsbezug. Darüber hinaus sei der Kosmetikraum auch innerhalb der Apotheke abgetrennt. Der Apothekenbetrieb sei durch die Kosmetikleistungen nicht beeinträchtigt. Der Raum, in dem die Kosmetikbehandlungen durchgeführt würden, werde auch dafür genutzt, intensive Beratungen durch den Apotheker durchzuführen. Zudem habe der Beklagte sein Untersagungsrecht verwirkt. Der Kosmetikbereich sei 2002 eingerichtet worden und seit 2006 abgetrennt. Der Kosmetikraum sei zudem apothekenrechtlich genehmigt und bis zu der Kontrolle vom 11.04.2017 niemals beanstandet worden. Die Kosmetiktätigkeit werde ausschließlich durch ausgebildete Kosmetikerinnen ausgeübt. Zur Anwendung kämen allein exklusive Kosmetikartikel aus der Verkaufspalette der Apotheke. Die Kosmetikkabine sei zudem nur ungefähr 2,5 Tage pro Woche mit Kosmetikbehandlungen belegt.

 

Der Kläger beantragt, die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 03.05.2018 aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, seine Untersagungsverfügung sei rechtmäßig. Soweit es sich bei der Kosmetik um medizinische Behandlung handele, sei diese keine apothekenübliche Dienstleistung, sondern Ärzten vorbehalten. Die Kosmetikbehandlung sei auch keine Dienstleistung nach § 1a Abs. 11 der Apothekenbetriebsordnung. Von einer Verwirkung des Untersagungsrechts könne nicht ausgegangen werden. Zwar könne ein Apotheker durchaus Kosmetikbehandlungen anbieten, dies sei aber nur im Rahmen einer (angezeigten) Nebentätigkeit möglich. Erforderlich sei aber insoweit, dass der Kosmetikbereich von der Apotheke klar räumlich abgegrenzt sei. Eine Kosmetikbehandlung innerhalb der Apothekenbetriebsräume selbst sei nicht zulässig. Die Auslegung des Klägers hinsichtlich des Begriffs der apothekenüblichen Dienstleistungen sei viel zu weitgehend. Bei den vom Gesetzgeber, wenn auch nicht abschließend, geregelten apothekenüblichen Dienstleistungen handele es sich um Tätigkeiten, die eine Apotheke als Serviceleistungen kostenlos oder zumindest nur gegen ein geringes Entgelt anböten und was in der Regel auch mit einen geringen zeitlichen Aufwand einhergehe (Beratungen, Anpassung von Medizinprodukten, Gesundheitstests). Hiermit sei eine kosmetische Behandlung nicht vergleichbar. Die Kosmetikbehandlung sei nämlich deutlich zeitaufwendiger und auch nur gegen ein entsprechendes Entgelt erhältlich. Dieses dürfte die Kosten von apothekenüblichen Dienstleistungen weit übersteigen. Eine apothekenübliche Dienstleistung könne allenfalls dann vorliegen, wenn der Apotheker den Kunden berate und ihm zeige, wie das Produkt anzuwenden sei. Hiervon sei die Verabreichung des Produkts am Kunden auf einem Behandlungsstuhl zu unterscheiden. Letztere sei keine apothekenübliche Dienstleistung. Hinzu komme, dass der Raum im Rahmen der damaligen Genehmigung auf dem Plan von 2004 nur als „Intensivberatung“ gekennzeichnet gewesen sei.

 

Mit Beschluss vom 07.01.2019 hat die Kammer, nachdem den Beteiligten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, den Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 VwGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. In der mündlichen Verhandlung am 25.03.2019 hat der Einzelrichter den Rechtsstreit wegen grundsätzlicher Bedeutung auf die Kammer zurückübertragen. In der mündlichen Verhandlung am 25.03.2019 haben die Beteiligten sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenvorgänge Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

 

Der Bescheid des Beklagten vom 03.05.2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Voraussetzungen dafür, dass der Beklagte dem Kläger die Durchführung von Kosmetikbehandlungen in der H.-Apotheke in A-Stadt untersagen durfte, liegen nicht vor.

 

Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Untersagungsverfügung des Beklagten vom 03.05.2018 ist § 69 Abs. 1 S. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die Ermächtigung erstreckt sich auch auf die Überwachung des ordnungsgemäßen Betriebs von Apotheken und ordnungsrechtlichen Maßnahmen bei Verstößen gegen das Apothekenrecht (ständige Rechtsprechung des BVerwG, zuletzt Urteil vom 18.10.2012, 3 C 25/11 und Beschluss vom 19.09.2013, 3 C 15/12).

 

Die auf § 69 Abs. 1 S. 1 AMG gestützte Untersagungsverfügung vom 03.05.2018 ist formell rechtmäßig. Das Regierungspräsidium Darmstadt ist nach den Richtlinien für die Überwachung von Apotheken des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration vom 10.05.2016 zuständige Behörde für die Überwachung von Apotheken. Vor Erlass der streitbefangenen Verfügung ist der Kläger auch nach § 28 HVwVfG zu der beabsichtigten Verfügung in nicht zu beanstandender Weise angehört worden.

 

Die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 03.05.2018 ist jedoch materiell rechtswidrig und aufzuheben.

 

Die Voraussetzungen dafür, dem Kläger die Durchführung von Kosmetikbehandlungen in der H.-Apotheke in A-Stadt untersagen zu können, liegen nicht vor. Die Durchführung von Kosmetikbehandlungen in der streitbefangenen Art und Weise in der Apotheke des Klägers ist nicht als Verstoß im Sinne von § 69 Abs. 1a AMG i.V.m. der nach § 21 des Gesetzes über das Apothekenwesen (ApoG) bzw. § 54 AMG erlassenen Verordnung über den Betrieb von Apotheken – Apothekenbetriebsordnung – (ApBetrO, in der Fassung der 4. Änderungsverordnung vom 05.06.2012, BGBl I S. 1254, zuletzt geändert durch Verordnung vom 02.07.2018, BGBl. I S. 1080) zu qualifizieren.

 

Bei den von dem Kläger in seiner Apotheke angebotenen Kosmetikdienstleistungen handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts um apothekenübliche Dienstleistungen im Sinne von § 1a Abs. 11 ApBetrO. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass derartige apothekenübliche Dienstleistungen einen Gesundheitsbezug aufweisen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.09.2013, 3 C 15/12); dies ist zur Überzeugung des Gerichts im Falle der Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers jedoch der Fall. Der Kläger hat sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren, zuletzt in der mündlichen Verhandlung, angegeben, die Kosmetikbehandlungen würden ausschließlich mit den exklusiv in der Apotheke feilgebotenen Kosmetika durchgeführt. Insoweit ist der Gesundheitsbezug schon dadurch hergestellt, dass diese exklusiv Kosmetika, die in einer Apotheke verkauft werden dürfen, ebenfalls Gesundheitsbezug haben müssen, denn ansonsten wäre bereits der Verkauf der Produkte in der Apotheke untersagt (Obst und Gemüse darf ein Apotheker ebenso wenig in seinem Sortiment führen wie Wurst und Fleischwaren). Wie auch das Anpassen von Kompressionsstrümpfen, unterfällt die Anwendung derartiger Exklusiv-Kosmetika am Kunden der apothekenüblichen Dienstleistung. Gerade im Bereich frei verkäuflicher apothekenüblicher Waren des Nebensortiments tritt der freie Beruf des Apothekers zurück und es findet eine gewerbliche Konkurrenz mit anderen Anbietern derselben oder gleichen Produkte statt, hier sind die Apotheker gleichsam Kaufleute (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.08.1996, 1 BvR 1848/91). Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, alleine das Produkt an die Kunden zu verkaufen und diese über die Anwendung zu informieren, ihm ist ebenso zu gestatten, die Kosmetika aus der Apothekenverkaufspalette an der Kundschaft anzuwenden. Er muss seinen Kundenstamm zur Applikation der Produkte nicht auf sich gestellt lassen oder an gewerbliche Kosmetikstudios verweisen, denen möglicherweise jegliche Erfahrungen mit dem Umgang der vom Kläger in der Apotheke vertriebenen Kosmetika fehlen und bei denen auch fraglich ist, ob sie die für sie fremden Produkte überhaupt anwenden, so wie auch Kfz-Vertragswerkstätten sich nach Kenntnis des Gerichts weigern, anderweitig erworbene Ersatzteile, deren Qualität unbekannt ist, in Kraftfahrzeuge einzubauen. Insoweit hat der Kläger nämlich unbestritten vorgetragen, es handele sich bei der von ihm angebotenen Kosmetikdienstleistungen gerade nicht um handelsübliche Kosmetikleistungen, wie sie jedes Kosmetikstudio erbringen könne, sondern gerade um Kosmetikleistungen mit Gesundheitsbezug. Dies hatte der Kläger dem Beklagten bereits ausführlich unter dem 23.10.2017 mitgeteilt.

 

Bei den Kosmetikbehandlungen, die in der Apotheke des Klägers angeboten und durchgeführt werden, handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts daher gerade um solche, deren Gesundheitsbezug klar auf der Hand liegt. Nach den Angaben des Klägers werden nämlich mit äußerst hochwertigen Spezialgeräten Hautprobleme behandelt, die mit „normaler“ Kosmetik nicht behandelbar sind. Hierbei handelt es sich nach seinen Angaben um Narbenbehandlungen nach Operationen und Verletzungen, verschiedene Formen starker und stärkster Akne, teilweise in Zusammenarbeit mit Hautärzten, dauerhafte Haarentfernung bei psychischer Beeinträchtigung durch überstarken Haarwuchs und Korrektur von Fehlbehandlungen und Wiederherstellung eines gesunden Hautbildes nach Fehlbehandlungen mit Fruchtsäure durch (gewerbliche) Kosmetiker/innen. Der von dem Kläger geschilderte Anwendungsbereich seiner Kosmetika und deren Applikation an den Kunden hat damit einen erheblichen Gesundheitsbezug und ist damit als apothekenübliche Dienstleistung zu qualifizieren.

 

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Kosmetikbehandlung in den Apothekenräumen des Klägers auch nicht als medizinische Dienstleistung zu qualifizieren, die nur einem approbierten Mediziner oder einem Heilpraktiker vorbehalten wäre. Hierfür gibt die Beschreibung des Umfangs und der Art der Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers nichts her. Auch unterhalb einer indizierten ärztlichen Behandlung oder Behandlung durch den Heilpraktiker gibt es durchaus zulässige Bereiche der Kosmetikbehandlung mit Gesundheitsbezug, die in einer Apotheke angeboten werden dürfen, denn auch der approbierte Apotheker übt einen Heilberuf aus (vgl. Timo Kieser, Kosmetische Behandlung in der Apotheke, APR 2009, Seite 3 ff.). Das Gericht vermag sich daher der Auffassung des Verwaltungsgerichts Minden in dessen Urteil vom 26.11.2011 (7 K 1647/10) jedenfalls für den Umfang, in dem der Kläger in seiner Apotheke Kosmetikbehandlungen anbietet, nicht anzuschließen. Das VG Minden vertritt die Auffassung, dass es sich bei umfangreichen Kosmetikbehandlungen weder um eine unselbständige Nebenleistung bei der Abgabe apothekenüblicher Waren noch um ein zulässiges sogenanntes Nebengeschäft handelt und dass darin ein Verstoß gegen § 4 Abs. 5 ApBetrO liege. Bemerkenswert ist insoweit, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 26.01.2011 bereits lange Zeit vor Änderung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012, auf die sich der Beklagte beruft, ergangen ist, so dass die Änderung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 allein nicht der Grund für die streitbefangene Untersagungsverfügung sein kann. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Minden vom 26.01.2011 musste dem Beklagten zudem schon im Zeitpunkt seiner Vor- Ort-Prüfung am 10.01.2014 bekannt sein und gegebenenfalls auch bei der zeitlich davor liegenden Überprüfung der klägerischen Apotheke im Jahr 2011. Gleichwohl hat der Beklagte diese Kenntnis nicht dazu genutzt, gegen die Durchführung von Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers einzuschreiten, obwohl ihm mit der Ergänzung der Erlaubnisurkunde vom 05.05.1990 am 17.05.2005 ausweislich der vorgelegten Planunterlagen bekannt war, dass in der Apotheke des Klägers kosmetische Behandlung angeboten wird; der Raum ist auf dem Plan eindeutig so beschriftet.

 

Im Übrigen ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Minden in dem zitierten Urteil nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht auf den streitbefangenen Fall zu übertragen. Das Verwaltungsgericht Minden hat ausgeführt, dass jedenfalls eine Geschäftsgestaltung, die befürchten lässt, dass sich die Apotheke vom vorrangigen Arzneimittelversorgungsauftrag und hin zum „Drugstore“ oder zum Kosmetikstudio entwickelt, mit den Vorgaben des Apothekengesetzes und damit der Apothekenbetriebsordnung nicht vereinbar ist, was vorliegend gerade nicht feststellbar ist. Ausweislich der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist derzeit nur eine Angestellte mit einem Umfang von 1,25 Tagen pro Woche mit der Durchführung von Kosmetikbehandlungen beschäftigt, weil sich eine Angestellte derzeit noch in Mutterschutz befindet. Aber auch danach ist der Kosmetikraum beim Einsatz von zwei Angestellten mit Kosmetikausbildung allenfalls an 2,5 Arbeitstagen in der Woche mit Kosmetikbehandlungen ausgelastet. Ausgehend von der Gesamtgröße der Apotheke des Klägers und der Zahl seiner Angestellten kann nicht festgestellt werden, dass die Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers den vorrangigen Arzneimittelversorgungsauftrag einer Apotheke oder die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in Frage stellen könnte. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist er selbst vollschichtig in der Apotheke anwesend und beschäftigt darüber hinaus drei approbierte Vollzeitbeschäftigte, drei Vollzeit-PTAs und darüber hinaus noch zwei bis drei Teilzeit-PTAs. Ausgehend von sieben Vollzeitbeschäftigten ergeben sich hieraus bei einer 5-Tage Woche 35 Arbeitstage pro Woche, wobei noch die Teilzeitbeschäftigten hinzugerechnet werden müssen. Ausgehend von einer Wochenleistung in einer Größenordnung von 35-40 Arbeitstagen stellt sich die Kosmetikraumbelegung mit 2,5 Arbeitstagen pro Woche als derart gering dar, dass weder die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in Frage gestellt erscheint noch, dass sich die Apotheke weg vom vorrangigen Arzneimittelversorgungsauftrag hin zu einem „Drugstore“ oder Kosmetikstudio entwickelt hat. Die Belegung des Kosmetikraumes umfasst nämlich bei 35-40 Wochenarbeitstagen mit einem Umfang von 2,5 Wochenarbeitstagen allenfalls eine Größenordnung von 6-7 % der Gesamtarbeitsleistung in der Apotheke des Klägers und stellt damit den Hauptzweck der Apotheke nicht in Frage. Im Hinblick auf die Gesamtarbeitsleistung in der Apotheke des Klägers stellt sich die Durchführung der Kosmetikbehandlungen als eine geringfügige apothekenübliche Dienstleistung dar, die ohne weiteres in einer Apotheke erlaubt ist.

 

Bei dieser Wertung ist nach Auffassung des Gerichts, wie auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Minden und des Gesetzgebers (§ 1 AMG, § 1 ApoG, vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 25.09.2013, 13 A 523/11), bei einer Apotheke vorrangig die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung ins Auge zu nehmen. Dass diese in zeitlicher Hinsicht und in ihrer Qualität nicht gefährdet erscheint, ist vorstehend bereits dargelegt. Insoweit ist aber auch die gesamte Entwicklung im deutschen und europäischen Apothekenwesen in den Blick zu nehmen (vgl. VG Schwerin, Beschluss vom 27.02.2012, 6 B 300/11). Es ist ein legitimes gesetzgeberisches Ziel, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dadurch sicherzustellen, dass sich Apotheken mit approbierten Apothekern und Fachangestellten vor Ort befinden. Dieser Versorgungszweck der Bevölkerung mit Medikamenten erscheint dem Gericht aber durch die Zulassung und vermehrte Tätigkeit von sogenannten Versandapotheken (z.B. Doc Morris, apotal, Europa Apotheek, SHOP APOTHEKE, apo-discounter, medpex, hahn & hahn und viele andere mehr) erheblich mehr gefährdet als durch die Zulassung mehr oder weniger geringfügiger Nebenleistungen apothekenüblicher Art, z.B. in Form von Kosmetikbehandlungen wie in der Apotheke des Klägers. Nach der Erfahrung des Gerichts werden insbesondere chronisch Erkrankte dahin tendieren, ihre kontinuierliche Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln über Versandapotheken sicherzustellen, weil es sehr viel einfacher ist, ausgestellte Rezepte unmittelbar vom Arzt dorthin übermitteln zu lassen oder selbst per Post an die Online-Apotheke zu übermitteln, um die Medikamente und Hilfsmittel zugesandt zu erhalten, ohne eine ortsansässige Apotheke aufsuchen zu müssen, und damit ihren laufenden und abschätzbaren Versorgungbedarf sicherstellen zu können. Eine weitere Ausuferung dieses Trends würde zur Überzeugung des Gerichts dazu führen, dass nur noch Akut- oder Notfallpatienten die lokalen Apotheken vor Ort aufsuchen, weil die Versorgung über die Versandapotheke zu zeitaufwendig wäre. Mit einer derartigen Versorgung von Randgruppen wäre aber die Existenz der Apothekenlandschaft vor Ort in Deutschland insgesamt gefährdet. Ende 2016 zählt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) über 20.000 öffentliche Apotheken in Deutschland, die niedrigste Zahl seit Anfang der 1990er Jahre. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Online-Umsatz mit rezeptfreien Medikamenten um 17% an, wohingegen die Steigerung bei stationären Apotheken lediglich 1,6% betrug. Online-Apotheken verzeichnen niedrigere Personalkosten und umgehen teure Ladenmieten (vgl. www.netzsieger.de von 2018; www.lokalkompass.de/gladbeck vom 25.07.2017). Eine solche Gefährdung wäre insbesondere für Apotheken in der vom Kläger betriebenen Art anzunehmen, die über eine Grundfläche von mehr als dem doppelten der Mindestapothekenfläche verfügen und die neben dem Betriebsleiter selbst noch sechs Vollzeitarbeitskräfte und zwei bis drei Teilzeitarbeitskräfte beschäftigen. Diese Beschäftigten stellen einen nicht zu vernachlässigenden Kostenfaktor für den Betrieb einer Apotheke vor Ort dar, der bei Versandapotheken in diesem Umfang und so nicht anfällt. Versandapotheken wären daher deutlich besser gestellt als ortsgebundene Apotheken im lokalen Umfeld. Dies kann nicht Sinn und Zweck einer vom Gesetzgeber gewollten ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sein. Insoweit ist dem Apotheker ja auch gestattet, in seiner Apotheke freiverkäufliche gesundheitsförderliche Mittel und Randsortimente aus dem Gesundheitsbereich zum Verkauf anzubieten (§ 1a Abs. 10 ApBetrO). Gerade auch in diesem Bereich gerät aber die lokale Apotheke vor Ort in Konkurrenz mit Drogerien und sogar Discountern, denn auch bei Aldi oder Lidl findet sich ein bereitgestreutes Angebot angeblich gesundheitsfördernder Mitteln im freien Verkauf. Die Abgabe derartiger Mittel in Drogerien und Discountern erscheint dem Gericht zudem nicht unproblematisch, denn dieses Sortiment umfasst auch Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine, die es nahe legen, einen approbierten Apotheker zu Rate zu ziehen, bevor diese Mittel dem Körper unkontrolliert zugeführt werden. Dürfen aber Drogeriemärkte und Discounter freiverkäufliche Produkte aus dem Arzneimittelbereich ohne fundierte Beratung anbieten, so kann auch dem ortsansässigen Apotheker nicht verboten sein, die ausschließlich in seinem Laden zum Verkauf angebotenen Kosmetika am Kunden anzuwenden. Dem Argument, der Verkauf derartiger Waren außerhalb einer Apotheke setze eine Befähigung der jeweiligen Verkaufsleiter der Discountmärkte voraus, ist zu entgegnen, dass dies zwar stimmt, der Verkauf selbst aber über die Kassierer/innen stattfindet, die auch diese Produkte unkontrolliert und ohne Nachfrage oder Beratung in beliebiger Menge verkaufen. Gerade bei bestimmten Vitaminen ist aber bekannt, dass Überdosierungen erhebliche Gesundheitsgefahren nach sich zu ziehen geeignet sind.

 

Insgesamt wertet das Gericht die von dem Kläger in seiner Apotheke in dem als Kosmetikraum bezeichneten Raum angebotenen Kosmetikdienstleistungen daher als apothekenübliche Dienstleistungen, die ihm nicht untersagt werden dürfen ( so mit überzeugenden Argumenten auch Timo Kieser, Kosmetische Behandlung in der Apotheke, APR 2009, Seite 3 ff.; lesenswert insoweit auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.08.1996, 1 BvR 1848/91. Zwar mag es für die Anwendung von Kosmetika innerhalb einer Apotheke Grenzen geben, diese sind aber in der Apotheke des Klägers lange nicht erreicht. Eine Apothekennebenleistung im Umfang von 6-7 % der Gesamtarbeitsleistung in der Apotheke ist derart gering, dass auch wirtschaftlich nicht davon ausgegangen werden kann, die Kosmetikleistungen könnten den ureigenen Versorgungsauftrag der Apotheke des Klägers auch nur im geringsten gefährden. Die 2,5 Wochentage der Kosmetikbehandlung sind in Bezug auf die Gesamtarbeitstage in der Apotheke des Klägers als derart gering zu qualifizieren, dass ihnen betreffend den Apothekenbetrieb weder eine besondere zeitliche oder umsatzmäßige oder versorgungsgefährdende Bedeutung zukommen kann.

 

Diese Auffassung des Gerichts findet eine Parallele im Bereich der ärztlichen Tätigkeit. Auch ein approbierter Arzt ist berufen, allein im Sinne der Gesundheit seiner Patienten seinen Beruf auszuüben. Daher müsste es Ärzten untersagt sein, sogenannte IGeL (individuelle Gesundheitsleistungen) erbringen zu dürfen. Diese Leistungen zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass ihr Gesundheitsnutzen derart fraglich ist, dass sie von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden, sondern privat zu zahlen sind. Durch das Erbringen derartiger Leistungen wird die Zeit des Arztes in Anspruch genommen und er kann seine volle Arbeitskraft nicht der effektiven Heilbehandlung von Patienten widmen, auch eine Art Gefährdung des ärztlichen Versorgungsauftrags, von den monetären Folgen einmal ganz abgesehen. Auch dem Schönheitschirurgen müsste die ärztliche Tätigkeit untersagt werden, wenn er – ausschließlich privat liquidierend – tätig wird, um allein einem Idealbild der Kundschaft dienlich zu sein, wenn gar keine medizinische Indikation für die Körperveränderung vorliegt. Hier jedenfalls fehlt es völlig an einem heilenden Bezug zur Gesundheit der Patienten und die Betätigung in dieser Weise dient nicht einmal ansatzweise der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit, sondern allein dem monetären Interesse des Arztes, ohne dass hiergegen vorgegangen wird. Was aber dem Arzt recht ist, muss dem Apotheker billig sein.

 

Selbst wenn dies anders gesehen werden sollte, steht dem Erlass der Untersagungsverfügung entgegen, dass es sich bei dem im – Übrigen durch Wände und Türen abgeschlossenen – Kosmetikraum in der Apotheke des Klägers um einen Raum handelt, für den ihm die Apothekenbetriebserlaubnis erteilt wurde. Dies folgt aus dem Lageplan der Apotheke, die unter dem 17.05.2005 zum Bestandteil der Erlaubnisurkunde vom 15.05.1990 gemacht wurde. In diesem Lageplan ist handschriftlich eingetragen „Kosmetische Behandlung, Liege, Beratung“. Damit ist der Kosmetikraum auch in seiner Funktion als Kosmetikraum am 17.05.2005 zum Bestandteil des erlaubten Apothekenbetriebs des Klägers geworden. Soweit der Beklagte nunmehr hiergegen vorgehen will, hätte es zunächst entgegen seiner Auffassung eines Widerrufs des Ergänzungsbescheids zur Apothekenbetriebserlaubnis vom 17.05.2005 bedurft (§ 4 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ApoG, § 4 Abs. 1 und Abs. 6 ApBetrO betreffend die „nicht erlaubten Räume“). Einen derartigen Widerruf hat der Beklagte indes nicht ausgesprochen und einem derartigen Widerruf steht auch entgegen, dass die Widerrufsfrist von einem Jahr (§ 48 Abs. 4 VwVfG) im Zeitpunkt der Untersagungsverfügung vom 03.05.2018 längst abgelaufen war. Der Beklagte hatte seit 2005 Kenntnis davon, dass der Kläger in seiner Apotheke einen Kosmetikraum betreibt. Dieser Kosmetikraum war auch bei den Überprüfungen vor Ort in den Jahren 2011 und 2014 vorhanden, ohne dass diesbezüglich Beanstandungen erfolgt sind. Auch die TÜV-Zertifizierung der Kosmetikbehandlung war dem Beklagten aktenkundig bekannt (Blatt 14 der Behördenvorgänge). Daher kann der Beklagte sich nicht darauf zurückziehen, er habe von dem Kosmetikraum und den Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers keinerlei Kenntnis gehabt. Insoweit erscheint es auch rechtsmissbräuchlich, wenn der Beklagte sich darauf berufen sollte, eine relevante Kenntnis aller für einen Widerruf maßgeblichen Umstände könne erst dann vorliegen, wenn der Betroffene hierzu angehört worden sei und dies sei erst die Antwort auf die Anhörung vom 10.01.2018 gewesen. Denn seit der Kenntnis des Beklagten von dem Vorhandensein des Kosmetikraums und der Durchführung der Kosmetikbehandlungen seit spätestens 2005 bis zur Anhörung am 10.01.2018 ist ein Zeitraum von annähernd 13 Jahren vergangen, so dass der Beklagte sich nicht darauf berufen kann, er habe noch im Jahr 2018 den Kläger erst zu diesem Kosmetikraum anhören müssen, bevor die Untersagungsverfügung erlassen werde, unabhängig davon, dass mit der Untersagung noch nicht der erforderliche Widerruf der Apothekenbetriebsergänzungserlaubnis vom 17.05.2005 verbunden ist. Zudem stünde einem Widerruf wie auch einer Untersagung von Kosmetikbehandlungen auch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Der Kosmetikraum in der Apotheke des Klägers war dem Beklagten zumindest seit der Apothekenbetriebsergänzungserlaubnis vom 17.05.2005 und den Kontrollen vor Ort in den Jahren 2011 und 2014 bekannt, ohne dass der Beklagte dies zum Anlass genommen hätte, hiergegen vorzugehen. Auch nach dem bereits zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Minden, welches zumindest bei der Kontrolle vor Ort im Jahr 2014 bekannt war, hat der Beklagte nichts unternommen, um gegen die Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers vorzugehen oder hierzu vom Kläger nähere Angaben zu verlangen. Hierdurch hat der Beklagte bei dem Kläger einen Vertrauensschutz geschaffen, der es als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB entsprechend) erscheinen lässt, wenn der Beklagte erst nach der Kontrolle vor Ort im Jahr 2017 Anlass dafür sieht, gegen die Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers vorzugehen. Es erscheint rechtsmissbräuchlich, den Kosmetikraum im Jahr 2005 zum Bestandteil der Apothekenbetriebserlaubnis zu machen um dann, im Jahr 2018, mit der Begründung dagegen vorzugehen, die Apothekenbetriebsordnung sei im Jahr 2012 geändert worden und seitdem sei gesetzgeberisch klargestellt, dass Kosmetikleistungen keine apothekenübliche Dienstleistungen seien. Zum einen ist dem entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht Minden, wie bereits zitiert, schon im Jahr 2011 und damit vor Änderung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 zu Kosmetikräumen in einer Apotheke entschieden hatte und zum anderen, dass der Beklagte zumindest seit 2005 und auch seit den Kontrollen vor Ort in den Jahren 2011 und 2014 von dem Kosmetikraum Kenntnis hatte, aber erst nach der Kontrolle im Jahr 2017 Anlass dazu gesehen haben will, gegen die Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers vorgehen zu sollen. Etwaige Verwaltungsdefizite können daher nicht zu Lasten des Klägers gehen, sondern allenfalls das Entscheidungsermessen des Beklagten dahingehend einschränken, dem Kläger die Kosmetikbehandlungen in der Apotheke nicht zu untersagen. Die Zeit „duldender Untätigkeit“ des Beklagten seit Änderung der ApBetrO 2102 in Kenntnis der Kosmetikbehandlungen in der Apotheke des Klägers ist so lang gewesen, dass dem Kläger Vertrauensschutz zuzubilligen ist mit der weiteren Folge, dass die Untersagung im Jahr 2018 als unbillig und gegen das Übermaßverbot verstoßend anzusehen ist. Ein derart zauderliches und zögerliches Vorgehen einer Behörde erscheint rechtsmissbräuchlich. In Analogie zu der Regelverjährung für das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, im BGB von 3 Jahren (vgl. §§ 194, 195 BGB) und ausgehend von der Besichtigung der Apotheke des Klägers im Jahr 2014 war zumindest im Zeitpunkt der Anhörung des Klägers zur geplanten Untersagung der Kosmetikbehandlungen am 10.01.2018 davon auszugehen, dass der durch den Beklagten begründete Vertrauensschutz des Klägers die Untersagungsanordnung vom 03.05.2018 auch dann als rechtswidrig erscheinen lässt, wenn die Kosmetikleistungen in der Apotheke des Klägers tatsächlich gegen § 1a Abs. 11 ApBetrO verstoßen sollten, was jedoch, wie bereits dargelegt, zur Überzeugung des Gerichts nicht der Fall ist.

 

Nach alledem erweist sich die Untersagungsverfügung in Nr. 1 des Bescheids des Beklagten vom 03.05.2018 als rechtswidrig mit der Folge, dass auch die Zwangsgeldandrohung und die Kostenfestsetzung rechtswidrig sind und der Bescheid insgesamt der Aufhebung unterliegt.

 

Als unterliegender Beteiligter hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und Abwendungsbefugnis folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Die Berufung ist zuzulassen, um dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof rechtsgrundsätzlich die Gelegenheit zu geben zu klären, ob es sich bei Kosmetikbehandlungen in Apothekenbetriebsräumen um apothekenübliche Dienstleistungen handelt oder nicht bzw. ob die Voraussetzungen für die Untersagung derartiger Dienstleistungen und ab welchem Umfang vorliegen.

 

Anmerkung der Redaktion: Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Berufung ist unter dem Az.: 8 A 1358/19 anhängig beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof.